2010–2019
Ratschläge für die Jugend
Oktober 2011


Ratschläge für die Jugend

Trotz aller Widerstände, Prüfungen und Versuchungen braucht ihr nicht zu verzweifeln oder Angst zu haben.

Ich möchte gegenüber den Jugendlichen einen persönlicheren Ton anschlagen als gewöhnlich und meine Jugend mit der euren vergleichen.

Ihr seid unendlich kostbar. Ich habe euch in dutzenden Ländern auf jedem Kontinent beobachtet. Ihr seid viel besser, als wir es in unserer Jugend waren. Ihr wisst mehr über das Evangelium. Ihr seid reifer und steht fester im Glauben.

Ich bin jetzt 87 Jahre alt. Ihr fragt euch vielleicht, was jemand in meinem Alter euch mitgeben kann. Ich war auch einmal da, wo ihr jetzt steht, und kenne euren Weg. Aber ihr wart noch nicht da, wo ich jetzt bin. Ich zitiere ein paar Zeilen klassische Dichtung:

Die alte Krähe eilt nicht mehr,

rasch ist der jungen Reise.

Schnell mag die junge Krähe sein,

doch ist die alte weise.

Die alte Krähe weiß sehr viel,

woran der jungen nicht viel liegt.

Denn eins die alte längst vergaß:

Wie man noch schneller fliegt.

Umher, hinab und hoch ins Licht

ist junger Krähen Weise.

Doch eines weiß die junge nicht:

Wohin geht meine Reise?1

Nicht gerade Wordsworth, aber immerhin klassische Dichtung!

Angesichts all dessen, was in der Welt vor sich geht, angesichts des Sinkens moralischer Maßstäbe, muss man sagen: Ihr jungen Leute wachst in Feindesland auf.

Wir wissen aus den heiligen Schriften, dass es im Himmel einen Kampf gab und dass Luzifer sich auflehnte und mit seinen Anhängern „auf die Erde gestürzt“ wurde.2 Er ist entschlossen, den Plan des Vaters im Himmel zu zerschlagen, und will bestimmen, was alle denken und wie sie handeln. Diese Beeinflussung erfolgt geistig, und er „geht im Land umher“.3

Doch trotz aller Widerstände, Prüfungen und Versuchungen braucht ihr nicht zu verzweifeln oder Angst zu haben.

Als ich siebzehn war und im Begriff, als ziemlich durchschnittlicher Schüler, der hie und da etwas benachteiligt war, wie ich dachte, meinen Schulabschluss zu machen, geriet eines Sonntagmorgens unsere Welt aus den Fugen. Am nächsten Tag wurden wir in die Schulaula bestellt. Auf der Bühne stand ein Stuhl mit einem kleinen Radio. Der Rektor schaltete es ein. Und dann hörten wir die Stimme von Präsident Franklin Delano Roosevelt, der bekannt gab, dass Pearl Harbor bombardiert worden war. Die Vereinigten Staaten befanden sich im Krieg mit Japan.

Dieser Vorgang sollte sich noch einmal wiederholen. Abermals hörten wir Präsident Roosevelt. Diesmal erklärte er, unser Land befinde sich im Krieg mit Deutschland. Der Zweite Weltkrieg hatte die ganze Welt erfasst.

Mit einem Mal war unsere Zukunft ungewiss. Wir wussten nicht, was uns bevorstand. Ob wir wohl heiraten und eine Familie gründen konnten?

Heute hört man „von Kriegen und Kriegsgerüchten …, und die ganze Erde [ist] in Aufruhr“.4 Ihr, unsere Jugend, mögt Ungewissheit und Unsicherheit verspüren. Ich möchte euch Rat geben, euch einiges erklären, was ihr machen sollt, und euch vor einigem warnen, was ihr nicht machen sollt.

Der Evangeliumsplan ist „der große Plan des Glücklichseins“.5 Die Familie steht im Mittelpunkt dieses Planes. Die Familie hängt davon ab, dass man von den lebensspendenden Kräften im Körper würdig Gebrauch macht.

