2000–2009
Mit dem zufrieden sein, was der Herr uns zugeteilt hat
April 2000


Mit dem zufrieden sein, was der Herr uns zugeteilt hat

Die nötigen richtungsweisenden Augenblicke erleben wir im Rahmen des uns Zugeteilten.... Was zählt, ist unsere Reaktion. Jedes Leben hat genug eigene Prüfungen!

Gemeinsam mit Ihnen, Brüder und Schwestern, drücke ich Präsident Hinckley meinen Dank dafür aus, dass er unermüdlich die Zukunft der Kirche formt, wofür dieses Konferenzzentrum ein Symbol ist.

Mit nur wenigen Worten wird denen, die gewissenhaft und die bekehrt sind, durch Alma eine große Einsicht zuteil: „Ich sollte mit dem zufrieden sein, was der Herr mir zugeteilt hat.“ (Alma 29:3.) Kurz zuvor wünschte sich Alma jedoch von ganzem Herzen, die „Posaune Gottes“ zu sein, um die Erde zu erschüttern. (Siehe Alma 29:1.) Jedoch nicht aus egoistischen Gründen; nein, Alma wollte der gesamten Menschheit Umkehr und den Plan der Erlösung verkünden, damit es auf der ganzen Erde kein Leid mehr gebe. (Siehe Alma 29:2.) Doch Almas Zufriedenheit beruhte darauf, dass Gott uns letztlich gemäß unserem Wunsch gewährt. (Siehe Alma 29:4.) Was könnte fairer sein?

Als er sich mit seiner Berufung zufrieden gab, hegte Alma dann demütig die Hoffnung, ein Werkzeug zu werden, um einige Seelen zu retten. (Siehe Alma 29:9.) Eine bedeutsame geistige Reise wird in nur neun monologhaften Versen wiedergegeben.

Dieselbe Zufriedenheit können auch wir erleben, wenn wir unsere Wünsche überprüfen und angleichen.

Zu dem, was einigen Sterblichen zugeteilt wird, gehört beispielsweise, dass sie aufgrund von Armut kaum vorwärts kommen: „Und das Volk fing an, sich nach Klassen zu unterscheiden, gemäß ihren Reichtümern und ihren Lernmöglichkeiten, ja, einige waren wegen ihrer Armut unwissend, und andere erhielten wegen ihres Reichtums viel Belehrung.“ (3 Nephi 6:12.)

Darüber hinaus haben üble Gesellschaftsstrukturen der Menschen in der Vergangenheit tragische Zwänge wie Sklaverei oder Konzentrationslager mit sich gebracht.

Dennoch müssen wir das Beste aus unserer Situation machen und uns zugleich bemühen, über uns hinauszuwachsen. Im Rahmen dessen, was uns zugeteilt ist, können wir in geistiger Hinsicht zufrieden sein. Paulus spricht von Frömmigkeit im Zusammenhang mit Genügsamkeit, womit er meint, dass Merkmale wie Liebe, Hoffnung, Sanftmut, Geduld und Ergebenheit vorhanden sein müssen. (Siehe 1 Timotheus 6:6.)

Jedoch gibt es im Leben feste Grenzen. So sind manch einem Einschränkungen--seien sie nun körperlicher oder geistiger oder geographischer Art--zugeteilt. Da gibt es diejenigen, die ohne eigenes Verschulden unverheiratet geblieben sind oder Ehepaare, die sich vergebens nach Kindern sehnen. Andere wiederum stehen vor hartnäckigen und unversöhnten Beziehungen im Kreis der Lieben und Nachkommen, die „sich selbständig machen“ und sich dem Rat der Eltern widersetzen (siehe 3 Nephi 1:29). In solchen und ähnlichen Situationen gibt es so viele dornige, tägliche Erinnerungen.

Zufrieden sein bedeutet Akzeptanz ohne Selbstmitleid. Mit Sanftmut ertragen, können solche Entbehrungen letzten Endes jedoch wie eine Ausgrabung sein, die Platz für eine Seele schafft, die sich sehr erweitert hat.

Manch einer macht eine versengende Entwicklung durch, die einen Einschnitt in den Status quo des Lebens darstellt. Der eine erlebt Prüfungen, die er überstehen muss, während dem anderen etwas zugeteilt wird, womit er leben muss. Paulus lebte mit seinem „Stachel im Fleisch“ (siehe 2 Korinther 12:7).

