2000–2009
Töchter Gottes
April 2008


Töchter Gottes

Es gibt keine Aufgabe im Leben, die so wichtig und von so ewiger Tragweite ist wie die einer Mutter.

Brüder und Schwestern, meine Frau Barbara wurde vor kurzem am Rücken operiert und konnte nichts heben und sich nicht drehen oder bücken. Daher habe ich mehr gehoben und mich mehr gedreht und gebückt als je zuvor – und weiß jetzt viel mehr zu schätzen, was Frauen und vor allem Mütter jeden Tag zu Hause leisten.

Frauen leben unter ganz unterschiedlichen Lebensumständen – verheiratet, alleinstehend, verwitwet oder geschieden, einige mit Kindern, andere ohne –, doch Gott liebt sie alle, und er hat einen Plan, wie seine rechtschaffenen Töchter die höchsten Segnungen der Ewigkeit empfangen können.

Heute Nachmittag möchte ich in erster Linie über Mütter und ganz besonders über die jungen Mütter sprechen.

Als junger Vater lernte ich die anstrengenden Aufgaben einer Mutter kennen. Ich war zehn Jahre lang zunächst Ratgeber und später Bischof. In dieser Zeit wurden uns sechs unserer sieben Kinder geschenkt. Barbara war oft erschöpft, wenn ich am Sonntagabend nach Hause kam. Sie versuchte zu erklären, wie es war, in der Abendmahlsversammlung mit unseren kleinen Kindern in der letzten Reihe zu sitzen. Dann kam der Tag, an dem ich entlassen wurde. Nachdem ich zehn Jahre auf dem Podium gesessen hatte, saß ich nun mit meiner Familie in der letzten Reihe.

Ein Chor, der sich aus den Müttern in der Gemeinde zusammensetzte, sorgte in der Versammlung für die Musik, und so saß ich allein mit unseren sechs Kindern. In meinem ganzen Leben habe ich nie so viel zu tun gehabt. Ich hatte an beiden Händen Handpuppen, doch das klappte nicht allzu gut. Ich ließ die Knabbereien für die Kinder fallen, das war peinlich. Die Malbücher schienen auch nicht so unterhaltsam zu sein, wie sie sollten.

Während ich mich mit den Kindern durch die Versammlung kämpfte, schaute ich hoch zu Barbara. Sie beobachtete mich und lächelte. Ich lernte aus eigener Erfahrung mehr zu schätzen, was Sie alle, die lieben Mütter, so gut und treu leisten!

Eine Generation weiter, nämlich als Großvater, habe ich beobachtet, was für Opfer meine Töchter gebracht haben, um ihre Kinder großzuziehen. Und nun, noch eine Generation weiter, betrachte ich mit Ehrfurcht, welchem Druck meine Enkeltöchter ausgesetzt sind, wenn sie ihren Kindern in dieser geschäftigen und schwierigen Welt Führung geben.

Nachdem ich nun drei Generationen von Müttern beobachtet und mit ihnen gefühlt habe, und auch wenn ich an meine liebe Mutter denke, weiß ich gewiss, dass es keine Aufgabe im Leben gibt, die so wichtig und von so ewiger Tragweite ist wie die einer Mutter.

Die vollkommene Art, eine gute Mutter zu sein, gibt es nicht. Jede Lebenssituation ist anders. Jede Mutter hat andere Schwierigkeiten, andere Fähigkeiten und Fertigkeiten und gewiss andere Kinder. Die Möglichkeiten, die sich bieten, sind für jede Mutter und jede Familie anders und einzigartig. Viele können wenigstens während der entscheidenden Lebensjahre ihrer Kinder „Vollzeitmutter“ sein. Viele andere wären es gerne. Manche müssen halbtags oder ganztags arbeiten, andere arbeiten zu Hause. Manche teilen ihr Leben in verschiedene Phasen ein, sind zeitweise zu Hause und gehen dann wieder arbeiten. Entscheidend ist, dass eine Mutter ihre Kinder innig liebt, und dass sie ihr – in Übereinstimmung mit ihrer Liebe zu Gott und zu ihrem Mann – wichtiger sind als alles andere.