In der Proklamation zur Familie, einem von der Ersten Präsidentschaft und dem Kollegium der Zwölf Apostel herausgegebenen inspirierten Dokument, steht, dass im vorirdischen Dasein „alle Menschen – Mann und Frau – … als Abbild Gottes erschaffen [wurden]. Jeder Mensch ist ein geliebter Geistsohn oder eine geliebte Geisttochter himmlischer Eltern und hat dadurch ein göttliches Wesen und eine göttliche Bestimmung. Das Geschlecht ist ein wesentliches Merkmal[, das im vorirdischen Dasein festgelegt wurde]. …

Weiterhin verkünden wir, dass Gott geboten hat, dass die heilige Fortpflanzungskraft nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt werden darf, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind.“6

Die große Strafe, die Luzifer und seine Anhänger über sich brachten, war, dass ihnen ein sterblicher Körper verweigert wurde.

Viele der Versuchungen, die euch befallen, und gewiss die gefährlichsten, haben mit eurem Körper zu tun. Ihr habt nicht nur die Macht, für eine neue Generation Körper zu schaffen, sondern auch Entscheidungsfreiheit.

Der Prophet Joseph Smith hat erklärt: „Alle Wesen, die einen Körper haben, besitzen Macht über diejenigen, die keinen haben.“7 Jede lebende Seele, die einen Körper besitzt, hat also letzten Endes Macht über den Widersacher. Ihr erleidet Versuchungen, weil ihr mit einem Körper behaftet seid, aber ihr habt auch Macht über den Satan und seine Engel.

Als wir unseren Schulabschluss machten, waren viele Klassenkameraden in den Krieg gezogen. Einige sollten niemals wiederkehren. Uns übrige erwartete schon bald der Dienst beim Militär. Wir wussten nichts über unsere Zukunft. Ob wir den Krieg wohl überlebten? Ob von der Welt wohl noch genug übrig wäre, wenn wir zurückkehrten?

Um meiner mit Sicherheit bevorstehenden Einberufung zuvorzukommen, meldete ich mich zur Luftwaffe. Schon bald war ich in Santa Ana in Kalifornien zur Fliegergrundausbildung.

Damals hatte ich noch kein festes Zeugnis, dass das Evangelium wahr ist, aber ich wusste, dass meine Seminarlehrer, Abel S. Rich und John P. Lillywhite, wussten, dass es wahr ist. Ich hatte sie Zeugnis geben hören, und ich glaubte ihnen. Ich dachte mir: „Ich werde mich auf ihre Zeugnisse stützen, bis ich selbst eines habe.“ Und so war es auch.

Ich hatte vom Patriarchalischen Segen gehört, aber selbst noch keinen bekommen. In jedem Pfahl gibt es einen ordinierten Patriarchen, der den Geist der Prophezeiung und den Geist der Offenbarung hat. Er ist befugt, denjenigen, die eine Empfehlung von ihrem Bischof vorweisen können, einen persönlichen und vertraulichen Segen zu geben. Ich schrieb meinen Bischof wegen einer Empfehlung an.

J. Roland Sandstrom war der ordinierte Patriarch, der im Pfahl Santa Ana wohnte. Er wusste nichts über mich und hatte mich nie zuvor gesehen, aber er gab mir meinen Segen. Ich fand darin Antworten und Anleitung.

Auch wenn der Patriarchalische Segen eine ganz private Angelegenheit ist, möchte ich aus meinem kurz zitieren: „Du wirst durch Einflüsterungen vom Heiligen Geist geleitet werden und vor Gefahren gewarnt werden. Wenn du diese Warnungen beachtest, wird unser Vater im Himmel dich segnen, damit du wieder mit deinen Lieben vereint sein kannst.“8

Das Wörtchen wenn, so klein gedruckt es war, wirkte so bedrohlich groß wie die ganze Seite. Ich würde aus dem Krieg zurückkehren dürfen, wenn ich die Gebote hielt und wenn ich den Eingebungen des Heiligen Geistes folgte. Diese Gabe war mir zwar bei der Taufe übertragen worden, aber ich wusste trotzdem noch nicht, was der Heilige Geist war oder wie das mit den Eingebungen ablief.

