Wie der Mensch denkt, so ist er

Dallin H. Oaks

vom Kollegium der Zwölf Apostel

Ein Abend mit Elder Dallin H. OaksAnsprache vor Religionslehrern des Bildungswesens der Kirche • 8. Februar 2013 • Tabernakel in Salt Lake City

Dallin H. Oaks

Meine lieben Brüder im Dienst, ich interessiere mich schon seit langem für die Unterweisung unserer Jugendlichen. Im Jahr 1967 – noch bevor viele von Ihnen geboren wurden – begann unsere älteste Tochter in Chicago mit dem Seminar am frühen Morgen. Seitdem sind mehr als 45 Jahre vergangen, und in dieser Zeit haben meine Kinder, Enkelkinder und jetzt auch eine Urenkelin das Seminar, das Institut oder eine Universität des Bildungswesens der Kirche besucht. Als Lehrer, Angestellte und Verwaltungskräfte, als Missionare im Bildungswesen der Kirche und als Mitarbeiter dieser Diener des Herrn haben Sie eine große Verantwortung, was die Vorbereitung der heranwachsenden Generation auf ihre Aufgaben in der Kirche und im Reich Gottes anbelangt.

I.

Unsere jungen Leute sind erstaunlich, was ihren Glauben und ihre Hingabe an alles, was gut und recht ist, betrifft. An welchen rechtschaffenen Kriterien man sie auch misst – sie sind außergewöhnlich. So hat zum Beispiel eine Studie vor kurzem ergeben, dass der Prozentsatz junger Mormonen, die ihrem Glauben treu bleiben und regelmäßig den Gottesdienst besuchen, unter allen Glaubensgemeinschaften in Amerika der höchste ist.2 Ich glaube, unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind besser als alle früheren Generationen. Und doch brauchen sie unsere Hilfe. Wir müssen sie gegen die Ablenkungen und die Übel, von denen sie umgeben sind und die intensiv und überzeugend sind, stärken. In einer Ansprache vor einer ebensolchen Zuhörerschaft aus dem Bildungswesen der Kirche vor fast zehn Jahren hat Präsident Boyd K. Packer festgestellt, dass sich „die Welt … immer schneller wie in einer Spirale abwärts [bewegt]“3. Und bei der erneuten Weihung des Boise-Idaho-Tempels im letzten November hat Präsident Thomas S. Monson gesagt, dass sich unsere jungen Mitglieder „in einer Welt bewegen, die von der Hinterhältigkeit des Satans durchtränkt ist“4.

Die Schwierigkeiten, denen sich Evangeliumslehrer – Eltern wie diejenige, die berufen oder angestellt sind – gegenübersehen, werden noch vergrößert durch die moderne Technik, auf die ihre jungen Schüler jederzeit Zugriff haben. Schwester Julie B. Beck, ehemalige FHV-Präsidentin, hat dies vor ein paar Jahren so beschrieben: „Es gibt überall familienfeindliche Medienbotschaften, und unsere jungen Leute haben ständig damit zu tun. … Trotz allen Unterrichts, den sie von Ihnen erhalten, finden die jungen Menschen immer weniger einen Grund dafür, eine Familie zu gründen oder zu heiraten. Sie verspüren immer weniger, dass es doch notwendig ist, eine ewige Familie zu gründen.“5

Ich möchte über einige dieser familienfeindlichen Botschaften sprechen und ein paar Vorschläge machen, was wir dem entgegenhalten können. Im Rahmen Ihres turnusmäßigen Unterrichts über die heiligen Schriften ist es Ihre Aufgabe, die grundlegende Lehre von der Ehe und der Familie zu vermitteln. Meine Botschaft soll Ihnen dabei helfen. Ich möchte den bemerkenswerten, vom Himmel inspirierten Hilfen, die vor kurzem in großer Fülle herausgegeben wurden, um unsere jungen Mitglieder in ihrer Aufgabe, das Werk des Herrn in diesen Letzten Tagen zu beschleunigen, noch etwas hinzufügen.6

II.

