Weihnachtsandachten
Von Vorhängen, Zufriedenheit und Weihnachten


Von Vorhängen, Zufriedenheit und Weihnachten

Was für eine wunderbare, freudige Zeit im Jahr dies doch ist! Ich freue mich immer darauf, am ersten Sonntag im Dezember hier zu sein, wo wir die Gelegenheit haben, schöne Musik zu genießen und Botschaften zu hören, die eine weitere gesegnete Weihnachtszeit einleiten. Und wieder freuen wir uns, von Gottes Propheten, unserem lieben Präsidenten Monson, zu hören.

Weihnachten ist für mich schon immer eine besondere Zeit gewesen. Als ich noch sehr klein war, lebte ich in der Tschechoslowakei, wo man überall von einer Fülle jahrhundertealter Weihnachtsbräuche umgeben war. Auch wenn viele Jahre vergangen sind, blicke ich immer noch sehr gerne auf diese Zeit zurück, die in mir tiefe Dankbarkeit und Freude weckt.

In einem Jahr – da war ich vielleicht vier Jahre alt – hielt ich mich in dem Zimmer auf, wo unser Weihnachtsbaum stand. Der Baum war mit schönem, glänzendem Weihnachtsschmuck verziert. Silberlametta hing über den Zweigen und fing das Licht echter Wachskerzen ein, die überall um mich herum flackerten. Daneben befand sich ein Fenster, das auf die Straße hinausging. Die Vorhänge schimmerten im Licht und verliehen dem Bild zusätzlich etwas Geheimnisvolles.

An diesem Tag machte ich zwei folgenschwere Entdeckungen.

Erstens entdeckte ich: Wenn ich eine Kerze anzündete und hinter den Vorhang hielt, schimmerte das Licht ganz wunderbar durch den feinen Stoff hindurch und verwandelte ihn in etwas Erhabenes, Faszinierendes.

Zweitens entdeckte ich, dass Vorhänge schnell brennen. Wie Sie sich bestimmt vorstellen können, erfasste die Flamme der Kerze den Vorhangstoff. Das Feuer breitete sich schnell aus, sodass auch die Wände und die Decke unserer Wohnung gefährdet waren.

Ich schrie vor Entsetzen. Meine Eltern kamen aus dem anderen Zimmer herbeigerannt, rissen schnell die Vorhänge herunter, traten das Feuer aus und verhinderten somit eine schreckliche Tragödie.

Als die Gefahr vorüber war, lagen die verkohlten Überreste unserer einst so schönen Vorhänge auf dem Boden, das jetzt kahle Fenster ragte kalt und anklagend hinter mir auf, und ich stand eingeschüchtert und ohne Erklärung und Entschuldigung vor Vater und Mutter.

Ich wusste mit der ganzen Gewissheit eines vierjährigen Jungen, dass ich das Weihnachtsfest verdorben hatte!

Weihnachten und Vollkommenheit

Seit diesem schicksalhaften Tag sind fast sieben Jahrzehnte vergangen. Aus meiner einzigen Betätigung als Brandstifter habe ich ein paar wichtige Lektionen gelernt.

Erstens: Spiel nie mit dem Feuer – eine für jedermann, nicht nur für Kinder, wichtige und folgenschwere Botschaft im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn.

Zweitens: Obwohl ich beinahe unsere Wohnung in Schutt und Asche gelegt hätte, habe ich das Weihnachtsfest nicht verdorben.

Das Erlebnis mit dem Feuer war natürlich sehr furchteinflößend. Bestimmt waren meine Eltern entsetzt und bestürzt, dass ich so etwas Dummes gemacht hatte. Aber letzten Endes litt darunter weder die Liebe in unserer Familie, noch wurde das Wunder der Weihnachtszeit damit zunichtegemacht.

