2000–2009
Im Herzen vereint
Oktober 2008


Im Herzen vereint

Die Heiligen können alles vollbringen, was der Herr wünscht, wenn sie in Rechtschaffenheit vereint sind.

Meine lieben Brüder und Schwestern, ich freue mich, an diesem Sonntagmorgen bei Ihnen zu sein. Unsere Lebensumstände sind verschieden. Wir kommen aus allen Ländern und vielen ethnischen Gruppen im Reich Gottes zusammen. Und diese prophezeite Sammlung beschleunigt sich.

Wir sehen, dass es in der Welt immer mehr Konflikte zwischen den Völkern gibt. Diese Spaltungen und Meinungsverschiedenheiten können auch uns erfassen. Daher lautet heute meine Botschaft der Hoffnung, dass ein großer Tag kommt, da wir eins sein werden. Wenn der Herr, Jehova, zurückkehrt, um bei denen zu wohnen, die sein Volk geworden sind, wird es einig sein: eines Herzens, eins mit ihm und mit unserem himmlischen Vater.

Ich habe schon mehrfach zu Ihnen über Einigkeit gesprochen. Ich werde vielleicht auch in Zukunft wieder darüber sprechen. Jeder Prophet Gottes zu meinen Lebzeiten hat davon gesprochen. Präsident David O. McKays letzte Botschaft, an die ich mich erinnere, war eine inständige Bitte um Einigkeit. Die Propheten des Herrn haben schon immer zur Einigkeit aufgerufen. In den Tagen, die vor uns liegen und in denen wir als Volk auf unsere herrliche Bestimmung vorbereitet werden, werden wir noch mehr darauf angewiesen sein, dass uns diese Gabe gewährt wird, und es wird uns noch mehr abverlangt werden, um sie zu bewahren.

Meine Botschaft lautet, dass wir bereits besser geworden sind. Väter und Mütter beten für mehr Einigkeit in der Familie, und diese Gebete werden erhört. Familien beten morgens und abends gemeinsam. Als ich einmal bei einer Familie zu Gast war, lud man mich ein, vor dem Schlafengehen mit ihr zu beten. Das kleinste Kind wurde aufgefordert, das Gebet zu sprechen. Wie ein Patriarch betete der Junge namentlich für jeden in der Familie. Ich öffnete kurz die Augen, um die Gesichter der anderen Kinder und der Eltern zu betrachten. Ich sah ihnen an, dass sie ihren Glauben und ihre Herzen im Gebet dieses kleinen Jungen vereinigten.

Vor kurzem beteten auch ein paar FHV-Schwestern gemeinsam, ehe sie eine junge Schwester besuchten, deren Mann ganz unerwartet verstorben war. Sie wollten herausfinden, was sie tun und wie sie zusammenarbeiten konnten, wenn sie halfen, das Haus für die Angehörigen und Freunde herzurichten, die zur Beerdigung kommen würden. Sie wollten wissen, wie sie die Schwester im Sinne des Herrn trösten konnten. Ihr Gebet wurde erhört. Als sie dort ankamen, machte sich jede Schwester an die Arbeit. Sie waren so schnell fertig, dass einige Schwestern bedauerten, dass es nicht noch mehr zu tun gab. Sie sprachen Trost zu und wählten genau die richtigen Worte. Sie leisteten einig Dienst für den Herrn und waren im Herzen vereint.

Wie ich haben auch Sie schon einiges beobachtet, was darauf hindeutet, dass wir auf dem Weg dahin sind, eins zu werden. Wenn wir darum beten und auf die Weise des Herrn darauf hinarbeiten, werden wir das Wunder der Einigkeit erleben. Wir werden im Herzen vereint sein. Diese Segnung hat Gott seinen glaubenstreuen Heiligen verheißen, wie sehr sich ihre Lebensumstände auch unterscheiden und welche Konflikte auch um sie herum wüten mögen. Er meinte sowohl uns als auch seine Jünger, als er den Vater bat, dass wir eins sein mögen.1

Der Vater gewährt uns diese Segnung aus dem gleichen Grund, weshalb wir um sie bitten. Aus Erfahrung kennen wir die Freude, die uns erfüllt, wenn wir einig sind. Als Geistkinder Gottes sehnen wir uns nach derselben Freude, die wir einst in seiner Gegenwart im vorirdischen Dasein verspürten. Er möchte uns diesen heiligen Wunsch, nämlich einig zu sein, erfüllen, weil er uns liebt.

