1990–1999
Abbauen, was uns daran hindert, glücklich zu sein
April 1998


Abbauen, was uns daran hindert, glücklich zu sein

Die Wertschätzung des ethnischen, kulturellen oder nationalen Erbes kann sehr gut und nützlich sein, aber sie kann Lebensmuster fortbestehen lassen, die ein engagierter Heiliger der Letzten Tage ablegen sollte.

Bei der Vorbereitung auf diese Ansprache habe ich ernsthaft um Weisung gebetet, um möglichst klar und deutlich zu Ihnen sprechen zu können. Es ist wichtig, daß der Geist die Einsicht vermittelt, damit mich niemand, dem ich helfen will, mißverstehen kann.

Die Welt teilt sich immer mehr in Gruppen von Menschen auf, die ernsthaft darum bemüht sind, ihr ethnisches, kulturelles oder nationales Erbe zu bewahren. Diese Bemühungen entspringen im allgemeinen einer aufrichtigen Wertschätzung für das, was die Vorfahren getan haben, und zwar häufig unter äußerst schwierigen Bedingungen. Die Wertschätzung des ethnischen, kulturellen oder nationalen Erbes kann sehr gut und nützlich sein, aber sie kann Lebensmuster fortbestehen lassen, die ein engagierter Heiliger der Letzten Tage ablegen sollte.

Weil das, was ich sagen möchte, so heikel ist und weil ich nicht möchte, daß man mich mißversteht, stellen Sie sich doch bitte vor, Sie und ich wären allein und ungestört. Stellen Sie sich vor, wir seien so eng befreundet und vertrauten einander so sehr, daß wir offen miteinander sprechen könnten. Nehmen wir an, Sie hätten mich gefragt, wie Sie aus Ihrer Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi den größten Nutzen ziehen können. Ich kenne Sie als einen gläubigen und überzeugten Menschen. Ich weiß, daß Sie Ihr einzigartiges kulturelles Erbe sehr schätzen. Die Fäden dieses Erbes sind direkt mit den Fasern Ihres Wesen verwoben. Es ist Ihnen schon sehr zugute gekommen, und Sie haben den Wunsch, im Boden dieses Erbes tief verwurzelt zu sein, so daß auch Ihre Kinder und Kindeskinder daraus Nutzen ziehen können. Dennoch sehe ich, wie einige Elemente dieser Lebensweise mit den Lehren Jesu Christi in Widerstreit geraten und Enttäuschung und Schwierigkeiten mit sich bringen könnten. Als Freund möchte ich Ihnen helfen, diese Gefahr zu sehen, ohne Sie zu verletzen oder auf die eine oder andere Weise die Teile Ihres Erbes, die bewahrt werden und als Fundament dienen sollten, herabzusetzen.

Als Sie die Lehren Jesu Christi und seinen Plan des Glücklichseins annahmen, ließen Sie sich taufen und wurden als Mitglied seines Reiches hier auf der Erde konfirmiert. Sie haben seinen Namen auf sich genommen. Sie haben sich verpflichtet, seinen Lehren gehorsam zu sein und in Ihrem Leben all das zu ändern, was diese Lehren erforderlich machen. Um die Freude in Fülle zu erlangen, müssen Sie die heiligen Handlungen des Tempels erhalten. Dadurch werden Sie hier auf der Erde und in alle Ewigkeit äußerst glücklich sein. Fast jeder, der sich der Kirche anschließt, muß einen grundlegenden Wandel seiner Lebensweise vollziehen. Wo das Wort der Weisheit gebrochen wurde, muß dies in Ordnung gebracht werden. Wo das Gesetz der Keuschheit übertreten wurde, muß Umkehr geübt werden. Keiner, der wirklich versteht, was die Mitgliedschaft in der Kirche bedeutet, zögert damit, sich zu ändern, um die Segnungen würdiger Mitgliedschaft in seinem Reich zu empfangen. Darüber hinaus gibt es noch anderes ­ vielleicht weniger Offensichtliches, was beiseite gelegt werden muß, damit man sich des vollen Maßes des Glücklichseins erfreuen kann, das mit der Mitgliedschaft in seinem Reich einhergeht.