Manchmal ist das Wichtigste, was wir lehren können – das, was unsere Schüler am meisten brauchen – das, was wir Lehrer in der Regel für selbstverständlich halten. Es kann sein, dass wir es versäumen, die einfachen, grundlegenden Wahrheiten zu vermitteln, weil wir davon ausgehen, dass alle sie verstanden haben. Denken Sie einmal an die grundlegende Bedeutung dieser einfachen Wahrheit aus der Bibel, die der Prophet Jesaja verkündete:

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.

So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jesaja 55:8,9.)

Im zweiten Buch Nephi, Kapitel 9, wird etwas Ähnliches über die Torheit der Gelehrten gesagt, die den Rat Gottes beiseite schieben (siehe 2 Nephi 9:28). Und in Lukas lesen wir, was Jesus den Pharisäern antwortete, die ihn wegen seiner Lehren verspotteten: „Ihr redet den Leuten ein, dass ihr gerecht seid; aber Gott kennt euer Herz. Denn was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel.“ (Lukas 16:14,15.)

Aus diesen Schriftstellen schließe ich, dass ein Jünger Christi anders denkt als andere. Dieser Gedanke beschlich mich zum ersten Mal, als ich als junger Mann an der Universität Chicago Jura studierte. Ich war im Land der Mormonen aufgewachsen und hatte nur wenig Kontakt zu Andersgläubigen gehabt, und so war ich fasziniert, als ich erfuhr, dass jemand, der Teilzeit in unserer Jurabibliothek arbeitete, Theologie studierte und seinen Doktortitel in diesem Fach anstrebte. Stellen Sie sich vor, wie überrascht ich war, als ich in unseren Gesprächen erfuhr, dass er zwar glaubte, dass Jesus Christus „ein großer Lehrer“ war, dass er aber nicht glaubte, dass Jesus der heilige Sohn Gottes war.

„Welcher Kirche gehören Sie an?“, fragte ich ihn naiv.

„Ach, das spielt keine Rolle“, entgegnete er. „Ich nehme jede Stelle an, die mir eine gute Position verschafft – als Lehrer, Prediger oder Berater.“

Dieser Mann wollte etwas tun, was er für gut befand, aber ihm fehlte die entscheidende Glaubensgrundlage, nämlich der Glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Ich hatte angenommen, dass alle Christen daran glauben. Was den Sinn und die Ausübung der Religion betrifft, war er offenbar anderer Ansicht als ich.

Das ist mein Thema. Ich möchte über die Tatsache sprechen, dass die Heiligen der Letzten Tage in Bezug auf eine Vielzahl wichtiger Themen, die mit Religion zu tun haben, anders denken als viele andere, und wie bedeutsam das ist.

III.

Wenn ich sage, die Heiligen der Letzten Tage „denken anders“, möchte ich damit nicht andeuten, dass unser Verstand sich in der Art und Weise unterscheidet, wie wir denken. Ich möchte vielmehr auf die Tatsache verweisen, dass sich bei vielen wichtigen Themen unsere Voraussetzungen – der Ausgangspunkt oder die Hauptprämissen – von denen vieler unserer Freunde und Kollegen unterscheiden. Sie unterscheiden sich auch von vielen Annahmen, die derzeit in den Medien und anderweitig in der Öffentlichkeit kursieren. Da wir Heiligen der Letzten Tage beispielsweise den Plan des himmlischen Vaters für seine Kinder kennen, wissen wir, dass dieses Erdenleben nicht ein Einakter ist, der sich zwischen einer unbekannten Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft abspielt. Dieses Leben ist wie der zweite Teil in einem Dreiakter. Sein Zweck definiert sich durch das, was über unsere geistige Existenz im ersten Akt und unsere ewige Bestimmung im dritten Akt offenbart ist. Weil wir von diesem Plan und anderen Wahrheiten wissen, die Gott offenbart hat, haben wir eine ganz andere Ausgangsbasis als diejenigen, die unsere Erkenntnis nicht teilen. Daher gelangen wir bei vielen wichtigen Themen, die andere nur auf Grundlage ihrer Ansichten vom Erdenleben beurteilen, zu anderen Schlussfolgerungen.

In mancher Hinsicht gleicht unsere Erfahrung der des Apostels Petrus, von der in Matthäus 16 berichtet wird. Jesus sagte seinen Aposteln, dass er bald nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohen Priestern und Schriftgelehrten vieles erleiden und schließlich getötet werden würde.

„Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!

Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ (Matthäus 16:22,23.)

Petrus würdigte nicht das, „was Gott will, sondern was die Menschen wollen“, als er die Ansicht vertrat, Jesus solle nicht in Jerusalem getötet werden. Da er seinen Verstand nach der Weisheit der Menschen gebrauchte, kam er zu einem falschen Schluss. Hätte Petrus in dieser Situation das im Sinn gehabt, „was Gott will“, und das Ganze von dem Plan aus betrachtet, in dem vorgesehen war, dass der Erlöser starb, wäre er nicht zurechtgewiesen worden. Dann hätte er „die Gedanken des Herrn“ oder „den Geist des Herrn“ gehabt, wie es in den heiligen Schriften heißt (Römer 11:34; 1 Korinther 2:16; LuB 102:23; siehe auch 2 Nephi 9:39), wozu gehört, dass man die ewigen Wahrheiten und Lehren des Evangeliums versteht und klar darüber nachdenken kann, welchen Bezug sie zu den verschiedenen Situationen haben, denen wir im Erdenleben begegnen.

Wir leben in einer Welt, wo viele etwas befürworten oder praktizieren, was dem Willen Gottes – seinem Erlösungsplan – entgegensteht. Daraus ergibt sich ein Großteil der Missverständnisse und Widerstände, die unseren Kindern und Jugendlichen von Freunden und Kameraden entgegenschlagen. Wir sind zum Beispiel von Menschen und einer Kultur umgeben, in der behauptet wird, es sei nicht verkehrt, eine sexuelle Beziehung zu haben, ohne verheiratet zu sein. Eine Umfrage hat neulich erst ergeben, das 53 Prozent der Menschen in den Vereinigten Staaten diese Ansicht vertreten.7 In meiner Konferenzansprache vom letzten Oktober habe ich etwas Ähnliches zitiert – einem aktuellen Bericht zufolge waren bei 41 Prozent aller Geburten in den Vereinigten Staaten die Mütter nicht verheiratet.8 Die meisten dieser Kinder hatten Eltern, die unverheiratet zusammenlebten. Es ist üblich und wird von vielen akzeptiert, dass Paare Kinder bekommen und sie aufziehen, ohne verheiratet zu sein.

Wie sollen unsere Jugendlichen reagieren, wenn ihre Klassenkameraden und sogar ihre Lehrer zu dem Schluss kommen, dass die Ehe nicht mehr wichtig sei und Kinder keinen Nachteil hätten, wenn ihre Eltern nicht verheiratet sind? Und wie sollen sie auf Vorschläge, die Familie neu zu definieren, reagieren?

Ich meine, dass es für unsere jungen Leute vielleicht besser wäre, sich gar nicht erst darauf einzulassen, mit ihren Klassenkameraden über solche Behauptungen oder Vorschläge zu streiten. Sie sind oft besser beraten, wenn sie die weltlichen Prämissen oder Annahmen in den Behauptungen, mit denen sie konfrontiert werden, benennen und dann die andersartigen Lehren oder Prämissen aufzählen, die das Denken der Heiligen der Letzten Tage bestimmen. Das wird ihnen nicht die Zustimmung Andersgläubiger einbringen, aber auf diese Weise kann man einen Streit über unterschiedliche Schlussfolgerungen vermeiden und die eigentliche Ursache der Meinungsverschiedenheit ermitteln.

Noch ein weiteres Beispiel: Eine machtvolle und einflussreiche moderne Denkrichtung ist der „moralische Relativismus“ – der Gedanke, dass es „absolut richtig“ und „absolut falsch“ gar nicht gibt. Hinter diesem Gedanken steckt die Annahme, dass es keinen Gott gibt oder, wenn es einen Gott gibt, dass er keine Gebote gegeben hat, die für uns heute gelten. Diese Vorstellung bringt diejenigen, die sie vertreten, in die gleiche Lage wie die unglücklichen Menschen, die der Prophet Mormon als „ohne Christus und Gott in der Welt; und … umhergejagt wie Spreu vor dem Wind“ bezeichnet (Mormon 5:16).