Ich bin beeindruckt von den unzähligen Müttern, die gelernt haben, dass man sich auf das konzentrieren muss, was nur in einem bestimmten Lebensabschnitt getan werden kann. Wenn ein Kind achtzehn oder neunzehn Jahre bei seinen Eltern lebt, macht diese Zeit nur ein Viertel des Lebens der Eltern aus. Und die frühe Kindheit, die Zeit, in der die größte Entwicklung stattfindet, macht weniger als ein Zehntel des Lebens der Eltern aus. Es ist äußerst wichtig, dass wir uns in der kurzen Zeit, die unsere Kinder bei uns sind, auf sie konzentrieren und uns mit der Hilfe des Herrn bemühen, sie alles zu lehren, was wir können, bevor sie unser Zuhause verlassen. Diese Aufgabe, die von ewiger Bedeutung ist, fällt Müttern und Vätern als gleichwertigen Partnern zu. Ich bin dankbar, dass heutzutage viele Väter mehr Anteil am Leben ihrer Kinder nehmen. Aber ich glaube, dass der Instinkt und die intensive Zuwendung einer Mutter immer ein wichtiger Schlüssel zum Wohlergehen der Kinder sein werden. In der Proklamation zur Familie heißt es: „Die Mutter ist in erster Linie für das Umsorgen und die Erziehung der Kinder zuständig.“ („Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Oktober 2004, Seite 49.)

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es schwierig sein kann, sich voll und ganz den Aufgaben einer Mutter zu widmen und die Kinder an die erste Stelle zu setzen. Aus meinen eigenen Erfahrungen über vier Generationen in unserer Familie und aus Gesprächen mit Müttern kleiner Kinder überall in der Kirche weiß ich etwas darüber, was eine Mutter fühlt, die beschließt, mit ihren kleinen Kindern zu Hause zu bleiben. Es gibt Augenblicke großer Freude und unvorstellbarer Erfüllung. Aber es gibt auch Augenblicke, in denen man sich unzulänglich fühlt, frustriert ist und der Alltag eintönig erscheint. Mütter haben vielleicht das Gefühl, dass sie für ihre Entscheidung nur wenig oder gar keine Anerkennung erhalten. Manchmal scheinen selbst die Männer keine Vorstellung davon zu haben, was ihrer Frau abverlangt wird.

Als Kirche haben wir außerordentliche Achtung vor Ihnen, den Müttern kleiner Kinder, und sind Ihnen sehr dankbar. Wir wünschen uns, dass Sie in Ihrer Familie glücklich und erfolgreich sind und dass Sie die Bestätigung und Unterstützung erhalten, die Sie brauchen und verdient haben. Deshalb möchte ich heute vier Fragen stellen und kurz darauf eingehen. Meine Antworten mögen sehr, sehr einfach wirken, aber gerade wenn die einfachen Dinge beachtet werden, kann das Leben einer Mutter sehr lohnend sein.

Die erste Frage: Was können Sie als junge Mutter tun, um den Druck zu mindern und mehr Freude an Ihrer Familie zu haben?

Erstens: Machen Sie sich bewusst, dass die Freude, eine Mutter zu sein, nur dann und wann aufkommt. Es gibt schwere und frustrierende Zeiten. Aber inmitten aller Schwierigkeiten gibt es strahlende Augenblicke voller Freude und Erfüllung.

Die Schriftstellerin Anna Quindlen weist uns darauf hin, dass wir über einen flüchtigen Augenblick nicht leichtfertig hinweggehen dürfen. Sie sagte: „Der größte Fehler, den ich [als Mutter] gemacht habe, ist der, den die meisten von uns machen. … Ich habe nicht genug für den Augenblick gelebt. Das wird jetzt, da der Augenblick vorüber und nur in Fotos festgehalten ist, besonders deutlich. Es gibt ein Bild von [meinen drei Kindern], wie sie an einem Sommertag auf einer Decke im Schatten der Schaukel im Gras sitzen – sechs Jahre, vier Jahre und ein Jahr alt. Und ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern, was wir aßen, worüber wir sprachen, wie ihre Stimmen klangen und wie sie aussahen, als sie in dieser Nacht schliefen. Ich wünschte, ich hätte mich nicht so beeilt, den nächsten Punkt zu erledigen: Abendessen, baden, Buch, Bett. Ich wünschte, ich hätte das Tun etwas mehr geschätzt und das Fertigwerden etwas weniger.“ (Loud and Clear, 2004, Seite 10f.)

