1990–1999
Sein Friede
April 1997


Sein Friede

So wie die Apostel Jesu in ihrer Sorge durch den anderen Tröster Frieden fanden, kann auch heute jeder Mensch diese selbe wunderbare Segnung tagtäglich erfahren.

Während seiner letzten Erdentage gab der Erretter seinen Aposteln die letzten Anweisungen. Drei Jahre hatten sie ihn bei seinem geistlichen Wirken begleitet, aber nun brachte er das, was er sie Zeile auf Zeile und Weisung auf Weisung lehren wollte, zum Abschluß - so rasch, wie sie es aufnehmen konnten.

Er wußte, daß das Ende seines geistlichen Wirkens bevorstand, und so sagte er ihnen im Hinblick auf den bevorstehenden Abschied: „Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. … Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen.” (Johannes 13:33.)

Diese demütigen Jünger müssen wohl Angst, Enttäuschung und Sorge empfunden haben. Jesus war ja immer ihre Zuflucht gewesen, ihre Hilfe, ihr Licht. Wie sollten sie denn ohne seine Weisung, ohne seine Unterweisung, ohne sein Beispiel und seinen Trost bestehen können?

Voll Liebe und Mitgefühl versicherte Jesus ihnen: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen. … Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. … Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe/’ (Johannes 14:18,16,17,26.)

Für seine Freunde, die Apostel, und zum Nutzen aller, die an ihn glauben, fügte Jesus noch einen wichtigen abschließenden Segen hinzu: „Frieden hinterlasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch: Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht/’ (Johannes 14:27; Hervorhebung hinzugefügt.)

Die heiligen Schriften bezeugen, daß diese Verheißung im Leben seiner Diener in der Mitte der Zeit in Erfüllung gegangen ist. Und wir bezeugen, daß sie auch heute, in der Fülle der Zeiten, weiterhin in Erfüllung geht.

Bemerkenswert daran ist auch, daß Jesus seinen Frieden verheißen hat - nicht den Frieden, den die Welt gibt. Die Welt verlangt danach, frei zu sein von Krieg, Gewalt, Unterdrückung, von Ungerechtigkeit, Streit, von Krankheit und Sorge. Daß der Erretter nicht diesen weltlichen Frieden im Sinn hatte, geht aus seiner Schlußbemerkung hervor, als er mit der Unterweisung seiner Jünger zu Ende gekommen war: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis, aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.” (Johannes 16:33; Hervorhebung hinzugefügt.)

Im sterblichen Leben wird es immer Bedrängnis geben. Aber trotzdem werden seine Jünger in ihm Frieden haben. In anderen Worten, selbst wenn die ganze Welt um uns herum zusammenbricht, wird der verheißene Tröster den wahren Nachfolgern Christi seinen Frieden schenken. Völliger Friede wird natürlich auch kommen, denn er hat die Welt überwunden. Aber wir können - ungeachtet der Sorgen in der Welt - seinen Frieden mit uns haben. Sein Friede ist jener Friede, jene Gelassenheit, jener Trost, den uns der Beistand - nämlich der Heilige Geist – ins Herz und in den Sinn gibt, wenn wir danach trachten, ihm zu folgen und seine Gebote zu halten.

„Lerne von mir, und höre meinen Worten zu; wandle in der Sanftmut meines Geistes, dann wirst du Frieden haben in mir.” (LuB 19:23.)

„Derjenige, der die Werke der Rechtschaffenheit tut, [wird] seinen Lohn empfangen, nämlich Frieden in dieser Welt und ewiges Leben in der zukünftigen Welt.” (LuB 59:23.)

Genau wie Helaman mitten im Kampf erlebt hat, daß der Herr „unserer Seele Frieden” zugesprochen hat (Alma 58:11), und Oliver Cowdery Frieden zugesprochen wurde, als er im Herzen zu Gott schrie, um zu erfahren, ob das Buch Mormon wahr sei (siehe LuB 6:23), kann ebenso allen, die wahrhaftig suchen, dieser selbe Friede zugesprochen werden. Dieser Friede stammt aus den Zusicherungen der leisen, sanften Stimme. Der Heilige Geist ist ein Geistwesen, das sich uns im allgemeinen nicht durch die körperlichen Sinne kundtut, sondern unser Herz und unseren Sinn berührt - in anderen Worten, er spricht durch Gedanken, Eindrücke und Gefühle, und er spricht leise.

Präsident Packer hat gesagt: „Der Geist weckt unsere Aufmerksamkeit nicht mit Rufen oder dadurch, daß er uns mit fester Hand schüttelt. Er flüstert vielmehr. Er streichelt uns so behutsam, daß wir ihn vielleicht gar nicht spüren, wenn wir zu beschäftigt sind.” (Der Stern, Juli 1983,30.)