Was ich über Eingebungen wissen musste, fand ich im Buch Mormon. Ich las: „Engel reden durch die Macht des Heiligen Geistes; darum reden sie die Worte von Christus. Darum … weidet euch an den Worten von Christus; denn siehe, die Worte von Christus werden euch alles sagen, was ihr tun sollt.“9

Vielleicht ist die eine großartige Erkenntnis, die ich aus dem Lesen des Buches Mormon gewonnen habe, die, dass die Stimme des Geistes sich eher als Gefühl denn als Klang darstellt. Ihr werdet lernen zu „horchen“, wie ich es gelernt habe, denn diese Stimme fühlt man eher, als man sie hört.

Nephi warf seinen älteren Brüdern vor: „Ihr habt einen Engel gesehen, und er hat zu euch gesprochen; ja, ihr habt seine Stimme von Zeit zu Zeit gehört; und er hat mit einer leisen, sanften Stimme zu euch gesprochen, aber ihr hattet kein Gefühl mehr dafür, und so konntet ihr seine Worte nicht fühlen.“10

Manche Kritiker haben behauptet, in diesem Vers stecke ein Fehler, weil man Worte höre und nicht fühle. Aber wenn man auch nur die leiseste Ahnung hat, wie der Geist kommuniziert, dann weiß man, dass sich mit dem Wort Gefühl am besten beschreiben lässt, was da geschieht.

Die Gabe des Heiligen Geistes leitet und beschützt euch, wenn ihr es zulasst, und korrigiert sogar euer Handeln. Sie ist eine geistige Stimme, die uns als Gedanke in den Sinn kommt oder als Gefühl ins Herz gelegt wird. Der Prophet Enos hat gesagt: „Die Stimme des Herrn [erging] an meinen Sinn.“11 Und der Herr sagte zu Oliver Cowdery: „Siehe, ich werde es dir in deinem Verstand und in deinem Herzen durch den Heiligen Geist sagen, der über dich kommen wird.“12

Man kann nicht erwarten, dass ihr durchs Leben geht, ohne Fehler zu machen, aber ihr werdet keinen schlimmen Fehler machen, ohne dass ihr zuvor durch Eingebungen vom Heiligen Geist gewarnt werdet. Diese Verheißung gilt allen Mitgliedern der Kirche.

Manche werden gravierende Fehler machen, indem sie die Gesetze des Evangeliums übertreten. An dieser Stelle sei auf das Sühnopfer hingewiesen, die Umkehr und die vollständige Vergebung in dem Maße, dass man wieder rein werden kann. Der Herr hat gesagt: „Siehe, wer von seinen Sünden umgekehrt ist, dem ist vergeben, und ich, der Herr, denke nicht mehr an sie.“13

Sollte euch der Widersacher wegen eines Fehlverhaltens gefangen nehmen, möchte ich euch daran erinnern, dass ihr den Schlüssel besitzt, mit dem ihr die Gefängnistür von innen aufschließen könnt. Ihr könnt reingewaschen werden durch das Sühnopfer des Erlösers Jesus Christus.

Ihr mögt in schwierigen Zeiten glauben, ihr seiet es nicht wert, errettet zu werden, weil ihr einen großen oder kleinen Fehler gemacht habt, und ihr seiet daher verloren. Doch so ist es keinesfalls! Nur Umkehr kann Wunden heilen. Und Umkehr kann tatsächlich Wunden heilen, ganz gleich, welche.

Wenn ihr in etwas hineingeratet, wo ihr nicht hineingeraten solltet, oder wenn ihr mit Leuten zusammenkommt, die euch in die falsche Richtung wegzerren, ist es an der Zeit, eure Unabhängigkeit, eure Entscheidungsfreiheit zu behaupten. Hört auf die Stimme des Geistes, und ihr werdet nicht in die Irre geführt werden.

Ich sage es noch einmal: Ihr Jugendlichen heute wachst in Feindesland auf, wo die moralischen Maßstäbe sinken. Aber als Diener des Herrn verheiße ich euch, dass ihr vor den Angriffen des Widersachers geschützt und beschirmt werdet, wenn ihr den Eingebungen folgt, die vom Heiligen Geist kommen.

Kleidet euch anständig, sprecht mit Ehrfurcht, hört erbauliche Musik. Meidet Unsittlichkeit in jeder Form und alle Gewohnheiten, die euch herabwürdigen. Nehmt euer Leben in die Hand und verlangt euch selbst ab, tapfer zu sein. Weil so viel von euch abhängt, werdet ihr in bemerkenswerter Weise gesegnet werden. Der Vater im Himmel liebt euch und verliert euch niemals aus den Augen.

