1990–1999
Speichel und Brei und Kingazuku
April 1992


Speichel und Brei und Kingazuku

„ Wir können viel Gutes tun, wenn wir als organisierte Körperschaft, in einer kleinen Gruppe oder einfach als einzelne handeln, wenn man den Wunsch hat zu dienen.”

Meine lieben Schwestern: „Aloha!” Es ist solch eine Freude, zusammen mit euch an der Schwelle zwischen Vergangenheit und Zukunft zu stehen! Wir feiern 150 Jahre Dienen, Schwesternschaft und das gemeinsame Bestreben, Heilige zu werden. In 150 Jahren, wenn die Schwestern wieder Anlaß zu einer Gedenkfeier haben, werden sie hoffentlich sagen: „1992 war für die Frauenhilfsvereinigung ein Jahr geistiger Kraft und Macht, ein Jahr, wo die Engel nicht daran gehindert werden konnten, sich zu diesen Frauen zu gesellen, nämlich zu unseren Vorfahren!”

Das aber, liebe Schwestern, sind wir. Wie ihr wißt, war es Joseph Smith, der die Prophezeiung von den Engeln ausgesprochen hat. Ich rufe uns alle auf, diese Prophezeiung zu verwirklichen, indem wir unsere persönliche Geistigkeit vermehren, uns zu einer machtvollen Schwesternschaft vereinigen und anderen Menschen mit christlicher Liebe dienen.

Wir sprechen heute über das Dienen, und deshalb möchte ich euch ein wichtiges japanisches Wort beibringen, nämlich kingazuku. Sprecht es mir nach: kingazuku. Noch einmal. Sehr gut. Ich möchte euch sagen, ihr seid alle sehr sprachbegabt, was die Sprache des Herzens betrifft.

Kingazuku bezeichnet den „inneren Drang, etwas zu tun, ohne daß einem gesagt wird, was man tun soll”. Erstens können wir viel Gutes tun, wenn wir als organisierte Körperschaft handeln. Die 150 Jahre Frauenhilfsvereinigung sind ein Beweis dafür. Da verfertigt ein Pfahl in Denver, Colorado, Steppdecken - Dutzende dicke, warme, angenehme Steppdecken - und schenken sie den Armen, die kein Zuhause haben. Zweitens können wir viel Gutes tun, wenn wir in einer kleinen Gruppe handeln. Die Mitglieder des Hauptausschusses nahmen sich ein Stück Bundesstraße zur Säuberung von Abfall vor, zogen sich Arbeitshandschuhe an und fanden schnell heraus, daß es nicht lange braucht, et was zu bewirken. Und drittens kann man auch selber viel Gutes tun - einfach als einzelne, wenn man den Wunsch hat zu dienen. Denkt an die Schwester Julia Mavimbela in Südafrika, die Kindern, die nie ein wirkliches Zuhause gehabt hatten, beibrachte, wie man einen Garten pflanzt, um die Erde zu pflegen. Es ist der Wunsch im Herzen des einzelnen, der nicht nur die kleinen Liebestaten bewirkt, sondern auch Kraft zu den großen Taten gibt, die mächtige Bewegungen werden und sogar Umwälzungen hervorbringen. Und auch ihr habt diese Kraft.

Sitzt ihr auf einem Teppich oder einem gepolsterten Sessel? Tragt ihr einen Sari oder ein dreiteiliges Kostüm? Hört ihr mich in Englisch oder in Tagalog? Darauf kommt es nicht an. Ihr sollt vernehmen, was mein Herz spricht! Ihr sollt die Kraft verspüren, die aus dem Wunsch erwächst, Gutes zu tun!

Als ich noch ein kleines Mädchen war, so fünf oder sechs Jahre alt, da lehrte mich meine Mutter, wie ich herausfinden konnte, etwas Gutes zu tun. Wenn sie den Boden fegte, sagte sie: „Chieko, was würde ein Kingazuku-Mädchen jetzt tun?” Ich dachte ein wenig nach, dann lief ich und holte die Kehrichtschaufel und hielt sie ihr hin. Ich erkannte die Belehrungen meiner Mutter wieder, als ich diese schöne Schriftstelle in, Lehre und Bündnisse’ 58:27,28 las:

Wahrlich, ich sage euch (und ich meine euch, Chieko, Aileen, Elaine, Carol - und ihr könnt euren Namen einfügen!) ihr sollt euch voll Eifer einer guten Sache widmen und vieles aus freien Stücken tun und viel Rechtschaffenheit bewirken; denn es ist in eurer Macht, selbständig zu handeln.