Damals wurde den deutschen Kindern oft von einem alten Brauch erzählt: Artige Jungen und Mädchen würden zu Weihnachten Geschenke und Süßigkeiten bekommen, während die unartigen bestraft würden und lediglich die Rute zu spüren bekämen. Fast jeder würde wohl sagen, dass jemand, der die Wohnzimmervorhänge in Flammen hat aufgehen lassen, ziemlich ungezogen sein muss, und somit hätte der Zeitpunkt meines schrecklichen Fehlers nicht schlimmer sein können. Aber ich bekam nicht die Rute zu spüren. Die Erinnerung an dieses und jedes andere Weihnachtsfest in meiner Kindheit und Jugend ist mir lieb und teuer. Zu wissen, dass meine Familie mich trotzdem liebte, war ein wunderbarer Segen und eine herrliche Erkenntnis.

Wenn ich zurückblicke, glaube ich, dass meine Angst, Weihnachten verdorben zu haben, daher rührte, dass ich damals noch nicht ganz verstand, was Weihnachten tatsächlich ausmacht. Und ich habe festgestellt, dass es nicht nur Vierjährigen so ergeht.

Manchmal kommen wir uns bei unseren Bemühungen um ein vollkommenes Weihnachtsfest so vor wie beim Spiel Jenga – Sie wissen schon, das, wo man kleine Holzklötzchen sorgfältig zu einem Turm aufeinanderstapelt. Um den Turm höher zu machen, muss man ein Holzklötzchen herausziehen, damit man es dann wieder oben auf die wacklige Konstruktion legen kann.

Jedes dieser kleinen Holzklötzchen ist ein Symbol für den vollkommenen Ablauf des Weihnachtsfests, nach dem wir uns so verzweifelt sehnen. Wir haben ein Bild davon im Kopf, wie alles sein soll – ein vollkommener Baum, vollkommene Lichter, vollkommene Geschenke und vollkommene Erlebnisse mit der Familie. Wir wollen vielleicht sogar einen besonderen Augenblick aus vergangenen Zeiten neu erstehen lassen und verlangen nichts weniger als Vollkommenheit.

Doch früher oder später passiert etwas Unerfreuliches: Die Holzklötze fallen in sich zusammen, die Vorhänge fangen Feuer, die Weihnachtsgans verbrennt, der Pullover hat die falsche Größe, beim Spielzeug fehlen die Batterien, die Kinder streiten, der Druck steigt – und das Bilderbuch-Weihnachtsfest, das wir uns vorgestellt hatten, der Zauber, den wir erzeugen wollten, löst sich in Luft auf. So ist die Weihnachtszeit oft eine Zeit, in der man gestresst, besorgt, frustriert und vielleicht sogar enttäuscht ist.

Wenn wir aber bereit sind, Herz und Sinn dem Geist der Weihnacht zu öffnen, werden wir Wunderbares um uns herum wahrnehmen, was unsere Aufmerksamkeit auf das Erhabene lenkt oder zurücklenkt. Normalerweise sind es Kleinigkeiten – wir lesen eine Schriftstelle, wir hören ein Weihnachtslied und achten wirklich auf den Text, vielleicht zum ersten Mal, oder wir werden Zeuge eines aufrichtigen Liebesbeweises. Auf die eine oder andere Weise berührt der Geist uns das Herz und wir sehen, dass Weihnachten eigentlich sehr viel mehr aushalten kann und beständiger ist als all das Unwichtige, womit wir es nur allzu oft ausschmücken.

An Weihnachten geht es um Christus

In diesen kostbaren Augenblicken wird uns bewusst, was wir im Herzen spüren und wissen, nämlich dass es an Weihnachten ja um Christus geht.

