1990–1999
Die Offenbarungen vom Himmel
Oktober 1994


Die Offenbarungen vom Himmel

Wir müssen gemäß den Worten der Offenbarung … handeln, ehe wir mit Sicherheit wissen, daß die Lehren wahr sind.

Vor einigen Jahren befand ich mich mit meinen Söhnen und einem Nachbarjungen in der Ambulanz eines Krankenhauses in Salt Lake City - als Folge eines Footballspiels im Garten.

Während wir in der Ambulanz darauf warteten, daß der Arzt einen der Spieler wieder zusammenflickte, beobachteten wir, wie ein Mädchen hereingebracht wurde. Sie war vielleicht 17 Jahre alt, groß, schlank, gut gekleidet und tobte infolge einer Überdosis an Drogen. Vor unseren Augen brach sie zusammen, und ich dachte mir: „Ich weiß nicht, wie dieses Kind das überleben soll.” Ich fragte mich, wie sie sich wohl in eine so traurige Lage gebracht hatte. Hatte sie nicht die Worte der Propheten gehört? Hatte sie sie gehört und darüber gelacht, als seien es Warnungen von Männern, die von den Realitäten der modernen Welt keine Ahnung haben? Hatte es einer von uns versäumt, auf die Segnungen der Mitgliedschaft in der Kirche einzugehen? Hatten ihre Eltern die Wahrheit gekannt, waren aber weder willens noch fähig gewesen, sie ihr näherzubringen?

Während ich mir im Krankenhaus so Gedanken machte und für sie betete, kam mir ein Grundsatz in den Sinn, den uns

der Herr im Abschnitt 89 des Buches, Lehre und Bündnisse’ lehrt. Er findet sich im vierten Vers:

„Siehe, wahrlich, so spricht der Herr zu euch: Infolge der Frevel und bösen Absichten, die im Herzen von böswilligen Menschen vorhanden sind oder noch sein werden, habe ich euch gewarnt und warne euch im voraus, indem ich euch durch Offenbarung dieses Wort der Weisheit gebe.”

Betrachten Sie diesen Grundsatz sorgfältig: „Ich habe euch gewarnt und warne euch im voraus’

Wir in dieser Kirche stehen vor der Welt, und zwar voller Demut und in tiefer Aufrichtigkeit, und erklären, daß Joseph Smith jun. vom Herrn Jesus Christus als Prophet erweckt und als irdisches Werkzeug berufen wurde, wodurch die Lehren, die Kräfte, die Schlüssel und die heiligen Handlungen auf Erden wiederhergestellt wurden. Seit jenem Tag gibt es einen anhaltenden Fluß von Offenbarung durch diejenigen, die nach ihm vom Herrn als Apostel und Propheten berufen worden sind.

Gestern haben wir Präsident Howard W. Hunter als Präsidenten der Kirche und als Propheten, Seher und Offenbarer bestätigt. Ich frage mich, ob wir uns einen Begriff davon machen, wie bedeutend das Ereignis ist. Es ist wert, darüber nachzudenken und zu beten. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß Präsident Hunter diese heilige Macht der Offenbarung seit fast 35 Jahren innehat. Er, den der Herr berufen hat und den wir bestätigt haben, ist kein Neuling in den Grundsätzen, im Vorgang und in der Praxis der göttlichen Offenbarung.

Mit einer Frage muß sich jeder feierlich und ernsthaft auseinandersetzen, wenn unser Leben so aussehen soll, wie unser aller Vater es will. „Wie reagieren wir, wenn die lebenden Propheten die Absicht und den Willen des Herrn verkünden?” Dieser Prüfung mußten sich die Menschen in jeder Evangeliumszeit unterziehen.

Ich saß vor einigen Jahren hier im Tabernakel, als Präsident Joseph Fielding Smith an diesem Pult stand. Es war die Priestertumsversammlung im April 1972, die letzte Generalkonferenz vor seinem Tod. Er sagte: „Eines müssen wir ganz klar sehen. Weder der Präsident der Kirche noch die Erste Präsidentschaft noch die vereinten Stimmen der Ersten Präsidentschaft und der Zwölf werden die Heiligen je in die Irre führen oder der Welt einen Rat geben, der der Absicht und dem Willen des Herrn zuwiderläuft.” (Generalkonferenz, April 1972.)

An jenem Abend wurde mir das Zeugnis des Geistes zuteil, daß er die Wahrheit sprach. Ich verspürte ein überwältigendes Gefühl des Friedens und der Gewißheit, daß der Herr uns liebt und uns nicht führungslos lassen wird.

Präsident J. Reuben Clark machte eine sehr wichtige Unterscheidung hinsichtlich der Offenbarung vom Herrn.

