1990–1999
Der Geist der Frauenhilfsvereinigung
April 1992


Der Geist der Frauenhilfsvereinigung

„Dienstbereitschaft entspringt der Liebe. Solange wir lieben, dienen wir auch.”

Wir haben uns heute dem Himmel zugewandt. Wir sind mit wunderschöner Musik und inspirierten Ansprachen gesegnet worden. Der Geist des Herrn ist hier.

Ich übermittle Ihnen, den lieben Schwestern von der FHV, die Grüße von Präsident Ezra Taft Benson, der diese Versammlung in seiner Wohnung auf dem Bildschirm verfolgt, von Präsident Gordon B. Hinckley, der sich im Auftrag der Kirche im Ausland aufhält, und von allen Generalautoritäten der Kirche. Wir spenden Ihnen Beifall. Wir beten für Sie. Wir sind stolz auf Sie.

Elaine Jack, Chieko Okazaki, Aileen Clyde wir danken dem Himmel für Ihre lieben Mütter, für Ihre Lehrer, Ihre Jugendführer, die das Potential erkannt haben, das in Ihnen steckt.

Ich möchte das einmal so umschreiben:

Man weiß nie, was ein Mädchen wert ist,

man muß es einfach abwarten. Aber jede Frau,

die Großes leistet,

war zunächst einmal ein Mädchen.

Ich habe vor Jahren ein Foto von einer Sonntagsschulklasse in der Sechsten Gemeinde im Pfahl Pioneer in Salt Lake City gesehen. Das Foto war 1905 aufgenommen worden. In der ersten Reihe war ein Mädchen mit Zöpfen zu sehen. Sie hieß Belle Smith. Später, als Belle Smith Spafford, Präsidentin der FHV, schrieb sie: „Nie haben die Frauen größeren Einfluß gehabt als in der heutigen Welt. Nie haben ihnen mehr Möglichkeiten offengestanden. Für die Frauen ist dies eine einladende Zeit, die reichen Lohn in sich birgt, wenn wir das Gleichgewicht behalten, die wahren Werte des Lebens kennen und unsere Prioritäten überlegt setzen.”

Der Apostel Paulus mahnt: „Der Buchstabe (des Gesetzes) tötet, der Geist aber macht lebendig.” (2 Korinther 3:6.) Der Geist der FHV tut sich in unserer Zeit kund. Wir sehen wachsende Stärke, wir spüren neues Leben, wir sehen, wie ein neuer Tag anbricht.

In der Church News hat Schwester Irene Maximowa, die FHV-Leiterin in St. Petersburg, davon erzählt, welche Veränderungen sie an den Frauen wahrnimmt, die sich der Kirche angeschlossen haben: „Sie haben mehr Mitgefühl. Ich sehe, wie Rücksichtnahme und Achtung zunehmen. Sie befassen sich mehr mit den heiligen Schriften und geistigen Belangen. … Als Mitglieder der Kirche müssen wir immer an das Gebot des Herrn denken, daß wir Gott und unseren Nächsten lieben sollen. … 70 Jahre lang waren diese guten Eigenschaften in unserer Gesellschaft verloren.” (Church News, IS.Februar 1992.)

In derselben Ausgabe der Church News war die aufregende Ankündigung zu lesen, auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion würden bald drei neue Missionen eröffnet. Das ist inzwischen geschehen. Es werden Zweige der Kirche gegründet werden, die Wasser der Taufe werden diejenigen willkommen heißen, die dafür bereit sind, die FHV wird viele neue Mitglieder bekommen, und es werden viele Menschen errettet werden.

Ich finde es gut, daß Sie sich in diesem Jahr, in dem Sie Ihr hundertfünfzigjähriges Bestehen feiern, unter anderem vorgenommen haben, die Alphabetisierung voranzutreiben. Wer lesen und schreiben kann, kann gar nicht nachvollziehen, was denen entgeht, die nicht lesen und schreiben können. Sie sind in eine dunkle Wolke gehüllt, die ihren Fortschritt hemmt, sie stumpfsinnig macht und ihre Hoffnung lahmt. Sie, die Schwestern der FHV, können diese Wolke der Verzweiflung vertreiben und das Licht des Himmels über ihre Schwestern leuchten lassen.Vor ein paar Monaten habe ich in Monroe in Louisiana eine Regionskonferenz besucht. Es war schön. Auf dem Heimweg sprach mich auf dem Flughafen eine hübsche schwarze Frau an, die Mitglied der Kirche ist, und sagte mit einem strahlenden Lächeln: „Präsident Monson, bevor ich mich der Kirche angeschlossen habe und Mitglied der FHV geworden bin, konnte ich nicht lesen und schreiben. Niemand in meiner Familie konnte das. Wir waren alles arme Landarbeiter. Meine weißen Schwestern in der FHV haben mir das Lesen und Schreiben beigebracht. Jetzt helfe ich meinen weißen Schwestern, auch anderen das Lesen und Schreiben beizubringen.” Ich dachte daran, welch große Freude sie empfunden haben muß, als sie die Bibel aufschlug und zum ersten Mal diese Worte des Herrn las:

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.

Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.

Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.” (Matthäus 11:28-30.)

An jenem Tag in Monroe hat mir der Geist Ihr hohes Ziel bestätigt.

Bei der Planung des FHV-Leitfadens werden die folgenden Punkte sorgsam beachtet:

  1. Jede Frau hat von Gott bestimmte Eigenschaften und Talente mitbekommen, damit sie die ihr zugedachte Mission im ewigen Plan erfüllen kann.

  2. Das Priestertum ist zum Nutzen aller Mitglieder der Kirche da. Eine Frau trägt zwar nicht das Priestertum, aber ein Mann hat keinen größeren Anspruch auf die damit verbundenen Segnungen als eine Frau.

  3. Die Familie ist die grundlegende Organisation, in der die Menschen gelehrt werden, untadelig vor dem Herrn zu wandeln.

  4. Die Organisation für die Frauen ist vor allem dazu gegründet worden, um dem Nächsten zu dienen und ein Gefühl für die Bedürfnisse des anderen zu vermitteln.

Im Einklang damit möchte ich heute an Sie, die Mitglieder der FHV, vier Aufforderungen für unsere Zeit richten:

Erstens: Behalten Sie Ihre Talente nicht für sich.

Zweitens: Unterstützen Sie Ihren Mann.

Drittens: Machen Sie Ihre Familie stark.

Viertens: Dienen Sie Ihrem Gott.

Behalten Sie Ihre Talente nicht für sich.

Jede von Ihnen, ob alleinstehend oder verheiratet, alt oder jung, kann dazulernen. Erweitern Sie Ihre Kenntnisse auf intellektueller und geistiger Ebene, schöpfen Sie die Möglichkeiten aus, die Gott Ihnen geschenkt hat. Ihrem guten Einfluß sind keine Grenzen gesetzt. Behalten Sie Ihre Talente nicht für sich, denn das, was wir bereitwillig abgeben, das behalten wir. Was wir aber egoistisch für uns behalten wollen, das verlieren wir.

Unterstützen Sie Ihren Mann.

Mann und Frau müssen folgendes beherzigen: „Die Frau ist aus dem Mann geschaffen worden, nicht aus seinen Füßen, um am Boden zertreten zu werden, sondern aus seiner Seite, um ihm gleich zu sein, unter seinem Arm, um beschützt zu werden und seinem Herzen nah, um geliebt zu werden.” Seien Sie geduldig, seien Sie zärtlich, seien Sie liebevoll, seien Sie rücksichtsvoll, seien Sie verständnisvoll, geben Sie Ihr Bestes, um Ihren Mann zu unterstützen, denken Sie daran, daß Ihre Kinder Ihre Zuneigung irgendwann einmal nicht mehr so brauchen, Ihr Mann sie dagegen immer braucht.

Viele Mitglieder der FHV haben keinen Mann. Tod, Scheidung und der Mangel an Gelegenheit zum Heiraten bedingen es häufig, daß eine Frau allein dasteht. Aber in Wirklichkeit braucht sie gar nicht allein dazustehen, denn der himmlische Vater steht ihr liebevoll zur Seite, um ihr Weisung zu geben und ihr in den stillen Augenblicken, in denen sie sich einsam fühlt und Mitgefühl braucht, inneren Frieden und Trost zu schenken.

Machen Sie Ihre Familie stark.

Die Familie ist etwas Wunderbares. Sie soll ein Stück Himmel auf Erden sein, wo der Geist des Herrn wohnen kann.

Allzuhäufig unterschätzt eine Frau ihren guten Einfluß. Aber halten Sie sich an diese Weisung des Herrn: „Errichtet ein Haus, nämlich ein Haus des Betens, ein Haus des Fastens, ein Haus des Glaubens, ein Haus des Lernens, ein Haus der Herrlichkeit, ein Haus der Ordnung, ein Haus Gottes.” (LuB 88:119.)

In einem solchen Haus leben glückliche, lächelnde Kinder, die in Wort und Tat die Wahrheit vermittelt bekommen. In einer Familie von Heiligen der Letzten Tage sind Kinder nicht bloß geduldet, sondern willkommen; es wird ihnen nicht befohlen, sondern sie werden angespornt; sie werden nicht angetrieben, sondern geführt; sie werden nicht vernachlässigt, sondern geliebt.

Dienen Sie Ihrem Gott.

Sie können Ihrem Nächsten nicht dienen, ohne Gott Ihre Liebe zu erweisen. Dienstbereitschaft entspringt der Liebe. Solange wir lieben, dienen wir auch. Dabei müssen wir uns selbst mit einbringen, damit unser Dienst von Herzen kommt, wie Sir Launfal einmal gesagt hat. Und James Russell Lowell hat gesagt: „Alle schönen Gefühle in der Welt wiegen weniger als eine einzige liebevolle Tat.”

Trösten Sie die Einsamen und Traurigen, die, die weinen und erschöpft sind; verbreiten Sie Güte, wo immer Sie sind, machen Sie die Welt jeden Tag etwas freundlicher.

