1990–1999
„Ihr werdet euch an dieser Frucht gütlich tu
April 1995


„Ihr werdet euch an dieser Frucht gütlich tu

Die Schriften helfen uns, unser Verhalten zu verbessern, wenn wir unseren Erretter, Jesus Christus, besser kennenlernen.

Kurz nachdem ich als JD-Präsidentin der Kirche berufen worden bin, erhielt ich einen Brief von einem Mädchen aus Nairobi in Kenia, Ostafrika. Sylvia, die damals fünfzehn war, erzählte mir, daß ihr Vater bei einem Verkehrsunfall, ums Leben gekommen war. Sie schrieb: „Als er starb, hatte ich das Gefühl, ein Teil von mir sei ebenfalls getötet worden. Das, hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Zu einem Menschen, den ich nicht mag. Es hat sich auf meine schulischen Leistungen und auf meine geistige Gesinnung ausgewirkt. Meine Noten werden immer schlechter. Ich hasse die Schule. Manchmal vergesse ich zu beten. Ich verliere mein Vertrauen in Gott. All die Liebe, die Wärme und die Sicherheit, die ich einmal empfunden habe, haben mich verlassen.

Schwester Haies, bitte helfen Sie mir. Ich glaube, wenn ich nichts unternehme und keine Hilfe erhalte, werde ich mich zerstören“ Ich spürte die Dringlichkeit in Sylvias Hilferuf, doch ich war Tausende von Meilen entfernt. Sorgsam schrieb ich einen Brief in der Hoffnung, daß meine glaubensvollen Worte ihr helfen würden, dem himmlischen

Vater wieder zu vertrauen. Dann schlug ich ihr vor: „Lies jeden Tag in der Schrift. Und nachdem du in der Schrift gelesen hast, schreib mir bitte und erzähle mir, ob es dir hilft, dich anders zu fühlen.”

Wochen später schrieb Sylvia: „Ich hatte damit aufgehört, in der Schrift zu lesen; und wenn ich darin las, konnte ich nichts verstehen und legte sie wieder beiseite. Sie haben in mir den Wunsch geweckt, eifriger in der Schrift zu forschen. Ich entdecke dabei eine sehr kostbare geistige Nahrung. Danke für Ihren Vorschlag.”

Sylvia erhielt Hilfe, als sie sich verzweifelt und einsam fühlte, sie fand aber auch heraus, daß die heiligen Schriften ihr helfen konnten, ein besseres Leben zu führen. Sie schrieb später: „Ich habe mich entschlossen, mich anzustrengen, daß ich ein besserer Mensch werde. Ich muß einige meiner schlechten Eigenschaften überwinden und sie durch gute ersetzen und muß denen standhalten, die mich nach unten ziehen wollen und meinen Glauben schlecht machen, vor allem in der Schule. Ich bin die einzige Heilige der Letzten Tage an unserer Schule.”

Als Sylvia weiterhin entschlossen war, in der Schrift zu lesen, erkannte sie, daß der himmlische Vater ihr half und sie führte, wenn sie Entscheidungen traf.

Später schrieb sie: „Ich bin sehr beschäftigt, aber ich habe die heiligen Schriften nicht vergessen. Ich wünsche mir, einen solchen Glauben zu haben wie Jareds Bruder oder wie Nephi, der es ihnen ermöglichte, den Willen des Herrn zu erkennen. Ich habe vor, darüber nachzusinnen, wie ich meinen Glauben stärken kann. Ich bin gerade sechzehn geworden.”

