2000–2009
Alles soll in Einfachheit geschehen
Oktober 2008


Alles soll in Einfachheit geschehen

Mögen wir in unserem Bemühen, die Belastungen des Lebens zu mildern, ernstlich nach Möglichkeiten suchen, unser Leben zu vereinfachen.

Diejenigen von uns, die schon eine Weile hier sind – und Elder Wirthlin und ich sind schon lange Zeit hier –, haben in den Prüfungen des Lebens bestimmte Muster erkannt. Es gibt abwechselnd gute und schlechte Zeiten, Höhen und Tiefen, Zeiten der Freude und der Trauer, Zeiten des Überflusses und Zeiten des Mangels. Wenn unser Leben einen unerwarteten und unerwünschten Lauf nimmt, sind wir manchmal bedrückt und besorgt. Eine der Herausforderungen in diesem Erdenleben besteht darin, nicht zuzulassen, dass die Belastungen und Anspannungen im Leben uns überwältigen – die verschiedenen Phasen des Lebens durchzustehen und dabei positiv, ja, sogar optimistisch zu bleiben. Wenn Schwierigkeiten und Herausforderungen über uns hereinbrechen, sollten uns vielleicht Robert Brownings hoffnungsvolle Worte vor Augen stehen: „Das Beste kommt noch.“ („Rabbi Ben Ezra“, aus Charles W. Eliot, Hg., The Harvard Classics, 50 Bände, 1909/10, 42:1103.) Wir können nicht alle Kämpfe und Stürme im Leben vorhersagen, noch nicht einmal diejenigen, die kurz bevorstehen. Aber als Menschen voller Glauben und Hoffnung wissen wir ohne jeden Zweifel, dass das Evangelium Jesu Christi wahr ist und dass das Beste noch kommt.

Ich erinnere mich an eine bestimmte Zeit in meinem Leben, als ich unter ungewöhnlich großem Stress stand. Mein Arbeitsplatz war gefährdet, und zur gleichen Zeit wurde bei meiner Frau eine lebensbedrohliche Krankheit festgestellt. Es war eine dieser Zeiten, wo ich den Eindruck hatte, der Widersacher wäre zum Frontalangriff gegen mich und meine Familie übergegangen. Meine Frau und ich fanden einen Weg, die Belastungen und Sorgen unseres turbulenten Lebens zu mildern, wenn diese nahe daran waren, uns zu überwältigen.

Wir fuhren an einen Ort, nur einige Meilen von unserer Haustür entfernt, um einen Moment lang Abstand von unseren Problemen zu bekommen, um miteinander zu reden und um einander zu trösten und aufzubauen. Dieser Ort hieß Walden Pond. Es war ein schöner kleiner Teich, umgeben von Bäumen. Wenn meine Frau sich stark genug fühlte, machten wir einen Spaziergang um den Teich. An anderen Tagen, wenn ihr nicht danach zumute war, saßen wir einfach im Auto und redeten miteinander. Walden Pond war für uns ein besonderer Ort, um innezuhalten, nachzudenken und Heilung zu erfahren. Vielleicht lag es auch ein wenig an der Geschichte des Ortes – hier versuchte Henry David Thoreau einige Jahre lang, sich dem Weltlichen zu entziehen –, dass er uns so viel Hoffnung auf Einfachheit und eine so regenerierende Zuflucht vor unserem viel zu komplizierten Leben bot.

Im März 1845 beschloss Thoreau, ans Ufer des Walden Pond zu ziehen. Er verbrachte dort zwei Jahre damit, herauszufinden, worum es im Leben geht. Er ließ sich auf einem Grundstück nieder, das seinem guten Freund Ralph Waldo Emerson gehörte. Er kaufte von einem Eisenbahnarbeiter einen alten Schuppen, riss ihn ab und baute sich aus den Brettern und aus Holz aus dem Wald seine eigene Hütte. Über seine Ausgaben führte er peinlich genau Buch und kam zu dem Schluss, dass er für ein Zuhause und seine Freiheit lediglich 28,12 Dollar ausgegeben hatte. Er legte einen Garten an, wo er als Grundlage für sein einfaches Leben Erbsen, Kartoffeln, Mais, Bohnen und Rüben anbaute. Er pflanzte auf einem Hektar Land Bohnen an, in der Absicht, mit dem geringen Gewinn seinen Bedarf zu decken. Der Gewinn fiel in der Tat gering aus: 8,71 Dollar.