Zweitens: Nehmen Sie sich für sich und für Ihre Kinder nicht zu viel vor. Wir leben in einer Welt voller Möglichkeiten. Wenn wir nicht achtgeben, wird jede Minute mit gesellschaftlichen Anlässen, Kursen, Übungen, dem Lesezirkel, dem Gestalten von Erinnerungsalben, Berufungen in der Kirche, Musik, Sport, dem Internet und unseren Lieblingssendungen im Fernsehen vollgestopft sein. Eine Mutter erzählte mir, dass ihre Kinder einmal jede Woche insgesamt 29 Termine hatten: Musikunterricht, Pfadfinderarbeit, Tanzen, Baseballtraining, Tagesausflüge, Fußball spielen, Kunstgruppen und so weiter. Sie kam sich wie eine Taxifahrerin vor. Schließlich rief sie die Familie zusammen und verkündete: „Auf irgendetwas müssen wir verzichten! Wir haben ja keine Zeit mehr für uns selbst und füreinander.“ Familien brauchen unverplante Zeit, in der Beziehungen sich vertiefen und echte Erziehung stattfinden kann. Nehmen Sie sich Zeit, um einander zuzuhören, miteinander zu lachen und zu spielen.

Drittens: Selbst wenn Sie versuchen, zusätzliche Verpflichtungen abzubauen, Schwestern, nehmen Sie sich etwas Zeit für sich selbst, um Ihre Talente und Interessen zu pflegen. Suchen Sie sich ein, zwei Sachen aus, die Sie lernen oder tun möchten und die Ihr Leben bereichern, und schaffen Sie Zeit dafür. Aus einem leeren Brunnen kann man kein Wasser schöpfen. Und wenn Sie nicht ein wenig Zeit für das vorsehen, womit Sie Ihre Reserven wieder auffüllen, werden Sie anderen, selbst Ihren Kindern, immer weniger zu geben haben. Vermeiden Sie jede Form von Genussmittel- oder Medikamentenmissbrauch in der irrigen Annahme, Sie könnten dadurch mehr leisten. Und lassen Sie nicht zu, dass Sie sich in zeitraubenden, abstumpfenden Beschäftigungen verlieren, wie etwa Seifenopern im Fernsehen anzusehen oder im Internet zu surfen. Wenden Sie sich glaubensvoll an den Herrn, und Sie werden wissen, was Sie machen sollen und wie Sie es machen sollen.

Viertens: Beten Sie, befassen Sie sich mit dem Evangelium und lehren Sie es. Beten Sie innig für Ihre Kinder und für Ihre Aufgabe als Mutter. Eltern können auf eine einzigartige und wunderbare Weise beten, denn sie beten zum ewigen Vater, der unser aller Vater ist. Es liegt große Macht in einem Gebet, das in etwa so lautet: „Du hast uns eine Zeit lang deine Kinder anvertraut, Vater. Bitte hilf uns, sie so zu erziehen, wie es dir gefällt.“

Die zweite Frage: Was kann ein Mann tun, um seine Frau, die Mutter ihrer beider Kinder, noch besser zu unterstützen?

Erstens: Zeigen Sie mehr Anerkennung für das, was Ihre Frau jeden Tag leistet, und geben Sie Ihr mehr Bestätigung. Beachten Sie, was sie macht, und bedanken Sie sich oft bei ihr. Planen Sie einige gemeinsame Abende, nur für Sie beide.

Zweitens: Legen Sie eine Zeit fest, um mit Ihrer Frau regelmäßig darüber zu sprechen, was ein jedes Ihrer Kinder braucht und wie Sie mithelfen können.

