2000–2009
Was wollt Ihr?
April 2005


Was wollt Ihr?

Wer aufrichtig nach der Wahrheit sucht, findet Antworten auf seine Fragen – er findet den Herrn durch seine wiederhergestellte Kirche.

Es ist immer schwer, diesem herrlichen Chor zu folgen. Nochmals vielen Dank, lieber Chor, für die wunderbare Musik.

„Am Tag darauf stand Johannes wieder dort und zwei seiner Jünger standen bei ihm.

Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!

Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.

Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr?“ (Johannes 1:35-38.)

Die heutige Welt sucht auf so vielerlei Weise nach Antworten auf die Frage „Was wollt ihr?“ Zu viele streuen Samen von Früchten, die eine ewige Seele nicht nähren können.

Lassen Sie mich dies durch ein Erlebnis veranschaulichen, das die Gebietspräsidentschaft Europa Mitte hatte, als sie mit dem Zug zu einer Versammlung fuhr. Wir nutzten die gemeinsame Zeit, um über unsere Aufgaben zu sprechen. Unser Gespräch machte einen Mann auf der anderen Seite des Gangs neugierig. Schließlich fragte er: „Sind Sie evangelisch oder katholisch?“ Wir erwiderten: „Weder noch, wir gehören der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an.“ Er gab an, von der Kirche gehört zu haben, sagte dann aber: „Sie werden in diesem Land nie sehr weit kommen. Der Staat erkennt nur die katholische und die evangelische Kirche an. Sie sind die einzigen, die vom Staat finanziell gefördert werden. Eine Kirche kann ja ohne staatliche Förderung gar nicht existieren.“

Wir versuchten zu erklären, dass unsere Kirche sehr gut ohne staatliche Förderung auskommt – dass wir nämlich den Zehnten, das System des Herrn, haben. Er beharrte aber darauf, dass unsere Kirche in seinem Land nicht sehr weit kommen werde, und empfahl, unsere Bemühungen doch auf einen anderen Teil der Welt zu konzentrieren. Natürlich bezeugten wir, dass das System des Herrn funktioniert, und wir erzählten ihm von all den Gemeindehäusern und Tempeln, die wir überall errichten, ohne uns für den Bau Geld leihen zu müssen. Er wirkte sehr erstaunt, doch noch immer nicht überzeugt.

Da wir ihn offensichtlich nicht dahingehend umzustimmen vermochten, dass eine Kirche ohne staatliche Förderung auskommen kann, wechselten wir das Thema. Ich fragte: „Was wird denn wohl aus Ihrem Land angesichts der gegenwärtigen Veränderungen? Die Bevölkerungszahlen sind rückläufig, immer mehr Einwanderer strömen hinzu – Sie werden schließlich zu einer Minderheit in Ihrem eigenen Land!“

Mit großem Nationalstolz entgegnete er: „So weit kommt es nie!“

Ich erwiderte: „Wie kommen Sie zu einer solchen Ansicht, wenn doch die Einwanderungsrate die Geburtenrate übersteigt?“ Er blieb dabei, dass etwas Derartiges in seinem Land nie geschehen würde. Eher würde man die Grenzen schließen, als dass man so etwas zuließe.

Ich drang weiter auf ihn ein: „Wie wollen Sie das verhindern, wenn dieser Trend anhält?“

Was er darauf sagte, schockierte mich: „Ich bin 82 Jahre alt. Ich bin schon lange fort, ehe wir uns damit beschäftigen müssen.“

Ein großes Problem, dem wir uns gegenübersehen, wenn wir in diesem Teil der Welt das Evangelium verkündigen, ist die allgemeine Apathie gegenüber Religion und Geistigem. Die meisten Menschen sind sehr zufrieden mit ihrer gegenwärtigen Lebensweise und sehen keine Notwendigkeit, mehr zu tun als „zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein“ (vgl. Lukas 12:19). Sie sind nur an sich selbst interessiert – an dem, was hier und heute ist.

