2000–2009
Lektionen aus den Gebeten des Herrn
April 2009


Lektionen aus den Gebeten des Herrn

Unsere Gebete folgen dem Muster und den Lehren des Herrn Jesus Christus. Er lehrte uns, wie wir beten sollen.

Gemeinsam mit Ihnen, liebe Brüder und Schwestern, begrüße ich von Herzen Elder Neil L. Andersen, den ich sehr bewundere. Er wurde vom Herrn zum heiligen Apostelamt berufen, wie es durch seinen Propheten, Präsident Thomas S. Monson, kundgetan wurde. Sein Leben lang hat Präsident Monson seine Fähigkeit weiterentwickelt, auf den Willen des Herrn zu hören. Wie sich der Erretter dem Willen des himmlischen Vaters fügte, so fügt sich der Prophet dem Willen des Herrn. Danke, Präsident Monson, dass Sie diese Macht weiterentwickeln und gebrauchen. Wir gratulieren Ihnen, Elder Andersen, und wir beten für Sie!

Das Vaterunser

Unsere Gebete folgen dem Muster und den Lehren des Herrn Jesus Christus. Er lehrte uns, wie wir beten sollen. Aus seinen Gebeten lernen wir viele wichtige Lektionen. Beginnen wir mit dem Vaterunser und fügen wir dann noch Lektionen aus seinen anderen Gebeten hinzu.1

Achten Sie darauf, was gelehrt wird, wenn ich nun das Vaterunser zitiere:

„Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde.

Gib uns heute das Brot, das wir brauchen.

Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“2

Das Vaterunser steht zweimal im Neuen Testament und einmal im Buch Mormon.3 Es ist auch in der Joseph-Smith-Übersetzung der Bibel4 enthalten, in der die folgenden zwei Verse den Inhalt verdeutlichen:

  1. „Und vergib uns unsere Verfehlungen, wie wir denen vergeben, die gegen uns gefehlt haben.“5

  2. „Und lass uns nicht in Versuchung geführt werden, sondern befreie uns vom Bösen.“6

Hier wird klargestellt, dass es um die Vergebung geht. Das wird auch in weiteren Äußerungen des Herrn bekräftigt. Seinen Knechten sagte er: „Insofern ihr einander eure Verfehlungen vergeben habt, so vergebe ich, der Herr, euch auch.“7 Mit anderen Worten: Wenn man Vergebung erlangen will, muss man zuerst selbst vergeben.8 Auch die Klarstellung, was Versuchungen angeht, ist hilfreich, denn gewiss würde uns Gott nicht in Versuchung führen. Der Herr sagt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“9

Auch wenn die vier Versionen des Vaterunsers nicht völlig identisch sind, beginnen sie alle mit der Anrede „Vater“, die für ein enges Verhältnis zwischen Gott und seinen Kindern steht. Die Worte „dein Name werde geheiligt“ spiegeln die Achtung und Verehrung wider, die wir beim Beten verspüren sollen. „Dein Wille geschehe“ drückt einen Gedanken aus, auf den ich später eingehe.

Zu der Bitte um „das Brot, das wir brauchen“ gehört auch, dass man geistige Nahrung braucht. Jesus, der sich selbst das „Brot des Lebens“ nannte, verhieß uns: „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern.“10 Wenn wir würdig vom Abendmahl nehmen, wird uns ferner verheißen, dass sein Geist immer mit uns ist.11 Diesen geistigen Halt können wir auf keine andere Weise erlangen.

Am Ende seines Gebets würdigt der Herr Gottes große Macht und Herrlichkeit und schließt mit „Amen“. Auch wir schließen ein Gebet mit „Amen“. Es wird in vielen Sprachen unterschiedlich ausgesprochen, doch die Bedeutung ist stets gleich. Es bedeutet „wahrhaft“ oder „wahrlich“.12 Das „Amen“ ist eine feierliche Bestätigung einer Ansprache oder eines Gebets.13 Wer dem Gesagten zustimmt, tut es durch ein vernehmliches „Amen“14 kund, wodurch er zeigt: „Das ist auch meine feierliche Erklärung.“15

Vor seinem Gebet forderte der Herr seine Jünger auf, „unnütze Wiederholungen“16 zu vermeiden und „auf diese Weise“17 zu beten. Das Vaterunser ist also ein Muster, das man befolgen soll, und kein Text, den man auswendig lernen und immer wieder aufsagen soll. Der Herr möchte einfach, dass wir in unserem beständigen Bemühen, dem Bösen zu widerstehen und rechtschaffen zu leben, um Gottes Hilfe bitten.

