2010–2019
Unsere Pflicht vor Gott – die Mission der Eltern und Führer bei der heranwachsenden Generation
April 2010


Unsere Pflicht vor Gott – die Mission der Eltern und Führer bei der heranwachsenden Generation

Es ist eine zwingende Notwendigkeit, Jugendlichen zu helfen, dass sie das Evangelium auf ihre eigene Weise zutiefst verinnerlichen und daran glauben.

Heute Nachmittag möchte ich die Eltern und alle, die berufen sind, die Jugend dieser Welt zu führen und ihr zu dienen, anspornen. Der Herr hat Joseph Smith offenbart, dass wir eine „zwingende Pflicht“ haben, „die wir der gesamten heranwachsenden Generation … schulden.“ (LuB 123:11.)

Im Laufe meines Lebens als Vater und Großvater habe ich darüber nachgedacht, was meine Pflicht vor Gott in Bezug auf die Jugend ist. Ich möchte Ihnen erzählen, was mir durch eigene Überlegung und durch Zeugnis klar geworden ist.

Für uns alle als Eltern oder Führer beginnt unsere Pflicht vor Gott damit, dass wir durch unser Beispiel führen – dass wir beständig und eifrig zu Hause die Grundsätze des Evangeliums leben. Das erfordert täglich Entschlossenheit und Eifer.

Es gibt keinen Ersatz dafür, dass die Jugend sieht, wie wir das Evangelium jeden Tag leben. Helamans junge Krieger mussten sich nicht fragen, was ihre Eltern glaubten. Sie sagten: „Wir zweifeln nicht; unsere Mütter haben es gewusst.“ (Siehe Alma 56:47,48.) Wissen unsere Kinder, was wir wissen?

Einer meiner Enkel bat mich einmal, mit ihm in einen beliebten, aber etwas anstößigen Film zu gehen. Ich sagte ihm, ich sei nicht alt genug für diesen Film. Er war erstaunt. Dann erklärte ihm seine Großmutter, dass die Altersfreigabe für seinen Großvater nicht gelte. Er kam zu mir zurück und meinte: „Jetzt hab ich’s kapiert, Opa, du wirst nie alt genug sein, um diesen Film anzuschauen, stimmt’s?“ Und er hatte Recht!

Zum einen zeigen wir den Jugendlichen durch unser Beispiel den Weg, zum anderen führen wir sie, indem wir verstehen, was ihr Herz bewegt, und Seite an Seite mit ihnen auf dem Pfad des Evangeliums gehen. Um wirklich zu verstehen, was ihr Herz bewegt, müssen wir mehr tun, als nur im gleichen Zimmer mit ihnen zu sein oder an denselben Aktivitäten in der Familie oder in der Kirche teilzunehmen. Wir müssen Augenblicke, in denen wir bei ihnen in Herz und Sinn einen tiefen und dauerhaften Eindruck hinterlassen können, herbeiführen und sie nutzen, wenn sie eintreten.

Beispielsweise planen die Führungskräfte der Kirche regelmäßig Priestertumsaktivitäten und Pfadfindertreffen und Zeltlager – aber erfüllen diese Aktivitäten immer ihren wichtigsten Zweck? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Priestertums- oder Pfadfinderaktivität für einen Jungen nicht dadurch die größte Bedeutung gewinnt, dass er ein Verdienstabzeichen bekommt, sondern dadurch, dass er neben einem Führer sitzen kann, der an ihm und seinem Leben interessiert ist, und dass er sich mit ihm unterhält.

Mütter und Väter, nutzen Sie die Zeit, wenn Sie die Kinder zur Schule oder zu verschiedenen Aktivitäten fahren oder sie zu Fuß dorthin begleiten, in ähnlicher Weise, um mit ihnen über ihre Hoffnungen, Träume, Ängste und Freuden zu sprechen? Nehmen Sie sich die Zeit, Ihre Kinder zu bitten, die Kopfhörer von ihren MP3-Spielern und all den anderen Geräten von den Ohren zu nehmen, damit sie Ihnen zuhören und Ihre Liebe spüren können? Je länger ich lebe, desto klarer wird mir, dass die Augenblicke, in denen ich in meiner Jugend etwas gelernt habe – vor allem von meinen Eltern –, mein Leben geformt und mich zu dem gemacht haben, was ich bin.

