1990–1999
Versuchen, wie Jesus zu sein
April 1994


Versuchen, wie Jesus zu sein

Haben wir größere Liebe für ihn empfunden? Versuchen wir wirklich, wie Jesus zu sein?

Vor ein paar Tagen nahmen Schwester Hammond und ich im fernen Mexiko den Telefonhörer auf und hörten ein kleines Kind wie einen Engel das Lied anstimmen: „Ich möchte so sein wie Jesus”. Die Stimme fuhr fort:

„Liebet einander, wie Jesus euch liebt. Seid immer freundlich bei dem, was ihr tut. In Denken und Handeln seid liebevoll stets. So hat es uns Jesus gelehrt.” (Children’s Songbook, Seite 78.)

Diesem Enkelkind, einem von vielen, und jedem, der wie Jesus zu sein versucht, möchten wir gratulieren; Sie sollen wissen, wie sehr wir Ihnen zugetan sind. Heute möchte ich uns näher zu Jesus bringen. Ich möchte, daß wir ihn mehr lieben, als wir es jetzt tun. Hören Sie doch zu, wenn ich über Jesus Christus und seine unendliche Liebe spreche!

Im vorirdischen Dasein war es Christus, der sich selbst als Erretter der Menschen anbot und sagte: „Hier bin ich, sende mich! Und ein anderer antwortete und sprach: Hier bin ich, sende mich! Und der Herr sprach: Ich werde den ersten senden.” (Abraham 3:27.) Von dieser Zeit an wurde verkündet, daß der Menschensohn zur Erde kommen und sich selbst als Sühnopfer für die Sünden aller Menschen hingeben werde (siehe Mosia 3).

Als der Tag herankam, da Christus geboren werden sollte, hörte Nephi eine Stimme, die sagte: „Hebe dein Haupt empor, und sei guten Mutes; denn siehe, … morgen komme ich in die Welt.” (3 Nephi 1:13.)

Am nächsten Tag lag in Betlehem in Judäa ein kleines Baby in einer Krippe, und seine liebevolle Mutter erfreute sich an ihrem neugeborenen Sohn, dem Einziggezeugten des Vaters im Fleisch, einem in die Welt gekommenen Gott.

„Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm.” (Lukas 2:40.)

In den folgenden Jahren wuchs Jesus heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen (siehe Lukas 2:52). Mit dreißig Jahren begann er sein Wirken; er lehrte den großen Plan des Glücklichseins - Glauben, Umkehr, Taufe durch Untertauchen, das Auflegen der Hände zum Empfang des Heiligen Geistes, Ausharren bis ans Ende (siehe 3 Nephi 27). Getreu dem Gebot wurde er durch Untertauchen getauft, und zwar im Jordan von Johannes dem Täufer (siehe Matthäus 3).

Später wurden zwölf Männer berufen und zu seinen Aposteln ordiniert. Einige von ihnen waren einfache Fischer. Er forderte sie auf: „Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.” (Matthäus 4:19.) Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm, wie jeder, der berufen wird, es bereitwillig tun sollte.

Die Kunde von seiner Herrlichkeit und Macht verbreitete sich im ganzen Land. Einem Vater, der den Tod seiner geliebten kleinen Tochter betrauerte, sagte er: „Sie ist nicht gestorben, sie schläft nur.” (Lukas 8:52.) Dann faßte er sie an der Hand, und sie stand von den Toten auf.

Zu einem armen Krüppel sprach er: „Nimm deine Bahre und geh!” (Johannes 5:8.) Und wunderbarerweise geschah es!

Er wies alle Sünder zurecht. Die Schuldigen planten, ihm das Leben zu nehmen. Die Zwölf erinnerte er an das furchtbare Schicksal, das ihn erwartete: „Ihr wißt, daß in zwei Tagen das Paschafest beginnt; da wird der

Menschensohn ausgeliefert und gekreuzigt werden.” (Matthäus 26:2.)

An jenem ereignisreichen Abend kniete er schlicht und demütig in dem Raum im Obergeschoß vor jedem Apostel nieder und wusch ihm die Füße (siehe Johannes 13:3-17).

Er setzte die heilige Handlung des Abendmahls ein. Er segnete Brot und Wein und gab jedem von ihnen davon; er gebot ihnen, zum Gedächtnis seines Leibes und seines Blutes, das für sie vergossen werden sollte, zu essen und zu trinken (siehe Matthäus 26:26-28).

Nachdem Judas, der Verräter, in die Nacht hinausgegangen war, gab er den Elf die bekannte Anweisung: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.” (Johannes 13:34,35.)