Weihnachten und einige lieb gewonnene Bräuche zu dieser Jahreszeit erinnern uns daran, dass wir, wie die Weisen aus alter Zeit, Christus suchen und ihm die kostbarsten Geschenke darbringen sollten: ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist. Wir sollten ihm unsere Liebe schenken. Wir sollten ihm unsere Bereitschaft schenken, seinen Namen auf uns zu nehmen und den Weg eines Jüngers zu gehen. Wir sollten versprechen, immer an ihn zu denken, seinem Beispiel nachzueifern und umherzuziehen und Gutes zu tun.1

Wir können ihm nicht das Geschenk machen, in allem vollkommen zu sein, weil wir dazu noch nicht fähig sind – zumindest jetzt noch nicht. Der Herr erwartet von uns nicht, dass wir uns verpflichten, Berge zu versetzen. Aber er verlangt von uns als Gabe, dass wir uns nach besten Kräften bemühen, uns von der Stelle zu bewegen, einen Fuß vor den anderen zu setzen und auf den Wegen zu gehen, die er uns bereitet und gezeigt hat.

Und was sind die Gaben des Erlösers für diejenigen, die bereit sind, ihm diese Geschenke zu machen?

Wir sprechen vom vielleicht einseitigsten Geschenkaustausch in der Geschichte des Universums. Die Gaben, die der Erlöser für uns hat, sind atemberaubend.

Fangen wir mit der Unsterblichkeit an. Weil der Erlöser den Tod überwunden hat, werden alle Menschen – sowohl die gerechten als auch die ungerechten – für immer leben.2

Dann die Vergebung. Auch wenn unsere Sünden rot sind wie Scharlach, können sie durch ihn weiß werden wie Schnee.3

Und schließlich das ewige Leben – die größte aller Gaben.4 Durch das Sühnopfer Jesu Christi wird uns nicht nur eine unendliche Quantität an Leben geschenkt, er bietet uns auch die Aussicht auf ein Leben von unvorstellbarer Qualität an.5

Einige seiner göttlichen Gaben werden für jenen herrlichen, künftigen Tag zurückbehalten, da wir in seine Gegenwart zurückkehren.

Doch er gewährt uns täglich viele Gaben und seine Gnade. Er verheißt uns, bei uns zu sein, zu uns zu kommen, wenn wir Trost brauchen6, uns aufzuhelfen, wenn wir stolpern, uns wenn nötig zu tragen, mit uns zu trauern und sich mit uns zu freuen. Jeden Tag bietet er uns an, uns bei der Hand zu nehmen und uns zu helfen, ein gewöhnliches Leben in außergewöhnliche geistige Erlebnisse zu verwandeln.

Ein Segen zu Weihnachten

Natürlich brauchen wir keine Weihnachtsfeiertage oder Weihnachtsbräuche, um an Jesus Christus, den Erlöser, zu denken. Aber dass wir Weihnachten feiern, kann dazu beitragen, dass wir an ihn denken. Die heilige Weihnachtszeit kann eine Gelegenheit sein, uns erneut dazu zu verpflichten, das Feuer des Geistes am Leben zu erhalten und dafür zu sorgen, dass uns die Herrlichkeit des Sohnes Gottes jeden Tag des Jahres im Herzen brennt.

Dies ist eine wunderbare Zeit im Jahr. Vielleicht ist sie nicht vollkommen. Aber wenn Weihnachten uns das Herz auf den Erlöser ausrichten kann, können wir uns sogar auch dann freuen, wenn nicht alles vollkommen ist. Brüder und Schwestern, meine lieben Freunde, mögen wir immer daran denken, auch ihm, der alles für uns gegeben hat, Geschenke zu machen. Mögen wir immer daran denken, dass sich das Universum über die Geburt dieses Kindes gefreut hat, und mögen wir dankbar dafür sein. Und möge jede Weihnachtszeit uns daran erinnern, unsere Stimme zu erheben und unser Herz mit Freude und Dankbarkeit zu erfüllen, dass der König, der Herr, geboren ist! Jesus Christus lebt! Es gibt ihn wirklich. Er ist unser Erlöser – zu Weihnachten und jederzeit. Davon gebe ich feierlich Zeugnis.

Ich gebe Ihnen einen Segen mit: Mögen meine Liebe und meine herzlichsten Wünsche für eine bedeutungsvolle Weihnachtszeit Sie begleiten. Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.