1990–1999
„Vergebung finden”
April 1995


„Vergebung finden”

Die Schritte der Umkehr … bringen Reinheit, inneren Frieden, Selbstachtung, Hoffnung und schließlich einen neuen Menschen mit einem neuen Leben und ungezählten Möglichkeiten.

Ich bin vor kurzem auf einer mir unbekannten Straße gefahren. Auf einmal stand da ein großes, vorübergehend aufgestelltes Schild mit der Aufschrift „Straßenschäden”. Die Straße wurde wirklich sehr schlecht, und wäre ich nicht gewarnt gewesen, hätte es ein schlimmes Erlebnis werden können. Das Leben ist auch so. Es ist voller Schwierigkeiten. Manchmal sind es Prüfungen, die uns stärker machen. Manchmal bringen wir uns durch Ungehorsam in Schwierigkeiten. Auch hier kann es sehr von Vorteil sein, wenn wir gewarnt werden. Straßenschäden machen allen Autofahrern gleichermaßen zu schaffen, bis sie behoben werden. Auf der Straße des Lebens ist das anders. Jeder von uns hat seine eigenen Schwierigkeiten, die ihm helfen sollen, sich weiterzuentwickeln. Außerdem können falsche Entscheidungen den Weg noch weiter versperren. Aber wir können den Weg wieder ebnen, die Schlaglöcher auffüllen und unseren Weg verschönern. Dieser Vorgang wird als Umkehr bezeichnet, und das Ziel ist die Vergebung.

Wenn Sie die Warnungen mißachtet haben und Ihr Lebensweg Schaden genommen hat und schwere Straßenschäden Sie behindern, so gibt es doch Hilfe. Diese Hilfe macht es Ihnen möglich, neue Kraft zu schöpfen und Ihr beschädigtes Leben neu aufzubauen. Sie können neu anfangen und Ihren Weg ändern - weg von dem Weg, der Sie nach unten führt und nur enttäuscht, hin zum wundervollen Weg zu innerem Frieden und Glück.

Ich möchte Ihnen helfen, diese Linderung zu finden. Dazu muß ich Ihnen ein paar Hintergrundinformationen geben, damit Ihnen das Heilmittel eher einleuchtet und die Schritte hin zur Heilung einen tieferen Sinn erhalten.

Jede falsche Entscheidung, die wir treffen, jede Sünde, die wir begehen, verstößt gegen ewiges Gesetz. Diese Übertretung zieht normalerweise negative Folgen nach sich, die wir recht bald erkennen. Unser Tun zeitigt aber auch noch andere Folgen, derer wir uns vielleicht gar nicht bewußt sind. Aber sie sind trotzdem ganz real. Sie können sich ungeheuer auf unser Erdenleben und ganz gewiß sehr auf das Leben im Jenseits auswirken. Wenn wir ein ewiges Gesetz übertreten haben, können wir aus uns selbst heraus überhaupt nichts tun, um den Forderungen der Gerechtigkeit zu genügen. Wenn aber den Forderungen der Gerechtigkeit nicht Genüge getan wird, werden wir die negativen Folgen ohne Ende zu spüren bekommen.

Nur das Leben, die Lehren und vor allem das Sühnopfer Jesu Christi können uns aus dieser sonst unmöglich zu behebenden mißlichen Lage befreien. Jeder von uns hat schon große und kleine Fehler begangen, die uns von der Gegenwart Gottes fernhalten, wenn wir sie nicht bereinigen. Deshalb ist das Sühnopfer Jesu Christi das überragendste Ereignis unserer Geschichte. Dieser selbstlose Akt von unendlicher Bedeutung, den ein herrliches Wesen ganz allein vollbracht hat, ist von ewiger Bedeutung für jeden Sohn und jede Tochter des Vaters im Himmel - ohne Ausnahme. (Siehe Mosia 5:10-13.) Es zerreißt die Fesseln des Todes. Es rechtfertigt, daß der Herr letztlich über uns richten wird. (Siehe 2 Nephi 2:10.) Es kann verhindern, daß wir in Ewigkeit dem Teufel unterworfen bleiben. (Siehe 2 Nephi 9:7-9.) Es eröffnet den Weg zu Erhöhung und ewigem Leben - für alle, die sich durch Umkehr und Gehorsam würdig machen, Vergebung zu erlangen. (Siehe 2 Nephi 2:5-8.)