Ihr seid mächtig! In, Lehre und Bündnisse’, Abschnitt 4, Vers 3 heißt es: „Darum, wenn ihr den Wunsch habt, Gott zu dienen, seid ihr zu dem Werk berufen.” Der Herr sagt nicht: „Wenn ihr einen akademischen Grad habt, seid ihr zu dem Werk berufen”, oder „wenn ihr die Tempelehe geschlossen habt”, oder „wenn ihr den Auftrag vom Bischof habt, seid ihr berufen”. Nein, alles was es braucht, ist der Wunsch. Ihr müßt diesen Funken in eurem Herzen spüren und ebenso die Kraft, euch zu entscheiden!

Denkt an Jesus, wie er den blinden Bettler geheilt hat. Er spuckte auf die Erde, strich dem Blinden den Brei auf die Augen und sagte zu ihm: „Geh und wasch dich im Teich Schiloach!” Als der Mann zurückkam, konnte er sehen.

Meine Schwestern, in dieser Begebenheit sind vier Lektionen über das Dienen enthalten. Erstens darf man nicht übersehen, daß Jesus und der Mann keine Verabredung hatten. Sie begegneten einander zufällig. Haltet also im Alltag Ausschau nach Gelegenheiten. Wartet nicht auf große Projekte. Zweitens erkannte Jesus, daß jemand etwas brauchte. Manchmal habe ich den Eindruck, wir sehen Programme und nicht die Menschen. Wir achten darauf, wie viele Stühle besetzt sind, und nicht, wer anwesend ist oder - noch wichtiger - wer fehlt. Jesus blickte tief in die blinden Augen: da sah er, worauf es ankam!

Drittens tat er seinen Dienst sofort und nur mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen - Speichel und Brei und Hilfsbereitschaft. Er brachte den Mann nicht in eine Superklinik. Er organisierte keine Hornhautverpflanzung. Er machte es nicht zu einer Sache für die Medien. Manchmal meinen wir, wir seien für das Dienen nicht reich genug oder nicht genügend ausgebildet oder nicht alt genug oder nicht mehr so jung, und sagen zu dem Mann: „Warte hier. Ich komme gleich wieder, ich muß nur zuerst noch nachlesen, wie man den Brei richtig bereitet.” Denkt daran: Wenn wir den Wunsch haben zu dienen, dann genügen unsere Hände, ein wenig Speichel und ein wenig Brei, um ein Wunder zu vollbringen.

Und viertens, Jesus verrichtete nicht einfach seinen Dienst und ließ den Mann dann stehen. Er gab ihm die Möglichkeit, seinen Glauben zu üben, und stärkte ihm den Glauben, indem er ihn an seiner Heilung teilnehmen ließ. Eine einfache Sache - sich im Teich Schiloach zu waschen. Es war freilich ein Risiko: Was, wenn der Mann sich weigerte? Was, wenn er sagte: „Das ist mir zu schwer” oder „Ich glaube nicht, daß dieser Brei etwas ausrichtet”? Er wäre vielleicht blind geblieben, aber Jesus ließ es darauf ankommen und den Mann an seinem Wunder teilhaben. Auch das ist für uns eine Lektion im Dienen.

Der Wunsch zu dienen kommt von Gott. Die Angst aber, wir seien nicht geeignet, nicht genug vorbereitet, würden keinen Erfolg haben, die kommt weder vom himmlischen Vater noch von Jesus Christus. Sie kommt vom Satan. Nächstenliebe ist unser Wahlspruch, aber auch unser Auftrag vom Vater. Ich rufe auf eine jede von uns seine Macht und seine Verheißung herab, „daß wir von dieser Liebe erfüllt werden, die er all denen verleiht, die wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus sind, damit wir Töchter Gottes werden, damit wir, wenn er erscheinen wird, so sein werden wie er.” (Moroni 7:48, adaptiert.) Mögen diese Hände Gutes tun, darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.