Es genügt zu sagen, dass solche irdischen Zuteilungen in der kommenden Welt geändert werden. Ausgenommen davon ist die Sünde, von der man nicht umgekehrt ist und die unseren Stand in der nächsten Welt beeinflusst.

Es gehört also zu unseren Herausforderungen, dass wir im Rahmen unserer bestehenden Zwänge und Möglichkeiten größere Zufriedenheit entwickeln. Sonst mögen wir uns vielleicht unterfordert und nicht gebührend gewürdigt fühlen, während sich uns ironischerweise viele ungenutzte Gelegenheiten zum Dienen bieten. Auch dürfen wir uns deshalb nicht nach bestimmten Dingen verzehren, die jenseits dessen liegen, was Gott uns zugeteilt hat, wie beispielsweise die machtvolle Stimme eines Engels, denn innerhalb dessen, was uns zugeteilt wurde, gibt es so viel zu tun. (Siehe Alma 29:3,4.) Außerdem können wir die Gebote Gottes halten, ganz gleich, wie unterschiedlich die uns zugeteilten Verhältnisse auch sein mögen.

Unterdessen dienen wir einander als das menschliche übungsmaterial, das „uns zugeteilt ist“. Dies kann für uns mal mehr und mal weniger bedeuten, was für uns aber am meisten zählt, ist, was wir sind und was wir tun--im Rahmen dessen, was uns zugeteilt ist, und besonders in dem Werk, wozu wir berufen sind. (Siehe Alma 29:6.)

So gehören zu unserem „heiligen Geschenk“ die uns als Jünger zugeteilten Bereiche. Um uns die Errettung zu erarbeiten, brauchen wir nicht in den besten Verhältnissen zu leben und von allen geachtet zu werden.

Im Gegensatz dazu gibt es jedoch für denjenigen, der sein Verhalten zu verbessern sucht, keine Grenzen, die er nicht überschreiten kann, und keine Visabestimmungen, die ihn davon abhalten können.

Daher ist es an der Tagesordnung, dass wir uns ständig bessern, und dies erfordert zweifellos die Langmut des Herrn, wenn wir uns bemühen, die notwendigen Lektionen zu lernen.

Obwohl Maria Wundersames über sich und das, was vor ihr lag, erfahren hatte, bewahrte sie jedoch „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lukas 2:19). Der Zufriedenheit geht oft das Nachdenken voraus.

Was zählt, ist die Vorstellung, nicht die Größe der Bühne. Der See Gennesaret, der nur 21 Kilometer lang und 11 Kilometer breit ist, war dennoch groß genug, um den Jüngern ein lebenswichtiges Erlebnis zu bescheren, das Glauben erforderte und den Gang auf dem Wasser ermöglichte. (Siehe Matthäus 14:22,23.) Der Wind war rau und Furcht erregend! Doch vergleichen Sie einmal die Größe der Wogen auf dem See Gennesaret und die Dauer des Sturms mit dem, was Nephi und seine Gruppe auf dem weiten Ozean ertragen mussten! (Siehe 1 Nephi 18:13–21.) Und doch brachten beide Erfahrungen das notwendige Lernerlebnis. Natürlich muss ich mich vor Vergleichen hüten, bei denen viel Wasser im Spiel ist, wenn ich daran denke, dass Noach so seine eigenen Erfahrungen mit dem Wasser gemacht hat!

Somit sind die weniger spektakulären Ereignisse--so wie gute Menschen, die weniger ins Augefallen--„nicht weniger nützlich“, um die Arbeit zu erledigen (Alma 48:19).

In einem größeren Umfang meinte der Prophet Mormon zuerst, dass die Trauer seines Volkes der Umkehr diente. (Siehe Mormon 2:12,13.) Doch erkannte er bald, dass dies nicht die Trauerigkeit war, die zur Umkehr führte, sondern „das Trauern der Verdammten“, das sie in einem Niemandsland stranden ließ. Vergleichen sie dieses Ereignis damit, wie der verlorene Sohn sich einsam um die Umkehr bemühte: da sein Trauern echt war, ging er wirklich in sich. (Siehe Lukas 15:17.) Manchmal lernen wir durch „traurige Erfahrung“ (LuB 121:39), manchmal aber auch nicht!