In den entwickelten Ländern der Welt ist das, was man glaubt und was man tut, so weltlich geworden, dass man der Ansicht ist, der Mensch sei völlig autonom, der Einzelne müsse nichts und niemandem Rechenschaft ablegen, außer sich selbst und in begrenztem Maße der Gesellschaft, in der er lebt.

Eine Gesellschaft, in der solch eine weltliche Lebenseinstellung Fuß fasst, muss in geistiger und moralischer Hinsicht einen hohen Preis zahlen. Das Streben nach sogenannten persönlichen Freiheiten, ohne Rücksicht auf Gesetze, die der Herr gegeben hat, um die Geschicke seiner Kinder auf Erden zu lenken, zieht den Fluch extremer Weltlichkeit und Selbstsucht nach sich, den Verfall öffentlicher und persönlicher Moral und die Missachtung von Autorität.

Solche weltlich eingestellten Gesellschaften werden in Lehre und Bündnisse 1:16 beschrieben: „Sie suchen nicht den Herrn, um seine Rechtschaffenheit aufzurichten, sondern jedermann wandelt auf seinem eigenen Weg und nach dem Abbild seines eigenen Gottes, dessen Abbild dem der Welt gleicht.“

Aus diesem Grund wurde die Kirche des Herrn angewiesen, dem Propheten zu folgen und nach etwas anderem zu streben als dem, wonach die Welt strebt. In Vers 17 und 18 aus Abschnitt 1 heißt es weiter:

„Darum habe ich, der Herr, der das Unheil kennt, das über die Bewohner der Erde kommen soll, meinen Knecht Joseph Smith Jr. aufgerufen und aus dem Himmel zu ihm gesprochen und ihm Gebote gegeben, und auch anderen Gebote gegeben, dass sie diese Dinge der Welt verkündigen; und dies alles, damit sich erfülle, was die Propheten geschrieben haben.“

Der Prophet Joseph Smith war derjenige, durch den die Kirche Jesu Christi auf der Erde wiederhergestellt wurde – „Zeile um Zeile, Weisung um Weisung“ (LuB 98:12). Mit göttlicher Hilfe übersetzte und veröffentlichte er das Buch Mormon. Das Aaronische und das Melchisedekische Pries- tertum wurden ihm und Oliver Cowdery übertragen, und heilige Handlungen zur Errettung der Menschheit wurden wieder eingeführt.

Wir erklären unerschrocken, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf die Frage „Was wollt ihr?“ Antwort gibt. Unsere Kirche ist das Mittel, wodurch die Menschen zum Erretter und zu seinem Evangelium finden. Sie, die Sie hier so zahlreich versammelt sind, und die noch größere Zahl Mitglieder, die diese Konferenz in aller Welt ansieht, sind reich gesegnet, denn Sie haben nach der wiederhergestellten Kirche gesucht und sie gefunden.

Die Kirche entstand infolge einer Wiederherstellung, nicht durch eine Reformation. Was ich jüngst in Mitteleuropa erlebt habe, hat durchaus meinen Respekt dafür vertieft, welche Rolle die frühen christlichen Führer spielten, die die Reformation eingeleitet haben. Am Anfang standen Bemühungen, einige Fehler in der Lehre zu korrigieren, die sich in der langen Zeit des Abfalls von der Kirche, die unser Heiland während seines irdischen Wirkens gegründet hatte, eingeschlichen hatten. Joseph Smith war ein Prophet Gottes, das Sprachrohr des Herrn und der Wiederhersteller von allem, was wichtig war, um das Gottesreich aufzubauen und das Zweite Kommen des Herrn Jesus Christus vorzubereiten. Wenn wir den Herrn suchen, ist es wichtig, ihn über seine Kirche zu suchen. Durch seine wiederhergestellte Kirche empfangen wir all die errettenden heiligen Handlungen, die wir brauchen, um zu ihm zurückzukehren.

