1990–1999
„Freue dich über alles Gute”
Oktober 1991


„Freue dich über alles Gute”

„ Wir brauchen keinen Auftrag vom Bischof, um freundlich zu sein. Wir brauchen keinen Vertrag, um rücksichtsvoll zu sein.”

Meine lieben Schwestern, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, hier zu sein - Ihre Gesichter zu sehen, den Gesang zu hören und das Netz von elektronischen und Satellitensystemen zu erahnen, das uns mit weiteren Versammlungen von Frauen auf der ganzen Welt verbindet. Das sind jedoch nur die sichtbaren Verbindungen. Unsichtbar, doch ebenso spürbar ist die Verbindung durch den Geist und die Schwesternschaft, die uns heute vereint wie auch im kommenden Jahr, in dem wir das 150jährige Bestehen der Frauenhilfs Vereinigung feiern. Wo Sie auch sind, was für Kleidung Sie auch tragen, welche Sprache Sie auch hören, Sie sind Teil einer machtvollen Vereinigung der Freude, des Friedens und der Güte. Wir sind hier, um uns „über alles Gute” zu freuen (Deuteronomium 26:11).

Die Kraft und Freude, die einem auf Christus gegründeten, christlichen Leben entspringen, geben uns „Grund, uns zu freuen” (Alma 26:35). Ich möchte drei Segnungen aufzählen, die unser Glaube an Christus bewirkt und die uns Grund zur Freude geben: (1) Freuen wir uns über unsere Schwesternschaft! (2) Freuen wir uns über unsere Verschiedenheit! Und (3) freuen wir uns über unsere Nächstenliebe!

Erstens, freuen wir uns über unsere Schwesternschaft! Sehen Sie sich in dem Raum, in dem Sie sitzen, einmal um. Wie viele sind bei Ihnen? Vielleicht sind es Tausende wie hier im Tabernakel. Sind Sie eine von vielen, dann danken Sie dem himmlischen Vater. Sind Sie eine von wenigen, preisen Sie ihn! 1842 in Nauvoo waren es nur zwanzig. Seien Sie die Nauvoo-Generation in Ihrer Gemeinde oder Ihrem Zweig. Denken Sie daran, daß Sie nicht allein sind. Sie gehören zu einer Schwesternschaft, die drei Millionen Frauen umfaßt. Eine Wissenschaftlerin, die sich mit der Geschichte der Frau beschäftigt, hat erklärt:

„Die Schwesternschaft ist das Band, das die Frauen vereint, sowohl im persönlichen wie auch im öffentlichen Bereich, angefangen bei einfachen Freundschaften bis hin zu gewaltigen Organisationen. In diesem Sinn hat Schwesternschaft für die Mormoninnen bereits eine lange, bedeutende Tradition.

In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage haben die Frauen füreinander schon immer eine wesentliche Rolle gespielt - im geistigen, seelischen, intellektuellen und gesellschaftlichen Bereich.” (Jill Mulvay Derr, „Strength in Our Union: The Making of Mormon Sisterhood”, in: Sisters in Spirit: Mormon Women in Historical and Cultural Perspective, Seite 154,155.)

Freuen wir uns über die vereinte Schwesternschaft, die uns verbindet!

Zweitens, freuen wir uns über unsere Verschiedenheit! Ich bin als Buddhistin aufgewachsen, als Tochter eines japanischen Plantagenarbeiters in Mahukona, einem winzigen Dorf auf Hawaii, das heute nicht mehr existiert. Mit dem Christentum kam ich zum erstenmal durch die alljährliche Weihnachtsaufführung in Berührung, die von Captain Beck, der die Plantage verwaltete, organisiert wurde. Jedes Jahr wurde die Geburt Christi dargestellt, Weihnachtslieder wurden gesungen, und wir erhielten wundervolle Geschenke von einem mysteriösen dicken Mann mit rotem Gewand und weißem Bart.

Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, bat mich Captain Beck, bei der Weihnachtsaufführung den Engel zu spielen. Ich wußte nicht, was ein Engel war, aber ich war sehr stolz, daß man mich ausgewählt hatte, und strengte mich sehr an, um meine Rolle zu lernen. Es fiel mir wirklich sehr schwer. Meine Muttersprache war eine Mischung aus Japanisch und Pidgin-Englisch, und nun sollte ich das fremd klingende, aus dem 17. Jahrhundert stammende Englisch der King-James-Bibel lernen. Ich war nur ein kleines dünnes siebenjähriges Mädchen in einem dünnen weißen Gewand mit geschwungenen Rauschgoldflügeln und einem wackligen Heiligenschein aus Goldfolie über dem Kopf. Aber als der große Tag kam, war ich bereit.

„Fürchtet euch nicht”, sagte ich. „Denn ich verkünde euch eine große Freude. … Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.” (Lukas 2:10,11.) Ich wußte nicht, wer David war oder Christus. Ich kannte nur Buddha. Ich wußte nicht, warum das Baby in einer Krippe lag. Ich wußte nicht, was Hirten waren, warum sie sich fürchteten und warum der Engel eine große Freude verkündete. Erst später, als ich mit elf Jahren die Kirche kennenlernte und mich ihr mit fünfzehn Jahren anschloß, erfuhr ich, daß dieses Baby der Sohn Gottes und die große Freude die Evangeliumsbotschaft war. Da wußte ich, warum ich Grund hatte, mich zu freuen, nämlich in Christus, dem Herrn.

Sehen Sie sich noch einmal in dem Raum um, in dem Sie sitzen. Sehen Sie in der Kirche Frauen verschiedenen Alters, verschiedener Hautfarbe, verschiedener Herkunft? Mit unterschiedlichen Erfahrungen in Ausbildung, Ehe und Beruf? Frauen mit Kindern? Frauen ohne Kinder? Frauen, die gesund sind, und andere, die durch eine chronische Krankheit oder eine Behinderung in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind? Freuen wir uns über die Verschiedenheit in unserer Schwesternschaft! Die verschiedenen Spektralfarben sind es, die einen Regenbogen bilden. Gerade durch die unterschiedlichen Umstände, unter denen wir leben, bekommen wir ein mitfühlendes Herz. Gerade die unterschiedlichen geistigen Gaben sind es, die der Kirche so großen Nutzen bringen.

Als ich noch im PV-Hauptausschuß war, hat Patricia Kelsey Graham, eine Freundin, die auch einmal dem Ausschuß angehört hatte, ein Lied für das neue Liederbuch für Kinder geschrieben. Es heißt „Wir sind verschieden” und gefällt mir sehr gut. Hören Sie sich die Botschaft des Liedes an, das vom

Kennenlernen, vom Helfen und vom Lieben handelt und nun von Kerstin Larson und Maryanne Featherstone vorgetragen wird. Sie werden von Schwester Graham begleitet:

Ich kenne dich, und du kennst mich.

Wir sind so verschieden wie die Sonne und das Meer.

Ich kenne dich, und du kennst mich,

und so soll es auch sein.

Ich helfe dir, und du hilfst mir.

Wir lernen aus Problemen, und wir fangen an zu sehen.

Ich helfe dir, und du hilfst mir,

und so sott es auch sein.

Ich liebe dich, und du liebst mich.

Gemeinsam versuchen wir, unser Bestes zu geben.

Ich liebe dich, und du liebst mich,

und so soll es auch sein.

Haben Sie die Botschaft verstanden? Verschieden sein und sich doch kennen, helfen und lieben - so soll es sein!

Auch wir, die FHV-Präsidentschaft, sind verschieden. Elaine, Aileen, Carol und ich sind verheiratet beziehungsweise alleinstehend, Hausfrau beziehungsweise berufstätig, weitgereist beziehungsweise eher häuslich veranlagt, Bekehrte beziehungsweise Mitglied in der fünften Generation, mit gewöhnlichem Schulabschluß beziehungsweise mit Universitätsabschluß. Wir haben im Gemeinwesen und in der Kirche gedient. Doch wir kennen uns, wir helfen uns und wir lieben uns. Und so soll es auch sein. Wir freuen uns über unsere Verschiedenheit und freuen uns an unserer Schwesternschaft. Tun Sie in Ihrer Gemeinde und Ihrem Pfahl dasselbe!

