2000–2009
Wenn diese alten Mauern sprechen könnten
April 2007


Wenn diese alten Mauern sprechen könnten

Länger als ein Jahrhundert sind die Worte der Propheten, Seher und Offenbarer der Letzten Tage von diesem Podium aus an die Welt gegangen.

Präsident Gordon B. Hinckley hat im Oktober 2004 bei einer Pressekonferenz gesagt: „Ich habe Achtung vor diesem Bauwerk. Ich mag dieses Bauwerk. Ich halte es in Ehren. Ich möchte, dass es erhalten bleibt. … Ich möchte, dass das alte, ursprüngliche Tabernakel mit seinen geschwächten Verbindungen erneuert … und gestärkt wird und seine natürliche und herrliche Schönheit erhalten bleibt.“ Dann sah er mich an und sagte: „Tun Sie nichts, was Sie nicht tun dürfen, aber tun Sie das, was Sie tun, gut und richtig.“1

Mit diesen ergreifenden, aber auch Respekt einflößenden Worten wurde der Auftrag erteilt, das alte, ursprüngliche Tabernakel in Salt Lake City zu erhalten, zu stärken und erneuert zurückzugeben, damit es uns auch in Zukunft ausgezeichnete Dienste leisten kann.

Lieber Präsident, wir sehen heute dieses betagte Gebäude in neuem Glanz erstrahlen, fest zusammengefügt und in seiner historischen Eleganz – wenn auch ein wenig komfortabler. Gemeinsam mit mehr als 2000 Handwerkern übergibt die Präsidierende Bischofschaft voller Stolz das „alte, ursprüngliche Tabernakel“ mit einer Garantie für 100 Jahre.

Präsident Hinckleys Vorgabe, „das alte, ursprüngliche Tabernakel“ wiederherzustellen, wurde zum Maßstab bei schwierigen architektonischen und baulichen Entscheidungen. Mit dieser Formulierung wurde das Wesen und das Ziel des Projekts zum Ausdruck gebracht. Sie war so etwas wie das Banner der Freiheit von Hauptmann Moroni – sie wurde quasi „auf allen Türmen“ gehisst und „überall“, wo es nötig war.2

Wenn diese alten Mauern sprechen könnten, dann würden sie mit uns zusammen den Architekten von FFKR, dem Bauunternehmen Jacobsen, besonders der ganzen Projektgruppe der Kirche und den vielen, deren Fertigkeiten dieses komplexe Unterfangen möglich gemacht haben, aufrichtig danken. Ein Vorgesetzter in der Gruppe meinte: „Wenn wir miteinander Rat hielten, konnte der Herr uns Fähigkeiten geben, die unsere naturgegebenen Möglichkeiten überstiegen.“

Alle, die bei diesem Projekt mitwirkten, empfanden große Ehrfurcht vor der Schönheit des Tabernakels, vor seinen ursprünglichen Erbauern und der Qualität ihrer Arbeit. Sie waren tief beeindruckt davon, dass länger als ein Jahrhundert die Worte der Propheten, Seher und Offenbarer der Letzten Tage von diesem Podium aus an die Welt gegangen sind.

Ich bin überzeugt: Wenn diese alten Mauern sprechen könnten, dann würden sie sich anerkennend über ihr neues, festes Fundament äußern. Diese alten Mauern würden erfreut sein über ihren neuen Stahlgürtel, der sie umschlingt und aufrecht hält. Diese alten Mauern würden sich dafür bedanken, dass von der Decke vierzehn Schichten Farbe abgekratzt wurden, die Decke ausgebessert und mit einem wunderschönen neuen Anstrich versehen wurde.

Diese alten Mauern würden sich bedanken, dass sie jetzt durch ein glänzendes, neues Aluminiumdach geschützt und verschönert sind, und würden sich gemeinsam mit den Bänken über das Lächeln der Besucher freuen, wenn diese feststellen, dass die Sitze geringfügig verändert wurden und mehr Beinfreiheit bieten.

Die neuen Einrichtungen, die die Klänge inspirierender Musik noch besser zur Geltung kommen lassen, würden von diesen alten Mauern begrüßt und gewürdigt werden.

Man kann nur erahnen, woran sich diese alten Mauern erinnern könnten – aus den vielen Ansprachen, denen sie über die Jahre hinweg aufmerksam gelauscht haben.

Diese alten Mauern würden, wenn sie reden könnten, ausrufen: „Wir sind dabei gewesen!“, als Präsident Joseph F. Smith sich nach langer Krankheit erhob, um an einer Versammlung der Generalkonferenz im Oktober 1918 teilzunehmen. In der ersten Versammlung sagte er mit bewegter Stimme: „Ich will nicht versuchen – und wage es auch gar nicht –, auf vieles einzugehen, was mich heute Morgen bewegt. Meinen Versuch, euch etwas von dem mitzuteilen, was mich bewegt und was ich im Herzen habe, werde ich auf die Zukunft verschieben, wenn der Herr es will.“ Weiter sagte er: „Ich habe diese fünf Monate nicht allein verbracht. Ich verweilte im Geist des Gebets, des Flehens, des Glaubens und der Entschlossenheit; und ich hatte fortwährende Verbindung mit dem Geist des Herrn.“3 Später erfuhren wir, dass Präsident Smith am Tag vor Beginn der Konferenz eine Kundgebung empfangen hatte, die als Vision von der Erlösung der Toten niedergeschrieben und später Abschnitt 138 im Buch Lehre und Bündnisse wurde.

