2000–2009
Gut, besser, am besten
Oktober 2007


Gut, besser, am besten

Wir müssen einiges, was gut ist, aufgeben, um etwas anderes zu wählen, was besser oder am besten ist, weil wir dadurch Glauben an den Herrn Jesus Christus entwickeln und unsere Familie stärken.

Von den meisten von uns wird mehr erwartet, als wir zu tun in der Lage sind. Als Brotverdiener, als Eltern, als Mitarbeiter und Mitglieder der Kirche stehen wir vor vielen Entscheidungen, was wir mit unserer Zeit und anderen Mitteln anfangen.

I.

Uns muss zunächst bewusst werden, dass allein die Tatsache, dass etwas gut ist, noch kein triftiger Grund ist, es auch zu tun. Die Menge des Guten, was wir tun könnten, beansprucht weit mehr Zeit, als uns dafür zur Verfügung steht. Einiges ist besser als gut, und dem sollten wir in unserem Leben vorrangig Aufmerksamkeit widmen.

Jesus lehrte diesen Grundsatz im Haus von Marta. Während sie „ganz davon in Anspruch genommen [war], für ihn zu sorgen“ (Lukas 10:40), „setzte sich [ihre Schwester Maria] dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu“ (Vers 39). Als sich Marta darüber beklagte, dass ihre Schwester ihr die ganze Arbeit überließ, lobte Jesus sie für das, was sie tat (Vers 41), belehrte sie aber: „Nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ (Vers 42.) Es war lobenswert, dass Marta sich „viele Sorgen und Mühen“ machte (Vers 41), aber das Evangelium vom größten aller Lehrer zu lernen, war „notwendiger“. Die heiligen Schriften enthalten noch weitere Lehren darüber, dass auf manchen Dingen ein größerer Segen ruht als auf anderen (siehe Apostelgeschichte 20:35, Alma 32:14,15).

Eine Kindheitserfahrung weckte in mir die Vorstellung, dass einige Entscheidungen gut, andere aber besser sind. Ich lebte zwei Jahre lang auf einer Farm. Wir gingen selten in die Stadt. Unsere Weihnachtseinkäufe erledigten wir per Versandhauskatalog. Ich brachte Stunden damit zu, die Seiten zu durchforschen. Für Familien, die auf dem Land lebten, war ein Katalog wie ein großes Einkaufszentrum oder das Internet in unserer Zeit.

An einigen der im Katalog angebotenen Waren fiel mir etwas auf, was mich beeindruckte. Es gab drei Qualitätsstufen: gut, sehr gut und am besten. Beispielsweise waren einige Herrenschuhe mit dem Qualitätsmerkmal gut (1,84 Dollar), einige mit sehr gut (2,98 Dollar) und einige mit beste Ware (3,45 Dollar) versehen.1

Wenn wir zwischen mehreren Entscheidungen abwägen, müssen wir bedenken, dass es nicht ausreicht, wenn etwas gut ist. Andere Entscheidungen sind besser und wieder andere sind am besten. Selbst wenn eine bestimmte Entscheidung kostspieliger ist, macht ihr weit größerer Wert sie möglicherweise zur besten Entscheidung.

Denken Sie einmal darüber nach, wie wir unsere Zeit nutzen, wenn wir Entscheidungen in Bezug auf Fernsehen, Videospiele, Internetsurfen oder das Lesen von Büchern oder Zeitschriften treffen. Natürlich ist es gut, sich guter Unterhaltung zu widmen oder interessante Informationen zu erhalten. Aber nicht alles davon ist den Teil unseres Lebens wert, den wir dafür geben. Einiges ist besser, anderes am besten. Als der Herr uns aufforderte, nach Wissen zu trachten, sagte er: „Sucht Worte der Weisheit aus den besten Büchern.“ (LuB 88:118; Hervorhebung hinzugefügt.)

II.

