2000–2009
O ihr, die ihr euch in den Dienst Gottes begebt
Oktober 2008


O ihr, die ihr euch in den Dienst Gottes begebt

Unsere Fähigkeit, Lasten zu tragen, kann mehr als genug gestärkt werden, damit wir das, was wir zusätzlich leisten sollen, bewältigen können.

Meine lieben Brüder, heute Abend möchte ich allen Priestertumsträgern Mut zusprechen, die sich manchmal von ihren Aufgaben überfordert fühlen. Darüber habe ich früher schon gesprochen. Ich komme darauf zurück, weil so viele, die mir am Herzen liegen und denen ich diene, immer wieder damit konfrontiert sind.

Die meisten von Ihnen haben schon erlebt, dass Ihre Pflichten als Priestertumsträger Sie in einem Maße fordern, dass Sie sich fragen, ob Sie diesen Anforderungen wirklich gewachsen sind. Das war vielleicht der Fall, als Sie gebeten wurden, bei einer Pfahlkonferenz vor hunderten Menschen zu sprechen. Bei einem Neubekehrten war es vielleicht so, als er das erste Mal gebeten wurde, in der Öffentlichkeit zu beten oder eine Klasse zu unterrichten. Einige hatten dieses Gefühl vielleicht bei dem Versuch, in der Missionarsschule eine Fremdsprache zu erlernen. Wenn Sie dabei noch nicht an Ihre Grenzen gestoßen waren, dann geschah es sicherlich in den Straßen einer fremden Stadt, nachdem Ihr Missionspräsident Ihnen aufgetragen hatte, jeden Menschen anzusprechen, um Zeugnis vom Erlöser und der Wiederherstellung des Evangeliums zu geben.

Damals dachten Sie vielleicht: Wenn ich meine Mission erst einmal beendet habe, wird es leichter sein, ein gewissenhafter Priestertumsträger zu sein. Wenige Jahre später aber stellten Sie fest, dass Sie nachts weniger Schlaf bekamen, weil Sie gütig und liebevoll für eine Frau und ein Baby sorgten, sich um Ihre Ausbildung bemühten, den Mitgliedern Ihres Ältestenkollegiums helfend zur Seite standen, wo es nur ging – vielleicht sogar beim Umzug – und sich bemühten, etwas Zeit zu finden, um Ihren Vorfahren im Tempel zu dienen. Vielleicht hatten Sie noch immer ein Lächeln auf den Lippen und dachten: „Wenn ich ein wenig älter bin, wird es mir nicht mehr so viel abverlangen, ein glaubenstreuer Priestertumsträger zu sein. Es wird leichter sein.“

Die Brüder, die schon älter sind, lächeln jetzt sicher, denn sie wissen, was es mit dem Dienen im Priestertum auf sich hat: Je treuer man dient, desto mehr verlangt der Herr einem ab. Ihr Lächeln ist so froh, weil Sie wissen, dass der Herr uns stärker macht, damit wir der größeren Belastung gewachsen sind.

Das Schwierige daran ist nur, dass wir zuerst im Dienen voller Glauben an unsere äußersten Grenzen gehen müssen, damit der Herr uns mehr Kraft gibt.

Es ist genau wie beim Muskelaufbau. Man muss die Muskeln über die Maßen beanspruchen, um sie aufzubauen. Man fordert seine Muskeln bis zur Erschöpfung. Dann regenerieren sie sich und werden stärker. Vermehrte geistige Kraft ist eine Gabe Gottes, die er uns schenken kann, wenn wir in seinem Dienst an unsere Grenzen gehen. Durch die Macht des Sühnopfers Jesu Christi kann sich unser Wesen ändern. Dann kann unsere Fähigkeit, Lasten zu tragen, mehr als genug gestärkt werden, damit wir das, was wir zusätzlich leisten sollen, bewältigen können.

Mir wird daran klar, warum das Dienen im Priestertum manch einem offenbar so leicht fällt. Ich weiß, dass er entweder schwere Prüfungen bestanden hat oder dass diese noch vor ihm liegen. Anstatt ihn zu beneiden, stehe ich bereit, ihm zu helfen, wenn Sand ins Getriebe kommt, denn dieser Zeitpunkt wird sicher kommen.