Jedoch kann er ihn nicht jedem einzeln erfüllen. Die Freude der Einigkeit, die er uns so gern geben möchte, kann man nicht allein verspüren. Wir müssen gemeinsam danach trachten und uns dafür bereit machen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Gott darauf dringt, dass wir uns sammeln, damit er uns segnen kann. Er möchte, dass wir uns in Familien sammeln. Er hat Gemeinden und Zweige und Unterrichtsklassen in der Kirche eingerichtet und uns geboten, oft zusammenzukommen. In diesen Sammelplätzen, die Gott für uns vorgesehen hat, liegt unsere große Chance. Wir können für die Einigkeit beten und arbeiten, die uns Freude schenkt und unser Vermögen, für andere da zu sein, vermehrt.

Den drei Nephiten verhieß der Herr als Lohn für ihren treuen Dienst die Freude, letztlich mit ihm vereint zu sein. Er sagte: „Ihr [werdet] eine Fülle der Freude haben; und ihr werdet euch im Reich meines Vaters niedersetzen; ja, eure Freude wird voll sein, wie auch der Vater mir eine Fülle der Freude gegeben hat; und ihr werdet so sein, wie ich bin, und ich bin so wie der Vater; und der Vater und ich sind eins.“2

Der Herr hat uns Anhaltspunkte gegeben, damit wir wissen, was wir tun müssen, um den Segen und die Freude beständig wachsender Einigkeit zu erlangen. Im Buch Mormon gibt es eine Erfolgsgeschichte. Alma war gerade mit seinem Volk an den Wassern Mormon. Wie das Volk sich in dieser schwierigen und gefährlichen Lage verhielt, gibt uns Mut und weist uns den Weg.

Alles, wozu Alma und sein Volk inspiriert wurden, diente dem Zweck, andere dazu zu bewegen, durch das Sühnopfer Jesu Christi eine Herzenswandlung zu erleben. Denn nur auf diese Weise kann uns Gott damit segnen, eines Herzens zu sein.

In Mosia lesen wir:

„Und von jener Zeit an wurden sie die Kirche Gottes oder die Kirche Christi genannt. Und es begab sich: Wer auch immer mit der Macht und Vollmacht Gottes getauft wurde, der wurde seiner Kirche hinzugefügt. …

Und er gebot ihnen, nichts zu lehren als nur das, was er gelehrt hatte und was durch den Mund der heiligen Propheten gesprochen worden war.

Ja, er gebot ihnen, nämlich, sie sollten nichts predigen als nur Umkehr und Glauben an den Herrn, der sein Volk erlöst hat.

Und er gebot ihnen, sie sollten keinen Streit untereinander haben, sondern sie sollten eines Sinnes vorwärtsblicken, einen Glauben und eine Taufe haben und ihre Herzen in Einigkeit und gegenseitiger Liebe verbunden haben.

Und so gebot er ihnen, zu predigen. Und so wurden sie die Kinder Gottes.“3

Deshalb gebot Alma dem Volk, Glauben und Umkehr zu predigen. Deshalb rechneten meine Kinder schon immer damit, dass ich einen Weg finden würde, jemanden während der Lektion beim Familienabend zu bitten, Zeugnis vom Erlöser und dessen Mission zu geben. Manchmal gaben wir Eltern Zeugnis. An den besten Abenden gelang es uns, ein Kind zum Zeugnisgeben zu bewegen, indem es entweder die Lektion gab oder auf eine Frage antwortete. Wenn jemand Zeugnis vom Erretter gab, wurde es durch den Heiligen Geist bestätigt. An diesen Abenden waren wir im Herzen vereint.

Neben Verordnungen gibt es auch Grundsätze, an die wir uns als Volk halten und die größere Einigkeit herbeiführen.

Einer dieser Grundsätze ist Offenbarung. Nur durch Offenbarung können wir erfahren, wie wir dem Willen des Herrn gemeinsam folgen können. Dazu brauchen wir das Licht des Himmels. Der Heilige Geist wird uns und denen, die sich mit uns versammelt haben, im Herzen bezeugen, was der Herr sich von uns wünscht. Und dadurch, dass wir seine Gebote halten, können wir im Herzen verbunden und eins werden.