Drittens, freuen wir uns über die große Gabe der Nächstenliebe, die uns geschenkt ist! Ich tue es! Unsere Berufungen geben uns viele Möglichkeiten zu dienen. Anläßlich der 150-Jahr-Feier im nächsten Jahr wird es viele Projekte geben, durch die wir dem Nächsten und dem Gemeinwesen dienen können. Engagieren Sie sich! Beteiligen Sie sich! Überlassen Sie nicht alle Entscheidungen den Führerinnen in Pfahl und Gemeinde. Darf ich Sie daran erinnern, daß die Frauenhilfsvereinigung deshalb gegründet wurde, weil eine Frau, eine Miss Cook - wir kennen nicht einmal ihren vollen Namen -, mit ihrer Arbeitgeberin Sarah M. Kimball sprach, woraufhin die beiden überlegten, wie sie Kleidung für die Männer herstellen konnten, die am Nauvoo-Tempel arbeiteten. Seien Sie eine Miss Cook! Erkennen Sie, wo Hilfe gebraucht wird. Sprechen Sie mit den Schwestern in der FHV. Vereinen Sie Ihre Kräfte. Finden Sie Wege, gemeinsam zu dienen, die Sie selbst gutheißen können. Dies kann auf unterschiedlichste Weise geschehen, entsprechend dem Bedarf in Ihrem Gemeinwesen und den Talenten Ihrer Schwestern.

Denken Sie daran: die eigentliche Berufung, eine mitfühlende Christin zu sein, haben wir erhalten, als wir aus den Wassern der Taufe gestiegen sind. Die Gabe des Heiligen Geistes haben wir durch die Konfirmation erhalten. Wir müssen sie nicht erst aus der Gemeindebibliothek holen. Wir brauchen keinen Auftrag vom Bischof, um freundlich zu sein. Wir brauchen keinen Vertrag, um rücksichtsvoll zu sein. Wir müssen nicht erst von der Gemeinde bestätigt werden, um einfühlsam zu sein. Freuen Sie sich über die Kraft, die Sie von Christus erhalten haben, Liebe, Vergebungsbereitschaft und Mitgefühl zu zeigen.

Halten Sie Ihre Gabe auf keinen Fall für unbedeutend. Mutter Teresa sagt: „Ich bin ein kleiner Bleistift in der Hand Gottes. Er denkt. Er schreibt. Er tut alles - und es ist sehr schwer - manchmal bricht der Bleistift ab. Er muß ihn etwas mehr anspitzen. Seien Sie ein kleines Werkzeug in seinen Händen, so daß er Sie jederzeit, überall einsetzen kann. … Wir brauchen nur Ja zu ihm zu sagen.” („Love: A Fruit Always in Season”, Daily Meditations, Seite 243.)

Schwestern, gemeinsam sind wir stark! Welch ein Trost es ist, wenn wir uns um unsere Mitmenschen kümmern! Welch eine Kraft, wenn wir mit anderen teilen! Welch eine Macht, wenn wir uns der Rechtschaffenheit verpflichten! Ich erflehe für uns den Segen des Apostels Paulus für die Epheser, denn er bringt zum Ausdruck, was wir uns als FHV-Präsidentschaft, für Sie, die Schwestern der Kirche, wünschen:

„Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt.” (Epheser 3:17-19.)

Kommen wir zu Christus. Freuen wir uns über ihn, der alles Gute gibt, und freuen wir uns über das Gute, das er gegeben hat, einschließlich der Verschiedenheit und der Einigkeit unserer Schwesternschaft, und freuen wir uns, daß wir sein Werkzeug sein können, um sein Werk der Nächstenliebe hier auf Erden zu vollbringen. Das erbitte ich im Namen Jesu Christi. Amen.