Die Heiligen der Letzten Tage setzen natürlich bei einer anderen Prämisse an: Es gibt einen Gott, der die Quelle eines ewigen Gesetzes ist, und er hat Gebote gegeben, die für viele Entscheidungen vorgeben, was richtig und was falsch ist. Außerdem werden wir im dritten Akt des ewigen Plans Gottes dafür zur Rechenschaft gezogen, inwieweit unser Verhalten und unsere Wünsche auf der Erde mit diesen Geboten im Einklang waren. Wir lehnen den moralischen Relativismus ab, und wir müssen unseren Jugendlichen helfen, sich durch Argumente und Schlussfolgerungen, die auf falschen Annahmen beruhen, nicht täuschen und überzeugen zu lassen.

IV.

Wo finden wir die Prämissen, bei denen unsere Schlussfolgerungen in Bezug auf die Wahrheit oder Annehmbarkeit verschiedener Vorschläge ansetzen? Wir verankern uns im Wort Gottes, das in den heiligen Schriften und in den Lehren der neuzeitlichen Propheten enthalten ist. Bevor wir diese Wahrheiten nicht als unsere Hauptprämissen verankert haben, können wir nicht sicher sein, dass unsere Schlussfolgerungen richtig sind. Wenn wir in ewigen Wahrheiten verankert sind, schützt uns dies zwar nicht vor der Drangsal und Verfolgung, die Jesus vorhergesagt hat (siehe Matthäus 13:21), aber es schenkt uns den Frieden, der daraus resultiert, dass wir an Jesus Christus glauben und wissen, dass wir auf dem Weg zum ewigen Leben sind. Rufen Sie Ihren Schülern die folgenden Lehren in Erinnerung, die der Ausgangspunkt für unsere Ansichten zu vielen neuzeitlichen Trends und populären Meinungen sind.

Wir denken über Fragen, die die Familie betreffen, anders als viele Menschen in der Welt, und zwar aufgrund unseres Wissens über den ewigen Zweck und die Art unserer familiären Beziehungen. In unserer Proklamation zur Familie heißt es, „dass die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott verordnet ist und dass im Plan des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die Familie im Mittelpunkt steht“.9 Mit dem Wissen, dass die Ehe zwischen Mann und Frau grundlegend für Gottes ewigen Plan ist, pflegen die Heiligen der Letzten Tage den althergebrachten religiösen Grundsatz, dass die Ehe in erster Linie dazu eingerichtet ist, Kinder in die Welt zu setzen und aufzuziehen. Wir halten auch an der bewährten Erfahrung fest, dass die Ehe die beste Einrichtung für das wirtschaftliche, politische und moralische Wohlergehen der Menschheit ist. Präsident Spencer W. Kimball hat vor vielen Jahren gesagt: „Wir wissen: Wenn es in der Familie schiefgeht, geht es auch in jeder anderen Institution der Gesellschaft schief.“10

Wir lehnen die moderne Vorstellung ab, dass die Ehe eine Beziehung sei, die hauptsächlich dazu dient, den Beteiligten Erfüllung zu verschaffen, und dass diese sie nach Belieben beenden können. Wir konzentrieren uns auf das Wohlergehen der Kinder und nicht nur auf uns selbst.

Im Handbuch unserer Kirche heißt es: „Gott hat es so vorgesehen, dass beide, Mann und Frau, gebraucht werden, um Kindern ein Leben auf Erden zu ermöglichen und die besten Voraussetzungen für ihre Erziehung und Versorgung zu schaffen.“11

In unserer Proklamation zur Familie wird verkündet: „Kinder haben ein Recht darauf, im Bund der Ehe geboren zu werden und in der Obhut eines Vaters und einer Mutter aufzuwachsen, die die Ehegelübde in völliger Treue einhalten.“12

Unser Glaube, dass wir das Gebot erhalten haben, „die Ehegelübde in völliger Treue [einzuhalten]“, leitet zur nächsten grundlegenden Prämisse über, die in der Proklamation zur Familie genannt wird: „Gott [hat] geboten ..., dass die heilige Fortpflanzungskraft nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt werden darf, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind.“13

Diese Aussage hat zwar heute nicht mehr viele Anhänger, aber sie ist wahr und wir sind dafür verantwortlich, diese Wahrheit zu lehren und zu praktizieren. Damit stellen wir uns natürlich vielen Annahmen und Praktiken in der heutigen Welt entgegen – dass Millionen unschuldiger Kinder von unverheirateten Müttern geboren werden, ist nur ein Beispiel.

