1990–1999
Erinnert euch der Bündnisse
April 1994


Erinnert euch der Bündnisse

Es besteht immer eine Beziehung zwischen dem Erinnern, Tun und Glücklichsein einerseits und dem Vergessen, Nicht-Tun und Unglücklichsein andererseits.

A Mitglieder und als Führer dieser Kirche werden wir oft als Leute dargestellt, die immer zu Versammlungen gehen oder von dort kommen. Das ist im großen und ganzen wahr, doch wir dürfen nicht vergessen, warum wir das tun. Durch Offenbarung erinnert der Herr uns daran, daß wir, wenn wir uns wie heute Abend versammeln, einander unterweisen und erbauen sollen, damit wir wissen, wie wir uns nach seinem Gesetz und seinen Geboten richten sollen. (Siehe LuB 43:8,9.) Wie wichtig ist es, uns dieser Weisung zu erinnern?

Sich erinnern heißt im Gedächtnis bewahren, um später daran zu denken oder seine Aufmerksamkeit darauf zu richten. Ich erinnere mich an etwas, damit ich es später zu einem bestimmten Zweck nutzen kann. Für Schüler und Studenten wie euch, junge Männer, bedeutet es, daß ihr Fakten oder Informationen auswendig lernt, um eine Prüfung zu bestehen, was zu guten Zensuren führt und euch glücklich macht. Ihr habt möglicherweise auch gelernt - vielleicht aus trauriger Erfahrung -, daß vergessen bedeutet, daß man sich an etwas nicht mehr erinnert, was zu schlechten Zensuren führt und euch unglücklich macht. Es besteht immer eine Beziehung zwischen

dem Erinnern, Tun und Glücklichsein einerseits und dem Vergessen, Nicht-Tun und Unglücklichsein andererseits.

Selbstverständlich verhält es sich mit geistigen Angelegenheiten ebenso. Ich erinnere mich des Evangeliums und der Bündnisse, und ich handle und beteilige mich. Ich setze mich ein und empfange die Segnungen, die mit den Bündnissen oder den Geboten einhergehen. Wenn ich meinen Glauben und meine Bündnisse vergesse und mich nicht einsetze und an meiner Errettung arbeite, empfange ich die verheißenen Segnungen nicht.

Wenn ich mir dieses geistige Lehrmuster in meinem Leben durch den Kopf gehen lasse, möchte ich Sie an einigen meiner Erinnerungen als Bekehrter teilhaben lassen. Vielleicht vermittelt das dem einen oder anderen - ganz gleich, wie alt -, wie man „allzeit und in allem, wo auch immer … als Zeuge Gottes” auftritt (siehe Mosia 18:9).

Alles begann am Tag meiner Taufe. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt und Student. Ich gehörte zu einer kleinen Gruppe, die sich in einem Schwimmbad in Brüssel einfand. Wir hatten damals kein Gemeindehaus. Es gab kein Taufbecken, keinen Bischof, nur zwei Missionare und einige Mitglieder des Zweiges waren anwesend. Keiner meiner Angehörigen war mitgekommen. Es war der erste Schritt in das Bekannte und das Unbekannte. Das Bekannte war ein sicheres Zeugnis von Jesus Christus, unserem Erretter und Erlöser; von Joseph Smith, einem Propheten; vom Buch Mormon und von der Kirche, der einzig wahren. Das Unbekannte war noch zu entdecken und zu erfahren.

Es wurde langsam enthüllt, als ich nach der Taufe das Priestertum empfing. Nach den damaligen Richtlinien mußte ein Bekehrter fast vor den Richterstuhl treten, um das Priestertum zu empfangen. Drei Monate vergingen, ehe ich interviewt und zum Diakon ordiniert wurde. Dann stand ich an jenem Sonntagmorgen vor dem Abendmahlstisch, um die Symbole des Sühnopfers Jesu Christi auszuteilen. Ich erinnere mich noch an das, was mich umgab und was sich deutlich von der verschnörkelten Ausstattung der Kirche, in der ich Gott zuvor angebetet hatte, unterschied. Ein Eßzimmer war zu einem Versammlungsraum umfunktioniert worden, in dem ein paar Mitglieder an der Abendmahlsversammlung teilnahmen. Das war das erste Mal, wo ich meine Berufung im Priestertum groß machen konnte. Neun Monate später wurde ich zum Lehrer ordiniert und lernte, die Mitglieder in ihren Streitigkeiten und ihrem Auf und Ab zu belehren und über sie zu wachen.

Es waren interessante Tage, in denen man in der Priestertumsversammlung mit zwei Missionaren und zwei weiteren Brüdern im Kreis saß und ein hektografiertes Blatt Papier hatte, auf dem die Lektion stand. Es gab keinen Priestertumsleitfaden, und vom Buch, Lehre und Bündnisse’ waren gerade 20 Abschnitte ins Französische übersetzt. Es gab keine Köstliche Perle, aber das wichtigste war, daß wir das vollständige Buch Mormon hatten. Wir ließen dieses großartige Buch von Hand zu Hand gehen und lernten von den Bündnissen und Belehrungen des Herrn und von seiner Lehre. Weisung auf Weisung, Stein auf Stein baute ich meinen geistigen Speicher und erfreute mich geistigen Glücks.