Fürbitten

Auch die anderen Gebete des Herrn sind lehrreich, besonders seine Gebete, in denen er Fürbitte einlegte. Man spricht von „Fürbitte“, da sich der Herr gebetserfüllt bei seinem Vater für das Wohl seiner Jünger einsetzte. Stellen Sie sich den Erlöser der Welt vor, wie er im Gebet kniet, während ich aus Johannes 17 zitiere:

„Dies sagte Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, … verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. …

Ich habe … das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. …

Denn die Worte, die du mir gegeben hast, gab ich ihnen und sie haben sie angenommen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast.

Für sie bitte ich.“18

An diesem Gebet des Herrn erkennen wir, wie deutlich er sich seiner Verantwortung als unser Mittler und Fürsprecher beim Vater bewusst ist.19 Genauso deutlich müssen wir uns unserer Verantwortung bewusst werden, seine Gebote zu halten und bis ans Ende auszuharren.20

Jesus legte auch Fürbitte für die Menschen im alten Amerika ein. In dem Bericht heißt es: „Niemand kann die Freude ermessen, die unsere Seele erfüllt hat zu der Zeit, da wir ihn für uns zum Vater beten gehört haben.“21 Jesus fügte hinzu: „Gesegnet seid ihr wegen eures Glaubens. Und nun siehe, meine Freude ist voll.“22

In einem späteren Gebet flehte Jesus um Einigkeit. „Vater“, sagte er, „ich [bete] zu dir für sie …, damit sie an mich glauben, damit ich in ihnen sei, wie du, Vater, in mir bist, damit wir eins seien.“23 Auch wir können für Einigkeit beten. Wir können dafür beten, mit den Gesalbten des Herrn und unseren Lieben eines Herzens und eines Sinnes zu sein. Wir können für Verständnis und Respekt zwischen uns und unserem Nächsten beten. Wenn unsere Mitmenschen uns am Herzen liegen, müssen wir für sie beten.24 „Betet füreinander“, lehrte Jakobus, denn „viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten.“25

Lektionen aus anderen Gebeten

Es gibt noch weitere Lektionen vom Herrn über das Beten. Er gebot seinen Jüngern: „[Ihr] müsst immer in meinem Namen zum Vater beten.“26 Außerdem betonte er: „Betet in euren Familien immer in meinem Namen zum Vater.“27 Wir setzen diese Lektion gehorsam in die Tat um, wenn wir im Namen Jesu Christi zum himmlischen Vater beten.28

Ein weiteres Gebet des Herrn lehrt uns in drei aufeinanderfolgenden Versen eine Lektion:

„Vater, ich danke dir, dass du den Heiligen Geist denen gegeben hast, die ich erwählt habe …

Vater, ich bitte dich, du wollest den Heiligen Geist all denen geben, die an ihre Worte glauben werden.

Vater, du hast ihnen den Heiligen Geist gegeben, weil sie an mich glauben.“29

Wenn es so wichtig ist, den Heiligen Geist als Begleiter zu haben, dann müssen wir auch dafür beten. Gleichermaßen müssen wir allen Bekehrten und unseren Kindern helfen, die Gabe des Heiligen Geistes zu pflegen. Wenn wir dafür beten, kann der Heilige Geist für uns zu einer entscheidenden Kraft des Guten werden.30

Wie unser Gebet noch verstärkt wird

Der Herr hat uns wissen lassen, wie wir unsere Gebete noch verstärken können. Zum Beispiel sagte er: „Das Lied der Rechtschaffenen ist ein Gebet für mich, und es wird mit einer Segnung auf ihr Haupt beantwortet werden.“31

Auch das Fasten kann unser Gebet verstärken.32 Der Herr sagte: „Auch gebe ich euch das Gebot, von dieser Zeit an mit Beten und Fasten fortzufahren.“33 Präsident Joseph F. Smith bat inständig um mehr Weisheit beim Fasten und warnte: „Es kommt durchaus vor, dass jemand übertreibt. Man kann fasten und beten, bis man davon umkommt, und das ist weder notwendig noch weise. … Der Herr erhört ein einfaches, glaubensvolles, kurzes Gebet und nimmt ein Fasten, das nicht länger als vierundzwanzig Stunden andauert, genauso bereitwillig und gern an wie ein Gebet, das aus tausend Worten besteht, und ein Fasten, das einen Monat andauert. … Der Herr nimmt das, was ausreichend ist, mit sehr viel mehr Freude und Zufriedenheit an als das, was zu viel und unnötig ist.“34