Thoreau lebte relativ unabhängig von der Zeit. Er hatte weder eine Uhr noch einen Kalender in seiner kleinen Hütte. Er verbrachte seine Zeit mit dem Schreiben und damit, die Schönheiten und Wunder der Natur zu erforschen, die ihn umgaben, darunter Pflanzen, Vögel und andere Tiere. Er führte nicht das Leben eines Einsiedlers – er ging fast jeden Tag in die Stadt Concord, und er lud andere zu guten Gesprächen in seine Hütte ein. Als die zwei Jahre vorüber waren, ließ er seine Hütte ohne Bedauern zurück. Er fand, er habe genügend Zeit dort verbracht, um sein Ziel zu erreichen: die geistigen Vorzüge eines einfacheren Lebensstils zu erfahren. Er hatte auch das Gefühl, dass noch andere Lebenserfahrungen vor ihm lagen; es war an der Zeit, nach vorn zu schauen und andere Möglichkeiten zu ergründen.

Aufgrund seiner Erfahrungen am Walden Pond kam Thoreau zu dem Schluss, dass ein Mensch nur vier Dinge wirklich braucht – Nahrung, Kleidung, Obdach und Brennstoff. Ich möchte auf diese vier Grundbedürfnisse näher eingehen und auch auf die geistigen Vorzüge eines einfacheren Lebensstils.

Das erste Grundbedürfnis ist Nahrung. Als Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verfügen wir über heilige Erkenntnis aus offenbarter Wahrheit über die Beziehung zwischen Körper und Geist. In Lehre und Bündnisse 88:15 heißt es: „Der Geist und der Körper sind die Seele des Menschen.“ Um uns sowohl in körperlicher als auch in geistiger Hinsicht zu segnen, offenbarte der Herr uns auch ein Gesundheitsgesetz, dem zu entnehmen ist, welche Nahrung und welche Substanzen gut für den Körper sind und welche nicht. Begleitet werden diese Anweisungen von einer Verheißung, die in Abschnitt 89 des Buches Lehre und Bündnisse steht:

„Und alle Heiligen, die sich dieser Worte erinnern und sie befolgen und tun und die in ihrem Wandel den Geboten gehorchen, werden Gesundheit empfangen in ihrem Nabel und Mark für ihre Knochen und werden Weisheit und große Schätze der Erkenntnis finden, selbst verborgene Schätze, und werden laufen und nicht ermüden und werden gehen und nicht ermatten.

Und ich, der Herr, gebe ihnen die Verheißung, dass der zerstörende Engel an ihnen vorübergehen wird wie an den Kindern Israel und sie nicht töten wird.“ (Vers 18–21.)

Es gibt keinen besseren Rat zum Wort der Weisheit als das, was in der Broschüre Für eine starke Jugend steht. Dort heißt es:

„Der Herr hat euch geboten, gut auf euren Körper achtzugeben. Dabei hilft euch das Wort der Weisheit, das in Abschnitt 89 des Buches Lehre und Bündnisse steht. Ernährt euch gesund, treibt regelmäßig Sport und sorgt für ausreichend Schlaf. Wenn ihr all das tut, seid ihr frei von schädlichen Abhängigkeiten und habt euch selbst unter Kontrolle. Ihr werdet gesegnet mit einem gesunden Körper, einem wachen Verstand und der Führung durch den Heiligen Geist. …

Jegliche Drogen, Chemikalien und gefährliche Verhaltensweisen, mit denen ein Hochgefühl erzeugt wird, können euer körperliches, geistiges und seelisches Wohlbefinden zerstören. Dazu zählen harte Drogen, Missbrauch von verschreibungspflichtigen oder apothekenpflichtigen Medikamenten, aber auch Reinigungsmittel, Klebstoff, Sprays usw.“ (Seite 36f.)