Weitere vier Monate vergingen, dann wurde ich als Priester ordiniert. Jetzt stand ich auf der anderen Seite des Abendmahlstisches. Das Dekor war dasselbe, aber ich fühlte mich anders. Es beeindruckte mich, daß ich nun die Symbole des Abendmahls segnete und (die Worte) auswendig lernte, „… damit sie zum Gedächtnis des Leibes deines Sohnes essen und dir … bezeugen … und immer an ihn … denken und seine Gebote … halten, damit sein Geist immer mit ihnen sei” (siehe LuB 20:77). Es war ein unvergeßliches Erlebnis und ich sehe es noch heute vor mir, wenn ich als Generalautorität das Abendmahl segne.

Zwei Jahre waren nach meiner Taufe vergangen, da kam der Tag, an dem ich das Melchisedekische Priestertum empfangen und als Ältester ordiniert werden sollte. Der Missionspräsident legte mir wiederum die Hände auf. Die Vollmacht und Kraft, im Namen des Herrn zu handeln, wurden übertragen. Das geschah im beiderseitigen Einvernehmen durch einen Eid und einen Bund. Der Eid stellte die Gewißheit dar, daß die Versprechen der Vereinbarung von beiden Seiten gehalten würden, der Bund, daß die Bedingungen der Vereinbarung eingehalten würden.

Wenn ich mich an die Priestertumsvorbereitung im Dienst des Herrn erinnere, kann ich sehen, wie ich dadurch, daß ich mich der Bündnisse erinnerte, Hilfe bekam, um meine Priestertumsberufung in Ehren zu halten und großzumachen, die Gebote zu halten und geistiges Glück als Vorbereitung auf das ewige Leben zu finden. In jenen Jahren der Bewährung vergaßen viele meiner jungen Freunde in der Kirche ihre Bündnisse und kehrten nacheinander zur Welt zurück. Die Welt steht immer zwischen Mensch und Gott und stellt zwei Wahlmöglichkeiten, aber nur eine wahre Wahl dar.

Wie können wir die Kraft finden, uns für den Dienst des Herrn zu entscheiden? Einfach indem wir uns auf die Lehre Jesu Christi konzentrieren, die denen Errettung gewährt, die sich ihrer erinnern, sie annehmen und sich nach ihr richten. Wie hat das bei mir funktioniert?

Als junger Mann setzte ich mich mit der Lehre von der ewigen Ehe und der Familie auseinander. Sie war für mich von großem Interesse und ein entscheidender Faktor bei meiner Bekehrung. Ich hatte miterlebt, wie die Ehe meiner Eltern zerbrach. Ich hatte gesehen, welchen Kummer der Tod verursacht, wenn es an geistiger Erkenntnis fehlt, und Freunde, die ohne die heiligen Handlungen des Tempels heirateten. Dieses Leid wollte ich vermeiden.

Wie lautet diese Lehre? In der Bibel heißt es, daß Adam geschaffen wurde, daß er aber allein war. Wir lesen: „Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht.” (Genesis 2:20.) Daher schuf der Herr die Frau - nicht einen weiteren Mann - und gebot, daß sie durch das heilige Band der Ehe vereinigt sein sollten. Diese erste göttliche, rechtschaffene, eingesetzte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau wurde mit folgenden Worten besiegelt: „Der Mann … bindet sich an seine Frau.” (Genesis 2:24.) Das ist festgelegte Lehre und wird sich nie ändern. Sie wird in der neuzeitlichen Offenbarung wiederholt: „Du sollst deine Frau von ganzem Herzen lieben und sollst an ihr festhalten und an keiner anderen.” (LuB 42:22.) Diese Verbindung wird durch die Vollmacht des immerwährenden Priestertums zu einer heiligen Handlung, der Siegelung im Tempel, gemacht. Sie wird auch der neue und immerwährende Bund der Ehe genannt, und hat den Zweck, die Ehepartner auf Erden zu verbinden und sie nachher zur Fülle der Erhöhung im Reich Gottes zu führen. Adam und Eva wurde dann auch geboten, sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern. „Adam nannte seine Frau Eva (Leben), denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.” (Genesis 3:20.)

Das wahre Konzept der Ehe und der Familie, einer Einheit, die aus Mann und Frau sowie Kindern besteht, die aneinander gesiegelt sind, hat Gott im Beginn eingeführt, um ewige Familien zu schaffen. Dieses Grundprinzip wurde meine Vision und mein Ziel und wurde Wirklichkeit, als meine Frau und ich im Tempel in der Schweiz gesiegelt wurden. Als Ehemann und Vater und später als Großvater war ich und bin ich noch immer verantwortlich für die Entwicklung, den Unterhalt, den Schutz und die Errettung meiner Familie.