Ein zweiter Grundsatz, der uns auf dem Weg dahin, eins zu werden, leitet, ist Demut. Stolz ist der ärgste Feind der Einigkeit. Jeder von uns hat erlebt, was er Schlimmes anrichten kann. Vor ein paar Tagen bekam ich mit, wie zwei Menschen – gute Menschen – zunächst nur eine kleine Meinungsverschiedenheit hatten. Sie diskutierten anfangs darüber, was richtig sei, doch es artete in einen Streit darüber aus, wer Recht habe. Sie wurden allmählich immer lauter. Ihre Gesichter röteten sich. Anstatt beim Thema zu bleiben, redeten sie über sich selbst und versuchten zu beweisen, warum ihre Ansicht, aufgrund ihrer Befähigung und Erfahrung, die richtige sei.

Sicher wären Sie genauso beunruhigt gewesen wie ich. Wir wissen, dass solch ein trauriger Streit ein Leben zerstören kann. Jeder von uns kennt Menschen, die aus gekränktem Stolz der Kirche den Rücken gekehrt haben.

Glücklicherweise sehe ich auch immer mehr und immer geschicktere Friedensstifter, die die Wogen glätten, bevor jemand Schaden nimmt. Sie können einer dieser Friedensstifter sein, ob Sie nun an dem Streit beteiligt sind oder ihn nur mitbekommen.

Das erreicht man beispielsweise, indem man nach etwas sucht, worin man sich einig ist. Um Frieden zu stiften, müssen wir einfach darauf vertrauen, dass wir als Kinder Gottes zwar unterschiedliche Meinungen haben, jedoch in jeder Meinung, für die sich jemand stark macht, wohl auch etwas Wahres steckt. Dem Friedensstifter gelingt es, dass die anderen die Wahrheit erkennen, die sie verbindet, und er stellt so die Einigkeit wieder her. Diese Wahrheit, die sie miteinander verbindet, ist immer größer und bedeutet den Beteiligten mehr als jede Meinungsverschiedenheit. Sie können sich und anderen helfen, diese Gemeinsamkeit zu entdecken, wenn Sie Gott um Hilfe bitten und dann zur Tat schreiten. Er wird Sie erhören, wie er es bei mir getan hat, damit Sie den Frieden wiederherstellen können.

Der gleiche Grundsatz gilt auch dann, wenn wir mit Menschen völlig unterschiedlicher Herkunft eins sein wollen. Die Kinder Gottes verbindet mehr, als sie unterscheidet. Man kann die Unterschiede sogar als Chance betrachten. Gott wird Ihnen helfen, das, was einen anderen Menschen anders macht, nicht als Ärgernis zu sehen, sondern als Bereicherung. Der Herr kann Ihnen erkennen und würdigen helfen, wenn jemand anders etwas beiträgt, was Sie nicht geben können. Ich habe mehr als einmal die Güte des Herrn verspürt, als er mich mit Menschen zusammenführte, die anders waren als ich und deren Andersartigkeit genau die Hilfe war, die ich brauchte. Auf diese Weise hat der Herr etwas hinzugefügt, was mir fehlte, um ihm besser dienen zu können.

Damit komme ich zu einem weiteren Grundsatz der Einigkeit. Wir sollen gut voneinander sprechen. Überlegen Sie, wann Sie das letzte Mal um Ihre Meinung über einen Angehörigen oder jemanden aus der Kirche gebeten wurden. Ich habe das letzte Woche mehrmals erlebt. Sicher müssen wir manchmal andere beurteilen. Manchmal müssen wir unsere Meinung sogar aussprechen. Doch meistens können wir uns entscheiden. Zum Beispiel, wenn Sie gefragt werden, was Sie von dem neuen Bischof halten.

Wenn wir stetig besser darin werden, Einigkeit zu schaffen, werden wir, wenn uns diese Frage gestellt wird, an eine Schriftstelle denken: „Und nun, meine Brüder, in Anbetracht dessen, dass ihr das Licht kennt, mit dem ihr urteilen könnt, und dieses Licht ist das Licht Christi, seht zu, dass ihr nicht unrecht urteilt; denn mit dem gleichen Richterspruch, mit dem ihr richtet, werdet auch ihr gerichtet werden.“4

Wenn Ihnen klar ist, dass Sie andere nur in einem unvollkommenen Licht betrachten, werden Sie bei dem, was Sie sagen, wahrscheinlich etwas großmütiger sein. Vielleicht denken Sie nicht nur an diese Schriftstelle, sondern erinnern sich auch an das, was Ihre Mutter gesagt hat, wie meine es getan hat: „Wenn du nichts Gutes über jemanden sagen kannst, sag lieber gar nichts.“

