2000–2009
„Bringe du dein Haus in Ordnung“
Oktober 2001


„Bringe du dein Haus in Ordnung“

Auf den Ebenen von Paraguay liegt das kleine Dorf Mistolar. Es liegt auf einem ausgedehnten Landstreifen an dem einsamen Fluß Pilcomayo. In diesem kleinen Bauerndorf gibt es einen Zweig der Kirche. Im Juni 1987, als in den Anden der Schnee schmolz, brachte der Fluß, der für die Landwirtschaft lebensnotwendig ist, den Einwohnern auch Vernichtung. Er trat über die Ufer, und zwar nicht nur einmal, sondern zweimal, und zwang die Heiligen, umzuziehen und dann noch einmal umzuziehen. Sie verloren alles: ihr Gemeindehaus, ihre Häuser, ihre Gärten und ihre Umzäunungen. Einen Monat lang wateten sie knietief durch das Wasser und rangen ums Überleben.

Als die Gebietspräsidentschaft von dieser Not hörte, sandte sie sofort Vorräte, und Eider Ted E. Brewerton vom Siebzigerkollegium führte den Rettungstrupp an, der eine mühsame zweitägige Reise zurücklegen mußte.

Als die Gruppe ankam, wurde sie von den Frauen und Kindern herzlich begrüßt; die meisten Männer waren auf der Jagd und beim Fischen. Die Leute hatten mitten im eiskalten Winter wenig zu essen und anzuziehen. Von ihrem Vieh waren drei Schafe, einige Hühner, eine Ziege und ein magerer Hund am Leben geblieben. Ihre notdürftigen Unterstände aus Schilf und Zweigen boten des Nachts kaum Schutz.

Die Dorfbewohner waren in einer traurigen Lage, aber sie lächelten. Ihre Ruhe bildete einen auffallenden Gegensatz zu ihrer verzweifelten Lage.

Wie bewahrten sie sich unter solchen Schwierigkeiten den Mut? Eider Brewerton entdeckte den Grund dafür, als er den jungen Zweigpräsidenten fragte: „Ist unter den Mitgliedern jemand krank?”

Der junge Priestertumsführer überlegte und antwortete: „Ich glaube nicht. Ich will die anderen fragen.” Nach einigen Minuten sagte er: „Wir haben neununddreißig Brüder, die das Melchisedekische Priestertum tragen. Wir wachen über die Mitglieder und segnen sie.”

Am Abend sprach eine Schwester in der Versammlung ein Gebet, das Eider Brewerton niemals vergessen wird. Sie sagte: „Vater, wir haben unser schönes Gemeindehaus verloren. Wir haben unsere Kleider verloren, wir haben keine Häuser mehr, und wir haben kein Baumaterial. Wir müssen zehn Kilometer weit gehen, um aus einem schmutzigen Fluß Wasser zu trinken, und wir haben keinen Eimer. Aber wir möchten dir danken, daß wir gesund sind, daß wir glücklich sind, und daß wir Mitglieder der Kirche sind. Vater, du sollst wissen, daß wir unter allen Umständen gläubig und stark sind und treu zu den Bündnissen stehen, die wir bei der Taufe mit dir geschlossen haben.” (Heidi S. Swinton, Pioneer Spirit, 1996, Seite 8-11.)

Als alles um sie herum weggespült worden war, hielten die Mitglieder von Mistolar an der Macht des Priestertums und seinen geistigen Segnungen fest (siehe LuB 107:18). Ich kann mir vorstellen, wie diese Schwester aufstand, um dem Herrn für alles zu danken, was sie hatten. Sie hatten praktisch nichts - nicht einmal einen Eimer. Aber sie hatten ihre Bündnisse, ihre Mitgliedschaft in der Kirche und ihre Verpflichtung gegenüber Christus. Sie waren damit gesegnet, daß sie „der Herrlichkeiten teilhaftig werden” konnten. In Lehre und Bündnisse lesen wir: „Gesegnet bist du, da du meinen immerwährenden Bund angenommen hast, ja, die Fülle meines Evangeliums, das unter die Menschenkinder ausgesandt worden ist, damit sie das Leben haben und der Herrlichkeiten teilhaftig werden können, die in den letzten Tagen offenbart werden sollen.” (LuB 66:2.)

Ich habe ein festes Zeugnis davon, daß die Macht des Priestertums auf alle Mitglieder der Kirche einwirkt. In Lehre und Bündnisse wird uns gesagt: „Die Kraft und Vollmacht des Melchisedekischen Priestertums ist es, die Schlüssel aller geistigen Segnungen der Kirche innezuhaben.” (LuB 107:18.) Ich weiß, daß es die Kraft und Vollmacht Gottes auf Erden ist, die uns zum Segen gereicht und uns hilft, zwischen unseren Erfahrungen auf der Erde und den Ewigkeiten eine Brücke zu bauen. Wenn wir die Segnungen des Priestertums empfangen, machen wir uns die Macht und die Gnade Gottes zunutze.