Der Erlöser kann für Sie den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun und durch den barmherzigen Weg der Umkehr Vergebung gewähren. (Siehe Alma 42:15.) Damit das Wunder des Sühnopfers für Sie in Kraft treten kann, müssen Sie vollständig umgekehrt sein. Wenn Sie das Sühnopfer verstehen, werden Sie einsehen, daß Gott kein eifersüchtiges Wesen ist, das sich daran erfreut, diejenigen zu verfolgen, die Fehler begehen. Er ist ein absolut vollkommener, mitfühlender, verständnisvoller, geduldiger und vergebungsbereiter Vater. Er ist bereit, zu bitten, zu beraten, zu stärken, zu erheben. Er liebt einen jeden von uns so sehr, daß er bereit war, seinen vollkommenen, sündenlosen, absolut gehorsamen, völlig rechtschaffenen Sohn unbeschreibliche Qualen erleiden und sich für alle opfern zu lassen. (Siehe Helaman 5:9.) Durch jenes Sühnopfer können wir in einer Welt leben, wo absolute Gerechtigkeit herrscht, damit in der Welt Ordnung ist. Aber diese Gerechtigkeit wird dadurch abgemildert, daß uns durch den Gehorsam gegenüber den Lehren Jesu Christi Barmherzigkeit zuteil werden kann.

Wer von uns bedürfte des Wunders der Umkehr nicht? Ob Ihr Leben durch Ihre Fehler nur leicht befleckt oder ob es schwer entstellt ist, grundsätzlich geht die Genesung gleich vonstatten. Die Länge und Schwere der Behandlung ist den Umständen angemessen. Uns muß es um die Vergebung gehen! Der einzig mögliche Weg hin zu diesem Ziel ist die Umkehr. Denn es steht geschrieben, „daß es keinen anderen Weg und keine anderen Mittel gibt, wodurch der Mensch errettet werden kann, als nur das sühnende Blut.Jesu Christi.”

Der Herr wird aber nicht kommen, um sein Volk „in ihren Sünden zu erlösen, sondern um sie von ihren Sünden zu erlösen.

Und ihm ist Macht gegeben vom Vater, sie von ihren Sünden zu erlösen, und zwar infolge von Umkehr.” (Helaman 5:9-11; Hervorhebung hinzugefügt).

Durch Gehorsam und durch Glauben an Jesus Christus erlangen Sie die Kraft, der Versuchung zu widerstehen. Helaman lehrt: „Denkt daran, daß ihr euren Grund auf dem Fels eures Erlösers - und das ist Christus, der Sohn Gottes, legen müßt; damit, wenn der Teufel seine mächtigen Winde aussenden wird, … wenn all sein Hagel und sein mächtiger Sturm auf euch niederfallen, dies keine Macht über euch haben wird, euch in den Schlund des … endlosen Wehs hinabzuziehen, und zwar wegen des Felsens, auf den ihr gebaut seid, der eine sichere Grundlage ist - und wenn die Menschen auf dieser Grundlage bauen, können sie nicht fallen.” (Helaman 5:12.)

Vergebung kommt durch Umkehr. Was ist Umkehr? Wie geht sie vor sich? Was sind die Folgen? Diese Fragen sehen vielleicht unbedeutend aus, aber es ist wohl klar, daß viele nicht wissen, wie sie umkehren sollen.

In seinem Buch Das Wunder der Vergebung zeigt Spencer W. Kimball auf hervorragende Weise auf, wie Umkehr zu Vergebung führt. Es hat schon vielen geholfen, den Weg zurück zu finden. Er führt fünf wesentliche Elemente der Umkehr auf.

Reue über die Sünde. Studieren Sie und sinnen Sie nach, um zu ermitteln, für wie schwerwiegend der Herr Ihre Sünde erachtet. Das führt zu heilsamer Reue. Es führt auch dazu, daß Sie sich von Herzen gern ändern wollen und bereit sind, sich allen Bedingungen zu unterwerfen, damit Ihnen vergeben werden kann. Alma lehrt: „Die Gerechtigkeit macht alle ihre Forderungen geltend, und die Barmherzigkeit beansprucht auch alles, was ihr zukommt; und so wird niemand als nur der wahrhaft Bußfertige errettet.” (Alma 42:24.)

