2000–2009
Das Evangelium lehren – unsere wichtigste Berufung
Oktober 2008


Das Evangelium lehren – unsere wichtigste Berufung

Wenn man ein paar Grundsätze gelernt hat, wie man lehrt, und auch gezeigt bekommt, wie es geht, dann kann es jeder.

Neulich wollten meine Frau und ich unseren fünfjährigen Enkeltöchtern – Zwillinge – das Seilspringen beibringen. Bei diesem Spiel für Kinder springt man über ein Seil, das man über den Kopf und unter den Füßen hindurch schwingen lässt. Nach einer kurzen Einweisung versuchten es beide Mädchen, aber es ging mehrmals schief.

Gerade als wir aufgeben wollten, kamen zwei ältere Nachbarskinder vorbei, die wir um Hilfe baten. Beide Nachbarsmädchen waren erfahrene Seilspringerinnen und konnten unseren Enkelinnen zeigen, wie man das macht. Als sie Seil sprangen, fiel mir auf, dass die Nachbarsmädchen ein Lied sangen, das ihnen half, im Takt des schwingenden Seiles zu springen.

Sobald unsere Enkelinnen die Grundsätze des Seilspringens verstanden hatten und gesehen hatten, wie es geht, war der Rest der Lektion einfach. Mit ein bisschen Übung meisterten beide Zwillinge recht bald die Grundlagen des Seilspringens.

Während des Seilspringunterrichts saß eine andere Enkelin, erst drei Jahre alt, auf der Wiese und schaute still zu. Als jemand sie fragte, ob sie es auch einmal probieren wolle, nickte sie, stand auf und stellte sich neben das Seil. Als wir das Seil in Bewegung setzten, sprang sie zu unserer großen Überraschung genau so, wie sie es bei ihren Schwestern gesehen hatte. Sie sprang einmal, dann ein zweites Mal und dann immer wieder und sang dabei laut dasselbe Lied, das die älteren Kinder gesungen hatten.

Alle drei Enkelinnen hatten erfasst, dass es für das Seilspringen eine bestimmte Technik gibt. Es war ganz einfach, und jede schaffte es, sobald sie ein paar Grundsätze gelernt hatte und ihr gezeigt worden war, wie es geht. So ist es auch mit dem Evangeliumsunterricht. Wenn man ein paar Grundsätze gelernt hat, wie man lehrt, und auch gezeigt bekommt, wie es geht, dann kann es jeder.

Präsident Boyd K. Packer hat uns des Öfteren ermahnt: „Wir alle – Führungsbeamte, Lehrer, Missionare und Eltern – haben die lebenslange Aufgabe vom Herrn, die Lehren des Evangeliums zu vermitteln und zu lernen, so wie sie uns offenbart worden sind.“1 Oder, wie es Elder L. Tom Perry ganz klar ausdrückte: „Jeder, der ein Amt in der Kirche bekleidet, muss ein guter Lehrer sein.“2

Da jedes Mitglied ein Lehrer ist und „das Unterrichten bei allem, was wir tun, im Mittelpunkt“3 steht, haben wir alle die heilige Aufgabe, ein paar Grundsätze über das Lehren zu lernen. Es gibt eine Menge Grundsätze für das Lehren und Lernen, und es genügt nicht, nur etwas darüber zu lesen. Zunächst einmal müssen wir die Grundlagen verstehen, und dann muss uns gezeigt werden, wie erfolgreiche Lehrer sie anwenden. Das können wir erreichen, indem wir fähige Lehrer in unseren Gemeinden und Zweigen genau beobachten und die weltweite Führerschaftsschulung über das Lehren und Lernen durcharbeiten, die auf der Webseite und in den Zeitschriften der Kirche zu finden ist.4

Die Grundsätze für das Lehren und Lernen im Evangelium finden wir in den heiligen Schriften. Sie werden auch in einem hervorragenden, aber oft zu wenig beachteten Lehrwerk behandelt, nämlich dem Leitfaden Lehren, die größte Berufung.5

Wenn wir nach einem Beispiel für einen idealen Lehrer suchen, der uns zeigen kann, wie man das Evangelium lehrt, blicken wir unweigerlich auf Jesus von Nazaret. Seine Jünger nannten ihn Rabbuni – das heißt „Meister“6 oder „Lehrer“. Er war und ist der beste Lehrer.