Präsident Hunter hat das folgendermaßen erklärt: „Ich möchte Ihnen etwas sagen, was meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Ihr ganzes Leben hindurch werden Sie Entscheidungen treffen müssen. Wie gut Sie zwischen den verschiedenen Alternativen wählen, wird bestimmen, wie erfolgreich und glücklich Sie sind. Einige Entscheidungen, die Sie treffen, werden entscheidend sein und können den ganzen Verlauf Ihres Lebens bestimmen. Bitte beurteilen Sie die Alternativen im Lichte der Lehren Jesu Christi.

Damit Sie das tun können, müssen Sie seine Lehren kennen und verstehen. In dem Maß, wie Sie Glauben üben und würdig leben, so daß Sie Inspiration empfangen können, werden Sie bei den wichtigen Entscheidungen, die Sie treffen, geführt werden.“

Präsident Hunter fährt fort: „Ich empfehle Ihnen, Ihrer Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi die höchste Priorität einzuräumen. Messen Sie, worum man Sie auch bittet, ganz gleich, ob es aus Ihrer Familie kommt, von denen, die Sie lieben, aus Ihrem kulturellen Erbe oder den Traditionen, die Sie geerbt haben ­ messen Sie alles an den Lehren des Erretters. Wo Sie eine Abweichung von diesen Lehren feststellen, geben Sie es auf und verfolgen Sie es nicht weiter. Es wird Ihnen kein Glück bringen.“ („Counsel to Students and Faculty“, Church College of New Zealand, 12. November 1990.)

Warum sollten Sie den Lehren des Herrn die oberste Priorität einräumen? Sie sind Ihr vollkommenes Handbuch zum Glücklichsein. Der Erretter ist Ihr Erlöser. Sein Opfer berechtigt ihn, Sie zu richten und Sie letzten Endes dafür zu segnen, daß Sie seinen Geboten gehorcht haben. Er ist das vollkommene Vorbild. Wenngleich er als ein Gott grenzenlose Macht hat, ist er dennoch demütig und dem Vater untertan. Bei ihm ist kein Stolz oder Wunsch nach persönlicher Anerkennung zu finden.

Der himmlische Vater hat dafür gesorgt, daß Sie in eine bestimmten Familie geboren wurden, durch die Sie hinsichtlich Ihrer Rasse, Kultur und Traditionen Ihr Erbe mitbekommen haben. Diese Familie kann ein reiches Erbe und große Freude mit sich bringen. Trotzdem liegt es bei Ihnen zu bestimmen, ob ein Teil dieses Erbes aufgegeben werden muß, weil es sich gegen den Plan des Glücklichseins des Herrn auswirkt.

Sie mögen sich fragen, wie man herausfinden kann, wann eine Tradition mit den Lehren des Herrn im Widerstreit steht und aufzugeben ist. Das ist nicht einfach. Mir wird immer wieder klar, wie schwer das ist, wenn ich mich bemühe, meine eigenen falschen Traditionen aufzugeben. Der erste Schritt zum Erfolg besteht darin, daß man die Notwendigkeit dazu erkennt. Unsere Gebräuche und Traditionen werden zum fest verwurzelten Bestandteil unser selbst. Sie lassen sich nicht leicht objektiv beurteilen. Studieren Sie sorgfältig die heiligen Schriften und den Rat der Propheten, um zu verstehen, welchen Lebenswandel der Herr von Ihnen erwartet. überprüfen Sie jeden Aspekt Ihres Lebens, und ändern Sie, was nötig ist. Bemühen Sie sich um Hilfe von jemandem, den Sie achten und dem es gelungen ist, fest verankerte überzeugungen und Traditionen, die mit dem Plan des Herrn nicht im Einklang stehen, aufzugeben. Wenn Sie zweifeln, stellen Sie sich die Frage: „Erwartet der Erretter dies von mir?“

Es kann sehr schwer sein, eine fest verankerte Lebensweise zu ändern. Frühere Freunde können einen mit Spott, Kritik und sogar Verfolgung überziehen. Der beharrliche Glaube an den Erretter und Gehorsam werden einen durch solche Bedrängnis zu größeren Segnungen führen. Die heiligen Schriften machen deutlich, wie überzeugung und Glaube Traditionen überwinden können, die im Widerstreit mit dem Plan Gottes stehen und einzelnen und sogar ganzen Geschlechtern Segen bringen können. Abrahams standhafte Entschlossenheit, der Wahrheit treu zu bleiben und die falschen Traditionen zurückzuweisen, gereichten ihm zu großem Segen. Seine Treue wird alle Gehorsamen des Hauses Israel mit reichem Lohn krönen. Ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, wie man die langjährigen Traditionen aufgeben kann, ist der Wandel der kriegerischen Lamaniten zu demütigen Jüngern Christi, die eher bereit waren zu sterben, als die Bündnisse, die sie als Mitglieder seines Reiches geschlossen hatten, zu brechen.

