1990–1999
Versuchung
April 1996


Versuchung

Versuchung ist wie ein Magnet, der einen Gegenstand aus Metall in seiner Macht hält. Er verliert seine Macht, sobald man sich davon abwendet.

Meine Brüder und Schwestern, es ist eine wunderbare Erfahrung, mit den Heiligen zusammenzuarbeiten, die den Vater im Himmel und einander lieben. Wir sind Zeugen ihrer Tapferkeit und ihrer Schwierigkeiten und Prüfungen.

Während der vergangenen Jahre bin ich von den führenden Brüdern gelegentlich gebeten worden, mit einem umkehrbereiten Mitglied zusammenzukommen und mit ihm bezüglich der Wiederherstellung der Tempelsegnungen eine Unterredung zu fuhren. Es war immer ein geistig bewegendes Erlebnis, den wunderbaren Menschen, die umgekehrt sind, die Segnungen wiederherzustellen. Einigen habe ich die Frage gestellt: „Was ist in Ihrem Leben geschehen, wodurch Sie vorübergehend die Mitgliedschaft in der Kirche verloren haben?” Mit Tränen in den Augen antworteten sie: „Ich habe die Grundprinzipien des Evangeliums nicht befolgt: Beten, regelmäßiger Versammlungsbesuch, Dienst in der Kirche und Evangeliumsstudium. Dann habe ich den Versuchungen nachgegeben und die Führung des Heiligen Geistes verloren.” Es ist für mich immer ein besonderes Erlebnis, mit diesen umkehrbereiten Menschen zusammenzukommen und mit ihnen das Wunder der Vergebung zu verspüren und die Freude, wieder mit den Heiligen und mit dem Heiligen Geist vereint zu sein.

Versuchung ist ein notwendiger Aspekt unserer irdischen Erfahrung. Durch den Propheten Joseph Smith erklärt der Herr, warum wir versucht werden: „Es muß notwendigerweise so sein, daß der Teufel die Menschenkinder versucht, sonst könnten sie nicht frei entscheiden; denn wenn sie nicht das Bittere hätten, könnten sie das Süße nicht kennen.” (LuB 29:39.)

Im Buch Mormon erklärt Nephi, welche Konsequenzen es hat, wenn man der Versuchung nachgibt: „Die Versuchungen des Teufels [machen] den Menschenkindern die Augen blind … und [verhärten] das Herz … und [führen] sie auf die breite Straße weg …, so daß sie zugrunde gehen und verloren sind.” (l Nephi 12:17.)

Die Augen blind machen heißt, daß wir die Folgen unseres Handelns nicht sehen oder sie uns nicht eingestehen. Das Herz verhärten heißt, daß wir Ratschläge ignorieren oder nicht annehmen wollen. Auf die breite Straße wegführen heißt, den weltlichen Verlockungen nachgeben und den Einfluß des Heiligen Geistes verlieren.

Brigham Young hat gesagt: „Viele meinen, der Teufel habe Gewalt und Macht sowohl über den Körper als auch über den Geist. Ich aber sage Ihnen, daß er keinerlei Macht über den Menschen hat, es sei denn der Körper gewinnt die Oberhand über den Geist, der im Menschen ist, indem er dem Geist des Bösen nachgibt. … [So] läßt sich der Geist vom Körper beeinflussen und der Körper vom Geist.” (Discourses of Brigham Young, Hrsg. John A. Widtsoe, 1941, Seite 69f.)

Versuchung ist wie ein Magnet, der einen Gegenstand aus Metall in seiner Macht hält. Er verliert seine Anziehungskraft und Macht, sobald man sich davon abwendet. Wir müssen uns also von der Versuchung abwenden, dann verliert sie ihre Macht.

Den ganzen Tag über ist unser Sinn aktiv. Wir bestimmen, welche Wege er geht. Wenn Sie zulassen, daß weltliche Gedanken in Ihren Sinn eindringen, kann dies zu unredlichem Handeln führen. Wenn wir auf den Straßen unseres Lebens unterwegs sind, dann sind unsere Sinne ständig Anschlagtafeln, Plakaten, Zeitschriften, Videos, Filmen und so weiter ausgesetzt, die den Verstand verlocken und in Versuchung bringen, und wenn wir es zulassen, schafft er geistige Bilder, die für einen Heiligen der Letzten Tage ungehörig sind.

Wenn böse Gedanken auftreten - Halten Sie ein! Überlegen Sie! Beherrschen Sie Ihren Verstand! Stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge ein großes Schild AUSGANG vor. Ändern Sie Ihre Gedanken. Verlassen Sie diese Gedankenbahn.

Wenn in Ihnen unredliche Gefühle und Wünsche aufkommen, sagt der Heilige Geist: NEIN. Hören Sie auf den Heiligen Geist. Halten Sie ein! Überlegen Sie! Stellen Sie sich ein großes Schild KEIN ZUTRITT vor. Ändern oder löschen Sie diese Gedanken, die zu schlechten Gefühlen und bösen Phantasien führen, die Körper und Geist süchtig machen.

Wenn Sie versucht sind, unrecht zu handeln oder zu denken, schauen Sie auf den Weg vor sich und erwägen Sie die zwangsläufigen Konsequenzen dieses Handelns. Halten Sie ein! Überlegen Sie! Stellen Sie sich ein Stop-Schüd vor. Steigen Sie auf die geistigen Bremsen. Denken Sie unverzüglich an etwas anderes, etwas Erhebendes.