Wesenskern des Dienstes am Nächsten, Wesenskern der FHV ist, daß Sie sich selbst einbringen. Der Philosoph Emerson hat gesagt: „Ringe und Juwelen sind keine Geschenke, sondern nur ein minderwertiger Ersatz. Das einzige wahre Geschenk ist ein Teil deiner selbst.”

Schwestern, nehmen Sie diese vier Aufforderungen an, nämlich:

  1. Behalten Sie Ihre Talente nicht für sich.

  2. Unterstützen Sie Ihren Mann.

  3. Machen Sie Ihre Familie stark.

  4. Dienen Sie Ihrem Gott. Dann werden die Segnungen des Himmels mit Ihnen sein.

Ich möchte das veranschaulichen. Vor ein paar Jahren habe ich einen außergewöhnlichen, etwas beängstigenden Auftrag erhalten. Folkman D. Brown, der damals das Bindeglied der Kirche zu den Boy Scouts of America war, kam in mein Büro, weil er erfahren hatte, daß ich im Begriff war, zu einem längeren Besuch in den Missionen auf Neuseeland aufzubrechen. Er erzählte mir von seiner Schwester, Belva Jones, die Krebs im Endstadium hatte und nicht wußte, wie sie die traurige Nachricht ihrem einzigen Sohn übermitteln sollte, der im weit entfernten Neuseeland auf Mission war. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, er möge auf Mission bleiben und treu dienen. Sie fürchtete sich vor seiner Reaktion, weil dieser Missionar, Eider Ryan Jones, erst ein Jahr zuvor seinen Vater an dieselbe entsetzliche Krankheit verloren hatte.

Ich übernahm es, Elder Jones mitzuteilen, wie krank seine Mutter war und daß sie sich wünschte, er möge in Neuseeland bleiben, bis seine Zeit abgelaufen war. Nach einer Missionarsversammlung, die in der Nähe des wunderschönen Neuseeland-Tempels stattgefunden hatte, kam ich unter vier Augen mit Elder Jones zusammen und erklärte ihm so behutsam, wie ich nur konnte, wie es um seine Mutter stand. Natürlich flössen Tränen und nicht nur bei ihm aber dann gab er mir zuversichtlich die Hand und bat mich: „Sagen Sie meiner Mutter, daß ich meine Mission erfüllen werde. Ich werde beten, und ich werde sie wiedersehen.”

Ich kam gerade rechtzeitig nach Salt Lake City zurück, um an der Konferenz des Pfahles Lost River in Idaho teilzunehmen. Als ich dort gemeinsam mit dem Pfahlpräsidenten, Burns Beal, auf dem Podium saß, zog eine Frau auf der Ostseite der Kapelle, die von der Morgensonne überflutet war, meine Aufmerksamkeit auf sich. Präsident Beal sagte, es handle sich um Belva Jones. Er fügte hinzu: „Ihr Sohn ist in Neuseeland auf Mission. Sie ist sehr krank und hat um einen Segen gebeten.”

Bis zu dem Augenblick hatte ich nicht gewußt, wo Belva Jones wohnte. Ich hätte an dem Wochenende auch in irgendeinen anderen Pfahl geschickt werden können. Aber der Herr hatte das gläubige Gebet dieser hingebungsvollen Schwester auf seine Weise erhört. Im Anschluß an die Versammlung unterhielten wir uns noch angeregt miteinander. Ich berichtete ihr Wort für Wort, wie ihr Sohn Ryan reagiert und was er sich vorgenommen hatte. Dann gab ich ihr einen Segen, und wir beteten zusammen. Wir empfingen das Zeugnis, daß Belva Jones Ryan noch wiedersehen sollte.

Das durfte sie dann auch. Einen Monat vor ihrem Tod kam Ryan zurück, nachdem er seine Mission erfolgreich beendet hatte.

Immer wenn ich an den Pfahl Lost River denke, habe ich diese bescheidene Schwester vor Augen, der der Glaube eine so wunderbare Ausstrahlung verlieh. Unser Vater hatte seine Sonnenstrahlen genutzt, um seine Absichten kundzutun. Ich werde Belva Jones nie vergessen. Sie hatte ihre Talente nicht für sich behalten. Sie hatte ihren Mann und dann ihren Sohn in ihren Priestertumsberufungen unterstützt. Sie hatte ihre Familie stark gemacht, obwohl der Ehemann und Vater nicht mehr dagewesen war. Sie hatte nicht aufgehört, ihrem Gott und ihren Mitmenschen zu dienen. Sie hatte den Geist der FHV beispielhaft vorgelebt.

Liebe Schwestern in der FHV, gehen Sie mit Weitblick und vom Glauben getrieben in die nächsten 150 Jahre, denn der Herr hat verheißen: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.” (LuB 84:88.)

Ihnen allen möchte ich den alten aber immer willkommenen Glückwunsch zurufen: Alles Gute zum 150. Geburtstag! Möge der Friede des Himmels Ihr Geburtstagsgeschenk sein.

Im Namen Jesu Christi, der uns allen ewiges Leben, die größte aller Gaben, geschenkt hat. Amen.v