Ich fordere Sie, die Sie bereits die richtigen kulturellen Entscheidungen getroffen haben, dazu auf, anderen, die ebenso handeln sollten, zu helfen, die langfristigen Segnungen, den Frieden und das Glück zu erkennen, die die Entscheidung mit sich bringt, den himmlischen Vater, seinen Plan und seinen Sohn in den Mittelpunkt ihrer Prioritäten zu setzen. Folgen Sie den Beispiel Ammons. Geduldig lehrte er König Lamoni, die falschen überlieferungen zu erkennen und aufzugeben. Vielen gereichte es zum Segen, daß er sich dafür entschied, sie aufzugeben. Ammon lehrte die Wahrheit so klar, daß Lamoni vom Geist berührt wurde und den Wunsch hatte, alle seine falschen überlieferungen aufzugeben (siehe Alma 18:24-41; 19:35,36).

Leben Sie in einem Kulturkreis, in dem der Ehemann eine dominierende, autoritäre Rolle spielt und alle wichtigen Entscheidungen für die Familie fällt? Dann muß dieses Muster gemäßigt werden, so daß Mann und Frau als gleichwertige Partner handeln und die Entscheidungen für sich und die Familie in Einigkeit treffen. Keine Familie kann lange unter Furcht oder Zwang bestehen. Das führt zu Streit und Auflehnung. Die Liebe ist die Grundlage einer glücklichen Familie.

Hier sind noch weitere Traditionen, die es aufzugeben gilt, nämlich, jeder Aspekt eines kulturellen Erbes,

  • der gegen das Wort der Weisheit verstößt,

  • der sich darauf gründet, daß andere aufgrund von häufig nur vererbter standesbedingter Macht dazu gezwungen werden, sich zu fügen,

  • der die Errichtung eines Kastensystems fördert,

  • der Konflikte mit anderen Kulturen hervorruft.

Es ist äußerst gefährlich, dem kulturellen Erbe einen höheren Stellenwert als der Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi einzuräumen. Der Eifer, die eigene Kultur zu verteidigen, kann zu Exzessen führen, von denen man weiß, daß sie falsch sind, die aber damit gerechtfertigt werden, daß „die anderen“ gegen „uns“ sind. Banden mit all ihrem zerstörerischen Potential finden Nahrung in einer Kultur, in der die Gruppenidentität über die Grundsätze von Recht und Unrecht gestellt werden. Es ist gegen die Gebote Gottes, daß eine Kultur eine andere verfolgt, was auch immer die Begründung dafür sein mag.

Sollten Sie ­ wenn auch unwissentlich ­ den Traditionen folgen, die mit den Lehren des Herrn im Widerstreit stehen, dann brechen Sie die heiligen Bündnisse, die Sie bei der Taufe geschlossen haben. Diese Entscheidung wiegt schwerer, wenn Tempelbündnisse geschlossen wurden. Damit wenden Sie sich vom Plan des Glücklichseins, des Friedens und der ewigen Freude, den Ihr Schöpfer aufgestellt hat, ab und einer Sache zu, die weitaus weniger Wert hat und Ihnen viel weniger zum Segen gereichen kann. Wenn das Reich des Herrn und seine Lehren über allem anderen stehen und Sie in der Liebe zum Erretter und zu unserem Vater im Himmel einig sind, dann können die herrlichen Aspekte, die Einzigartigkeit Ihres kulturellen Erbes aufblühen und eine reiche Ernte an Segnungen einbringen.

Tun Sie, was recht ist. Sorgen Sie sich nicht um das, was alle anderen tun. Und vor allem rechtfertigen Sie sich dafür, daß Sie von dem abweichen, was recht ist, nicht damit, daß andere sich falsch entscheiden.