Um die Versuchung zu überwinden, müssen wir unsere Gedanken beherrschen. Weisen Sie den schlechten Gedanken den Ausgang aus Ihrem Gedächtnis. Gewähren Sie unrechten Gedanken keinen Zutritt. Sagen Sie Stop zu Gedanken, die zu einem Verhalten führen, das für einen Heiligen der Letzten Tage ungehörig ist. Sie brauchen den Versuchungen nicht nachzugeben! Wählen Sie streng aus, was Ihre Augen sehen, Ihre Ohren hören, Ihre Lippen sprechen und Ihre Hände berühren dürfen.

Wenn man der Versuchung nachgibt, kann das dazu führen, daß Körper und Geist süchtig werden. Die Sucht kann überwältigend sein und zur Versklavung führen, und die Versklavung führt zum Verlust der Freiheit und des inneren Friedens.

Wenn jemand es so weit kommen läßt und der Versuchung nachgibt, handelt er wider besseres Wissen: gegen den Rat des Heiligen Geistes, den Rat der Propheten und Führer, den Rat einer gesunden Lehre, den Rat der Bündnisse und oft den Rat derer, die ihn am meisten lieben. Er sagt sich von der Freundschaft und der Liebe anderer und von der Führung durch den Heiligen Geist los.

Versuchung kann uns auf einfühlsame Weise vor möglichen Gefahren warnen. Sie wirkt wie ein Warnsignal. Sie warnt uns vor bevorstehenden Gefahren. Versuchung kann den Verstand alarmieren, so daß er sich von ungehörigen Gedanken oder Taten abwendet.

Als ewige Wesen, die diese irdische Erfahrung durchmachen, werden wir nicht von Versuchung frei sein. Zur Versuchung gehört ein Ringen um redliches Handeln. Wer ständig sinnlich und fleischlich denkt, kann keine geistige Entwicklung durchmachen. Sein sinnliches Denken verhindert geistiges Wachstum.

Präsident George Q. Cannon hat gesagt: „Wenn sie (die Menschen) keinen Versuchungen ausgesetzt wären, könnten sie ihre eigenen Fähigkeiten und Schwächen und auch die Macht Gottes nicht kennen lernen. Wenn der Satan nicht die Macht hätte, die Menschen zu versuchen, befänden sie sich in einem Zustand, in dem sie weder Gut noch Böse kennen würden; auch könnten sie weder glücklich noch unglücklich sein. All ihre Fähigkeiten würden in ihnen schlummern, denn es gäbe nichts, was sie wecken würde. Ihnen würde die Erfahrung fehlen, die die Menschen darauf vorbereitet, wie Gott, der ewige Vater, zu werden.”

(Gospel Truths, Hrsg. Jerreld L. Newquist, 1987, Seite 109.)

Durch Gehorsam gegenüber den Grundsätzen des Evangeliums werden die Verlockungen in unserem Leben schwächer. Mit jeder richtigen Entscheidung gewinnen wir an geistiger Kraft. Je mehr richtige Entscheidungen wir treffen, desto mehr geistige Kraft und göttliche Gesinnung entwickeln wir. Wir müssen uns auf Versuchungen gefaßt machen, denn ohne Versuchungen gäbe es wenig Fortschritt und Charakterbildung.

Die Vorstellung, daß die Macht des Bösen in der Welt zunehmen wird, ist beängstigend. Das wirft die Frage auf: Was können wir tun? Kann man den Mächten des Bösen entrinnen? Ja, das kann man.

Die Mitglieder der Kirche können Versuchung überwinden, indem sie 1. den Grundprinzipien und den Lehren des Evangeliums Jesu Christi gehorchen, 2. dem Rat unserer Propheten und Führer folgen und 3. so leben, daß ihr Leben ständig unter dem Einfluß des Heiligen Geistes steht.

Schulen Sie Ihren Sinn so, daß er den Grundsätzen und Bündnissen des Evangeliums gehorcht. Bleiben Sie auf der Autobahn des persönlichen und des Familiengebets, auf der Straße des Schriftstudiums und der Lehren der Propheten, auf dem Weg des Dienens in der Kirche. Seien Sie bereit, jeden Tag aufs neue den falschen Weg zu verlassen und den Weg zum ewigen Leben einzuschlagen. Ihr bester Schutz vor Versuchung ist ein aktives, kräftiges Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi, das uns an den himmlischen Vater bindet. Unser größtes Vorbild dafür, wie man Versuchungen überwindet, ist Jesus Christus: „Er erlitt Versuchungen, schenkte ihnen aber keine Beachtung.” (LuB 20:22.)

Meine Brüder und Schwestern, ich weiß, dieses Werk ist wahr. Ich weiß, daß heute Propheten auf Erden wandeln. Ich weiß, daß Jesus der Messias ist und daß Gott wirklich im Himmel lebt. In dem Maß, wie wir uns dem himmlischen Vater in Gehorsam und Rechtschaffenheit nahen, wird er sich uns nahen. Er wird uns segnen, uns vollkommen machen und uns beschützen. Im Namen Jesu Christi. Amen.