Wenn diese alten Mauern sprechen könnten, würden sie uns an die trostlosen, dunklen Tage der Weltwirtschaftskrise erinnern. Sie würden sich daran erinnern, wie Präsident Heber J. Grant bei der Generalkonferenz im April 1936 bekannt gab, dass die Kirche einen Sicherheitsplan einführen werde, der später als Wohlfahrtsplan der Kirche bekannt wurde. Sechs Monate später erklärte er: „Es [war] unser vornehmstes Ziel, … ein System zu schaffen, das den Fluch des Müßiggangs und die Nachteile von staatlichen Almosen beseitigt und bei unseren Leuten wieder Unabhängigkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Selbstachtung entstehen lässt. Das Ziel der Kirche besteht darin, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Arbeit muss für unsere Mitglieder wieder zum beherrschenden Grundsatz werden.“4

Im Oktober 1964 sprach Elder Harold B. Lee im Auftrag von Präsident David O. McKay über die Aufgaben der Eltern. Diese alten Mauern wissen noch, dass Elder Lee sagte, er werde etwas aus einem Brief an die Kirche aus dem Jahre 1915 vorlesen, der von der Ersten Präsidentschaft unterschrieben worden war. Zuvor bemerkte er jedoch: „Ich glaube, es ist ein wenig so wie das, was Mark Twain über das Wetter gesagt hat: ‚Wir reden viel über das Wetter, aber keiner scheint etwas zu unternehmen.‘“ Elder Lee las dann aus dem 50 Jahre alten Brief vor:

„Wir raten eindringlich dazu, dass in der ganzen Kirche der ‚Familienabend‘ eingeführt wird, an dem die Väter und Mütter ihre Jungen und Mädchen zu Hause um sich scharen und sie das Wort des Herrn lehren.“

Und dann diese Verheißung:

„Wir verheißen den Heiligen: Wenn sie diesen Rat befolgen, werden sie sehr gesegnet. Die Liebe in der Familie und der Gehorsam gegenüber den Eltern werden zunehmen. Die Jugend Israels wird im Herzen stärkeren Glauben haben, und sie werden die Kraft haben, sich dem bösen Einfluss und den Versuchungen, die ihnen zu schaffen machen, zu widersetzen.“5

Diese alten Mauern erinnern sich an die tiefe Stille, die sich 1985 über das Tabernakel legte, als angekündigt wurde, dass Elder Bruce R. McConkie zu den Versammelten sprechen werde. Diese alten Mauern waren ganz und gar von Ehrfurcht erfüllt, als Elder McConkie seine Ansprache mit diesen elektrisierenden Worten abschloss:

„Und nun, das vollkommene Sühnopfer betreffend, das durch das Vergießen des Blutes Gottes zustande gekommen ist, bezeuge ich, dass es sich in Getsemani und auf Golgota zugetragen hat. Was Jesus Christus betrifft, bezeuge ich, dass er der Sohn des lebendigen Gottes ist und für die Sünden der Welt gekreuzigt wurde. Er ist unser Herr, unser Gott und unser König. Das weiß ich aus mir selbst heraus, unabhängig von irgendeinem anderen.

Ich bin einer seiner Zeugen, und an einem künftigen Tag werde ich die Nägelmale in seinen Händen und Füßen fühlen und seine Füße mit meinen Tränen benetzen.

Aber dann weiß ich auch nicht gewisser als jetzt, dass er der allmächtige Sohn Gottes ist, unser Erretter und Erlöser, und dass die Errettung nur durch sein sühnendes Blut zustande gebracht wird und auf keine andere Weise.“6

1995 sagte Präsident Gordon B. Hinckley den Frauen der Kirche: „Wir wissen, dass wir warnen und ermahnen müssen, weil es heute auf der Welt so viele falsche Lehren gibt, die als Wahrheit dargestellt werden, so viele falsche Ansichten in Bezug auf Maßstäbe und Wertvorstellungen und so viele Verlockungen, sich nach und nach von der Welt beflecken zu lassen.“ Und dann verlas er Folgendes:

„Wir, die Erste Präsidentschaft und der Rat der Zwölf Apostel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, verkünden feierlich, dass die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott verordnet ist und dass im Plan des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die Familie im Mittelpunkt steht. …

Mann und Frau tragen die feierliche Verantwortung, einander und ihre Kinder zu lieben und zu umsorgen. ‚Kinder sind eine Gabe des Herrn.‘ (Psalm 127:3.) Die Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder in Liebe und Rechtschaffenheit zu erziehen, für ihre physischen und geistigen Bedürfnisse zu sorgen, sie zu lehren, dass sie einander lieben und einander dienen, die Gebote Gottes befolgen und gesetzestreue Bürger sein sollen, wo immer sie leben. Mann und Frau – Vater und Mutter – werden vor Gott darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie sie diesen Verpflichtungen nachgekommen sind.“7

Ich bin dankbar für dieses außergewöhnliche Gebäude. Es ist ein heiliges Denkmal unserer Vergangenheit und ein herrliches Banner der Hoffnung für die Zukunft. Ich gebe Zeugnis von der göttlichen Natur unseres Vaters im Himmel und von der übergroßen Liebe, die der Erretter für jeden einzelnen von uns empfindet. Es ist ein großer Segen für uns, dass wir von einem Propheten Gottes geführt werden. Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. „Tabernacle Renovation Press Briefing – Remarks by President Gordon B. Hinckley“, 1. Oktober 2004; siehe www.newsroom.lds.org

  2. Alma 46:36; 62:4

  3. Herbst-Generalkonferenz 1918

  4. Herbst-Generalkonferenz 1936; siehe Lehren der Präsidenten der Kirche: Heber J. Grant, Seite 126

  5. Herbst-Generalkonferenz 1964

  6. „The Purifying Power of Gethsemane“, Ensign, Mai 1985, Seite 11

  7. „Stellt euch der Schlauheit der Welt entgegen“, Der Stern, Januar 1996, Seite 91f.; siehe auch „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Oktober 2004, Seite 49