Als die Monate vergingen, gewann Sylvia immer größere Erkenntnis aus der heiligen Schrift und brachte ihren Wunsch zum Ausdruck, anderen zu helfen. Sie schrieb: „Ich gehe so gern in die Kirche, und am meisten freut es mich, wenn ich in der PV mithelfen kann. Ich liebe es, wenn die Kinder singen und lesen und sagen, was sie empfinden.” • Als Sylvia begann, anderen zu helfen, begann sie auch, unseren Erretter besser zu

verstehen. Sie erzählte mir, daß sie über das Ende des Wirkens Christi auf Erden gelesen hatte, über die Kreuzigung und die Auferstehung. Sie gewann ein klareres Bild von der Mission Christi auf Erden und von seiner großen Liebe für uns. Sylvia hatte weiterhin mit Herausforderungen und dem Druck der Altersgenossen zu kämpfen, doch in der heiligen Schrift hatte sie eine beständige Hilfsquelle gefunden. Als sie erfuhr, daß meine Mutter gestorben war, schrieb sie mir, um mich zu ermutigen und meinen Glauben zu stärken.

Der Rat, den ich ihr vor drei Jahren gegeben hatte, nämlich die heiligen Schriften zu lesen, war eine viel größere Hilfe als ich sie hätte geben können. Das Lesen der Schrift hat ihr in einer Lebenskrise geholfen, doch nun sind die heiligen Schriften eine beständige Hilfsquelle für sie geworden - eine Hilfsquelle, die immer bei ihr sein wird. Sie hat gelernt, daß unser himmlischer Vater sie nie im Stich läßt.

Die heiligen Schriften sind auch für viele andere zum Segen geworden. Viele von euch haben das Buch Die Zuflucht von Corrie ten Boom gelesen. Die heiligen Schriften waren für sie die Antwort in einer Zeit, die sehr viel härter war, als die meisten von uns es je erleben werden.

Corrie und ihre Schwester Betsie führten ein christliches Leben im Holland der Vorkriegszeit. Sie reagierten auf die Brutalität gegen die Juden, indem sie sie in ihrem Haus versteckten. Als das Versteck entdeckt wurde, wurden die Schwestern in ein Konzentrationslager geschafft, wo sie all die Entbehrungen erlitten, denen auch die jüdischen Gefangenen ausgesetzt waren. Auf ungewöhnliche Weise war es Corrie gelungen, eine Bibel zu behalten. Sie studierte mit den anderen Gefangenen in der Schrift. Die äußere Welt des Leidens wurde „schlimmer und schlimmer”. Doch ihr inneres Leben beschrieb sie als das genaue Gegenteil. Mit ihren Worten: „Unsere Bibel [war] der Mittelpunkt eines immer größer werdenden Kreises der Hilfe und Hoffnung. Wie Landstreicher, die sich um ein loderndes Feuer scharen, scharten wir uns um sie, ließen ihre Wärme und ihr Licht in unser Herz dringen. Je dunkler die Nacht um uns herum wurde, desto heller, wahrer und schöner brannte das Wort Gottes. …

Das Leben … spielte sich auf zwei getrennten, einander ausschließenden Ebenen ab. Die eine, das sichtbare äußere Leben, wurde Tag für Tag furchtbarer. Die andere, das Leben, das wir mit Gott lebten, wurde täglich beglückender, Wahrheit um Wahrheit, Lichtglanz um Lichtglanz.” (Corrie ten Boom, Die Zuflucht, Wuppertal und Zürich, 1995, Seite 194.)

Auch andere haben wie Sylvia und Corrie ten Boom von der Macht der heiligen Schrift Zeugnis abgelegt. Was Schriftkenntnis und das Vertrauen in die Worte des himmlischen Vaters angeht, war der Erretter selbst für uns ein Vorbild. Im 4. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird berichtet, daß Jesus, nachdem er vierzig Tage lang gefastet hatte, vom Teufel versucht wurde, der sagte, wenn Jesus der Sohn Gottes sei, solle er doch die Steine zu Brot verwandeln. Doch selbst nachdem Jesus vierzig Tage gefastet hatte, sagte er: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.” (Matthäus 4:4.) Jesus kannte die Worte der Propheten.

Der Satan versuchte Jesus erneut, bot ihm Macht und Herrlichkeit an, wenn er den Satan anbetete. Jesus widerstand der Versuchung und antwortete mit den Worten: „In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.” (Lukas 4:8.) Jesus kannte den Willen seines Vaters, und seine Worte stärkten ihn in der Versuchung.