Ich möchte alle Mitglieder der Kirche wissen lassen, was ich durch meine derzeitige Aufgabe erfahren habe: Andere am Evangelium Jesu Christi teilhaben zu lassen ist mit Herausforderungen verbunden, die ich nie erwartet hätte. Und doch sehe ich täglich einen neuen Hoffnungsschimmer, der größtenteils auf den Segen des Herrn zurückzuführen ist, aber auch auf die Bemühungen der Führer, Mitglieder und Missionare in diesem Teil der Welt. Wer aufrichtig nach der Wahrheit sucht, findet Antworten auf seine Fragen – er findet den Herrn durch seine wiederhergestellte Kirche. Von vielen Beispielen, die ich anführen könnte, möchte ich über drei berichten: einen Vater, einen jungen alleinstehenden Erwachsenen und eine alleinstehende Schwester, die neuen Glauben und neue Hoffnung gefunden haben.

Eine vierköpfige Familie traf erstmals mit Missionarinnen zusammen, und die Mutter und ihre Kinder lasen von Anfang an oft im Buch Mormon, beteten jeden Tag und wollten in die Kirche gehen. Der Vater weigerte sich jedoch – anders als seine Frau gehörte er keinem christlichem Glauben an und war noch nicht bereit, seine Glaubensansichten zu überprüfen.

Die Missionarinnen hatten die Eingebung, ihre Unterweisung auf Jesus Christus auszurichten. Dies sind ihre Worte:

„Wir sprachen über Joseph Smith, über seinen Glauben an Christus und darüber, was wir aus der ersten Vision und dem Zeugnis, das der Prophet vom Erretter hatte, über Christus erfahren. Durch alles, was wir zusammen im Buch Mormon lasen oder was zu lesen wir der Familie aufgaben, erfuhr sie mehr über unseren Erlöser. Langsam zeichneten sich Fortschritte ab. Voller Stolz hängten sie in ihrem Wohnzimmer ein gerahmtes Bild von Jesus Christus auf, das wir ihnen geschenkt hatten.“

Beim Vater trat ein Sinneswandel ein, als seine Frau sagte, sie wolle sich taufen lassen, und als seine Söhne beschlossen zu beten, um zu erfahren, ob auch sie sich taufen lassen sollten. Von diesem Augenblick an las er regelmäßig im Buch Mormon und betete über die Taufe. Sein aufrichtiger Wunsch zu wissen, ob die Kirche wahr ist, veränderte ihn, und er wurde zu einem geistigen Führer seiner Familie. Kurz bevor er und seine Familie getauft wurden, verlangte der Vater nach einem Spendenzettel und einem Umschlag. Er wollte keine Sekunde länger warten, die Gebote zu halten.

In einem anderen Fall wurde ein junger Bruder infolge der Outreach-Initiative, die junge alleinstehende Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren ansprechen soll, wieder in der Kirche aktiv. Am ersten Aktivitätenabend in einem unserer Kirchengebäude war dieser Bruder der einzige, der nicht auf Mission gewesen war, doch innerhalb weniger Wochen hatte er etwa dreißig Leute zum Familienabend und zu anderen Aktivitäten mitgebracht.

Dieser Bruder ist von Beruf Web-Designer – er hat mit einem Partner ein eigenes Unternehmen gegründet. Er wohnt derzeit mit zwei Nichtmitgliedern zusammen, die beide in seiner Firma arbeiten. Er gibt mutig Zeugnis. Einer seiner Mitarbeiter hatte zuvor christliche Theologie studiert, und dieser Bruder verwies ihn an die Missionare, die im JAE- Programm mitarbeiteten. Jetzt besucht dieser Mitarbeiter regelmäßig die Aktivitäten, und der wieder aktiv gewordene Bruder hilft den Missionaren bei der Unterweisung, indem er ebenfalls Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums gibt.