Die nötigen richtungsweisenden Augenblicke erleben wir im Rahmen des uns Zugeteilten, und im Rahmen des uns Zugeteilten treffen wir Entscheidungen, die ewige Folgen haben. Was zählt, ist unsere Reaktion. Jedes Leben hat genug eigene Prüfungen! (Siehe Matthäus 6:34.)

Unterdessen verkaufen die Menschen regelmäßig ihre Seele für weitaus weniger als die ganze Welt. In Robert Bolts Buch Ein Mann zu jeder Jahreszeit steht Sir Thomas More kurz vor seinen Märtyrertod, und zwar unter anderem, weil sein Freund Richard, der von einem örtlichen Beamten bestochen worden war, ihn verraten hatte. More, „der Richard mit Schmerz und amüsiert ins Gesicht blickte“, sagt: „Für Wales? Also, Richard, es nützt einem Menschen nicht, seine Seele zu geben, um die ganze Welt zu gewinnen.... Aber für Wales?“ (A Man for All Seasons, [1960], 92.) Dieser Verweis soll auch für jede Beschäftigung gelten, die uns von Geistigem abhält!

Sinnen Sie darüber nach, inwiefern Jesus der Herr des Universums war und ist. (Siehe LuB 45:1; 76:24; Mose 1:33; 2:1.) Und doch fand sein geistiges Wirken in einem winzigen geographischen Gebiet statt. Seine Reisen im Verlauf seines Wirkens waren begrenzt. Und doch bewirkte der Erretter damit das Sühnopfer für alle Menschen! Sicher gab es bekanntere Hügel als Golgota und schönere Gärten als Getsemani. Ganz gleich, sie genügten, um darin die größte Tat in der Menschheitsgeschichte zustande zu bringen!

Durch die Umkehr können wir das herrliche Sühnopfer in Anspruch nehmen. Wir können lernen, dem Teil der Menschheit, mit dem wir Umgang haben, zu dienen und zu vergeben, und das schließt den kleinen Kreis unserer Familie und unserer Freunde ein.

Die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit Gottes sind offensichtlich so vollkommen, dass es beim Letzten Gericht keine Klagen geben wird, auch nicht von Seiten derer, die einst in Frage stellten, was Gott ihnen im Erdenleben zugeteilt hatte. (Siehe 2 Nephi 9:14,15; Alma 5:15–19; 12:3–14; 42:23–26,30.)

Folglich können und sollen wir mit dem zufrieden sein, was der Herr uns zugeteilt hat, wobei wir uns mit unseren Lebensumständen zufrieden geben sollen, ohne jedoch selbstzufrieden zu sein und uns mit unserem eigenen Verhalten zufrieden zu geben. (Siehe 3 Nephi 12:48; 27:27; Matthäus 5:48.)

Diese Zufriedenheit ist mehr als achselzuckende Passivität. Sie spiegelt keine gleichgültige Ergebenheit wider, sondern vielmehr aktive Zustimmung.

Der Herr kennt unsere Lebensumstände und die Absichten unseres Herzens und gewiss auch die Talente und Gaben, die er uns gegeben hat. Er kann am besten beurteilen, was wir im Rahmen dessen, was uns zugeteilt ist, geleistet haben, wie wir unter anderem einige der vielen herabgesunkenen Hände um uns herum emporgehoben haben. Somit ist unsere Geistigkeit in einer schlechten Verfassung, wenn wir uns nach großen Gelegenheiten sehnen, während wir diejenigen, die sich bieten, nicht nutzen.

Besser als alle weiß der Herr des Weingartens, was wir im Rahmen des uns Zugeteilten hätten tun können und was wir getan haben.

Ein Grund, warum Gott sein Werk mit Hilfe der Schwachen der Welt vollbringt, ist vielleicht, weil sie sanftmütig und eher zu geistiger Zufriedenheit imstande sind. (Siehe LuB 1:19,23; 35:13; 133:58,59; 1 Korinther 1:27.) Wer weltlich gesinnt ist, hat gewöhnlich kein großes Interesse an dem, was er ohnehin als das geringe Werk des Herrn betrachtet.

