1990–1999
Willkommen zu Hause
April 1999


Willkommen zu Hause

Glauben Sie an Christus, vertrauen Sie ihm, kommen Sie zu ihm, folgen Sie ihm nach… . Schritt für Schritt werden Sie dann den Weg vor sich sehen, bis Sie … wieder dort sind, wohin Sie gehören.

Meine lieben Brüder und Schwestern, am Ende dieser Generalkonferenz wenden sich meine Gedanken jenen zu, die einsam sind, Angst haben oder die Richtung verloren haben. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen,”?da draußen im Schatten steht” (Gordon B.Hinckley, Ensign, Mai 1997, 48), dann hören Sie bitte zu!

Das Leben in der Sterblichkeit gleicht dem Reisenden auf dem Weg nach Hause. Der Weg scheint endlos, die Zeit vergeht nur langsam, und die Ereignisse des Tages erscheinen langwierig und ermüdend. Schließlich stoßen wir aber auf vertraute Szenen. Das können Hügel oder Täler sein, ländliche Gegenden oder hoch aufragende Gebäude, eine belebte Durchfahrtstraße oder eine ruhige Seitenstraße in der Nachbarschaft. Wie auch immer, die vertrauten Bilder beflügeln den Schritt des Wanderers, erquicken die müde Seele, und süße Gefühle der Erwartung und des Friedens stellen sich ein. Er ist endlich wieder zu Hause.

In unserer mobilen, hektischen Gesellschaft wiederholt sich die Erfahrung der Heimreise täglich im Leben von Millionen von Menschen. Bei genauer Betrachtung können wir aus einer solchen Alltäglichkeit viel über die Sterblichkeit erfahren. Eines ist sicher ­ wir machen einen kolossalen Fehler, wenn wir diese Reise durch die Sterblichkeit leichtfertig angehen oder uns auf jeden Weg einlassen, der sich uns bietet, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wohin er führen könnte. Wie einer unserer geliebten Apostel einmal sagte: “In der Tat, von allen Fehlern, die ein Mensch begehen kann, ist die falsche Einschätzung von Gottes Erlösungsplan der schwerwiegendste. Kein Fehler könnte größer oder in seinen Folgen weitreichender sein.” (Neal A. Maxwell, Ensign, Mai 1984, 22.)

Der erfolgreiche Reisende versteht viererlei richtig und handelt dementsprechend: nämlich die Ewigkeit des Lebens, das Wesen der Sünde, die Schönheit der Umkehr und die Macht des Sühnopfers.

Das Leben ist mehr als eine biologische Tatsache. Bevor wir auf diese Erde kamen, lebten wir in der Gegenwart Gottes. Sein Himmel war unser Zuhause. Jeder von uns ist ein Geistsohn beziehungsweise eine Geisttochter Gottes, und er ist unser himmlischer Vater (siehe Abraham 3:23­25; Ijob 38:4­7; Jeremia 1:5). Aufgrund der Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi wissen wir, daß die Geburt von Gott verordnet und ein wesentlicher Schritt auf unserer ewigen Reise ist. Mit den Worten des Propheten des Herrn, Präsident Gordon B. Hinckley: “Die grundlegende Tatsache allen Lebens ist, daß es ewig ist. Das ist die große, herausragende Wahrheit. Wir sind zu einem bestimmten Zweck in die Welt gekommen, im Rahmen eines göttlichen Plans, und wenn wir dieses Leben beenden, gehen wir weiter zu etwas, das besser ist, wenn wir dessen würdig sind.” (Priestertumsführerschaftsversammlung, Regionskonferenz Charlotte North Carolina, 24. Februar 1996, 5; Hervorhebung hinzugefügt.)

Das Wesen der Sünde macht diese Reise durch die Sterblichkeit jedoch zu allem anderen als einer einfachen Aufgabe. Der Apostel Paulus schrieb:

“Das sollst du wissen: In den letzten Tagen werden schwere Zeiten anbrechen.

Die Menschen werden selbstsüchtig sein, habgierig, prahlerisch, überheblich, bösartig, ungehorsam gegen die Eltern, undankbar, ohne Ehrfurcht, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht, rücksichtslos, roh, heimtückisch, verwegen, hochmütig, mehr dem Vergnügen als Gott zugewandt.

Den Schein der Frömmigkeit werden sie wahren, doch die Kraft der Frömmigkeit werden sie verleugnen. Wende dich von diesen Menschen ab.” (2 Timotheus 3:1­5; Hervorhebung hinzugefügt.)