Von der Sünde lassen. Das ist der unbeugsame, unabänderliche Beschluß, die Übertretung nicht zu wiederholen. Wenn man sich an diese Verpflichtung hält, braucht man den bitteren Nachgeschmack der Sünde nicht wieder zu kosten. Vergessen Sie nicht: „Aber zu der Seele, die sündigt, werden die früheren Sünden zurückkehren.” (LuB 82:7.) Joseph Smith hat erklärt: „Umkehr ist nicht etwas, womit man jeden Tag leichtfertig umgehen kann. Tag für Tag Übertretung und Tag für Tag Umkehr - das ist in den Augen Gottes nicht angenehm.” (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 151.)

Die Sünde bekennen. Man muß dem Herrn jede Sünde bekennen. Wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt, zum Beispiel um Unkeuschheit, muß man sie dem Bischof beziehungsweise dem Pfahlpräsidenten bekennen. Sie müssen aber wissen: Bekennen ist nicht gleich Umkehr. Es ist ein wesentlicher Schritt, der aber allein nicht ausreicht. Wenn man nur teilweise bekennt, also weniger schwerwiegende Fehler eingesteht, ist eine schwerwiegendere Übertretung, die man aber verschweigt, damit noch nicht bereinigt. Um Vergebung zu erlangen, muß man bereit sein, dem Herrn und gegebenenfalls dem Priestertumsträger, der als Richter fungiert, alles zu bekennen, was man getan hat. Vergessen Sie nicht: „Wer seine Sünden verheimlicht, hat kein Glück, wer sie bekennt und meidet, findet Erbarmen.” (Sprichwörter 28:13.)

Wiedergutmachung für die Sünde. Sie müssen so weit wie möglich alles ersetzen, was gestohlen, beschädigt oder beschmutzt wurde. Die bereitwillige Wiedergutmachung dient dem Herrn als Beweis dafür, daß Sie sich dazu verpflichtet haben, alles zu tun, was Sie können, um umzukehren.

Gehorsam gegenüber allen Geboten. Der vollständige Gehorsam macht das Evangelium für Sie ganz und gar wirksam, und Sie haben die Kraft, sich darauf zu konzentrieren, von bestimmten Sünden zu lassen. Dazu gehört manches, was Sie ursprünglich vielleicht gar nicht als zur Umkehr gehörig betrachten, nämlich der Besuch der Versammlungen, das Zahlen des Zehnten, das Dienen und die Vergebungsbereitschaft. Der Herr hat gesagt: „Wer umkehrt und nach den Geboten des Herrn tut, dem wird vergeben.” (LuB 1:32; Hervorhebung hinzu gefügt.)

Ich möchte noch einen sechsten Schritt hinzufügen, nämlich: Jesus Christus anerkennen. Alle diese Schritte sind für die Umkehr vonnöten, aber ich bezeuge: am allerwichtigsten ist es, daß Sie fest davon überzeugt sind, daß die Vergebung durch den Erlöser möglich geworden ist. Es ist überaus wichtig, zu wissen, daß Ihnen nur nach seinen Bedingungen vergeben werden kann. Hören Sie, was Alma dazu gesagt hat: Ich war „in bitterster Qual und Seelenpein; und erst als ich den Herrn Jesus Christus um Barmherzigkeit anrief, habe ich Vergebung für meine Sünden empfangen.” (Alma 38:8.) Ihnen wird geholfen, wenn Sie Glauben an Jesus Christus üben. (Siehe Alma 11:40; 2 Nephi 9:22-24.) Das bedeutet, daß Sie ihm vertrauen und daß Sie seinen Lehren vertrauen. Der Satan will Sie glauben machen, von einer schwerwiegenden Übertretung könne man nie ganz loskommen. Aber Jesus Christus hat sein Leben hingegeben, damit wir die Auswirkungen aller Übertretungen hinter uns lassen können, bis auf das Vergießen unschuldigen Bluts und das Leugnen des Heiligen Geistes.

Die Frucht wahrer Umkehr ist die Vergebung, die uns die Tür zu allen Bündnissen und heiligen Handlungen, die es auf der Erde gibt, und zu den damit verbundenen Segnungen öffnet. Wenn ein umkehrbereiter Mensch sich taufen läßt, sind alle seine früheren Sünden vergeben, und er braucht nicht mehr daran zu denken. Wenn die Umkehr vollständig ist und man rein ist, hat man einen neuen Ausblick auf das Leben und all die herrlichen Möglichkeiten, die es bietet. Wie wundervoll doch diese Verheißung des Herrn ist: „Siehe, wer von seinen Sünden umgekehrt ist, dem wird vergeben, und ich, der Herr, behalte sie nicht mehr im Gedächtnis.” (LuB 58:42.) Der Herr steht immer, immer treu zu seinem Wort.