Ein weiterer bestimmender Faktor bei meiner Bekehrung war, daß die Kirche als göttliche Institution mit der Vollmacht des Priestertums geführt wird. Dies schafft den Rahmen, den ich als Mitglied dieser Bündnisgruppe als Unterstützung brauchte. Ich konnte meine Familie nicht allein erretten.

Elder John A. Widtsoe hat geschrieben: „Die Kirche, die Gemeinschaft von Menschen, die den gleichen intelligenten Glauben und Wunsch und dieselbe intelligente Handlungsweise haben, ist die organisierte Kraft, durch die Gott mit seinen Kindern umgeht und seinen Willen darlegt. Darüber hinaus muß die Vollmacht, für Gott zu handeln, einer Organisation verliehen werden und nicht jedem einzelnen Mann. Durch das Priestertum hat die Kirche diese Macht zum Nutzen der Menschen inne.” (Priesthood and Church Government, Seite 180.)

Die Kirche verschafft dem einzelnen und der Familie die Stütze, so daß sie das tun können, was sie allein nicht tun können wie zum Beispiel, die wesentlichen heiligen Handlungen der Errettung zu empfangen. Sie verschafft zeitliche Erleichterung in Zeiten der Not. Sie ist ein Labor außerhalb der Familie, wo wir dienen, lernen und Nächstenliebe, die reine Christusliebe, üben können.

In dieser Kirche habe ich gefunden, daß das Priestertum eine patriarchalische Ordnung hat und daß Gott ein Gott der Ordnung ist. Er steht an der Spitze, und gemäß diesem Muster wird das Priestertum würdigen Männern übertragen, so daß sie in ihrer Familie präsidieren können. Der Ehemann und Vater, ein Patriarch, muß rechtschaffen präsidieren und die Macht seines Priestertums ausüben, um seiner Frau und seinen Kinder ein Segen zu sein. Ehemann und Ehefrau sind Partner bei der Führung ihrer Kinder, beide handeln als gemeinsame Führer und sind aufeinander angewiesen. Sie sind einig in der Vision von ihrer ewigen Errettung; der Mann trägt das Priestertum, die Frau hält es in Ehren und kommt in den Genuß seiner Segnungen. Keiner ist dem anderen über- oder unterlegen. Jeder hat seine ihm eigenen Aufgaben und handelt in seinem Bereich.

Es ließe sich noch viel mehr über das Priestertum und seine Einzigartigkeit, den Auftrag Gottes an den Menschen, durch den er im Errettungsplan handelt, sagen. Im wesentlichen findet sich darin die wahre Lehre des Vaters, die unwiderruflichen richtigen Grundsätze, wodurch wir uns selbst regieren, sowie das Wissen, wie wir nach den gegebenen Gesetzen und den Geboten handeln sollen.

In dieser Zeit, in der Individualismus und Egoismus zunehmen, zählen Meinungen mehr als Tatsachen oder Lehre; Standpunkte stellen persönliche Entscheidungen über sonstige Werte und Grundsätze; ausgedrückt wird dies durch ein „Mir braucht niemand zu sagen, wie ich errettet werde; ich brauche keine Propheten, Seher und Offenbarer, die mir sagen, was Gott von mir erwartet; ich brauche keine Versammlungen der Kirche, um mir Ansprachen und Aufforderungen anzuhören.”

Heute wird das Konzept des Priestertums und der Vollmacht der Kirche von der Welt und auch von einigen Mitgliedern auf den Prüfstand gestellt, die meinen, der lateinische Spruch vox populi, vox Dei ließe sich in der Kirche wörtlich als „Volkes Stimme ist Gottes Stimme” auslegen. Der Werbeslogan „Wie es Ihnen gefällt” läßt sich sicherlich nicht in Gottes Plan zur Errettung seiner Kinder anwenden. Schließlich lesen wir, daß die Ursache des Abfalls darin besteht, daß „jedermann … seine eigenen Wege [wandelt] und nach dem Abbild seines eigenen Gottes” (LuB 1:16). Wie überwinden Sie die Versuchung, so zu handeln, wie Sie wollen, ihre Triebe zu befriedigen und den Trends der Welt zu folgen?

Eine meiner einfachen Antworten lautet heute abend: Erinnern Sie sich Ihrer Bündnisse, richten Sie sich danach, und fühlen Sie sich ihnen verpflichtet. Diese Reihenfolge, die in der Schrift oft genannt wird, ist ein klassisches geistiges Lehrmuster, das uns für das ewige Leben bereit macht. Es konzentriert sich auf Christus und seine Lehre. Ich werde mich immer daran erinnern.

Ich bezeuge, daß Jesus lebt, daß dies die einzige wahre Kirche ist, daß hier das Priestertum des Sohnes Gottes auf Erden vorhanden ist und daß die Propheten, Seher und Offenbarer, die über diese Kirche präsidieren, berufen sind, die wahre Lehre Jesu Christi und die Vollmacht seines Priestertums für die Errettung seines Volkes zu bewahren. Im Namen Jesu Christi. Amen.