Präsident Joseph F. Smith hat gesagt: „Das Priestertum wird uns zu zwei Zwecken gegeben. Erstens, damit wir selbst erhöht werden, und zweitens, damit wir anderen dadurch helfen, die gleichen Segnungen zu erhalten.” (The Way to Perfection, 1932, Seite 221f.)

Im Werk Gottes herrscht Ordnung. In einer der ersten FHV-Versammlungen vor 164 Jahren gab der Prophet Joseph Smith den Schwestern den Auftrag, mitzuhelfen, die Menschen zu erretten (siehe das Protokoll der FHV vom 9. Juni 1842, Archiv der Kirche). Unser Ziel hat sich nicht geändert. Für mich ist es bedeutsam, daß die Frauen kraft der Vollmacht des Priestertums organisiert wurden. Wir unterstützen das Priestertum und werden durch seine Kraft unterstützt. Die Schwestern der Kirche sind wie die Schwester aus Mistolar dankbar für die Möglichkeit, voll und ganz an den geistigen Segnungen des Priesterrums teilzuhaben.

Wir alle können dadurch, daß wir diese Segnungen empfangen, in unserem ewigen Fortschritt angeleitet und gesegnet werden. Die heiligen Handlungen, Bündnisse und Siegelungen und die Gabe des Heiligen Geistes sind für die Erhöhung wesentlich. Auch für den einzelnen hält das Priestertum viele Segnungen bereit. Ein Priestertumssegen weist uns den Weg, er erweitert unser Blickfeld, macht uns Mut, gibt uns Inspiration und spornt uns an. Wir alle können an diesen geistigen Segnungen teilhaben.

Die Taufe ist die wesentliche heilige Handlung des Priestertums, die jedem von uns die Tür zum ewigen Leben öffnet. Hier beginnt unsere Verpflichtung, Jesus Christus nachzufolgen und seinem Evangelium gemäß zu leben, und von hier an zählen wir unsere vielen Segnungen. Und jede Woche, wenn wir das Abendmahl nehmen, werden wir daran erinnert, „immer an ihn zu denken”. Welch ein Segen es doch ist, daß wir deutlich sichtbar daran erinnert werden.

Wenn wir konfirmiert werden, öffnen sich die Himmel, und wir erhalten die Gabe des Heiligen Geistes. Durch den Geist kommen die Segnungen des Priestertums im unser Leben. Der Heilige Geist, der uns führt, der mit uns ist, uns Frieden schenkt, der von der Wahrheit und von Jesus Christus Zeugnis gibt. Diese geistigen Segnungen weisen uns die Richtung. Und auch unsere Umgebung wird durch den Geist gesegnet, denn wenn wir andere an unseren Segnungen teilhaben lassen, werden sie noch größer.

Wenn mir bei einem Priestertumssegen die Hände aufgelegt werden, fühle ich mich in die Liebe des Erretters eingehüllt. Ich weiß, daß der Bruder, der mir den Segen gibt, im Namen des Herrn handelt. In Mistolar trugen neununddreißig Männer das Priestertum - und nutzten es, um die Mitglieder zu segnen.

Als Kind bekam ich einmal einen Krankensegen, und ich wurde durch die Macht des Priestertums und den Glauben meiner Eltern geheilt. Ich erinnere mich genau daran, wie mir mein Großvater mehrere Jahre darauf die Hände aufgelegt und mir als Patriarch eine Anleitung für mein Leben gegeben und Verheißungen ausgesprochen hat, die von meiner Glaubenstreue abhängen.

Ich habe festgestellt, daß ich ganz anders an eine Berufung herangehe, nachdem ich eingesetzt worden bin. Bei manchen Berufungen gibt es viele Fragen. Ich möchte wissen, warum gerade ich dazu berufen worden bin; ich möchte wissen, was ich tun soll; ich möchte wissen, wer mir helfen soll. Ich erinnere mich noch an den Frieden, der über mich kam, als meine Ratgeberinnen und ich von der Ersten Präsidentschaft als FHV-Präsidentschaft eingesetzt wurden. Es war eine förmliche Einsetzung, aber die Atmosphäre war herzlich. Ich wurde mit dem vollen Namen angesprochen, und dann kam stille Konzentration, persönliche Anleitung und weiser Rat.

Den gleichen Geist spürte ich, als mein Mann Joe zum Bischof ordiniert wurde, und auch damals, als er unserem ältesten Sohn einen Väterlichen Segen gab, als dieser an den Persischen Golf mußte. Dann gab unser Sohn seiner Frau und dem Baby einen Segen. Das schenkte in jener beängstigenden Zeit Trost.

Heute Morgen habe ich meinen Mann um einen besonderen Segen gebeten, um meine Vorbereitung auf diese Ansprache abzuschließen. Man kann schwer in Worte fassen, was man angesichts der Worte des Herrn „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch” (Johannes 14:27) empfindet.