Es ist auch bezeichnend, dass der Herr niemanden einschüchtert, indem er Legionen von Engeln sendet, um zu gewährleisten, dass die Menschen seinen Willen tun. (Siehe Matthäus 26:47–53.) Sein Wille soll „wegen des Wortes“ getan werden und nicht, weil wir dazu genötigt werden (Alma 36:26). Die Regel war, ist und wird sein: „Doch [du] magst ... dich selbst entscheiden.“ (Mose 3:17.) Der Herr möchte Bekehrung ohne Einschüchterung.

Bedenken wir jedoch in unserer Zeit der Wendehälse: Die einzige Wende, die Gott von uns wünscht, ist, dass wir uns aus freiem Antrieb von der Sünde ab- und uns ihm zuwenden. Darum will er uns nicht überwältigen, sondern uns stattdessen helfen, die Welt zu überwinden! (Siehe LuB 64:2; Offenbarung 3:21.)

Angesichts dessen, was uns zugeteilt ist, sehen wir also, wie die Heiligen Wohlwollen an den Tag legen, auch wenn sie wie hinter Stacheldraht lebten, während andere mitten im überfluss spitz reagieren. Inzwischen suhlen sich die Unzufriedenen weiterhin im Selbstmitleid, manchmal mit übermenschlicher Ausdauer.

Almas inspirierter und lehrreicher Schilderung entnehmen wir noch etwas. Alma räumt ein, dass Gott in jede Nation Personen setzt, die sein Wort verkündigen und lehren können. (Siehe Alma 29:8.) Wenn wir also zu sehr, zu oft und zu stark eine wichtigere Rolle anstreben, könnten wir tatsächlich den Handlungsspielraum, den andere brauchen, einschränken. Darüber hinaus gibt die vertrauensvolle Zufriedenheit dem Heiligen Geist kostbare Zeit, seine besondere Arbeit zu verrichten.

Wenn wir uns geistig angleichen, kann uns Gelassenheit zuteilwerden, auch wenn wir nicht „dieBedeutung von allem“ wissen(1 Nephi 11:17). Dieser zufriedenen Gewissheit entspringt nicht Arroganz, sondern stille Hinnahme, die ihre eigene Form von Eifer für eine gute Sache hat-- ohne irgendwelche Extras. (LuB 58:27; siehe auch Vers 28.)

Diese Zufriedenheit des Geistes hängt jedoch davon ab, dass wir das Sühnopfer Jesu Christi annehmen, weil wir „zur Erkenntnis der Güte Gottes und seiner unvergleichlichen Macht und seiner Weisheit und seiner Geduld und seiner Langmut gegenüber den Menschenkindern gekommen [sind], auch der Sühne, die von Grundlegung der Welt an bereitet ist“ (Mosia 4:6).

Noch einmal, Brüder und Schwestern, wenn man sieht, wie Alma davon abkommt, eine „Posaune“ sein zu wollen, um ein schlichtes „Werkzeug“ zu werden, und davon, die Erde zu erschüttern, um vielleicht „einige Seelen zur Umkehr zu führen“, so ist dies ein verblüffender Wandel! Ist es nicht auch wunderbar, dass wir uns entwickeln dürfen, ganz gleich, ob diese Entwicklung in neun Versen zum Ausdruck kommt oder in einem ganzen Leben?

Coleen und ich haben eine besondere Enkeltochter, nämlich Anna Josephine, die ohne linke Hand geboren wurde. Unlängst hörten wir zufällig ein Gespräch zwischen Anna Jo, die fast fünf ist, und ihrem Cousin Talmage, der drei Jahre alt ist. Talmage sagte, während die beiden miteinander spielten, beruhigend: „Anna Jo, wenn du groß bist, wirst du fünf Finger haben.“ Darauf antwortete Anna Jo: „Nein, Talmage, wenn ich groß bin, werde ich keine fünf Finger haben, aber wenn ich in den Himmel komme, werde ich eine Hand haben.“

Wenn Anna Jo, der noch schwierige Tage bevorstehen, sich mit dem abfindet, was ihr zugeteilt ist, wird sie für viele Menschen weiterhin ein großer Segen sein!

Wie gesegnet sind wir doch, dass die Worte Almas für uns alle bewahrt geblieben sind. Mögen wir die Worte Almas auf uns beziehen. (Siehe 1 Nephi 19:23.) Darum bete ich im Namen dessen, der keinen Spatz und keinen Finger vergisst und doch der Herr des Universums ist, nämlich Jesus Christus, amen!