Trösten Sie sich nicht damit, daß Ihre Übertretungen niemand anderem bekannt sind. Dann handeln Sie wie der Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt. Er sieht nur Dunkelheit und meint, er hätte sich gut versteckt. Dabei verhält er sich in Wirklichkeit lächerlich auffällig. So sehen auch der Vater im Himmel und sein geliebter Sohn alles, was wir tun. Sie kennen uns in- und auswendig.

Ehebruch, Unzucht, homosexuelles Verhalten und anderes, gleich schwerwiegendes Fehlverhalten sind kein akzeptabler, alternativer Lebensstil, sondern schwerwiegende Sünden. Körperliche Mißhandlung und sexueller Mißbrauch sind schwerwiegende Sünden. Solche schwerwiegenden Sünden bedürfen der gründlichen Umkehr, ehe sie vergeben werden können. Präsident Kimball hat erklärt: „Jede Vergebung ist an eine Bedingung geknüpft. Das Pflaster muß der Größe der Wunde angemessen sein. Das Fasten, das Beten, die Demut müssen der Sünde gleich beziehungsweise noch umfassender sein.” (The Mir ade of Forgiveness, Seite 353.) „Es ist unvorstellbar, daß Gott uns von schwerwiegenden Sünden freispricht, wenn wir bloß ein paarmal darum bitten. Er wartet vielmehr so lange, bis wir lange und dauerhaft umgekehrt sind.” (The Teachings of Spencer W. Kimball, Seite 85.)

Wenn Sie schwerwiegende Übertretungen begangen haben, wird Ihnen das, was Sie getan haben, keine dauerhafte Befriedigung schenken. Wenn man seine Sünden zudeckt, mag es so aussehen, als sei alles in Ordnung, aber dem ist nicht so. Der Versucher ist darauf aus, Ihre peinlichsten Taten zum schlimmsten Zeitpunkt publik zu machen. Lügen weben ein Netz, das Sie immer mehr einengt und zur Falle wird, die der Satan einmal zuschnappen läßt, um Ihnen zu schaden.

Manchmal sind die Schritte der Umkehr anfangs schwierig und schmerzlich, wie die Reinigung eines beschmutzten Kleidungsstücks. Aber sie bringen Reinheit, inneren Frieden, Selbstachtung, Hoffnung und schließlich einen neuen Menschen mit einem neuen Leben und ungezählten Möglichkeiten.

Diese Schriftstelle zeigt auf, was Sie tun müssen: „Doch fasteten und beteten sie oft und wurden in ihrer Demut stärker und stärker, wurden immer standhafter im Glauben an Christus, so daß ihre Seele mit Freude und Trost erfüllt wurde”, weil sie nämlich ihr Herz Gott hingaben (siehe Helaman 3:35).

Ich möchte Sie alle zum Abschluß voll Mitgefühl und aufrichtigen Herzens auffordern, Ihr Leben zu betrachten. Sind Sie von den Grundsätzen abgewichen, von denen Sie doch wissen, daß sie Sie glücklich machen? Gibt es eine finstere Ecke, die Sie auskehren müssen? Tun Sie derzeit etwas, was falsch ist? Hegen Sie unreine Gedanken? Ruft Ihr Gewissen Sie zur Umkehr auf, wenn Sie in einem stillen Augenblick zur Besinnung kommen?

Bitte kehren Sie um, damit Sie jetzt inneren Frieden haben und für immer glücklich sein können. Schütten Sie dem Herrn Ihr Herz aus, und bitten Sie ihn um Hilfe. Dann wird Ihnen Vergebung zuteil werden, und Sie finden inneren Frieden. Sie werden erkennen, daß Sie rein und heil geworden sind. Bringen Sie den Mut auf, den Herrn zu bitten, er möge Ihnen die Kraft schenken, jetzt umzukehren. Ich bezeuge feierlich: Jesus Christus ist der Erlöser. Ich weiß, daß er lebt. Ich bezeuge, daß er Sie liebt und daß er Ihnen helfen wird.

Erlangen Sie Vergebung von ihm, indem Sie jetzt umkehren. Im Namen Jesu Christi. Amen.