Die nächste grundlegende Wahrheit, die ich aus der Proklamation zur Familie zitiere, ist ein Grundsatz, der weit über das hinausgeht, was den meisten unserer Jugendlichen bewusst ist. Wir müssen ihn gewissenhaft beachten und auf inspirierte Weise vermitteln. „Das Geschlecht ist ein wesentliches Merkmal der individuellen vorirdischen, irdischen und ewigen Identität und Lebensbestimmung.“14

Der Umstand, dass das Geschlecht ein ewiges Merkmal ist, zieht vieles nach sich. Ein Punkt wird in folgendem Satz aus Handbuch 2 erläutert:„Der männliche und der weibliche Geist sind so beschaffen, dass sie einander ergänzen. Mann und Frau sollen gemeinsam auf die Erhöhung hinarbeiten.“15

Der männliche und der weibliche Geist ergänzen einander, weil sie verschieden sind, und sie arbeiten „gemeinsam auf die Erhöhung [hin]“, indem sie unter anderem diese ewigen, gewollten Unterschiede anerkennen. Daher heißt es in der Proklamation zur Familie: „Gott hat es so vorgesehen, dass der Vater in Liebe und Rechtschaffenheit über die Familie präsidiert und dass er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die Familie alles hat, was sie zum Leben und für ihren Schutz braucht. Die Mutter ist in erster Linie für das Umsorgen und die Erziehung der Kinder zuständig. Vater und Mutter müssen einander in diesen heiligen Aufgaben als gleichwertige Partner zur Seite stehen.“16

Wir erfreuen uns an den unterschiedlichen Aufgaben von Mann und Frau im Plan Gottes, die einander ergänzen. Mann und Frau müssen verschieden sein, aber sie sind in einer Beziehung, bei der sie einander ergänzen, untrennbar miteinander verbunden, um den Plan Gottes zu verwirklichen. Erst letzten Monat hat Schwester Elaine S. Dalton, die Präsidentin der Jungen Damen, unseren BYU-Studenten diesen wichtigen Rat gegeben:

„Sie, die jungen Frauen, werden das Beispiel für tugendhaftes Frauentum und tugendhafte Mutterschaft sein. … Sie werden auch in einer Zeit, wo die Familie unter Beschuss steht, neu definiert wird und zerfällt, ein Beispiel für das Familienleben geben. Sie werden Ihre Aufgaben und Pflichten verstehen. …

Junge Männer, Sie werden diejenigen sein, die wissen, dass man die Macht des Priestertums, die Macht, für Gott auf Erden zu handeln, nur erhält, wenn man rein ist. Und Sie werden diese Priestertumsmacht dazu nutzen, vielen Generationen Gutes zu tun.

Gerade Ihre Reinheit und Tugend wird in diesen Letzten Tagen die Blicke der ganzen Welt auf Sie ziehen.“17

Wir alle – Männer und Frauen gleichermaßen – finden wahres, dauerhaftes Glück, wenn wir unsere einzigartigen Aufgaben im großen Erlösungsplan Gottes verstehen und uns daran erfreuen.

Natürlich sehen wir die Notwendigkeit, einige seit langem bestehende Defizite zu beheben, was den gesetzlichen Schutz und die Chancengleichheit der Frauen angeht. Doch im Hinblick auf unser privates Verhalten – so Präsident Gordon B. Hinckley vor vielen Jahren über den öffentlichen Sektor – glauben wir, dass jegliche Anstrengung, „das zu neutralisieren, was Gott männlich und weiblich erschaffen hat, mehr Probleme als Vorteile bringen wird“18.

Die Proklamation zur Familie schließt mit der Bitte, „die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft zu bewahren und zu stärken“, und fordert „die verantwortungsbewussten Bürger und Regierungsvertreter in aller Welt auf, solche Maßnahmen zu fördern, die darauf ausgerichtet sind“19.