Wegen unserer Schwächen und unserer Verwundbarkeit wird die Sünde zum Bestandteil des Weges eines jeden Reisenden. Sie ergibt sich aus unserem Zustand der Bewährung zwischen Gesetz und Entscheidungsfreiheit (siehe Alma 42:17­24; 12:31­34; 2 Nephi 2:11,15,16, 25­27). “Wer also das Gute tun kann und es nicht tut, der sündigt.” (Jakobus 4:17.)

Darüber hinaus geraten wir, unabhängig von guten Absichten oder unserer Wachsamkeit, auf der Reise in Versuchung. Selbst der Erretter entkam dem nicht, und die Versuchungen, die er am Anfang seiner Mission erfuhr, sind Beispiele für jene, die uns befallen. Präsident David O. McKay hat über diese Versuchungen gesprochen ­ aus Steinen Brot zu machen, sich von der Spitze des Tempels zu stürzen und seine Seele für irdische Schätze zu verkaufen (siehe Matthäus 4:2­10) ­ und dazu gesagt: “überprüfen Sie sie, und Sie werden sehen, daß beinahe jede Versuchung, die uns befleckt, zu einem dieser drei Bereiche gehört, und … in Erscheinung tritt als (1) körperliches Verlangen; (2) sich dem Stolz, der Mode und den Eitelkeiten jener zu beugen, die sich den Dingen Gottes entfremdet haben; oder (3) als Befriedigung des … Verlangens nach den Reichtümern dieser Welt oder Macht unter den Menschen.” (Conference Report, April 1911, 59.)

Wenn uns Versuchung überfällt, leiden wir unter Gewissensbissen. Ein empfindsames Gewissen bestätigt einen gesunden Geist. Der Schmerz oder die Schuld, die wir empfinden, ist die Antwort des Geistes auf Versuchung, Unvollkommenheit oder Sünde. Das Gewissen ist der Weggefährte jedes Reisenden (siehe Moroni 7:16­19); es kann die Reise sehr unangenehm machen, denn “alle haben gesündigt” und “der Herr kann nicht mit der geringsten Billigung auf Sünde blicken.” (Römer 3:23; LuB 1:31.) Gott sei gedankt für diese überirdische Gabe, denn sie kann uns zu Umkehr und Frieden mit ihm führen (siehe Mosia 4:1­3).

Unser himmlischer Vater wußte um die großen Gefahren, denen wir auf unserer Reise durch das Leben begegnen, aber er hält an seinem Wunsch, daß jedes einzelne seiner Kinder wieder nach Hause zurückkehrt, fest. Deshalb gab er uns Zeit ­ Zeit, um unsere Fehler auszumerzen, Zeit, um unsere Sünden zu überwinden, Zeit, um uns auf die Wiedervereinigung mit ihm vorzubereiten. “Doch wurde dem Menschen ein Zeitraum gewährt, worin er umkehren könne; darum ist dieses Leben zu einem Zustand der Bewährung geworden, eine Zeit, in der man sich bereitmachen soll, Gott zu begegnen.” (Alma 12:24.)

Aber der himmlische Vater wußte, daß wir, selbst wenn wir jeden Funken Energie in uns aktivieren, ohne göttliche Hilfe nicht mehr nach Hause finden. Deshalb verhieß er: “Wir werden euch einen Erretter geben!” (Siehe 1 Nephi 10:4; 13:40; Mose 1:6; 2 Nephi 25:23.)

In Erfüllung dieser Verheißung kam in der Mitte der Zeit Jesus Christus ­ der einziggezeugte Sohn Gottes, des ewigen Vaters, im Fleisch. Er durchlebte die Wege der Sterblichkeit, “damit er gemäß dem Fleische wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwächen” (Alma 7:12; siehe auch Vers 11; Ether 12:27; LuB 20:22; 62:1) Es gibt keinen ärger, keine Sorgen, kein Leid, die ihm unbekannt sind. Er war ohne Sünde, doch erfuhr er auf persönliche Weise unseren Kummer, damit er weiß, wie er uns helfen kann (siehe Jesaja 53:3­6).

Christus überbrückte den Abgrund zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit. Das Grab hat keine Macht mehr über die Toten; die Barmherzigkeit kann die Forderungen der Gerechtigkeit befriedigen; das wunderbare Sühnopfer, unbegrenzt und ewig in seiner Geltung, ist wirksam geworden (siehe Alma 34:8­10,14­16). Christus ist der auferstandene Herr, unser Erretter und Erlöser. Warten Sie also nicht länger (siehe Alma 13:27; 34:33­35).