„Einigen Generalautoritäten ist eine besondere Berufung übertragen worden. Sie besitzen eine besondere Gabe; sie sind als Propheten, Seher und Offenbarer bestätigt worden, was ihnen eine besondere geistige Gabe im Zusammenhang damit verleiht, daß sie die Menschen unterweisen. Sie haben das Recht, die Kraft und die Vollmacht, den Menschen die Absicht und den Willen des Herrn zu verkünden, und unterstehen darin der umfassenden Kraft und Vollmacht des Präsidenten der Kirche. Anderen Generalautoritäten ist diese geistige Gabe und diese Vollmacht in bezug auf ihre Lehren nicht gegeben; ihnen ist infolgedessen eine Beschränkung auferlegt, und diese Beschränkung hinsichtlich der Kraft und Vollmacht im Unterweisen gilt für jeden Beamten und jedes Mitglied der Kirche, denn keiner von ihnen ist geistig als Prophet, Seher und Offenbarer ausgerüstet.” (Zitiert in Brent L. Top, Larry E. Dahl und Walter D. Brown, Follow the Living Prophets, Seite 34f.)

Ich betone, daß wir anderen diese besondere Kraft und Vollmacht nicht haben. Die Siebziger sind mit etwas ausgerüstet, was nur sie haben. Die Tempelpräsidenten und die Tempeloberinnen sind mit etwas ausgerüstet, was nur sie haben. Die Pfahlpräsidenten, Bischöfe, Väter und Mütter sind mit etwas ausgerüstet, was nur sie haben; keiner von uns hat jedoch die Kraft, Vollmacht oder Aufgabe, die der Ersten Präsidentschaft und den Zwölf gegeben ist.

Sie mögen sich fragen, warum ich so sehr auf diesen Punkt eingehe. Weil es nämlich hier ein Mißverständnis gibt, das uns tiefen Schmerz verursachen und ein Mittel sein kann, viele andere irrezuführen. Wer vorgibt, ähnliche Kraft innezuhaben, verkündet oft, daß er es reinen Herzens und völlig aufrichtig tut.

Die Absichten mögen rein sein. Die Aufrichtigkeit mag absolut sein. Jedoch bevollmächtigen reine Absichten und tiefe Aufrichtigkeit kein Mitglied, Lehre zu verkünden, die den lebenden Propheten widerspricht. Als Mitglieder dürfen wir weder öffentlich unsere Spekulationen verkünden noch Standpunkte der Lehre auf andere Schlüsse ausdehnen, die sich auf den Verstand von Männern und Frauen stützen, auch wenn sie die Intelligentesten und Belesensten unter uns sind.

Die Propheten sind nicht nur dazu berufen, die Lehre zu empfangen und durch die Schlüssel, die sie innehaben, die heiligen Handlungen zu lenken. Sie haben auch die Pflicht, die Lehre der Errettung rein zu erhalten, so daß die Menschen diese Lehre in ihrer reinen und sicheren Form hören können.

Gelegentlich gibt es Mitglieder, die sich in diesen Angelegenheiten selbst zum Gesetz werden. Leider führt sie ihr Stolz einen Weg entlang, vor dem uns Präsident Spencer W. Kimball gewarnt hat:

„Die Abkehr von der Wahrheit beginnt gewöhnlich mit Fragen, Zweifel und Kritik. … Wer die Grabstätten der verstorbenen Propheten schmückt, steinigt erst einmal die lebenden. Er wendet sich den Äußerungen verstorbener Führer zu und legt sie dahingehend aus, daß sie mit den gegenwärtigen Programmen nicht zu vereinbaren seien. Er überzeugt sich selbst, daß es zwischen dem Handeln der verstorbenen Führer und dem gegenwärtigen Führer Diskrepanzen gebe. … Er gibt vor, das Evangelium und die Kirche zu lieben, behauptet aber, die Führer seien ein wenig auf dem Holzweg! … Dann behauptet er, das Evangelium und die Kirche seien zwar von Gott, aber die Führer seien gefallen. Bis dahin mag es noch etwas Passives sein, jetzt wird es aber zum aktiven Widerstand, und häufig beginnt der Abtrünnige seine Ansichten weithin zu verkünden und dafür zu kämpfen. … Er erwartet nun langsam, verfolgt zu werden, und nimmt einen Märtyrerkomplex an. Wenn es dann schließlich zur Exkommunizierung kommt, verbündet er sich mit anderen Abtrünnigen, um einen Kult zu entwickeln und zu festigen. An diesem Punkt wird er aller Wahrscheinlichkeit nach für sich Offenbarung beanspruchen, Offenbarung vom Herrn, die ihn angeblich in seinen Auslegungen und seinem Handeln leitet. Diese Kundgebungen stehen über denen der lebenden Führer, behauptet er.” (The Teachings of Spencer W. Kimball, Seite 462.)