Einige unserer wichtigsten Entscheidungen betreffen Unternehmungen mit der Familie. Viele Brotverdiener machen sich Sorgen darüber, dass ihnen ihre Beschäftigung zu wenig Zeit für die Familie lässt. Es gibt kein einfaches Rezept für diesen Wettstreit der Prioritäten. Ich kenne allerdings niemanden, der auf sein Arbeitsleben zurückgeblickt und gesagt hätte: „Ich habe einfach nicht genug Zeit in meinen Beruf investiert.“

Bei der Entscheidung, wie wir Zeit als Familie verbringen, müssen wir aufpassen, dass wir die vorhandene Zeit nicht mit dem erschöpfen, was lediglich gut ist, und wenig Zeit für das übrig lassen, was besser oder am besten wäre. Ein Freund von mir machte in den Sommerferien mit seiner Familie eine Reihe von Ausflügen, darunter auch Besuche an denkwürdigen historischen Stätten. Am Ende des Sommers fragte er seinen Sohn im Teenageralter, welche dieser guten Sommeraktivitäten ihm am besten gefallen habe. Die Antwort war dem Vater eine Lehre, wie auch jedem, dem er davon erzählte. „Was mir diesen Sommer am besten gefallen hat“, antwortete der Junge, „war der Abend, als wir beide auf dem Rasen lagen, die Sterne betrachteten und uns unterhielten.“ Aufwändige Familienaktivitäten mögen gut für die Kinder sein, aber sie sind nicht immer besser als die Zeit, die sie allein mit einem Elternteil verbringen, der ihnen Liebe schenkt.

Das Maß an Zeit, das Kinder und Eltern bei guten Aktivitäten wie Privatunterricht, Mannschaftssport und anderen Schul- und Vereinsaktivitäten verbringen, muss ebenfalls mit Bedacht festgelegt werden, sonst sind die Kinder zu sehr verplant und die Eltern ausgebrannt und frustriert. Eltern müssen handeln, um Zeit für das Familiengebet, das gemeinsame Schriftstudium und den Familienabend sowie andere wertvolle Zeiten freizuhalten, die sie zusammen oder allein mit einem Kind verbringen und die die Familie miteinander verbinden und die Werte der Kinder auf das ausrichten, was ewig Bestand hat. Eltern müssen durch das, was sie mit ihren Kindern tun, lehren, welche Prioritäten das Evangelium vorgibt.

Familienexperten haben vor dem sogenannten „Verplanen von Kindern“ gewarnt. Die Kinder der heranwachsenden Generation sind viel stärker beschäftigt, und die Familien verbringen viel weniger Zeit miteinander. Diese beunruhigende Entwicklung lässt sich vielfach belegen, darunter durch Erhebungen, dass sich die Zeit bei organisierten Sportaktivitäten verdoppelt hat, die Freizeit der Kinder aber um zwölf Stunden pro Woche zurückgegangen ist und unstrukturierte Aktivitäten im Freien um fünfzig Prozent abgenommen haben.2

Die Zahl derjenigen, die berichten, dass ihre „ganze Familie gewöhnlich abends gemeinsam isst“, ist um 33 Prozent zurückgegangen. Das ist höchst beunruhigend, weil die Zeit, die eine Familie beim gemeinsamen Essen zu Hause verbringt, sich am stärksten auf den schulischen Erfolg und die mentale Anpassungsfähigkeit eines Kindes auswirkt.3 Gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie haben sich auch als starkes Bollwerk gegen Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum der Kinder erwiesen.4 Es liegt inspirierte Weisheit in dem Hinweis an die Eltern: Was Ihre Kinder wirklich zum Abendessen wollen, sind Sie.

Präsident Gordon B. Hinckley hat uns inständig gebeten, dass wir „unseren Aufgaben als Eltern so nachkommen, als ob alles im Leben davon abhinge, denn es hängt ja alles im Leben davon ab.“ Er sagte weiter:

„Ich bitte vor allem Sie, die Männer: Nehmen sie sich die Zeit, Ihr Verhalten als Ehepartner, als Vater und als Haushaltsvorstand zu überdenken. Beten Sie um Führung, um Hilfe, um Anweisung, und folgen Sie den Eingebungen des Geistes, die Sie in Ihrer Hauptaufgabe anleiten, denn die Art, wie Sie zu Hause Ihrer Führungsrolle nachkommen, wirkt sich auf die Ewigkeit aus.“5

Die Erste Präsidentschaft hat die Eltern dazu aufgerufen, „sich nach besten Kräften zu bemühen, ihre Kinder in den Evangeliumsgrundsätzen zu unterweisen und zu erziehen … Die Familie ist die Grundlage eines rechtschaffenen Lebens und keine andere Institution kann ihren Platz einnehmen … und dieser von Gott gegebenen Verantwortung gerecht werden.“ Die Erste Präsidentschaft hat erklärt: „So sinnvoll und angemessen andere Anforderungen und Aktivitäten auch sein mögen, sie dürfen die von Gott übertragenen Aufgaben, die nur die Eltern und die Familie erfüllen können, nicht verdrängen.“6

III.