Der Einfluss von Eltern, die wissen, was das Herz ihrer Kinder bewegt, ist nicht zu überschätzen. Forschungsergebnissen zufolge hat während der wichtigsten Übergänge im Leben – einschließlich der Zeiten, in denen Jugendliche sich am ehesten von der Kirche entfernen – nicht etwa ein Gespräch mit dem Bischof oder einem anderen Führungsbeamten den größten Einfluss, sondern der regelmäßige, herzliche, freundliche, fürsorgliche Umgang mit den Eltern.

Fragen wir uns vor diesem Hintergrund: Ist unsere ganze Familie da, wenn wir uns zum Essen an den Tisch setzen? Ich weiß noch, dass ich als Junge einmal darum bat, in der Abendessenszeit Baseball spielen zu dürfen. „Stell mein Essen einfach in den Ofen“, sagte ich zu meiner Mutter. Sie meinte darauf: „Robert, ich möchte, dass du dir die Zeit nimmst, nach Hause kommst und mit der Familie gemeinsam isst. Danach kannst du hinausgehen und Baseball spielen, bis es dunkel wird.“ Sie brachte uns allen bei, dass es bei den gemeinsamen Mahlzeiten als Familie nicht das Essen ist, was die Seele nährt, sondern der Umgang mit der Familie. Meine Mutter lehrte uns, dass es nirgendwo so viel Liebe gibt wie daheim.

Damit wir im Umgang mit den Jugendlichen wirklich ihr Herz berühren, müssen wir ihnen genauso viel Aufmerksamkeit schenken wie einem vertrauten erwachsenen Kollegen oder einem guten Freund. Am wichtigsten ist es, ihnen Fragen zu stellen, sie reden zu lassen und dann bereit zu sein, zuzuhören – ja, zuzuhören und noch mehr zuzuhören –, auch mit geistigen Ohren zuzuhören! Vor einigen Jahren las ich gerade Zeitung, als einer meiner kleinen Enkel kam und sich an mich kuschelte. Ich freute mich, beim Lesen im Hintergrund sein Kinderstimmchen plappern zu hören. Was glauben Sie, wie überrascht ich war, als er sich kurz darauf zwischen mich und die Zeitung schob! Er nahm mein Gesicht in seine Hände, presste seine Nase gegen meine und fragte mich: „Opa! Hörst du mir eigentlich zu?“

Mütter, Väter, hören Sie eigentlich zu? Großmütter, Großväter, hören Sie eigentlich zu? Da sein – zuhören – bedeutet, dass man weiß, was das Herz der Jugendlichen bewegt, und Verbindung mit ihnen aufnimmt. Und Verbindung mit ihnen aufzunehmen bedeutet nicht nur, dass man sich mit ihnen unterhält, sondern auch, dass man gemeinsam etwas unternimmt.

Vor kurzem hörte ich eine Mutter erzählen, wie sie ihren ersten drei Töchtern geholfen hatte, ihre Aufgaben im Heft Mein Fortschritt zu erfüllen, indem sie machte, was von ihr erwartet wurde – sie hielt sich auf dem Laufenden und unterschrieb die Projekte. Dann erklärte sie liebevoll, während ihr Tränen über das Gesicht liefen: „Vor kurzem habe ich mit meiner vierten Tochter daran gearbeitet. Ich habe die Projekte tatsächlich gemeinsam mit ihr durchgeführt. Es hat unser Leben und unsere Beziehung völlig verändert. Aber wie traurig bin ich, wenn ich daran denke, was mir entgangen ist, weil ich das mit meinen anderen drei Töchtern nicht gemacht habe.“ Die traurigsten Worte, die man sprechen oder schreiben kann, lauten: „Es hätte sein können!“1

Den erwachsenen Mitgliedern der Kirche muss klar sein, dass die Anforderungen in den Programmen Mein Fortschritt und Pflicht vor Gott keine Strichliste sind, die man abhaken kann. Es geht dabei um persönliche Ziele, die sich jeder Junge Mann und jede Junge Dame setzen, um würdig zu werden, die heiligen Handlungen des Tempels zu empfangen, auf Mission zu gehen, eine ewige Ehe zu schließen und in die Erhöhung einzugehen. Um es klar und deutlich zu sagen: Für jeden Jungen Mann und jede Junge Dame wäre es ein großer Verlust und eine Tragödie, wenn sie versuchen müssten, diese Ziele allein zu erreichen!

