1990–1999
Die reine Gottesliebe
April 1992


Die reine Gottesliebe

Wenn wir „mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater” beten, können wir von dieser Liebe erfüllt werden.

Brüder und Schwestern, als meine Frau und ich in Hawaii dienten, haben wir viele glaubensstärkende Missionarsgeschichten über Elder George Q. Cannon und Elder Joseph F. Smith und über die wunderbaren geistigen Erlebnisse vieler weiterer Missionare gehört. (Siehe George Q. Cannon, My First Mission, 2. Auflage, Salt Lake City, 1882; und Joseph Fielding Smith, Life of Joseph F. Smith, Salt Lake City, 1938.)

Ich fühle mich gedrängt, Ihnen etwas von den Missionarserlebnissen von Eider Joseph F. Smith zu erzählen. Er wurde mit fünfzehn Jahren von den führenden Brüdern auf Mission geschickt. Mit fünf Jahren hatte er seinen Vater und mit vierzehn seine Mutter verloren. Aus den Berichten geht hervor, daß er in Maui und in Kohala auf der Hauptinsel tätig war. Dann wurde er mit sechzehn Jahren als präsidierender Ältester auf die Insel Molokai versetzt. Jeden Tag besuchten er und sein Mitarbeiter, Elder Thomas A. Dowell, die kleinen Zweige. Sie missionierten, heilten die Kranken und trieben böse Geister aus. Gemeinsam lasen sie mit den Mitgliedern in der heiligen Schrift und den wunderschönen Lehren Jesu Christi und erzählten die Geschichte von der Wiederherstellung noch einmal. Viele Mitglieder waren der Kirche gegenüber gleichgültig geworden, weil über die Kirche und über den Propheten Joseph Smith falsche Geschichten im Umlauf waren.

Die beiden Mitarbeiter bereisten Molokai von Ost nach West. Sie hatten kaum etwas zu essen, und jeden Tag legten sie in der Sonnenhitze, ohne Wasser, gut vierzig Kilometer zurück. Eines Tages schaffte der Mitarbeiter von Eider Smith es fast nicht mehr. An dem Tag erreichten sie schließlich das Haus von Herrn und Frau Meyers, einer deutschen Familie. Das Ehepaar empfing sie freundlich und liebevoll, beherbergte sie mehrere Tage lang und gab ihnen zu essen. Aber nicht nur das, Herr Meyers stellte Eider Smith auch ein gutes Reitpferd zur Verfügung, so daß er mehrere Zweige besuchen konnte. Eider Smith und Eider Do well ließen sich jeden Tag vom Geist leiten. Sie arbeiteten angestrengt und bekehrten einige Menschen; außerdem brachten sie viele zur Aktivität zurück.

Eines Tages wurde Eider Smith schwer krank und bekam hohes Fieber. Er erhielt einen Krankensegen, aber er wurde nicht sofort gesund. Er war dem Tod nahe. Häufig befand er sich in einem kritischen Zustand. Drei Monate lang pflegten ein einheimischer Bruder und seine Frau ihn liebevoll. Dieses junge Ehepaar tat, was es konnte, um dem jungen Missionar das Leben zu retten. Sie schenkten ihm ihre elterliche Liebe und fasteten und beteten viele Tage lang. Der junge Missionar vergaß nie, was man ihm Gutes getan hatte, und ließ einen Freund nie im Stich. Er ehrte diese wunderbare Frau, Ma Manuhii, als seine hawaiische Mutter.

Viele Jahre darauf besuchte er die Inseln wieder, diesmal in Begleitung von Bischof Charles W. Nibley, der der Präsidierenden Bischofschaft angehörte und später Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft wurde. Als sie im Hafen von Honolulu an Land gingen, wurden sie von vielen einheimischen Mitgliedern begrüßt, die ihnen zahlreiche Leis und alle möglichen einheimischen Blumen brachten. Beiden wurde Lei um Lei umgehängt. Der junge Mann, aus dem inzwischen ein alter Mann geworden war, bekam mehr als irgend jemand anders. Eine große hawaiische Band spielte zur Begrüßung sogar Mormonenlieder.

Bischof Nibley hielt in seinem Tagebuch diesen rührenden kleinen Vorfall fest: „Es war wunderbar mitanzusehen, wie innig diese Menschen ihn lieben. Es gab sogar Tränen. Mittendrin fiel mir eine arme blinde Frau auf, die unter der Last ihrer neunzig Jahre wankte, als sie hereingeführt wurde. Sie hatte ein paar sehr schöne Bananen in der Hand. Es war alles, was sie hatte - ihr Geschenk. Sie rief:, Iosepa, losepa!’ Sobald er sie sah, lief er zu ihr hin, nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und küßte sie immer und immer wieder. Er streichelte ihr den Rücken und sagte:, Mama, Mama, meine liebe alte Mama!’ Ihm liefen die Tränen über das Gesicht, als er sich dann mir zuwandte und sagte:, Charley, sie hat mich gepflegt, als ich ein Junge war; ich war krank und hatte niemanden, der sich um mich gekümmert hätte. Da hat sie mich bei sich aufgenommen. Sie war wie eine Mutter zu mir!’”

Bischof Nibley fuhr fort:

„Ach, es war rührend - es ist mir richtig zu Herzen gegangen. Es war wunderbar zu sehen, wie dieser große, gute Mann sich voll zärtlicher Zuneigung an die Güte erinnerte, die ihm mehr als fünfzig Jahre zuvor erwiesen worden war, und dazu diese arme alte Frau, die aus Liebe ein paar Bananen mitgebracht hatte - alles was sie hatte -, um sie ihrem geliebten losepa zu schenken.” (Life of Joseph F. Smith, Seite 185f.)