Wir wollen unserem irdischen Körper keinen Schaden zufügen, denn er ist ein Geschenk Gottes, und die Wiedervereinigung unseres unsterblichen Körpers mit unserem Geist gehört zum großen Plan des himmlischen Vaters für unser Glücklichsein.

Eine weitere Notwendigkeit ist unsere Kleidung. Ein einfacheres Leben, das einem geistige Segnungen bringt, erfordert, dass man sich einfach und anständig kleidet. Unsere Kleidung und unser Äußeres zeigt anderen, wer wir sind, und es wirkt sich auch darauf aus, wie wir uns in der Gegenwart anderer geben. Wenn wir uns anständig kleiden, laden wir auch den Geist des Herrn ein, uns ein Schild und Schutz zu sein.

Weltliche Trends in der Damenmode verlocken immer zu Extremen. Mit ihrem neuesten Schnitt versuchen viele Modedesigner anscheinend, gleich zwei oder drei Kleidungsstücke aus dem Stoff für ein einziges Kleid herzustellen. Meistens nehmen sie bei der Damenbekleidung oben und unten zu viel weg und gelegentlich sparen sie auch noch in der Mitte. Auch die Herrenmode wird immer extremer. Zu meiner Zeit hätte man so etwas als schlampig und ungehörig bezeichnet. Ich glaube, besonders zwanglose Kleidung führt fast immer zu besonders zwanglosem Benehmen.

Viele von Ihnen geben sich zu viel Mühe, in ihrer Kleidung und ihrem äußeren Erscheinungsbild einzigartig zu sein, um dadurch eine Art Aufmerksamkeit zu erregen, die der Herr für falsch halten würde. Im Bericht vom Baum des Lebens im Buch Mormon waren es die Leute, die „überaus fein gekleidet“ waren, die diejenigen verspotteten, die von der Frucht des Baumes aßen. Es ist ernüchternd, wenn einem klar wird, dass die „modebewussten“ Spötter in dem großen und geräumigen Gebäude viele in Verlegenheit brachten, und diejenigen, die sich schämten, „fielen ab auf verbotene Pfade und gingen verloren“ (1 Nephi 8:27,28).

Präsident N. Eldon Tanner hat einmal folgende mahnende Worte an uns gerichtet: „Sittsamkeit in der Kleidung ist eine Sache des Geistes und des Herzens. Sie entspringt der Achtung vor sich selbst, seinem Nächsten und dem Schöpfer von uns allen. Sittsamkeit zeigt sich durch Demut, Schicklichkeit und Reinheit. Im Einklang mit diesen Grundsätzen und der Führung des Heiligen Geistes sollen die Eltern, Lehrer und Jugendlichen über alles sprechen, was die Kleidung, das Äußere und die persönliche Erscheinung angeht. Sie sollen aus freien Stücken die Verantwortung dafür übernehmen und das Rechte wählen.“ („Friend to Friend“, Friend, Juni 1971, Seite 3.)

Kommen wir jetzt zu Thoreaus drittem Grundbedürfnis – dem Obdach. Die Zeitungen sind voll von Berichten über die derzeitige Immobilienkrise. Wir wurden bei fast jeder Generalkonferenz der Kirche, an die ich mich erinnern kann, angehalten, nicht über unsere Verhältnisse zu leben. Unser Einkommen, und nicht das große Haus des Nachbarn gegenüber, muss ausschlaggebend dafür sein, was für eine Unterkunft wir uns leisten können.Präsident Heber J. Grant hat einmal gesagt: „Solange ich mich erinnern kann, seit der Zeit Brigham Youngs bis heute, habe ich Männern am Rednerpult zugehört, … die die Menschen ermahnt haben, keine Schulden zu machen; und ich glaube, dass die meisten unserer heutigen Schwierigkeiten daher rühren, dass wir diesen Rat nicht befolgen.“ (Herbst-Generalkonferenz 1921.)