Väter, Mütter und Jugendführer, wir bitten Sie inständig, mit Ihren Kindern und Jugendlichen an den Programmen Mein Fortschritt und Pflicht vor Gott teilzunehmen. Nicht nur die Jugendlichen, auch Sie werden Fortschritt machen. Und was genauso wichtig ist: Sie werden in einem Bund des Glaubens und der Freundschaft zusammenwachsen, der es Ihnen ermöglicht, einander zu stärken und für immer auf dem Pfad des Evangeliums zu bleiben, damit Sie in der Tat eine ewige Familie werden.

Ein gleichermaßen wichtiger Bestandteil bei der Erfüllung unserer elterlichen Pflicht gegenüber Gott besteht darin, unsere Kinder das Evangelium zu lehren und sie darauf vorzubereiten, sich in der wiederhergestellten Kirche des Erretters an allem zu beteiligen. Denken Sie an die Lektion, die König Benjamins Volk lernte. Aufgrund dessen, was er sagte, erlebten viele der Erwachsenen eine mächtige Wandlung des Herzens (siehe Mosia 5:2). Aber dann heißt es weiter: „Es gab viele unter der heranwachsenden Generation, die die Worte König Benjamins nicht verstehen konnten, denn damals, als er zu seinem Volk sprach, waren sie noch kleine Kinder gewesen; und sie glaubten … nicht … und ihr Herz war verhärtet.“ (Mosia 26:1,3.)

Es ist eine zwingende Notwendigkeit, Jugendlichen zu helfen, dass sie das Evangelium auf ihre eigene Weise zutiefst verinnerlichen und daran glauben. Wir können sie lehren, im Licht zu wandeln, aber dieses Licht kann man nicht borgen. Sie müssen es für sich selbst erarbeiten. Sie müssen das Licht eines Zeugnisses selbst gewinnen, und zwar unmittelbar von der Quelle geistigen Lichts – Gott selbst –, indem sie beten, in den Schriften lesen und darüber nachdenken. Sie müssen verstehen, wer sie sind und was der Vater im Himmel aus ihnen werden lassen möchte. Wie helfen wir ihnen?

Wenn wir einen Familienabend oder Familienrat abhalten oder mit unseren Kindern ein gutes Gespräch über das Evangelium führen, haben wir die Gelegenheit, ihnen in die Augen zu sehen und ihnen zu sagen, dass wir sie lieb haben und dass der Vater im Himmel sie lieb hat. In diesem heiligen Rahmen können wir ihnen auch helfen, tief im Herzen zu verstehen, wer sie sind und welches Glück sie hatten, auf diese Erde und in unsere Familie zu kommen und an den Bündnissen teilzuhaben, die wir im Tempel geschlossen haben, um eine ewige Familie zu sein. Wann immer wir mit ihnen Kontakt haben, sprechen wir über die Grundsätze und Segnungen des Evangeliums oder zeigen, wie man sie umsetzt.

In dieser gefährlichen Zeit genügt es nicht, wenn unsere Jugendlichen etwas lediglich wissen. Sie müssen es tun. Wenn sie von ganzem Herzen an heiligen Handlungen teilnehmen, sich in Kollegien und Hilfsorganisationen, an inspirierten Programmen und stärkenden Aktivitäten beteiligen, hilft es ihnen, die Rüstung Gottes vollständig anzulegen. Werden wir ihnen helfen, diese Rüstung anzulegen, damit sie den feurigen Pfeilen des Widersachers standhalten können? Um sich wahrhaftig für den Weg des Herrn zu entscheiden, müssen sie seinen Weg kennen. Und um seinen Weg wirklich zu kennen, müssen wir sie lehren und sie dahin führen, zu handeln, sich zu beteiligen und etwas zu tun.