Wenn wir anfangen, die heute üblichen Gepflogenheiten und Vorschläge dem gegenüberzustellen, was wir über den Plan Gottes wissen, und den Prämissen, die im Wort Gottes und in den Lehren seiner lebenden Propheten genannt werden, müssen wir damit rechnen, dass unsere Schlussfolgerungen von denjenigen der Leute abweichen, die anders denken. Wir bleiben in diesem Punkt jedoch fest, weil wir wissen, dass uns dies ewig gesehen auf sicheres Gelände bringt. Viele andere werden uns nicht zustimmen, aber unsere Erklärung dafür, warum wir so denken, wird anderen unseren Standpunkt verständlicher machen.

V.

In einer Konferenzansprache vor etwa drei Jahren habe ich weitere Beispiele dafür angeführt, inwiefern einige anders denken als treue Heilige der Letzten Tage.20 Diese Beispiele, die eine mögliche Verwechslung zwischen den miteinander konkurrierenden Forderungen der Liebe und des Gesetzes betreffen, sind wichtig genug, um sie hier noch einmal aufzugreifen, weil sie in von Liebe getragenen Beziehungen auftreten, sogar innerhalb von Familien, die unserer Kirche angehören.

Im ersten Beispiel erklärt ein junger Erwachsener, der unverheiratet mit jemandem zusammenlebt, seinen unglücklichen Eltern: „Wenn ihr mich wirklich lieb hättet, würdet ihr mich und meine Partnerin genauso akzeptieren wie eure verheirateten Kinder.“ Dieser junge Mann behauptet, die elterliche Liebe habe Vorrang vor den Geboten Gottes. Eltern, die verstehen, welchen Zweck und welchen Einfluss die Gebote Gottes haben, und die ihre eigene Verantwortung begreifen, denken offenbar anders. Sie billigen zwar kein Verhalten, mit dem die Gesetze Gottes gebrochen würden, aber sie schließen auch nicht einen Sohn oder eine Tochter von ihrer Liebe oder aus dem Kreis der Familie aus.

Zwei weitere Beispiele betreffen die Auswirkungen der Liebe Gottes. In dem einen lehnt jemand die Lehre ab, dass ein Paar für die Ewigkeit verheiratet sein muss, wenn es sich im nächsten Leben ewiger familiärer Beziehungen erfreuen will. Der Betreffende verkündet: „Ich kann nicht glauben, dass Gott Mann und Frau so behandeln würde, wenn er uns wirklich liebt.“ In dem anderen Beispiel sagt jemand, er habe seinen Glauben verloren, weil Gott es zulässt, dass einzelne Menschen oder eine ganze Rasse leiden müssen, und er schließt daraus: „Wenn es einen liebevollen Gott gäbe, würde er das verhindern.“

Menschen, die so denken, glauben fälschlicherweise, dass Gottes Liebe so groß und so bedingungslos sei, dass er es ihnen gnädig verzeihen würde, wenn sie seine Gesetze oder die Bedingungen seines Plans nicht einhalten. Sie schlussfolgern von dem gewünschten Ergebnis aus rückwärts und nehmen an, dass sich die Grundlagen des ewigen Gesetzes Gottes nach ihren Vorstellungen richten müssten. Doch diese Denkweise ist verzerrt. Die Liebe Gottes macht seine Gebote oder seinen Plan nicht überflüssig.

Denken wir immer daran, dass es „ein Gesetz [gibt], das im Himmel vor den Grundlegungen dieser Welt unwiderruflich angeordnet wurde und auf dem alle Segnungen beruhen –

und wenn wir irgendeine Segnung von Gott erlangen, dann nur, indem wir das Gesetz befolgen, auf dem sie beruht.“ (LuB 130:20,21.)

Die Barmherzigkeit kann die Gerechtigkeit nicht berauben (siehe Alma 42:25). Diejenigen, die die Barmherzigkeit erlangen, die uns aufgrund der großen Liebe Gottes zu seinen Kindern zur Verfügung steht, sind diejenigen, „die den Bund gehalten und das Gebot beachtet haben“ (LuB 54:6).