Brüder und Schwestern, dieser losepa war Präsident Joseph F. Smith, der sechste Präsident der Kirche. Was können wir aus dieser Begebenheit lernen? Schwester Ma Manuhii hatte keine Ahnung davon, daß dieser sechzehnjährige Junge eines Tages Präsident der Kirche werden sollte. Sie erwartete nichts von ihm. Sie half ihm, weil sie den Missionar des Herrn mit der reinen Gottesliebe liebhatte (siehe Moroni 7:47). Dieses hawaiische Ehepaar ehrte und achtete, liebte und umsorgte die Missionare als die Boten des Herrn, weil es die reine Gottesliebe besaß. Diese Achtung und Ehrfurcht blieb ihr erhalten, bis sie starb.

Eider Smith wurde auf seiner Mission vom Herrn auf die Härten des Lebens vorbereitet. Die Liebe, die er bei seiner großartigen hawaiischen Mutter fand, ist niemals aus seinem Herzen gewichen. „Ihm liefen die Tränen über das Gesicht. …, Charley, sie hat mich gepflegt, als ich ein Junge war; ich war krank und hatte niemanden, der sich um mich gekümmert hätte. Da hat sie mich bei sich aufgenommen. Sie war wie eine Mutter zu mir!’”

Brüder und Schwestern, solche Liebe und Güte müssen einfach in unserer Missionsarbeit und unseren Reaktivierungsbemühungen herrschen. Diese „Liebe Gottes” (siehe l Nephi 11:22,25) ist der Geist der Missionsarbeit und der Geist der Reaktivierung. Diese „Liebe Gottes” ist der Geist der Bekehrung. Diese „Liebe Gottes” ist der

Geist der gegenseitigen Fürsorge. „Darum ist dies das Begehrenswerteste von allem” (lNephi 11:22) „und die größte Freude für die Seele” (l Nephi 11:23). Brüder und Schwestern, tun wir es doch dieser großartigen hawaiischen Mutter gleich, und zwar nicht nur, indem wir den Missionaren zu essen geben, sondern auch, indem wir diese Liebe weitergeben und die Misssionare zu Teil-Mitgliederfamilien, weniger aktiven Mitgliedern und Nichtmitglieder mitnehmen - im Rahmen des Heimlehrens und des Besuchslehrens. Den Menschen wird diese Liebe zu Herzen gehen. Als Nephi den Herrn sah, rief er aus: „Ja, das ist die Liebe Gottes, die sich überall den Menschenkindern ins Herz ergießt.” (l Nephi 11:22.) Mit dieser Liebe können wir alle, wenn wir mit den Vollzeitmissionaren zusammenarbeiten und unsere Anstrengungen vereinen, viele neue Mitglieder und reaktivierte Mitglieder zum Tempel bringen. Die Missionare werden aus Ihrem Beispiel lernen. Wenn sie dann in ihre Gemeinde, ihren Pfahl zurückkehren, werden sie Ihrem Beispiel nacheifern.

Missionare, Sie müssen rein und eifrig sein. Befolgen Sie alle Missionsregeln „mit Genauigkeit” (Alma 57:21). Studieren Sie, wie Joseph F. Smith, eifrig die heiligen Schriften (siehe l Nephi 11:25). Üben Sie „überaus festen Glauben”, zweifeln Sie nicht (siehe Alma 57:26). Setzen Sie Ihr Vertrauen in Gott (siehe Alma 57:27). Vor allem müssen Sie sich die wahre Eigenschaft eines Missionars aneignen, nämlich „Nächstenliebe … die reine Christusliebe” (Moroni 7:47).

Ich bezeuge Ihnen, so wie Moroni es uns verheißen hat: Wenn wir „mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater” beten, können wir von dieser Liebe erfüllt werden, „die er allen denen verleiht, die wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus sind” (Moroni 7:48; Hervorh. v. Verf.). Wenn wir - Missionare, Führer und Mitglieder - zusammenarbeiten, dann segnet uns der Herr, so wie er Nephi und Lehi, die Söhne Helamans, gesegnet hat.

In der Schrift steht: „Im selben Jahr gab es in der Kirche ein überaus großes Gedeihen, so sehr, daß es Tausende gab, die sich der Kirche anschlössen und zur Umkehr getauft wurden. …

Das Werk des Herrn gedieh, so daß sich viele Seelen taufen ließen und sich mit der Kirche Gottes vereinigten [was meiner Meinung nach die Reaktivierung einschließt], ja, Zehntausende.

So können wir sehen, daß der Herr zu allen denen barmherzig ist, die in ihrer Herzensaufrichtigkeit seinen heiligen Namen anrufen. …

Ja, so sehen wir, daß das Tor des Himmels allen offen ist, nämlich denen, die an den Namen Jesu Christi glauben, der der Sohn Gottes ist.” (Helaman 3:24,26-28; Hervorh. v. Verf.)

Brüder und Schwestern, ich bezeuge Ihnen demütig, daß Gott lebt. Jesus ist der Messias. Er liebt uns. Wenn wir seiner Liebe nacheifern, können wir wunderbare Brüder und Schwestern zur Herde zurückbringen. Dies ist seine Kirche. Präsident Benson ist sein Prophet. Im Namen Jesu Christi. Amen.