Das Austesten unserer Grenzen im Priestertumsdienst ist in Gottes Plan erforderlich, damit seine Kinder befähigt werden, für immer bei ihm zu leben. Der himmlische Vater liebt seine Kinder. Er bietet uns ewiges Leben, dass wir also in Familien vereint und in Herrlichkeit wieder und für immer bei ihm leben. Damit wir diese Gabe beanspruchen können, hat er uns einen sterblichen Körper gegeben, die Gelegenheit, uns versuchen zu lassen, zu sündigen, und einen Weg, von diesen Sünden rein zu werden und bei der ersten Auferstehung hervorzukommen. Er gab uns seinen geliebten Sohn Jehova als Erlöser, um dies zu ermöglichen. Der Erlöser wurde in das sterbliche Leben geboren, er wurde versucht, sündigte jedoch niemals und bezahlte dann in Getsemani und auf Golgota den Preis für unsere Sünden, damit wir rein werden können. Diese Reinigung kann sich nur auf diejenigen erstrecken, deren Glaube an Jesus Christus stark genug ist, dass sie von ihren Sünden umkehren, sich durch die Taufe reinigen, in Bündnissen geloben, all seine Gebote zu befolgen, und diese Bündnisse einhalten. Darüber hinaus musste es einen mächtigen Feind unserer Seele geben, Luzifer, der mit seinen Legionen unerbittlich versucht, jedes einzelne Kind Gottes zu fangen, um sie alle davon abzuhalten, die Freude ewigen Lebens zu erlangen.

In seiner Güte und voller Vertrauen gewährten der himmlische Vater und der Erlöser einigen auserwählten Söhnen, auf der Erde das Priestertum zu tragen. Wir haben die Vollmacht und Macht, im Namen Gottes zu handeln, um das wahre Evangelium Jesu Christi und seine Verordnungen so vielen Kindern des himmlischen Vaters anzubieten wie wir können. Daran können Sie sehen, wie groß das Vertrauen ist, das Gott in uns setzt. Und Sie können sehen, dass dies außerordentlich wichtig ist und dass wir auf Widerstand stoßen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir uns von Zeit zu Zeit beinahe überfordert fühlen. Wenn Sie denken: „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, bedeutet das, dass Sie verstanden haben, was es heißt, das Priestertum Gottes zu tragen. Tatsache ist, dass Sie es nicht allein schaffen können. Die Aufgabe ist zu schwierig und zu wichtig für Ihre sterblichen Kräfte und die meinen. Diese Erkenntnis ist die Grundlage für einen guten Dienst im Priestertum.

Wenn uns solch ein Gefühl der Unzulänglichkeit befällt, ist es an der Zeit, an den Erlöser zu denken. Er versichert uns, dass wir in diesem Werk nicht allein sind. Es gibt Schriftstellen, die man sich an den Spiegel stecken und an die man denken kann, wenn man seine Fähigkeiten anzweifelt.

Zum Beispiel dachte Präsident Thomas S. Monson an eine Verheißung des Erretters, als er mir vor sechs Monaten den Segen gab, furchtlos meine Berufung zu erfüllen, als mir dies schwierig erschien. Diese Worte des Erlösers, die er an eine kleine Gruppe Priestertumsträger in dieser Evangeliumszeit richtete, kamen dem Propheten in den Sinn, als er mir die Hände auflegte: „Und wo euch jemand empfängt, da werde ich auch sein, denn ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“1

Diese Verheißung, die Präsident Monson in den Sinn kam und die er zitierte, hat sich für mich erfüllt. Zuversicht trat an die Stelle der Zweifel, der Geist kam, die Ärzte wurden inspiriert, mein Leben wurde bewahrt und ich wurde gestützt. Dank dieses Segens, den Präsident Monson mir gegeben hat, wird es mir immer leichtfallen, an den Erlöser zu denken und seiner Verheißung zu vertrauen, dass er vor und neben uns hergeht, wenn wir ihm dienen.

Ich weiß, dass die Verheißung, dass Engel uns stützen werden, Wirklichkeit ist. Vielleicht wissen Sie noch, was Elischa seinem verängstigten Knecht sagte. Diese Zusicherung gilt auch uns, wenn wir kurz davor sind, uns in unserem Dienst überfordert zu fühlen. Elischa sah sich echten, schlimmen Widerständen gegenüber:

„Als der Diener des Gottesmannes am nächsten Morgen aufstand und hinaustrat, hatte die Truppe die Stadt mit Pferden und Wagen umstellt. Da sagte der Diener zu seinem Herrn: Wehe, mein Herr, was sollen wir tun?

Doch dieser sage: Fürchte dich nicht! Bei uns sind mehr als bei ihnen.