Eine der besten Möglichkeiten, unser Leben zu vereinfachen, liegt darin, dass wir den uns so oft gegebenen Rat befolgen, im Rahmen unseres Einkommens zu leben, keine Schulden zu machen und etwas für schlechte Zeiten zu sparen. Wir sollen uns in Sparsamkeit, Fleiß, Wirtschaftlichkeit und Genügsamkeit üben und unsere Gewohnheiten in diesen Punkten verbessern. Die Mitglieder einer gut geführten Familie bezahlen keine Zinsen, sie bekommen sie.

Thoreaus letztes Grundbedürfnis war Brennstoff. Wir haben viel über Brennstoff und Energie gehört – über die hohen Kosten und die begrenzten Vorräte, unsere unsichere und unvorhersehbare Abhängigkeit von den Lieferanten und die Notwendigkeit neuer und regenerativer Energiequellen. Ich überlasse die Erörterung dieser komplexen Themen den führenden Köpfen in Politik und Wirtschaft. Der Brennstoff, über den ich sprechen möchte, ist der geistige Brennstoff.

Der Herr hat uns einen schönen Plan dafür gegeben, wie wir wieder zu ihm zurückkehren können, aber für die Vollendung unserer irdischen Reise brauchen wir geistigen Brennstoff. Wir wollen den fünf klugen Jungfrauen nacheifern, die genug Öl angesammelt hatten, um den Bräutigam begleiten zu können, als er kam (siehe Matthäus 25:6–10). Was braucht man, um einen ausreichenden Vorrat an geistigem Brennstoff aufrechterhalten zu können? Wir müssen Kenntnis von Gottes ewigem Plan und unserer Rolle darin erlangen, und wenn wir dann rechtschaffen leben und unseren Willen dem Willen des Herrn unterordnen, empfangen wir die verheißenen Segnungen.

Wie Elder William R. Bradford an diesem Pult gesagt hat: „In der Rechtschaffenheit ist eine große Einfachheit. Bei jeder Wahl, vor der wir in unserem Leben stehen, gibt es sowohl einen richtigen als auch einen falschen Weg, um weiterzumachen. Wenn wir den richtigen Weg wählen, werden wir bei unserem Tun von den Grundsätzen der Rechtschaffenheit unterstützt, in denen die Kräfte des Himmels ruhen. Wenn wir den falschen Weg wählen und demgemäß handeln, gibt es keine solchen himmlischen Verheißungen oder Kräfte – wir stehen allein da und schaffen es nicht.“ („Rechtschaffenheit“, Liahona, Januar 2000, Seite 103.)

Kurz bevor Thoreau starb, fragte man ihn, ob er sich mit Gott versöhnt habe. Er entgegnete: „Ich wüsste nicht, dass wir je miteinander gestritten hätten.“ (Aus Mardy Grothe, Hg., Viva la Repartee, 2005, Seite 181.)

Mögen wir in unserem Bemühen, die Belastungen des Lebens zu mildern, ernstlich nach Möglichkeiten suchen, unser Leben zu vereinfachen. Mögen wir dem inspirierten Rat und der Weisung folgen, die der Herr uns im großen Plan des Glücklichseins gegeben hat. Mögen wir würdig sein, vom Heiligen Geist begleitet zu werden, und mögen wir, während wir in dieser irdischen Reise unseren Weg finden, der Führung des Geistes folgen. Mögen wir uns darauf vorbereiten, das Endziel dieser irdischen Prüfung zu erreichen – zurückzukehren und bei unserem himmlischen Vater zu leben. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.