Dann ging Jesus zum Ölberg, und zwar in den stillen, schönen Garten Getsemani. Dort kniete er nieder und betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.” (Matthäus 26:39.) Das Gesetz forderte ein fehlerfreies Lamm für das Sühnopfer. Er allein wurde dem gerecht. Seine Liebe zu uns allen war so groß, so intensiv, daß er freiwillig an Körper und Geist litt, und zwar so sehr, daß er aus jeder Pore blutete und den Preis für unsere Sünden zahlte (siehe Mosia 3:7). Wir müssen versuchen, irgendwie zu verstehen und zu verinnerlichen, wie hoch das Lösegeld war, das er wirklich für uns gezahlt hat.

Durch den Kuß eines Verräters ausgeliefert, verurteilt, von fremder Hand für ein Verbrechen zu sterben, das er nicht begangen hatte - so ertrug er demütig die Peitsche und wurde mit Händen und Füßen an ein Holzkreuz genagelt. Ja, das größte aller Kinder Gottes mußte an einem schrecklichen Kreuz sterben. Schließlich, als alles erfüllt war, sprach er: „Es ist vollbracht!” (Johannes 19:30.) Und: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.” (Lukas 23:46.) Jesus Christus war tot. Der Geist war entwichen. Sein Leib wurde in ein geborgtes Grab gelegt.

Dann, am dritten Tag, erhob er sich in großer Macht und zerriß die Fesseln des Todes. Der Geist war zurückgekehrt, um das Fleisch wieder in Besitz zu nehmen. Sein Sieg über den Tod war vollständig!

Vierzig Tage verweilte er auf Erden, zeigte sich vielen und sprach zu ihnen „vom Reich Gottes” (siehe Apostelgeschichte 1:3). Von Betanien aus fuhr er schließlich aus ihrer Mitte zum Himmel auf (siehe Lukas 24:50,51).

Die glaubenstreuen Apostel setzten eifrig ihren Dienst fort. Mit ihrem Tod jedoch kam es zu einem raschen geistigen Verfall. Die heiligen Handlungen wurden verändert, die Priestertumsvollmacht ging verloren, und geistige Finsternis kam über die Erde. Die Menschen kannten Gott nicht mehr.

Im Frühling des Jahres 1820 drang die Stimme Gottes des Vaters durch die Finsternis zu einem vierzehnjährigen Jungen, nämlich Joseph Smith, und sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!” (Joseph Smith - Lebensgeschichte 1:17.) Reines Licht erschien und vertrieb die Finsternis. Gott hatte wieder zu den Menschen gesprochen.

Heute überströmt die Fülle des Evangeliums, das in der Bibel, im Buch Mormon und in den übrigen heiligen Schriften steht, wieder die Erde. Das heilige Priestertum ist der Menschheit zurückgegeben worden. Die heiligen Handlungen des Priestertums werden an jedem würdigen Menschen vollzogen, der sie empfangen möchte. All dies geschieht, um die Welt auf das glorreiche Zweite Kommen vorzubereiten, das der Erretter selbst angekündigt hat (siehe LuB 29:11).

Demütig bezeuge ich, daß er in Herrlichkeit wiederkehren wird, und an jenem Tage wird er sich der Menschheit kundtun und sagen: „Ich bin es, der emporgehoben wurde. Ich bin Jesus, der gekreuzigt wurde. Ich bin der Sohn Gottes.” (LuB 45:52.) Dann wird er für immer und immer regieren, als König der Könige und Herr der Herren.

In den letzten Minuten haben wir uns auf die Liebe Christi konzentriert. Haben wir gefühlt, wie sein Geist in uns gebrannt hat? Haben wir größere Liebe für ihn empfunden? Versuchen wir wirklich, wie Jesus zu sein? Dann möchte ich Sie alle bitten, über die folgenden Punkte nachzudenken, denn sie beziehen sich auf unsere Liebe zu ihm.

Erstens: Lieben wir Jesus Christus so, daß wir seinen erwählten Aposteln und Propheten folgen und ihren Rat so achten, als käme er aus seinem eigenen Mund? (Siehe LuB 1:38.)

Zweitens: Lieben wir den Erretter so, daß wir unser gemütliches Zuhause und unsere Familie verlassen und der Berufung folgen, in irgendeinem Teil der Welt sein Evangelium zu verkünden?

Drittens: Ist unsere Liebe zu Christus so groß, daß wir unserem Ehepartner treu sind, all unsere unreinen Gedanken verbannen und seine Liebe zu uns niemals enttäuschen?

Können wir zuviel für den Herrn tun? Gewiß, wir lieben ihn alle. Darum bitte ich Sie inständig: Halten Sie seine Gebote, und werden Sie mehr so, wie er ist. Kommen Sie zu Christus, essen Sie vom Brot des Lebens, trinken Sie das lebendige Wasser, und laben Sie sich an seiner unbegrenzten Liebe. Er ist unser Erretter, unser Herr, und ich gebe demütig Zeugnis von ihm. Im Namen Jesu Christi. Amen.