In einem weiteren Fall bemühte sich eine junge Frau aus Hamburg darum, für ihr Leben einen geistigen Sinn zu finden. Sie fing an zu beten und Gott zu fragen, was sie tun sollte. Eines Morgens, nachdem sie drei Tage lang etwas gefastet und viel gebetet hatte, ging sie von ihrer Wohnung zur Bushaltestelle. Als sie dort ankam, stellte sie fest, dass sie die Schlüssel, die sie an diesem Tag brauchte, vergessen hatte. Sie kehrte nach Hause zurück, holte die Schlüssel und ging wieder zur Bushaltestelle. Sie war sehr beunruhigt, als sie feststellte, dass sie den Bus verpasst hatte, den sie normalerweise genommen hätte.

Unterdessen waren zwei Missionare in der Nähe von Hamburg mit dem Bus unterwegs. Auf dieser Fahrt hatten sie plötzlich das Gefühl, dass sie den ersten Menschen ansprechen sollten, der ihnen nach dem Aussteigen aus dem Bus begegnen würde. Die zwei Missionare stiegen aus dem Bus und sahen sogleich diese junge Frau. Sie erzählten ihr kurz von der Kirche und vereinbarten einen Termin für die Unterweisung. Sie hatte sofort das Gefühl, dass die Missionare irgendwie als Antwort auf ihre Gebete zu ihr geschickt worden waren. Die guten Mitglieder der Kirche halfen den Missionaren, sie zu unterweisen und ihr das Gefühl zu geben, ein besonderer Teil ihrer Gemeinde zu sein. Sie nahm die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi an und ließ sich taufen. Sie arbeitet jetzt in der JD-Organisation der Gemeinde mit.

Der Herr erkannte während seines irdischen Wirkens die Notwendigkeit einer vorgegebenen Struktur, damit Glaube im Herzen der Mitglieder seiner Kirche wachsen konnte und sie beständig in seinem Evangelium Fortschritt machten. Diese Familie, dieser Bruder und diese Schwester – sie alle fanden den Erretter dadurch, dass sie seine Kirche fanden und dort gestärkt wurden.

Nach dem Tod der Apostel trieb die Kirche ohne eine starke Führung, die ihr Richtung und Weisung gab, auf den Abfall vom Glauben zu. Was gerade dieses Kapitel der Geschichte lehrt, ist klar: Die Kirche braucht eine starke Führung, die unter der Leitung des Erretters die zur Erlösung und Erhöhung notwendigen Lehren und Verordnungen bereithält.

Die Bibel liefert zahlreiche Hinweise darauf, dass der Herr während seines irdischen Wirkens seine Kirche mit der richtigen Vollmacht und in der richtigen Form gründete. Paulus sagte beispielsweise:

„Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi.

So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.

Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt.

Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt.“ (Epheser 4:11-15.)

Wir sagen in unserem sechsten Glaubensartikel: „Wir glauben an die gleiche Organisation, wie sie in der Urkirche bestanden hat, nämlich Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer, Evangelisten usw.“

Darum verkündigen wir der Welt, dass das Priestertum wiederhergestellt ist, dass Gottes Stellvertreter auf Erden walten und dass sein Plan festgelegt ist, der uns zurück in seine Gegenwart führt. Wir glauben, dass wir die beste Antwort auf die Frage „Was wollt Ihr?“ haben. Wie der Erretter gesagt hat: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Matthäus 6:33.)

So, wie ein Gebäude Stein für Stein errichtet wird, wird auch die wahre Kirche des Erretters errichtet – eine Bekehrung, ein Zeugnis, eine Taufe nach der anderen. Mögen wir alle seine Kirche suchen, finden und aufbauen, wo immer wir auch sein mögen. Dies ist mein demütiges Gebet im Namen dessen, den wir suchen, nämlich Jesus Christus. Amen.