Der Satan will die Familie zerstören. Im Plan unseres Vaters im Himmel geht es for allem um die liebevollen Beziehungen in der Familie ­ hier und in Ewigkeit. Der Teufel will Vollmacht und Ordnung unterminieren, während rechtschaffen ausgeübte Vollmacht die Grundlage des Werkes des Vaters im Himmel ist ­ in der Familie, in der Kirche und in jedem Bereich seines Reiches. Der Satan will die Kinder des Vaters in Gruppen mit ausgeprägten Einzelinteressen aufteilen. Er will die Menschen dazu bringen, daß sie hartnäckig an diesen Interessen festhalten, ohne Rücksicht auf die Folgen für andere. Der Plan des Vaters kommt in den Worten seines Sohnes zum Ausdruck: „Siehe… . Ich sage euch: Seid eins! Und wenn ihr nicht eins seid, dann seid ihr nicht mein.“ (LuB 38:27.) Der Satan fördert die Auffassung, daß das Leben mit ständiger Unterhaltung zu füllen sei, auch wenn dieses Streben mit dem Wohlergehen anderer nicht zu vereinbaren ist. Der Vater im Himmel gibt uns den Plan des Glücklichseins, der einen egoistische Interessen aufgeben läßt und durch den Dienst an anderen glücklich macht. Das Beispiel und die Lehren Jesu können die Kinder des Vaters, ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Kulturkreises unter dem einen Banner der Mitgliedschaft in seinem Reich einen. Brigham Young hat gelehrt:

„Völlige Einigkeit errettet ein Volk, weil intelligente Wesen nur dadurch völlig eins werden können, daß sie sich nach den Grundsätzen richten, die sich auf das ewige Leben beziehen. Schlechte Menschen mögen im Bösen teilweise eins sein; aber es liegt im Wesen einer solchen Einheit begründet, daß sie nur von kurzer Dauer sein kann. Gerade die Grundsätze, nach denen sie sich teilweise geeinigt haben, werden dann selbst für Streit und Uneinigkeit sorgen. Nur … Wahrheit und Rechtschaffenheit können … die ewige Fortdauer vollkommener Einigkeit gewährleisten; denn in celestialer Herrlichkeit können nur die Wahrheit und jene bestehen, die durch sie geheiligt worden sind.“ (Discourses of Brigham Young, Hg. John A. Widtsoe [1961], 282.)

Wenn ich bei meinem unbeholfenen Versuch, eine Wahrheit anzusprechen, jemanden verletzt habe, dann bitte ich um Verzeihung. Bitte übersehen Sie meine Unzulänglichkeit, und versuchen Sie zu verstehen, daß das Gesagte wahr ist. überlegen Sie in stillen Augenblicken, in denen Sie in sich gehen, was unser Vater im Himmel und sein geliebter Sohn als die wesentlichen Prioritäten des Lebens betrachten. Betrachten Sie Ihr Leben, um sicherzustellen, daß es in jeder Hinsicht mit ihnen im Einklang ist. Das ist alles, was ich zu sagen versuche. Wenn ich mein Land und andere Teilen der Welt bereise, sehe ich, wieviel Wunderbares den unterschiedlichen Kulturen entspringt. Trotzdem wird all das Gute manchmal von den negativen Einflüssen überschattet, die sich aus den Traditionen ergeben, die mit den Lehren des Meisters im Widerstreit stehen.

Ich bezeuge, daß Sie das abbauen müssen, was Sie daran hindert, glücklich zu sein, und daß Sie größeren Frieden finden, wenn Sie in erster Linie Ihrer Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi treu sind und seine Lehren zur Grundlage Ihres Lebens machen. Wo die Traditionen der Familie oder des Landes, Bräuche oder gesellschaftliche Trends mit den Lehren Gottes im Widerstreit stehen, geben Sie sie auf. Wo Traditionen und Bräuche mit seinen Lehren im Einklang sind, hegen und pflegen Sie sie, um Ihre Kultur und Ihr Erbe zu bewahren.

Möge der Herr Sie in Ihren Entscheidungen segnen. Im Namen Jesu Christi, amen.