Die Worte in den heiligen Schriften werden auch euch stärken, wenn ihr versucht werdet. Die heiligen Schriften sind uns gegeben worden, damit wir in Krisenzeiten Frieden und Sicherheit finden, damit wir Lösungen zu unseren alltäglichen Problemen finden, damit wir gestärkt werden, wenn wir versucht werden. Die Schriften helfen uns, unser Verhalten zu verbessern, wenn wir unseren Erretter, Jesus Christus, besser kennenlernen. Die Jungen Damen

der Kirche sind im Jahr 1995 eingeladen sich dazu zu verpflichten, regelmäßig in der Schrift zu lesen.

Stellt euch nur vor: fünfhunderttausend Junge Damen überall auf der Welt, die ihre heiligen Schriften offen vor sich haben. Ich» stelle mir aufgeschlagene heilige Schriften im Camp, bei Jugendkonferenzen, im Sonntagsunterricht oder bei einem Lese-Marathon vor oder heilige Schriften, die in einem ” Altenheim vorgelesen werdet. Junge Damen, die ihren kleinen Geschwistern oder ihren Großeltern, die nicht mehr so gut ” sehen können, aus der Schrift vorlesen. Ich sehe die heiligen Schriften auf dem Kopfkissen, auf dem Nachttisch, beim Familienabend. Alma wäre sicher berührt, wenn er sehen würde, wie heute abend Junge Damen mit den heiligen Schriften in der Hand in Gemeinde- und Pfahlhäusern zusammengekommen sind. Würdet ihr alle bitte das 32. Kapitel im Buch Alma aufschlagen? Ich lese Vers 27, dann lesen wir alle gemeinsam Vers 28.

„Aber siehe, wenn ihr eure Geisteskraft weckt und aufrüttelt, nämlich um mit meinen Worten einen Versuch zu machen, und zu einem kleinen Teil Glauben ausübt, ja, wenn ihr nicht mehr tun könnt, als daß ihr den Wunsch habt zu glauben, dann laßt diesen Wunsch in euch wirken, ja, bis ihr auf eine Weise glaubt, daß ihr einem Teil meiner Worte Raum geben könnt.

Wir wollen aber das Wort mit einem Samenkorn vergleichen. Wenn ihr nun Raum gebt, daß ein Samenkorn in euer Herz gepflanzt werden kann, siehe, wenn es ein wahres Samenkorn ist, wenn ihr es nicht durch euren Unglauben ausstoßt, indem ihr dem Geist des Herrn Widerstand leistet, siehe, so wird es anfangen, in eurer Brust zu schwellen; und wenn ihr dieses Schwellen spürt, so werdet ihr anfangen, euch zu sagen: Es muß notwendigerweise ein gutes Samenkorn sein, nämlich das Wort ist gut, denn es fängt an, meine Seele zu erweitern; ja, es fängt an, mein Verständnis zu erleuchten; ja es fängt an, mir köstlich zu sein.”

In Vers 37 heißt es, daß wir, nachdem wir das Samenkorn gepflanzt haben und es zu wachsen anfängt, es „mit großer Sorgfalt nähren” müssen, damit es „Wurzeln bekommt, … wächst und uns Frucht bringt”.

In Vers 41 erfahren wir, wie wir das Wort mit Glauben, Eifer und Geduld nähren und dabei nach seiner Frucht ausschauen müssen. Ich bete darum, daß jede Junge Dame in der Kirche die Verheißung in Vers 42 erkennt, daß ihr, wenn ihr das Samenkorn gepflanzt und genährt habt, „euch an dieser Frucht gütlich tun” könnt, „bis ihr satt seid, so daß ihr nicht hungert, und auch dürsten werdet ihr nicht”.

Das ist die Verheißung des himmlischen Vaters an uns, wenn wir seine Einladung annehmen, mit dem Wort einen Versuch zu machen. Von dieser Verheißung gebe ich Zeugnis. Im Namen Jesu Christi. Amen.