Dann betete Elischa: Herr, öffne ihm die Augen, damit er sieht. Und der Herr öffnete dem Diener die Augen: Er sah den Berg rings um Elischa voll von feurigen Pferden und Wagen.“2

Wie im Falle von Elischas Diener ist die Anzahl derjenigen, die bei Ihnen stehen, größer als die der Gegner, die Sie sehen können. Einige, die bei Ihnen stehen, werden für Ihre irdischen Augen nicht sichtbar sein. Der Herr wird Sie stützen, und manchmal wird er dazu andere berufen, die an Ihrer Seite stehen. Aus diesem Grund haben wir Kollegien. Aus diesem Grund schauen die Führer eines Kollegiums in der Kollegiumsversammlung den Brüdern ins Gesicht und in die Augen. Aus diesem Grund ist der Bischof mehr als nur der Präsident des Priesterkollegiums. Er schaut den Priestern ins Gesicht. Sie werden einen solchen Bischof oder Ältestenkollegiumspräsidenten oder Missionspräsidenten haben. Und er wird Ihnen zu Hilfe eilen und andere berufen, die Ihnen zur Seite stehen werden. Vielleicht beruft er den richtigen Mitarbeiter für Sie, wenn Sie es am meisten brauchen.

Daraus ergeben sich mindestens zwei Schlüsse. Einerseits müssen wir diejenigen anerkennen und willkommen heißen, die der Herr uns zu Hilfe schickt. Andererseits müssen wir jede Aufgabe als Chance betrachten, einander zu stärken. Ein Missionspräsident erzählte mir einmal von einem Missionar, den er mit zwölf oder dreizehn verschiedenen Mitarbeitern zusammenarbeiten ließ. Er sagte zu mir: „Jeder dieser Mitarbeiter stand kurz davor, seine Mission abzubrechen oder vorzeitig nach Hause geschickt zu werden. Aber wir haben nicht einen einzigen verloren.“

Als ich diese Tatsache, die ja einem Wunder gleichkommt, später gegenüber dem Missionar, der so viele Mitarbeiter kurz vor dem Aufgeben gerettet hatte, erwähnte, sagte er zu meiner Überraschung etwas, woraus ich viel lernte: „Ich glaube nicht, dass diese Geschichte wahr ist. Ich hatte nie einen Mitarbeiter, der nicht zurechtkam.“

Ich konnte sehen, dass ein Missionspräsident inspiriert worden war, ein ums andere Mal genau den richtigen Engel zu senden. Wenn wir dienen, können wir damit rechnen, dass uns zur richtigen Zeit Hilfe gesandt wird, die unsere Stärke erkennt und uns aufrichtet. Und wir können uns darauf freuen, derjenige zu sein, den der Herr schickt, um einen anderen aufzumuntern.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie man helfen kann, wenn man selbst derjenige ist, der geschickt wurde. Kurz nachdem ich in das Kollegium der Zwölf Apostel berufen wurde, rief mich Präsident Faust, ein Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, an. Er bat mich in sein Büro. Auf dem Weg dorthin machte ich mir Gedanken, warum er sich wohl die Zeit nehmen wollte, mit mir zu sprechen.

Nachdem wir ein paar Höflichkeiten ausgetauscht hatten, schaute er mich an und fragte: „Ist es schon passiert?“ Als ich ihn ratlos ansah, fuhr er fort: „Ich habe Sie in den Versammlungen beobachtet. Ich habe den Eindruck, Sie haben das Gefühl, Ihre Berufung sei zu hoch für Sie und Sie seien dafür ungeeignet.“

Ich sagte, dass mich Zweifel befallen hatten, so als liefe ich gegen eine Wand. Ich erwartete, dass er mir Mut machen würde. Ich sagte ihm, wie dankbar ich sei, dass er meine Zweifel bemerkt habe, und bat ihn um Hilfe. Seine liebevolle, aber bestimmte Antwort überraschte mich. Er sagte: „Bitten Sie nicht mich. Wenden Sie sich an ihn.“ Dabei zeigte er himmelwärts. Nun sitze ich viele Jahre später in ebendiesem Büro. Wenn ich das Büro betrete, blicke ich empor und denke an Präsident Faust und wie er mich durch sein Beispiel lehrte, wie man jemandem helfen kann, der sich im Dienst des Herrn überfordert fühlt. Suchen Sie nach Möglichkeiten, so jemanden voller Vertrauen zu ihm zu schicken. Wenn er Ihrem Rat folgt, wird er die Kraft bekommen, die er braucht, und noch viel mehr.