Dieser großartige Grundsatz hilft uns, den Grund für vieles zu verstehen, beispielsweise die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit, zwischen denen das Sühnopfer einen Ausgleich schafft. Aus ihm erklärt sich auch, warum Gott seine Kinder niemals daran hindert, ihre Entscheidungsfreiheit auszuüben. Entscheidungsfreiheit – unsere Fähigkeit zu wählen – ist in dem Plan, gemäß dem wir auf die Erde kommen, von zentraler Bedeutung. Gott greift in aller Regel nicht ein, er verhindert nicht die Folgen der Entscheidungen mancher Menschen, um das Wohlergehen anderer zu sichern. Er tut dies selbst dann nicht, wenn sie sich gegenseitig umbringen, verletzen oder unterdrücken – denn das würde seinen Plan für unseren ewigen Fortschritt zunichtemachen (siehe Alma 42:8). Er wird zwar diese Entscheidungen nicht verhindern (siehe Mosia 24:14,15), aber er wird uns segnen, dass wir die Folgen der Entscheidungen anderer ertragen können. Und diejenigen, deren Möglichkeiten hier auf der Erde durch die Entscheidungen anderer vorzeitig abgebrochen oder reduziert werden, empfangen schließlich alle Segnungen und Möglichkeiten, die uns durch die Barmherzigkeit und das Sühnopfer Jesu Christi angeboten werden.

Die Folgen für die Ewigkeit und die Gerechtigkeit, die damit einhergehen, dass Gott die Entscheidungen seiner Kinder – ihre Entscheidungsfreiheit – anerkennt, gipfeln in dem, was wir als den dritten Akt bezeichnet haben: unsere ewige Bestimmung im Plan des himmlischen Vaters. Das Jüngste Gericht, das dort stattfindet, erklärt viel über den Zweck und die Auswirkungen unserer schwierigen Reise durchs Erdenleben. Wir lesen in neuzeitlicher Offenbarung: „Allen Reichen ist ein Gesetz gegeben.“ (LuB 88:36.) Hier ein Beispiel:

„Wer nicht imstande ist, nach dem Gesetz eines celestialen Reiches zu leben, kann nicht in einer celestialen Herrlichkeit leben.

Und wer nicht nach dem Gesetz eines terrestrialen Reiches leben kann, kann nicht in einer terrestrialen Herrlichkeit leben.

Und wer nicht nach dem Gesetz eines telestialen Reiches leben kann, kann nicht in einer telestialen Herrlichkeit leben.“ (LuB 88:22–24.)

Mit anderen Worten: Das Reich der Herrlichkeit, das uns beim Jüngsten Gericht zugewiesen wird, wird nicht durch die Liebe bestimmt, sondern durch das Gesetz, das Gott uns aufgrund seiner Liebe gegeben hat, damit wir uns für das ewige Leben, „die größte aller Gaben Gottes“ (siehe LuB 14:7), würdig machen können. Wer diese Wahrheit kennt, wird über vieles mit Sicherheit anders denken als diejenigen, die dies nicht wissen.

VI.

Die Welt, in der wir leben, ist wie das Feld, das der Erlöser im Matthäusevangelium beschreibt. Bis zur Zeit der Ernte wächst der gesunde und erwünschte Weizen Seite an Seite mit dem Unkraut, das der Feind – nämlich der Teufel – gesät hat (siehe Matthäus 13:24–30,39). Im Gleichnis vom Sämann beschreibt Jesus das Ergebnis: Wenn des Sämanns Wort auf felsigen Boden fällt, wo der, der das Wort hört „keine Wurzeln hat“, wird er es übelnehmen, wenn er „um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird“ (Matthäus 13:20,21). Anderer Same fällt „in die Dornen“, und wie Markus es beschreibt, „die Sorgen der Welt, der trügerische Reichtum und die Gier nach all den anderen Dingen machen sich breit und ersticken es und es bringt keine Frucht“ (Markus 4:18,19). Dieses Gleichnis beschreibt die Reaktion eines jeden von uns, der es übelnimmt, wenn er bedrängt oder verfolgt wird oder auf andere Weise keine Frucht bringt, wegen der „Sorgen der Welt“ oder seiner „Gier nach all den anderen Dingen“.