Die Führer der Kirche müssen sich dessen bewusst sein, dass Versammlungen und Aktivitäten in der Kirche zu komplex und belastend werden können, wenn eine Gemeinde oder ein Pfahl versucht, die Mitglieder dazu zu bringen, dass sie alles tun, was in unseren zahlreichen Programmen gut und möglich ist. Auch da müssen Prioritäten gesetzt werden.

Die Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel haben betont, dass man bei den Programmen und Aktivitäten der Kirche inspiriert sein Urteilsvermögen walten lassen muss. Elder L. Tom Perry sprach über diesen Grundsatz bei unserer ersten weltweiten Führerschaftsschulung im Jahr 2003. 2004 gab Elder Richard G. Scott den gleichen Führungsbeamten diesen Rat: Passen Sie „das Ausmaß Ihrer Aktivitäten so [an], dass es den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten entspricht. … Achten Sie darauf, dass die wesentlichen Bedürfnisse erfüllt werden, aber überschlagen Sie sich nicht, so viel Gutes zu schaffen, dass das Wesentliche dann dabei untergeht. … Denken Sie daran, vermehren Sie nicht die Arbeit, sondern vereinfachen Sie sie.”7

Bei der Generalkonferenz im letzten Jahr hat Elder M. Russell Ballard davor gewarnt, dass sich die Beziehungen in der Familie verschlechtern können, wenn wir zu viel Zeit auf fruchtlose Aktivitäten verwenden, die wenig geistige Nahrung liefern. Er warnte davor, unsere Tätigkeit in der Kirche unnötig zu komplizieren „mit überflüssigen Extras, die zu viel Zeit beanspruchen, zu viel Geld kosten und zu viel Energie aufbrauchen. … Die Anweisung, unsere Berufung groß zu machen, ist kein Gebot, sie unnötig auszuschmücken und zu komplizieren. Innovativ zu sein bedeutet nicht zwangsläufig, etwas auszubauen; oft bedeutet es zu vereinfachen. … Das Wichtigste bei unserer Arbeit in der Kirche“, sagte er, „sind nicht die gemeldeten Berichte oder die abgehaltenen Versammlungen, sondern ob einzelne Menschen – um die man sich, einer nach dem anderen, gekümmert hat, genau wie der Erretter es getan hat – aufgerichtet und ermutigt worden sind und sich schließlich geändert haben.“8

Die Pfahlpräsidentschaft und die Bischofschaft müssen ihre Vollmacht dahingehend ausüben, dass sie die übermäßige und fruchtlose Geschäftigkeit, die manchmal den Mitgliedern im Pfahl oder der Gemeinde abverlangt wird, ausmerzen. Die Programme der Kirche müssen sich auf das konzentrieren, was am besten (am effektivsten) ist, um die ihnen zugedachten Absichten zu erfüllen, ohne dabei übermäßig die Zeit zu beanspruchen, die die Familien für ihre „gottgegebenen Aufgaben“ benötigen.

Aber hier eine Warnung an die Familien: Nehmen Sie einmal an, die Führer der Kirche würden die Zeit reduzieren, die auf Versammlungen und Aktivitäten in der Kirche verwendet wird, damit die Familien mehr Zeit haben, zusammen zu sein. Dies würde erst dann den beabsichtigten Zweck erfüllen, wenn die einzelnen Mitglieder einer Familie – vor allem die Eltern – entschieden handeln und die gemeinsame Zeit der Familie sowie die Zeit allein mit einem Kind verlängern. Mannschaftssport und technisches Spielzeug wie Videospiele und das Internet stehlen unseren Kindern und Jugendlichen bereits genug Zeit. Im Internet zu surfen ist nicht besser, als dem Herrn zu dienen oder die Familie zu stärken. Einige Junge Männer und Junge Damen nehmen nicht an den Jugendaktivitäten der Kirche teil oder verbringen weniger Zeit mit der Familie, um in einer Fußballmannschaft mitzuspielen oder anderen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Einige junge Leute amüsieren sich zu Tode – in geistiger Hinsicht.

Einige Möglichkeiten, wie wir unsere Zeit allein und als Familie verbringen können, sind besser und andere sind am besten. Wir müssen einiges, was gut ist, aufgeben, um etwas anderes zu wählen, was besser oder am besten ist, weil wir dadurch Glauben an den Herrn Jesus Christus entwickeln und unsere Familie stärken.