Glauben Sie an Christus, vertrauen Sie ihm, kommen Sie zu ihm, folgen Sie ihm nach (siehe 2 Nephi 27:13­16; Moroni 10:32,33). Machen Sie sich in Gedanken eine Liste jener Dinge, von denen Sie wissen, daß Sie sie nicht tun sollen. Unterlassen Sie ab heute mindestens eins davon und tun Sie statt dessen etwas, das Sie tun sollen. Beten Sie zum himmlischen Vater um Vergebung und Kraft, diese Reise zu beenden. überwinden Sie ein Hindernis nach dem anderen. Ich verheiße Ihnen: Schritt für Schritt werden Sie dann den Weg vor sich sehen, bis Sie, als müder Wanderer, wieder dort sind, wohin Sie gehören.

Thomas (das ist nicht sein richtiger Name) war jemand, der vom Weg abgekommen war. Wir lernten uns auf einer besonderen Fireside kennen, die von Mitgliedern besucht wurde, die man normalerweise Sonntags nicht antrifft. Damals war er 35 Jahre alt und seit etwa 20 Jahren nicht mehr in der Kirche aktiv. Tags zuvor hatte sein Vater ihn zu dieser Fireside eingeladen. Thomas hatte geantwortet, er wolle es sich überlegen. Ich zitiere jetzt aus einem Brief, den sein Vater geschrieben hat:

“Eine halbe Stunde vor der Fireside rief [Thomas] mich an und bat mich, ihn abzuholen. Ich kann die Spannung nicht beschreiben, die ich fühlte, als ich den Raum betrat, um mich zu Ihnen und etwa 40 anderen zu setzen. Da war eine besondere Atmosphäre und ein Geist der [Toms] Herz berührte, und er ging mit dem Entschluß nach Hause, die Abschnitte des Buches Mormon, die Sie erwähnt hatten, noch einmal zu lesen.

Das führte dazu, daß er das ganze Buch las und anfing, den Zehnten zu zahlen. Er begann sein Leben in einem anderen Licht zu sehen… . Er hörte auf, Drogen und Koffein zu sich zu nehmen. Er las weiter, nicht nur das Buch Mormon, sondern auch Lehre und Bündnisse. Er begann die Abendmahlsversammlung zu besuchen und … wurde buchstäblich ein anderer Mensch. So sehr, daß wir ihn spaßhaft fragten: Was hast du mit unserem Sohn gemacht?’

Es war ein großer Segen für uns, als er vom Bischof zu einem Interview gebeten wurde, … um das Melchisedekische Priestertum zu empfangen. Das war wirklich die Erhörung der Gebete, die fast 20 Jahre lang für ihn gesprochen worden waren.” (Persönlicher Brief, 1. August 1997.)

Dieser Bericht ruft uns die Worte eines anderen Vaters ins Gedächtnis: “Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.” (Lukas 15:24.)

Brigham Young sagte: “Es gibt keinen Geist, der nicht rein und heilig war, bevor er aus der celestialen Welt hierher kam… . Er ist der Vater unserer Geister; und wenn wir seinen Willen erkennen, verstehen und tun würden, wäre jede Seele darauf vorbereitet, wieder in seine Gegenwart zurückzukehren. Und wenn ihr dort ankommt, würdet ihr erkennen, daß ihr schon viele Zeitalter zuvor dort gelebt habt, daß ihr schon vorher mit jeder Ecke und jedem Winkel vertraut wart, mit den Palästen, Spazierwegen und Gärten; und ihr werdet euren Vater umarmen, und er wird euch umarmen und sagen: Mein Sohn, meine Tochter, ich habe dich wieder.’ Und das Kind wird antworten: O mein Vater, mein Vater, ich bin wieder hier!’” (Journal of Discourses, 2:129).

Mit aller Macht, derer ich fähig bin, gebe ich Zeugnis, daß dies wahr ist. Kommen Sie aus dem Schatten hervor! Treten Sie ganz ins Licht des Evangeliums. Genießen Sie die süße Frucht der Umkehr, eines ruhigen Gewissens und den Trost und Beistand des Heiligen Geistes. Erlauben Sie dieser Reise, Sie dorthin zu bringen, wo Sie hingehören. Ich zitiere Ihnen zum Zeugnis noch diesen bekannten Vers:

“O mein Vater, der du wohnest

hoch in Herrlichkeit und Licht,”

wie ich mich doch nach dir sehne,

nach deinem edlen Angesicht.

Dann will ich betend niederknien

vor dem großen Retter mein,

dankbar und mit vielen Tränen

waschen seine Füße rein.

Dort füllt sich mein Herz mit Freude,

denn ich bin nicht mehr allein,

und dein Mund spricht: “Söhne, Töchter,

seid willkommen hier, daheim!”

Im Namen Jesu Christi, amen.