Der Gedanke von „zu lang und unnötig“ lässt sich auch auf die Länge unseres Gebets beziehen. Das Schlussgebet in einer Versammlung muss nicht jede Botschaft zusammenfassen und zu einer außerplanmäßigen Predigt werden. Das persönliche Gebet kann so lang sein, wie wir wollen, aber ein öffentliches Gebet sollte nur eine kurze Bitte sein, dass der Geist des Herrn bei uns sein möge, oder ein kurzer Ausdruck der Dankbarkeit für das, was geschehen ist.

Auch auf andere Weise können wir mehr aus dem Gebet machen. Wir können die rechte Anrede35 – besondere Fürwörter – für die Gottheit verwenden. Während weltliches Verhalten in Kleidung und Sprache immer nachlässiger wird, werden wir angehalten, beim Beten eine angemessene Sprache zu bewahren. Im Englischen benutzen wir die respektvollen Fürwörter „thee“, „thou“, „thy“ und „thine“ statt des üblichen „you“, „your“ und „yours“.36 Das hilft uns, demütig zu sein. Auch Demut verstärkt unser Gebet. In der Schrift heißt es: „Sei demütig, dann wird der Herr, dein Gott, dich an der Hand führen und dir auf deine Gebete Antwort geben.“37

Beim Gebet muss man selbst den ersten Schritt tun. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an“, spricht der Herr. „Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“38 Diese Tür öffnet sich, wenn wir zum himmlischen Vater im Namen Jesu Christi beten.39

Wann sollen wir beten? Wann immer wir es wünschen! Alma sagte: „Berate dich mit dem Herrn in allem, was du tust, und er wird dich zum Guten lenken; ja, wenn du dich zur Nacht niederlegst, so lege dich nieder im Herrn, … und wenn du dich morgens erhebst, so lass dein Herz von Dank erfüllt sein gegen Gott; und wenn du das alles tust, wirst du am letzten Tag emporgehoben werden.“40 Jesus gebot seinen Jüngern, „sie sollten nicht aufhören, im Herzen zu beten“.41

Als Mitglieder der Kirche knien wir jeden Morgen und Abend im Familiengebet nieder, sprechen außerdem das persönliche Gebet und segnen unsere Speisen.42 Präsident Monson hat gesagt: „Wenn wir mit der Familie und für uns allein beten, dann wollen wir dies voller Glauben an den Herrn und voller Vertrauen auf ihn tun.“43 Wenn wir also um zeitliche und geistige Segnungen bitten, sollen wir dies genau wie Christus im Vaterunser mit den Worten tun: „Dein Wille geschehe.“44

Jesus Christus, der Erretter der Welt, der uns mit seinem Blut loskaufte, ist unser Erlöser und unser großes Vorbild.45 Am Ende seiner irdischen Mission bat er, dass sein Wille – als geliebter Sohn – im Willen des Vaters verschlungen werde.46 In dieser entscheidenden Stunde flehte der Heiland: „Vater, … nicht wie ich will, sondern wie du willst.“47 Darum sollen auch wir zu Gott beten: „Dein Wille geschehe.“

Und lassen Sie uns immer beten, „damit [das] Reich [des Herrn] auf der Erde vorwärtsschreite, damit ihre Bewohner … bereit seien für die … Tage, in denen des Menschen Sohn … herabkommen wird, angetan mit dem hellen Glanz seiner Herrlichkeit, um dem Reich Gottes zu begegnen, das auf Erden errichtet ist.“48

Mögen wir diese kostbaren Lektionen des Herrn im täglichen Leben und in unseren eigenen entscheidenden Stunden mit aller Entschlossenheit umsetzen. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Die Januar-Ausgabe 1976 des Ensign behandelte speziell das Thema Gebet. Wer sich mit dem Gebet aufrichtig auseinandersetzt, wird viel aus diesen Artikeln lernen.