Daher vernehmen viele seine Stimme nicht. Im Grund genommen wollen viele seine Stimme nicht hören. Viele möchten selbständig sein, sie legen großen Wert darauf und lehnen alles ab und verlachen alles, was ihre Kräfte oder Fähigkeiten in Frage stellen könnte. „Der irdisch gesinnte Mensch aber läßt sich nicht auf das ein, was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen, weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann.” (l Korinther 2:14.)

Der Geist ist zwar leise, aber er spricht mit großer Macht. Um den Geist zu empfangen, muß man sich ihm gewissermaßen ausliefern. Einige Jahre vor dem Ersten Kommen Christi waren die nephitischen Propheten Nephi und Lehi im Gefängnis wie von Feuer umgeben. Diejenigen, die sie ermorden wollten, hörten eine Stimme, gleichsam von oberhalb einer finsteren Wolke, die die Menge der Ungläubigen erfaßt hatte und die sie zur Umkehr aufrief, während die Erde bebte: „Als sie diese Stimme hörten, merkten sie, daß es nicht eine Stimme des Donners war, auch nicht eine Stimme von großem, heftigen Lärm, sondern siehe, es war eine sanfte Stimme von vollkommener Milde, gleichwie ein Wispern, und sie drang bis tief in die Seele; und trotz der Milde der Stimme, siehe, da erbebte die Erde über die Maßen.” (Helaman 5:30,31; Hervorhebung hinzugefügt.) Dadurch wurden sie bewegt, umzukehren und Glauben an Christus zu haben. „Und siehe, der Heilige Geist Gottes kam vom Himmel herab und drang ihnen ins Herz, und sie wurden wie mit Feuer erfüllt, und sie konnten wunderbare Worte aussprechen. Und es begab sich: Es erging eine Stimme an sie, ja, eine angenehme Stimme wie ein Flüstern, nämlich: Friede, Friede sei mit euch.” (Siehe Helaman 5:45-47.)

Sie lieferten sich aus, ergaben sich jener unsichtbaren Macht, die jedes willige Herz durchdringen kann.

Paulus beschrieb die Frucht des Geistes - das also, was der Geist hervorbringt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit” und fügt hinzu: „Dem allem widerspricht das Gesetz nicht.” (Galater 5:22,23.) In anderen Worten, der Geist vermag alles zu durchdringen. Kein Gesetz kann erlassen werden, das den Geist davon abhalten könnte, auf einen gehorsamen Nachfolger Christi einzuwirken. Der Geist:

  • erleuchtet den Verstand (LuB 6:15),

  • bewegt dazu, Gutes zu tun, rechtschaffen zu handeln, demütig zu wandeln, gerecht zu richten (siehe LuB 11:12),

  • erfüllt die Seele mit Freude (siehe LuB 11:13; Mosia 4:20),

  • offenbart von allem, ob es wahr ist (siehe Moroni 10:5),

  • gibt Zeugnis vom Vater und vom Sohn (siehe LuB 20:27),

  • weiß alles (siehe LuB 42:17),

  • überzeugt (siehe LuB 100:8),

  • gibt Erkenntnis (siehe LuB 121:26),

  • spricht mit leiser, sanfter Stimme (siehe Nephi 17:45)

  • lehrt zu beten (siehe 2 Nephi 32:8),

  • bewirkt eine mächtige Wandlung (siehe Mosia 5:2),

  • gibt Zusicherung (siehe Alma 58:11),

  • spricht Frieden zu (siehe Alma 58:11),

  • erfüllt mit Hoffnung und vollkommener Liebe (siehe Moroni 8:26),

  • macht frei (siehe 2 Korinther 3:17),

  • steht bei (siehe Johannes 14:16),

  • steht zur Verfügung (siehe LuB 6:14).

So wie die Apostel Jesu in ihrer Sorge durch den anderen Tröster Frieden fanden, kann auch heute jeder Mensch diese selbe wunderbare Segnung tagtäglich erfahren: Jeder Jugendliche, der von seinen Altersgenossen unter Druck gesetzt wird, jeder, der von scheinbar unbeherrschbaren Leidenschaften oder Gefühlen überwältigt ist, jeder, der einsam und verzweifelt ist, jeder, der hungrig, bedrückt oder vergessen ist, jeder, der Angst hat, der mißbraucht wurde, der andere mißbraucht, jeder Lügner, jeder Dieb - alle, die sich ihm ausliefern und dem Herrn nachfolgen und seine Werke tun, haben ein Anrecht auf diesen selben Frieden.

Die Einladung Jesu gilt für alle: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.” (Matthäus 11:28). Das bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.