Das wird Ihnen helfen, auf die besten Seiten des Bischofs zu achten, was seinen Charakter und seine Leistungen angeht. Der Erretter wird, wenn er Sie später liebevoll richtet, Ihre Leistung – und meine – sicherlich auch so beurteilen. Die Schriftstelle und der Spruch, den Sie von Ihrer Mutter gehört haben, bewegen Sie dann vielleicht dazu, zu beschreiben, was der Bischof am besten macht und was er Gutes beabsichtigt. Ich verheiße Ihnen, dass Sie Frieden und Freude verspüren werden, wenn Sie im Licht Christi großmütig über andere sprechen. Sie werden beispielsweise Einigkeit mit dem Bischof verspüren und mit demjenigen, der um Ihre Meinung gebeten hat – nicht, weil der Bischof vollkommen ist oder Ihr Gegenüber mit Ihrem großmütigen Urteil übereinstimmt, sondern weil der Herr Sie spüren lässt, wie sehr er sich freut, dass Sie Abstand davon genommen haben, Samen zu streuen, aus denen Uneinigkeit sprießen würde.

Diesen Grundsatz müssen wir auch in Zukunft beherzigen, da der Herr immer mehr Menschen sammelt, die anders sind als wir. Dadurch werden wir besser erkennen, dass das Sühnopfer in uns allen dieselbe Wandlung hervorruft. Wir werden zu einem Jünger, der sanftmütig, liebevoll und leicht zu bewegen ist, aber auch furchtlos und in allem treu. Zwar leben wir in verschiedenen Ländern, doch wir durchlaufen eine Wandlung, wenn wir Teil der Kirche werden. Die Gaben des Geistes machen uns zu dem, wovon einst der Apostel Paulus sprach:

„Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater.

Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“5

Durch die Einigkeit, die ich wachsen sehe, kann der Herr Dinge vollbringen, die die Welt für Wunder hält. Die Heiligen können alles vollbringen, was der Herr wünscht, wenn sie in Rechtschaffenheit vereint sind.

Ich habe selbst gehört, wie Präsidenten, Gouverneure und Funktionäre internationaler Hilfsorganisationen uns gelobt haben, mit Worten wie diesen: „Die Mitglieder Ihrer Kirche waren nach der Katastrophe als Erste am Unglücksort. Hunderte von ihnen kamen und brachten alles mit, was die Überlebenden brauchten. Sie brachten sogar ihre eigenen Zelte und Ausrüstungsgegenstände mit. Sie waren unermüdlich und fröhlich. Sie schienen zu wissen, wann und wo sie gebraucht wurden.“ Dann folgte meist ein Satz wie dieser: „Ihre Mitglieder wissen wirklich, wie man etwas richtig plant und erledigt.“

Ich danke ihnen und sage aber nicht dazu, dass das Wunder nicht nur in der Planung liegt, sondern auch im Herzen der Menschen. Die Mitglieder kamen im Namen des Herrn, um so zu helfen, wie er es tun würde. Sie kamen, weil sie auf das hörten, was die erwählten Führer des Herrn ihnen sagten. Weil sie im Herzen vereint waren, wurden sie mit größeren Fähigkeiten ausgestattet.

Ich bezeuge feierlich, dass die Einigkeit, derer wir uns jetzt erfreuen, noch größer werden wird. Gott, der Vater, lebt. Er hört und erhört unsere Gebete voller Liebe. Der Erretter Jesus Christus, auferstanden und verherrlicht, lebt und streckt uns barmherzig die Hand entgegen. Dies ist seine wahre Kirche. Präsident Monson ist der lebende Prophet Gottes. Wenn wir darin eins sind, ihn von ganzem Herzen zu unterstützen, und bereitwillig gehorchen und tun, was Gott von uns erwartet, gehen wir gemeinsam mit Macht voran, wo Gott uns auch hinschicken mag, und werden so, wie er uns haben möchte.

Ich segne Sie, auf dass Sie in der Familie und in der Kirche einig sein werden. Und ich gebe Ihnen die Verheißung des Herrn, dass Ihr rechtschaffener Herzenswunsch, diese Freude der Einigkeit zu erleben, in Erfüllung gehen wird. Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Siehe Johannes 17:21; siehe auch LuB 50:43; 93:3

  2. 3 Nephi 28:10

  3. Mosia 18:17,19-22

  4. Moroni 7:18

  5. Epheser 2:18,19