Die Gaben des Geistes sind mächtige Segnungen des Priestertums. Sie lassen unsere Fähigkeiten wachsen, wenn wir sie entfalten, indem wir Kraft aus dem Himmel empfangen. Eine Gabe, die ich besonders schätze, ist die Gabe des Erkennens. Als der Herr zu der Frau am Brunnen sprach, bot er ihr lebendiges Wasser an, das ewiges Leben schenkt. Er erkannte, was sie brauchte. Sie war verblüfft, als er sagte: „Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her.” Sie antwortete: „Ich habe keinen Mann”, und Jesus sagte: „Du hast richtig gesagt”, und die Frau erwiderte: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist.” (Johannes 4:14-19.)

Viele Frauen haben die Gabe des Erkennens. Oft werden sie mit der Kraft gesegnet, über ihre Erfahrungen hinaus zu erkennen, wenn sie monatlich die Schwestern besuchen und auf Weisung des Bischofs feststellen, was gebraucht wird. Wir nutzen diese Gabe, wenn wir unsere Kinder erziehen und sie das Evangelium lehren. Wir erkennen durch die Kraft Gottes, die uns durch seinen Geist gegeben wird, daß „eines … notwendig [ist]” (Lukas 10:42). Nichts, was wir tun, ist wichtiger als die rechtschaffene Arbeit zu Hause.

Erkenntnis ist in unserer Zeit lebensnotwendig. Präsident Boyd K. Packer hat gesagt: „Wir brauchen Frauen mit der Gabe des Erkennens, die die Vorgänge in der Welt richtig einschätzen können. Solche Frauen haben den Blick für Tendenzen, die zwar populär, aber oberflächlich sind.” (Ensign, November 1978, Seite 8.) Genau das brauchen wir.

Der Tempel ist ein unvergleichlicher Ort für den Empfang der Segnungen des Priestertums. In diesem heiligen Haus erhalten wir die Begabung und werden dann als Familie für die Ewigkeit aneinander gesiegelt. Die Vollmacht des Priestertums garantiert, daß die Bündnisse, die wir im Tempel schließen, für immer bestehen. Die Gaben der Erhöhung vertiefen die Partnerschaft zwischen Mann und Frau, wenn sie sich den Bündnissen verpflichten und gemeinsam an den Segnungen des Tempels teilhaben. Wenn wir in den Tempel gehen, erhalten wir auch Kenntnis „von etwas, wie es wirklich ist, und von etwas, wie es wirklich sein wird” (Jakob 4:13).

Eine FHV-Leiterin in Ghana wußte um die „Herrlichkeiten”, die zum Tempel gehören. Als sie in der Gemeinde mit Besuchern sprach, nahm sie ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche und sagte ehrfürchtig: „Ich habe einen Tempelschein.” Es mag Jahre dauern, bis sie es sich leisten kann, nach London oder Johannesburg zu fliegen, aber der Tempelschein erinnert sie daran, daß sie würdig und bereit ist. Mehr verlangt der Herr nicht (siehe Ensign, März 1996, Seite 37).

Wir werden auf dieser Konferenz von Propheten, Sehern und Offenbarern unterwiesen, von Generalautoritäten, die das Priestertum Gottes tragen. Ihre Botschaft gilt allen Mitgliedern der Kirche. Wer „Ohren hat zum Hören” (Markus 4:9), der erkennt, was der Herr sagt, „sei es durch meine eigene Stimme oder durch die Stimme meiner Knechte, das ist dasselbe” (LuB 1:38).

Ich möchte Zeugnis geben, daß ich weiß, daß diese Kirche von einem Propheten Gottes, nämlich Präsident Gordon B. Hinckley, geleitet wird. Die Führung der Kirche auf oberster und auf örtlicher Ebene ist ein Beweis dafür, daß wir mit dem Priestertum gesegnet sind, denn dies ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, und er leitet das Werk. Der Herr hat gesagt: „Darum möge sich euer Herz in bezug auf Zion trösten, denn alles Fleisch ist in meiner Hand; seid ruhig und wißt, daß ich Gott bin.” (LuB 101:16.)

Die Heiligen in Mistolar kannten Gott. Sie hatten ein Zeugnis von seinem Evangelium. Sie hatten teil an den vielen geistigen Segnungen, die mit der Macht des Priestertums einhergehen, wie in Abschnitt 84 von Lehre und Bündnisse beschrieben:

„Und alle, die dieses Priestertum empfangen, die empfangen mich, spricht der Herr;

denn wer meine Knechte empfängt, der empfängt mich; und wer mich empfängt, der empfängt meinen Vater;

und wer meinen Vater empfängt, der empfängt meines Vater Reich.” (LuB 84:35-38.)

Ich bete, wir mögen alle an den Herrlichkeiten im Reich unseres Vaters teilhaben. Und ich sage es im Namen Jesu Christi, meines Erretters, amen.