Wenn jemand den Weg einschlägt, den Präsident Kimball beschrieben hat, finden sich fast ausnahmslos Priestertumsführer, die sich mit dem Betreffenden beraten, ihm Rat geben und ihn sogar ermahnen. Viele nehmen den Rat an, einige jedoch nicht.

Wenn wir jemanden beraten, so ist das nicht zu unserem eigenen Nutzen, sondern zum Segen derer, die durch etwas, was wir sagen oder tun, irregeführt werden. Ich bin meinen Brüdern dankbar, daß ihnen genug daran lag, mit mir, gelegentlich, klar und deutlich zu sprechen. Jedesmal war es mir ein wunderbarer Segen, Rat anzunehmen.

Wie können wir, inmitten aller weltlichen Einflüsse, eine Geisteshaltung und eine Demut wahren, die uns für solchen Rat empfänglich macht?

Ich fürchte, wir sind so gefesselt von Freizeit, Videos, Fernsehen und all dem, was man mit Geld kaufen kann, daß wir wenig Zeit für das Ewige haben. Wir können uns nicht die Zeit nehmen, Erkenntnis von den Lehren der Ewigkeit zu erwerben - denn das erfordert Opfer, Anstrengung und Ringen. Ferner haben wir uns daran gewöhnt, in einer lauten und hektischen Welt zu leben, so daß wir für den Geist des Herrn und das „Friedfertige des Reiches” unempfindlich geworden sind (siehe LuB 36:2).

Wie können wir uns bereit machen, mit der Ersten Präsidentschaft und dem Rat der Zwölf im Einklang zu sein?

Der Erretter wurde im Laufe seines irdischen Wirkens von seinen Gegnern einmal angegriffen. Sie fragten sich, wie denn ein Mensch ohne weltliche Bildung mit derartiger Sicherheit sprechen konnte.

„Darauf antwortete ihnen Jesus: Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat.

Wer bereit ist, den Willen Gottes zu tun, wird erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt oder ob ich in meinem eigenen Namen spreche.” (Johannes 7:6,17.)

Wir müssen den Willen des Vaters durch ernsthaftes Studium kennen lernen. Das Studium allein reicht nicht, wir müssen gemäß den Worten der Offenbarung, die wir empfangen, handeln, ehe wir mit Sicherheit wissen, daß die Lehren wahr sind. Am Gründungstag der Kirche im Jahr 1830 hat der Herr denen, die im Weinberg arbeiten, eine wunderbare Verheißung gemacht:

„Denn siehe, ich werde alle diejenigen, die in meinem Weingarten arbeiten, mit mächtigem Segen segnen, und sie werden seinen Worten glauben, die ihm durch mich vom Tröster gegeben werden, und dieser tut kund, daß Jesus von sündigen Menschen für die Sünden der Welt gekreuzigt worden ist, ja, damit einem zerknirschten Herzen die Sünden vergeben werden können.” (LuB 21:9.)

Wenn wir dem Rat und der Weisung, nämlich der vereinten Stimme dieser Brüder, eifrig folgen, dann werden wir erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt oder ob sie in ihrem eigenen Namen sprechen.

In aller Klarheit und Schlichtheit - mit einer klaren Einsicht, welche Folgen ein Zeugnis in diesem Rahmen hat - möchte ich sagen, daß Gott mich unmißverständlich hat wissen lassen, daß er diejenigen berufen hat und stützt, die die Propheten, Seher und Offenbarer sind. Der Herr und Gott Israels wird sie leiten, und sie werden uns nicht irreführen. Wenn Sie irgendein Dokument, eine Ansprache, einen Brief, eine Weisung erhalten, die vom Rat der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf stammt, dann muß das als das betrachtet werden, was es ist - nämlich die Absicht und der Wille des Herrn für sein Volk in diesen Tagen.

Wir brauchen keine größeren Propheten. Wir brauchen keine Propheten, die mehr im Einklang mit dem Himmel sind. Wir brauchen offene Ohren. Wir brauchen ein Herz, das rein genug ist, ihre Worte zu fühlen. Wir brauchen eine Seele, die die Bündnisse halten will.

Mögen wir alle das Erlebnis am Scheideweg des Lebens haben, wenn der Geist mit Macht - ja, sogar mit Feuer - unserer Seele die Gewißheit gibt, daß wir von den von Gott berufenen Knechten geführt werden; möge der Friede in unser Herz einziehen, der durch eine Erkenntnis jenseits aller menschlichen Fähigkeit zustande kommt, daß Gott unser gewahr ist und daß er in unseren Tagen Knechte erweckt hat, die uns durch die Macht und Inspiration seiner Aufmerksamkeit führen. Darum bete ich.

Im Namen Jesu Christi. Amen.