Jesus unterschied sich von den anderen Lehrern seiner Zeit, denn er lehrte „wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat“.7 Diese Vollmacht, zu lehren und zu dienen, hatte er von seinem himmlischen Vater, da „Gott Jesus … gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, … denn Gott war mit ihm“.8

Nach diesem Muster ist Jesus von seinem himmlischen Vater belehrt worden, wie Johannes berichtet. Jesus sagte: „Ich [tue] nichts im eigenen Namen …, sondern [sage] nur das …, was mich der Vater gelehrt hat.“9 „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. … Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut.“10

In den heiligen Schriften finden wir noch mehr Beispiele für erfolgreiche Evangeliumslehrer. Sie veränderten das Leben eines jeden, den sie belehrten, und retteten seine Seele. Im Buch Mormon fallen uns da zum Beispiel sofort Nephi11, Alma12 oder die Söhne Mosias13 ein. Achten Sie darauf, wie sich die Söhne Mosias darauf vorbereiteten, das Evangelium zu lehren:

„Sie waren in der Erkenntnis der Wahrheit stark geworden; denn sie waren Männer mit gesundem Verständnis, und sie hatten eifrig in den Schriften geforscht, um das Wort Gottes zu kennen.

Aber das ist nicht alles; sie hatten sich vielem Beten und Fasten hingegeben; darum hatten sie den Geist der Prophezeiung und den Geist der Offenbarung, und wenn sie lehrten, so lehrten sie mit Macht und Vollmacht von Gott.“14

Ein weiterer machtvoller Lehrer im Evangelium war Moroni, der als „Bote … aus der Gegenwart Gottes“15 ausersehen wurde, den Propheten Joseph Smith zu belehren und zu schulen. Von Joseph Smith liegt uns eine kurze, aber detaillierte Beschreibung dessen vor, was Moroni sagte und tat, als er ihn belehrte.16

Als Moroni zum ersten Mal bei Joseph Smith erschien, war dieser ein Jugendlicher von 17 Jahren mit wenig Schulbildung. Joseph sagt über sich, er war ein „unbekannter Junge … von … keinerlei Bedeutung in der Welt“,17 und ein Freund bezeichnete ihn später als „ungebildet“ und „ungelehrt“.18 Unter den Händen eines geduldigen und aufmerksamen Lehrers wie Moroni – und anderer Himmelsboten, die ihn belehrten – sollte dieser junge Mann zur Leitfigur dessen werden, was der Herr „ein wunderbares Werk, ja, ein Wunder“19 nannte.

Welche Grundsätze für das Lehren und Lernen lassen sich an der Art und Weise, wie Moroni Joseph Smith belehrte, erkennen? Es gibt einige wichtige Punkte, über die man sprechen könnte, aber wir wollen uns auf drei Grundsätze konzentrieren, die einen guten Unterricht ausmachen.

1. Grundsatz: Gehen Sie mit denen, die Sie unterrichten, liebevoll um und reden Sie sie mit ihrem Namen an

Joseph Smith sagte, als ihm der Engel Moroni zum ersten Mal erschien, „fürchtete [er sich] zuerst; aber bald verließ [ihn] die Furcht“. Was unternahm Moroni, um diese Furcht zu vertreiben? Joseph sagte: „Er nannte mich beim Namen.“20 Ein Lehrer, der seine Schüler gern hat und sie beim Namen nennt, folgt einem himmlischen Muster.21

Neulich fiel mir bei einer Sitzung mit Präsident Thomas S. Monson auf, dass er jeden von uns mit Namen begrüßte. Er erzählte uns von einer Sonntagsschullehrerin aus seiner Kindheit, Lucy Gertsch, und wies darauf hin, dass sie jeden Schüler in ihrer Klasse namentlich kannte. Präsident Monson sagte über sie: „Sie hat immer diejenigen besucht, die an einem Sonntag nicht da waren oder ganz einfach nicht kamen. Wir wussten, dass wir ihr wichtig waren. Niemand von uns hat sie oder die Lektionen, die sie gegeben hat, je vergessen.“22