Seit damals, als ich den Wunsch verspürte, mich auf das Zeugnis meiner Seminarlehrer zu stützen, hat sich die Stärke meines Zeugnisses geändert. Heute stütze ich mich beim Gehen auf andere – aufgrund meines Alters und weil ich Kinderlähmung hatte. Was das Geistige angeht, habe ich jedoch keine Zweifel. Ich bin so weit gekommen, dass ich die kostbaren Wahrheiten des Evangeliums und des Erlösers Jesus Christus glaube, verstehe und kenne.

Als einer seiner besonderen Zeugen bezeuge ich, dass der Ausgang jener Schlacht, die im vorirdischen Dasein begann, außer Frage steht. Luzifer wird verlieren.

Ich habe eingangs von Krähen gesprochen. Ihr jungen Krähen müsst nicht ziellos hin und her fliegen, ungewiss, welcher Weg vor euch liegt. Es gibt Menschen, die den Weg kennen. „Nichts tut Gott, der Herr, ohne dass er seinen Knechten, den Propheten, zuvor seinen Ratschluss offenbart hat.“14 Der Herr hat seine Kirche auf der Grundlage von Schlüsselgewalten und Ratsgremien eingerichtet.

An der Spitze der Kirche stehen fünfzehn Männer, die als Propheten, Seher und Offenbarer bestätigt werden. Jedes Mitglied der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel hat sämtliche Priestertumsschlüssel inne, die man braucht, um die Kirche zu leiten. Der dienstälteste Apostel ist der Prophet – Präsident Thomas S. Monson –, der als Einziger befugt ist, sämtliche Schlüssel auszuüben.

In den heiligen Schriften wird verlangt, dass die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel in Ratsgremien zusammenarbeiten und dass deren Beschlüsse einstimmig fallen. Und so geschieht es. Wir vertrauen darauf, dass der Herr uns den Weg zeigt, und sind bestrebt, nichts als seinen Willen zu tun. Wir wissen, dass er großes Vertrauen in uns setzt – in jeden Einzelnen und in alle miteinander.

Ihr müsst lernen, „mit ganzem Herzen … auf den Herrn [zu vertrauen und] nicht auf eigene Klugheit [zu bauen]“.15 Ihr müsst vertrauenswürdig sein und euch mit Freunden umgeben, die das auch sein wollen.

Manchmal mögt ihr versucht sein, so zu denken, wie ich manchmal in meiner Jugend gedacht habe: „So wie sich die Dinge entwickeln, wird es mit der Welt bald aus sein. Das Ende der Welt kommt, bevor ich angekommen bin, wo ich sein sollte.“ Irrtum! Ihr könnt euch darauf freuen, das Rechte zu tun: heiraten, eine Familie gründen, Kinder und Enkelkinder kommen sehen, vielleicht sogar Urenkel.

Wenn ihr euch an diese Grundsätze haltet, werdet ihr behütet und beschützt werden, und ihr werdet durch Eingebungen vom Heiligen Geist wissen, welchen Weg ihr einschlagen sollt, denn „durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist“.16 Ich verheiße euch, dass dem so sein wird, und erflehe einen Segen auf euch, unsere kostbare Jugend. Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. John Ciardi, „Fast and Slow“, Fast and Slow: Poems for Advanced Children and Beginning Parents, Seite 1; © 1975 John L. Ciardi; zitiert mit freundlicher Genehmigung der Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. Alle Rechte vorbehalten.

  2. Offenbarung 12:9; siehe auch Lehre und Bündnisse 76:25,26

  3. Lehre und Bündnisse 52:14

  4. Lehre und Bündnisse 45:26

  5. Alma 42:8

  6. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Rückumschlag

  7. Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 232

  8. Patriarchalischer Segen von Boyd K. Packer, gegeben von J. Roland Sandstrom, 15. Januar 1944

  9. 2 Nephi 32:3

  10. 1 Nephi 17:45; Hervorhebung hinzugefügt

  11. Enos 1:10

  12. Lehre und Bündnisse 8:2

  13. Lehre und Bündnisse 58:42

  14. Amos 3:7

  15. Sprichwörter 3:5

  16. Moroni 10:5