Wir sollten die Warnung Jesu an seine Jünger, sich „vor der Lehre der Pharisäer“ zu hüten (Matthäus 16:12), auf uns beziehen. Wir können den Schlussfolgerungen, den Lehren und dem, was die neuzeitlichen Pharisäer befürworten, nicht entrinnen. Wir müssen in der Welt leben. Doch die Lehre, dass wir nicht „von der Welt“ sein sollen (Johannes 15:19; 17:14,16), verlangt von uns, dass wir Irrtum erkennen und ihn aus unserem Denken, unseren Wünschen und dem, was wir tun, verbannen. Auf diese Weise können wir durch Glauben und im Vertrauen auf Jesus Christus und unsere Kenntnis vom Plan des himmlischen Vaters in diesen unruhigen Zeiten mit Zuversicht vorwärts streben.

Wir müssen unseren jungen Leuten helfen, klar über die Evangeliumswahrheiten nachzudenken und zu überlegen, wie sie sie auf ihre Herausforderungen übertragen können. Wer das tut, wird „auf dem Fels unseres Erlösers … und das ist Christus, der Sohn Gottes“ gegründet sein, und er wird der prophetischen Verheißung würdig sein, dass der mächtige Widerstand des Teufels keine Macht haben wird, ihn „in den Abgrund des Elends und des endlosen Wehs hinabzuziehen“, weil er auf diese „sichere Grundlage“ gebaut ist und „nicht fallen [kann]“ (Helaman 5:12).

Ich bezeuge die Wahrheit dieser sicheren Grundlage. Ich gebe Zeugnis von Jesus Christus, dem Urheber und Vollender unseres Glaubens. Ich gebe auch Zeugnis davon, dass wir gesegnet werden, wenn wir uns im Wort des Herrn und in den Lehren seiner Propheten verankern. Davon gebe ich Zeugnis im Namen Jesu Christi. Amen.

© 2013 Intellectual Reserve, Inc. Alle Rechte vorbehalten. Genehmigung: Englisch 1/13, Übersetzung 1/13. Das Original trägt den Titel: As He Thinketh in His Heart. German. PD50046558 150

Quellenangaben anzeigen

    Anmerkungen

  1.  

    1. King-James-Bibel, Sprichwörter 23:7

  2.  

    2. Robert D. Putnam und David E.Campbell, American Grace: How Religion Divides and Unites Us, 2010, Seite 138

  3.  

    3. Präsident Boyd K. Packer, „The One Pure Defense“, Ansprache vor Religionslehrern des Bildungswesens der Kirche am 6. Februar 2004; si.lds.org

  4.  

    4. Thomas S. Monson, „Boise Idaho Temple: ,Again Hallowed‘“, Church News, 25. November 2012, Seite 5

  5.  

    5. Julie B. Beck, „Teaching the Doctrine of the Family“, Satellitenübertragung für Seminar und Institut, 4. August 2009

  6.  

    6. Siehe Sarah Jane Weaver, „Roundtable: ,Hastening the Work‘“, Church News, 30. Dezember 2012, Seite 4f.

  7.  

    7. Siehe Tom W. Smith und andere, General Social Surveys, 1972–2010: Cumulative Codebook, März 2011, Seite 410

  8.  

    8. Siehe Joyce A. Martin und andere, „Births: Final Data for 2010“, National Vital Statistics Reports, Band 61, Nr. 1, 28. August 2012, Seite 8f.

  9.  

    9. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Umschlagrückseite

  10.  

    10. Spencer W. Kimball, „Families Can Be Eternal“, Ensign, November 1980, Seite 4

  11.  

    11.  Handbuch  2: Die Kirche führen und verwalten, 2010, 1.3.2

  12.  

    12. Proklamation „Die Familie“

  13.  

    13. Proklamation „Die Familie“

  14.  

    14. Proklamation „Die Familie“

  15.  

    15.  Handbuch  2,  1.3.1.

  16.  

    16. Proklamation „Die Familie“

  17.  

    17. Elaine S. Dalton, „Prophetic Priorities and Dedicated Disciples“, Andacht an der BYU, 15. Januar 2013; speeches.byu.edu

  18.  

    18. Gordon B. Hinckley, „Live Up to Your Inheritance“, Ensign, November 1983, Seite 84

  19.  

    19. Proklamation „Die Familie“

  20.  

    20. Siehe Dallin H. Oaks, „Die Liebe und das Gesetz“, Liahona, November 2009, Seite 26–29