2. Grundsatz: Lehren Sie anhand der heiligen Schriften

Ein weiterer Grundsatz, den Moroni anwandte, ist, dass er die heiligen Schriften kannte und daraus lehrte. Joseph Smith sagte, dass Moroni bei ihrer ersten Begegnung „begann …, Prophezeiungen aus dem Alten Testament zu zitieren. … Er zitierte noch viele andere Schriftstellen und gab viele Erklärungen.“23 Aus den vielen Schriftstellen, die Moroni zitierte, erfuhr Joseph etwas über seine Rolle als Prophet beim Hervorkommen des Buches Mormon und der Wiederherstellung des wahren Evangeliums auf der Erde.24

3. Grundsatz: Ermuntern Sie die Schüler, über Evangeliumswahrheiten nachzudenken

Ein dritter Grundsatz, den Moroni anwandte, als er Joseph Smith belehrte, war, dass er ihn zum Nachdenken über das Gelernte veranlasste. Joseph berichtet, dass er nach Moronis drittem Erscheinen „wieder allein [war], um über … das … nachzudenken, was [er] soeben erlebt hatte“.25 Ein guter Lehrer wird sich an das Muster halten, das der auferstandene Christus den Nephiten vorgab, als er die Menge aufforderte, nach Hause zu gehen und darüber nachzudenken, was er sie gelehrt hatte, damit sie es verstehen konnten.26

Nephi weist uns darauf hin, dass man beim Nachdenken nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz gebraucht. Er sagte: „Mein Herz sinnt ständig über das nach, was ich gesehen und gehört habe.“27 Wenn wir über die heiligen Schriften und all das nachdenken, was wir gesehen und gehört haben, ebnen wir persönlicher Offenbarung den Weg.

Ich bezeuge, dass es eine ungemein heilige Berufung ist, das Evangelium zu lehren. Wenn Sie Ihre Schüler lieb haben und beim Namen nennen, wenn Sie die heiligen Schriften aufschlagen und daraus unterrichten und wenn Sie Ihre Schüler ermuntern, über die Wahrheiten des wiederhergestellten Evangeliums nachzudenken und sie anzuwenden, wird Ihr guter Einfluss zunehmen und Ihre Schüler werden reichlicher gesegnet werden. An diesem herrlichen Tag werden sie zu Ihnen sagen, was über Jesus von Nazaret gesagt wurde: „Wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist.“28 Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Boyd K. Packer und L. Tom Perry, „Grundsätze für das Lehren und Lernen“, Weltweite Führerschaftsschulung, Februar 2007; Liahona, Juni 2007, Seite 50

  2. Liahona, Juni 2007, Seite 52; siehe auch 1 Korinther 12:28; Epheser 4:11-14

  3. Boyd K. Packer, Liahona, Juni 2007, Seite 54

  4. Siehe Weltweite Führerschaftsschulung, Februar 2007, in Liahona, Juni 2007, Seite 49-80; diese weltweite Führerschaftsschulung ist auch im Internet unter www.lds.org zu finden

  5. Lehren, die größte Berufung, 1999, Artikel-Nr. 36123 150

  6. Siehe Johannes 20:16

  7. Matthäus 7:29; siehe auch Markus 1:22

  8. Apostelgeschichte 10:38

  9. Johannes 8:28

  10. Johannes 5:19,20

  11. Siehe 2 Nephi 33:1-13

  12. Siehe Mosia 27:32; Alma 17:1-12

  13. Siehe Alma 17:1-12

  14. Alma 17:2,3

  15. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:33

  16. Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:27-54

  17. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:22

  18. Orson Pratt, „Discourse“, Deseret News, 21. Juli 1880, Seite 386

  19. 2 Nephi 27:26; siehe auch 3 Nephi 21:9,10

  20. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:32,33; siehe auch Vers 49

  21. Siehe Matthäus 3:17; 3 Nephi 11:7; Moroni 2:1,2; Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:17

  22. Thomas S. Monson, „Große Lehrer, die uns Beispiel geben“, Liahona, Juni 2007, Seite 77

  23. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:36,41; Hervorhebung hinzugefügt

  24. Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:33-54; siehe auch LuB 20:8,9

  25. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:47

  26. Siehe 3 Nephi 17:3; siehe auch LuB 138:1,6,11,29

  27. 2 Nephi 4:16; siehe auch Moroni 10:3

  28. Johannes 3:2