IV.

Hier einige weitere Beispiele für derartige Entscheidungen:

Es ist gut, der wahren Kirche unseres Vaters im Himmel anzugehören, all seine Gebote zu halten und all unsere Pflichten zu erfüllen. Wenn dies aber als „Bestes“ gelten soll, muss es mit Liebe und ohne Überheblichkeit geschehen. Wir sollten, wie es in einem schönen Kirchenlied heißt „[unsere] guten Taten mit Brüderlichkeit krönen“9 und Liebe und Sorge für alle zeigen, auf die wir Einfluss haben.

Unsere Hunderttausende Heimlehrer und Besuchslehrerinnen weise ich darauf hin, dass es gut ist, die uns zugeteilten Familien zu besuchen; es ist besser, einen kurzen Besuch zu machen, bei dem wir Lehre und Grundsätze vermitteln, und es ist am besten, wenn wir im Leben einiger, die wir besuchen, etwas verändern. Die gleiche Herausforderung gilt für die vielen Versammlungen, die wir abhalten – es ist gut, eine Versammlung abzuhalten, besser, einen Grundsatz zu lehren, aber am besten, durch eine Versammlung ein Leben zu verbessern.

Wir nähern uns dem Jahr 2008 und damit einem neuen Studienkurs in den Kollegien des Melchisedekischen Priestertums und in der FHV, und ich erneuere unsere Warnung in Bezug darauf, wie wir den Leitfaden Lehren der Präsidenten der Kirche verwenden. Viele Jahre inspirierter Arbeit haben für das Jahr 2008 den Band mit Lehren von Joseph Smith hervorgebracht; des Propheten, der den Grund für diese Evangeliumszeit gelegt hat. Dies ist ein Meilenstein unter den Büchern der Kirche. In der Vergangenheit haben einige Lehrer die Kapitel dieser Leitfäden nur kurz gestreift und dann gegen eine Lektion ihrer Wahl ausgetauscht. Diese mag gut gewesen sein, aber dies ist keine akzeptable Vorgehensweise. Ein Lehrer im Evangelium ist dazu berufen, das angegebene Thema aus dem bereitgestellten inspirierten Lehrmaterial durchzunehmen. Das Beste, was ein Lehrer mit dem Leitfaden mit Lehren von Joseph Smith tun kann, ist, Aussagen des Propheten über Grundsätze auszuwählen und zu zitieren, die auf die Bedürfnisse der Unterrichtsteilnehmer besonders zugeschnitten sind, und dann ein Unterrichtsgespräch darüber zu leiten, wie die Teilnehmer diese Grundsätze in ihrer Lebenssituation anwenden können.

Ich gebe Zeugnis vom himmlischen Vater, dessen Kinder wir sind und dessen Plan zum Ziel hat, uns für das ewige Leben, „die größte aller Gaben Gottes“, würdig zu machen (LuB 14:7; siehe auch LuB 76:51-59). Ich gebe Zeugnis von Jesus Christus, dessen Sühnopfer dies ermöglicht. Und ich bezeuge, dass wir von Propheten – von Präsident Gordon B. Hinckley und seinen Ratgebern – geführt werden. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Sears, Roebuck and Co., Herbst-/Winterkatalog 1944/1945, Seite 316E

  2. Jared R. Anderson und William J. Doherty, „Democratic Community Initiatives: The Case of Overscheduled Children“, Family Relations, Band 54, Dezember 2005, Seite 655

  3. Anderson und Doherty, Family Relations, 54:655

  4. Siehe Nancy Gibbs, „The Magic of the Family Meal“, Time, 12. Juni 2006, Seite 51f.; siehe auch Sarah Jane Weaver, „Family Dinner“, Church News, 8. September 2007, Seite 5

  5. „Jeder ein besserer Mensch“, Liahona, November 2002, Seite 100

  6. Schreiben der Ersten Präsidentschaft, 11. Februar 1999; Der Stern, Dezember 1999, Seite 1

  7. „Die Lehre, die den Hilfsorganisationen zugrunde liegt“, Weltweite Führerschaftsschulung, 10. Januar 2004; Seite 5, 8

  8. „O seid weise“, Liahona, November 2006, Seite 18, 20

  9. „America the Beautiful“, Hymns, Nr. 338