Schon oft in Ihrem Leben hat der Herr Sie Erfahrungen machen lassen, die Kraft, Mut und Entschlossenheit herausbildeten. Er wusste, wie dringend Sie all dies brauchen, um ihm dienen zu können. Diese Erfahrung haben Sie – wie auch ich – vielleicht schon gemacht, als Sie gemeinsam mit anderen Priestertumsträgern laut die Worte sprachen: „Darum, o ihr, die ihr euch in den Dienst Gottes begebt, seht zu, dass ihr ihm mit eurem ganzen Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft dient, damit ihr am letzten Tag ohne Tadel vor Gott stehen mögt.“3

Wenn Sie sich diesem hohen Maßstab verpflichteten und ihn erreichten, baute der Herr Vertrauen und Kraft in Ihnen auf, auf die Sie zurückgreifen konnten, wann immer Sie dazu berufen wurden, einem höheren Ziel als dem eigenen Interesse zu dienen. Ich habe das an einem sonnigen Frühlingstag erlebt, als ich auf einem Rasen stand. Ich erhielt den Auftrag, mein Land zu verteidigen. Wir befanden uns damals nicht im Krieg, aber eine unbekannte Aufgabe lag vor mir und ich wusste, dass sie mir alles abverlangen würde, vielleicht sogar mein Leben. Ich hob gemeinsam mit den anderen meine rechte Hand und gelobte, dass ich mein Vaterland treu und ergeben verteidigen würde, dass ich diese Verpflichtung aus freien Stücken, ohne Vorbehalt und ohne mich entziehen zu wollen auf mich nähme und dass ich die Pflichten des Amtes, das ich jetzt antrat, gut und gewissenhaft erfüllen würde, so wahr mir Gott hülfe.4

Ohne Zweifel wurde in mir die Kraft, dieses Versprechen zu halten – und ich hielt es – ausgeprägt, seitdem ich Diakon war. In meinen jungen Jahren als Priestertumsträger nahm ich an vielen Abschiedsversammlungen für neu berufene Missionare teil. Heute gibt es so viele, die dem Ruf auf Mission folgen, dass wir sie nur noch kurz in einer Abendmahlsversammlung sprechen lassen, bevor sie gehen. Damals jedoch drehte sich die ganze Versammlung um den Missionar, der sich in den Dienst Gottes begab. Dazu gehörte auch immer sorgfältig ausgewählte Musik. Noch immer trage ich das Gefühl von damals in mir, als ein Quartett zurückgekehrter Missionare sang: „Ich gehe, wohin du mich heißt, o Herr“, gefolgt von dem Versprechen: „Ich rede, was du mich heißt reden, o Herr“, und schließlich den Worten: „und wie du willst, so will ich sein“.5

Ich war damals und bin auch heute noch tief bewegt von der Überzeugung, dass dieses Versprechen für mich und für Sie bei allem gilt, was wir im Priestertum tun. Wir werden Freude empfinden, wenn wir dahin gehen, wo der Herr uns braucht. Wir werden die Offenbarung erhalten, seine Worte zu sprechen und die Kinder des himmlischen Vaters einzuladen, sich durch das Sühnopfer zu ändern und sich dafür bereit zu machen, heimzukehren und bei ihm zu leben. Genau wie damals spüre ich auch heute, dass wir dem Herrn durch unseren treuen Dienst ermöglichen, unser Herz so zu wandeln, dass er bei uns sein kann und wir ihm für immer dienen können.

Ich bezeuge Ihnen: Wenn wir in unserem Priestertumsdienst alles geben, wird der Herr uns all den Mut geben, den wir brauchen, und die Zusicherung, dass er neben uns hergehen wird und dass Engel uns stützen werden.

Ich bezeuge, dass wir von Gott berufen sind. Dies ist seine wahre Kirche, und Sie tragen sein immerwährendes Priestertum. Ich bin ein Zeuge dafür, dass Präsident Thomas S. Monson alle Schlüssel des Priestertums innehat und sie heute in der Welt ausübt. Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. LuB 84:88

  2. 2 Könige 6:15-17

  3. LuB 4:2

  4. Siehe „Oaths of Enlistment and Oaths of Office“, http://www.army.mil/CMH/faq/ oaths.htm

  5. „Ich gehe, wohin du mich heißt“, Gesangbuch, Nr. 180