Drittens: Geben Sie Ihrer Frau hin und wieder einen „freien Tag“. Übernehmen Sie einfach den Haushalt und gewähren Sie Ihrer Frau eine Pause von ihren täglichen Aufgaben. Wenn Sie sie für eine Weile ablösen, werden Sie das, was Ihre Frau leistet, viel mehr zu schätzen wissen. Es könnte sein, dass Sie viel heben und sich oft drehen und bücken müssen.

Viertens: Kommen Sie von der Arbeit nach Hause und übernehmen Sie in Ihrer Familie eine aktive Rolle. Arbeit, Freunde oder Sport dürfen Ihnen nicht wichtiger sein, als Ihren Kindern zuzuhören, mit ihnen zu spielen und sie zu belehren.

Die dritte Frage: Was können Kinder – sogar kleine Kinder – tun? Nun, ihr Kinder, hört mir bitte zu, denn es gibt einiges, was ihr tun könnt, um eurer Mutter zu helfen, und was ganz einfach ist.

Ihr könnt eure Spielsachen aufräumen, wenn ihr mit dem Spielen fertig seid. Und wenn ihr ein wenig älter seid, könnt ihr euer Bett machen, beim Geschirrspülen helfen und andere Aufgaben übernehmen – ohne dass man euch darum bittet.

Ihr könnt öfter „danke“ sagen, wenn ihr ein gutes Essen bekommen habt, wenn euch abends eine Geschichte vorgelesen wird oder wenn saubere Kleidung in euren Schrank gelegt wird.

Vor allem könnt ihr eure Mutter oft in den Arm nehmen und ihr sagen, dass ihr sie lieb habt.

Die letzte Frage: Was kann die Kirche tun?

Es gibt vieles, was die Kirche den Müttern und den Familien bietet. Heute möchte ich aber nur anregen, dass die Bischofschaft und die Mitglieder des Gemeinderats besonders aufmerksam und rücksichtsvoll sind, wenn es darum geht, die Zeit und die Kraft junger Mütter und ihrer Familie in Anspruch zu nehmen. Sie müssen Bescheid wissen und Weisheit darin walten lassen, was Sie ihnen in dieser Lebensphase abverlangen. Almas Rat an seinen Sohn Helaman gilt auch uns: „Siehe, ich sage dir: Durch Kleines und Einfaches wird Großes zustande gebracht.“ (Alma 37:6.)

Ich hoffe, dass keine von Ihnen, liebe Schwestern, ob verheiratet oder alleinstehend, sich jemals fragt, ob sie in den Augen des Herrn oder für die Führer der Kirche von Wert ist. Wir haben Sie lieb. Wir achten Sie und schätzen Ihren Einfluss sehr. Sie bewahren die Familie und tragen zum Wachstum und zur geistigen Lebenskraft der Kirche bei. Denken wir daran, dass „im Plan des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die Familie im Mittelpunkt steht“ („Die Familie – eine Proklamation an die Welt“). Die heiligen Schriften und die Lehren der Propheten und Apostel helfen allen Familienmitgliedern, sich jetzt gemeinsam darauf vorzubereiten, in alle Ewigkeit zusammen zu sein. Ich bete, dass Gott die Frauen in der Kirche beständig segnen möge, dass sie Freude und Glück in ihrer heiligen Aufgabe als Tochter Gottes finden.

Zum Abschluss möchte ich noch mein Zeugnis hinzufügen, dass Präsident Monson als Prophet berufen ist. Ich kenne ihn, seit er 22 Jahre alt war und ich 21. Das ist 58 Jahre her. Ich habe beobachtet, wie die Hand des Herrn ihn auf diese Zeit vorbereitet hat, da er als Prophet und Präsident über die Kirche präsidiert. Und ich schließe mich all den anderen Zeugnissen, die im Laufe dieser Konferenz gegeben wurden, mit meinem Zeugnis von seiner besonderen Berufung als Präsident der Kirche an und gebe – gemeinsam mit all den anderen – ebenfalls Zeugnis, dass Jesus der Messias und dies seine Kirche ist. Wir tun sein Werk. Das bezeuge ich im Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.