  2. Matthäus 6:9-13 und Fußnote

  3. Siehe Matthäus 6:9-13; Lukas 11:2-4; 3 Nephi 13:9-13

  4. Siehe Joseph Smith Translation, Matthäus 6:9-15

  5. Joseph Smith Translation, Matthäus 6:13

  6. Joseph Smith Translation, Matthäus 6:14

  7. LuB 82:1

  8. Siehe Matthäus 18:23-35; LuB 64:10

  9. Matthäus 26:41

  10. Johannes 6:35; siehe auch Johannes 6:48,51

  11. Siehe Moroni 4:3; 5:2; LuB 20:77,79

  12. Auf Hebräisch und Griechisch bedeutet Amen „wahrhaft“, „bestimmt“, „wahrlich“ oder „so sei es“.

  13. Siehe Offenbarung 1:18; 22:20,21. Es wird auch zur Bestätigung eines Übereinkommens verwendet.

  14. Siehe 1 Korinther 14:16

  15. Siehe Psalm 106:48; Offenbarung 5:13,14; 19:4; LuB 88:135

  16. 3 Nephi 13:7; siehe auch Matthäus 6:7

  17. 3 Nephi 13:9

  18. Johannes 17:1,4,8,9

  19. Siehe 1 Timotheus 2:5; 1 Johannes 2:1; LuB 29:5; 45:3; 110:4

  20. Siehe LuB 14:7

  21. 3 Nephi 17:17

  22. 3 Nephi 17:20

  23. 3 Nephi 19:23

  24. Siehe Matthäus 5:44; Alma 34:27; 3 Nephi 18:21

  25. Jakobus 5:16

  26. 3 Nephi 18:19

  27. 3 Nephi 18:21

  28. Siehe 2 Nephi 32:9; 33:12; 3 Nephi 18:23,30; 19:6,7; 20:31; 28:30

  29. 3 Nephi 19:20-22

  30. Siehe Johannes 10:27,28 (vgl. auch LuB 84:43-47); 2 Nephi 31:17-20; Alma 5:38. Wir können auch um den Heiligen Geist als Begleiter bitten, der für uns eintritt und durch den wir erkennen, wofür wir beten sollen (siehe Römer 8:26).

  31. LuB 25:12

  32. Siehe Apostelgeschichte 14:23; 1 Korinther 7:5; Omni 1:26; Alma 5:46; 6:6; 17:3; 17:9; 28:6; 45:1; 3 Nephi 27:1; 4 Nephi 1:12; Moroni 6:5

  33. LuB 88:76

  34. Joseph F. Smith, Generalkonferenz, Frühjahr 1912

  35. Joseph Smith Translation, Psalm 17:1

  36. Siehe Spencer W. Kimball, Faith Precedes the Miracle, 1972, Seite 201; Stephen L. Richards, Herbst-Generalkonferenz 1951; Bruce R. McConkie, „Why the Lord Ordained Prayer“, Ensign, Januar 1976, Seite 12; L. Tom Perry, „Unser Vater im Himmel“, Der Stern, April 1984, Seite 18ff. und Dallin H. Oaks, „Die Sprache des Betens“, Der Stern, Juli 1993, Seite 15ff. Einzelheiten zu diesen sprachlichen Ausdrücken werden näher erläutert von Don E. Norton Jr. in „The Language of Formal Prayer“, Ensign, Januar 1976, Seite 44-47.

  37. LuB 112:10; siehe auch Psalm 24:3,4; Matthäus 6:12; Helaman 3:35; LuB 64:8-10

  38. Offenbarung 3:20

  39. Siehe 3 Nephi 18:20; LuB 88:64

  40. Alma 37:37; siehe auch Philipper 4:6; Alma 34:18-27; LuB 10:5; 93:49

  41. 3 Nephi 20:1

  42. Siehe Ensign, Januar 1976, Seite 11

  43. Thomas S. Monson, „Eine königliche Priesterschaft“, Liahona, November 2007, Seite 61

  44. Siehe Matthäus 26:42; Jakob 7:14; Ether 12:29; LuB 109:44; Mose 4:2

  45. Siehe 3 Nephi 27:13-15,21,22

  46. Siehe Mosia 15:7

  47. Matthäus 26:39; siehe auch Mose 4:2, woraus sich auf die demütige Einstellung schließen lässt, die unser Erretter von Anfang an hatte

  48. LuB 65:5