Die größte Missionsarbeit, die wir jemals verrichten werden, findet bei uns zu Hause statt. Unser Zuhause, unsere Kollegien und Klassen sind unser Missionsgebiet. Unsere Kinder und Enkelkinder sind für uns die wichtigsten Untersucher.

Die größte genealogische Arbeit, die wir verrichten werden, findet bei uns zu Hause statt. Sie ist die geistige Vorbereitung unserer Kinder in der heranwachsenden Generation, die durch ihren Gehorsam sicherstellen, dass unsere Familie in den kommenden Generationen auf ewig bewahrt bleibt und fortbesteht.

Die größte Rettungsarbeit, die größte Aktivierung, findet bei uns zu Hause statt. Wenn jemand aus Ihrer Familie auf Abwege geraten ist, sind Sie ein Erretter; Sie sind an der größten Rettungsaktion beteiligt, die es in der Kirche jemals gab. Ich bezeuge Ihnen aus eigener Erfahrung: Versagt hat man nur, wenn man aufgibt. Für einen Anfang ist es nie zu früh oder zu spät. Machen Sie sich keine Sorgen um vergangene Geschehnisse. Rufen Sie an. Schreiben Sie eine Karte. Machen Sie einen Besuch. Sprechen Sie die Einladung aus, nach Hause zu kommen. Haben Sie keine Angst, und seien Sie nicht verlegen. Ihr Kind ist auch ein Kind des Vaters im Himmel. Sie verrichten sein Werk. Er hat verheißen, dass er seine Kinder sammeln wird, und er steht Ihnen bei.

Den größten Glauben zeigen wir in unserer Familie, wenn wir in den Prüfungen und dem Kummer, die wir als Eltern erfahren, stark bleiben. Präsident Monson sagte vor kurzem zu einer kleinen Gruppe von Müttern: „Manchmal beurteilen wir voreilig, welche Auswirkungen unsere Erfolge und Fehlschläge haben.“ Und ich möchte hinzufügen: Betrachten Sie die heutigen Prüfungen nicht als ewig. Der Vater im Himmel verrichtet sein Werk auf lange Sicht. „Es gibt vieles, was in der Zukunft liegt“, sagte der Prophet Joseph Smith. „Darum … lasst uns frohgemut alles tun, was in unserer Macht liegt, und dann mögen wir mit größter Zuversicht ruhig stehen, um die Errettung Gottes zu sehen, und dass sein Arm offenbar werde.“ (LuB 123:15,17.)

An diesem Ostersonntag hoffe ich, dass wir die Gelegenheit haben, zu bezeugen, dass wir wissen, dass Gott lebt und dass Jesus der Messias ist. Ich hoffe, dass wir unser Zeugnis geben, damit unsere Kinder wissen, wovon wir überzeugt sind und dass wir sie lieb haben. Die größte Liebe und den großartigsten Unterricht muss es bei uns zu Hause geben.

Ich erbitte den Segen des Herrn für die Eltern und die Jugendlichen, die in einer gläubigen Familie aufwachsen, dass sie erkennen, was für eine Freude es ist, in einem Zuhause und in einer Familie zu sein, wo sie geliebt, geführt und geleitet werden können. Ich bete darum, dass wir eine ewige Familie haben und für immer zusammen in der Gegenwart Gottvaters und seines Sohnes, Jesus Christus, sein können.

Ich gebe mein besonderes Zeugnis, dass Jesus Christus lebt. Er ist der Hirte des verlorenen Schafs, er rettet die gestrandete Seele, er heilt das verwundete Herz, er ist die Hoffnung der ganzen Menschheit. Lassen Sie uns mit ihm als unserem Meister unsere Pflicht vor Gott erfüllen – mit Glauben an ihn und seine ewige Liebe für einen jeden von uns. Darum bitte ich im Namen Jesu Christi. Amen.

ANMERKUNG

  1. Siehe „Maud Muller“, The Complete Poetical Works of John Greenleaf Whittier, 1876, Seite 206