2010–2019
Freudig die Last eines Jüngers tragen
April 2014


Freudig die Last eines Jüngers tragen

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Elder Ronald A. Rasband

Es ist ein Vorzug, unsere Führungsbeamten bestätigen zu können. Mit dieser Bestätigung geht die Verantwortung einher, ihre Last mitzutragen und Jünger des Herrn Jesus Christus zu sein.

Am 20. Mai letzten Jahres suchte ein gewaltiger Wirbelsturm die Außenbezirke von Oklahoma City im Landesinneren der USA heim und zog dabei eine knapp zwei Kilometer breite und rund 30 Kilometer lange Schneise. Dieser Sturm, der sich aus einer ganzen Reihe verheerender Tornados zusammensetzte, veränderte die Landschaft und das Leben der dort wohnenden Menschen.

Nur eine Woche nach der Katastrophe wurde ich in dieses Gebiet geschickt, wo Häuser und Habseligkeiten auf einem dem Erdboden gleichgemachten Trümmerfeld verstreut lagen.

Vor meiner Abreise sprach ich mit unserem lieben Propheten, Präsident Thomas S. Monson, der nur zu gern Aufträge dieser Art für den Herrn erfüllt. Mit einer Achtung, die nicht nur seinem Amt geschuldet ist, sondern auch seiner Güte, fragte ich: „Was erwarten Sie von mir? Was soll ich den Menschen sagen?“

Er ergriff sanft meine Hand, so wie er es, wenn er dort gewesen wäre, auch bei jedem der Betroffenen und jedem, der bei den Aufräumarbeiten mithalf, gemacht hätte, und sagte:

„Versichern Sie sie zuerst meiner Zuneigung.

Sagen Sie ihnen zweitens, dass ich für sie bete.

Und danken Sie bitte drittens allen Helfern.“

Als Mitglied der Präsidentschaft der Siebziger spürte ich die Last auf den Schultern, die in diesen Worten des Herrn an Mose zum Ausdruck kommt:

„Versammle siebzig von den Ältesten Israels vor mir, Männer, die du als Älteste des Volkes und Listenführer kennst. …

Dann komme ich herab und rede … mit dir. Ich nehme etwas von dem Geist, der auf dir [Mose] ruht, und lege ihn auf sie. So können sie mit dir zusammen an der Last des Volkes tragen und du musst sie nicht mehr allein tragen.“1

Diese Worte stammen aus alter Zeit, doch die Wege des Herrn ändern sich nicht.

Gegenwärtig hat der Herr in der Kirche 317 Siebziger in acht Kollegien dazu berufen, den Zwölf Aposteln dabei zu helfen, die Last zu tragen, die der Ersten Präsidenschaft auferlegt ist. Freudig spüre ich diese Verantwortung im Innersten meiner Seele, und auch meinen Amtsbrüdern geht es so. Doch wir sind nicht die Einzigen, die bei diesem herrlichen Werk mithelfen. Als Mitglieder der Kirche überall auf der Welt haben wir alle die wunderbare Gelegenheit, etwas zum Wohle anderer zu tun.

Ich hatte von unserem geliebten Propheten erfahren, was die von dem Wirbelsturm gebeutelten Menschen wirklich brauchten – Liebe, Gebete und Anerkennung für die Hilfe, die geleistet wurde.

Heute Nachmittag werden wir alle den rechten Arm rechtwinklig heben und die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel als Propheten, Seher und Offenbarer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bestätigen. Das ist weder eine bloße Formalität noch beschränkt es sich auf diejenigen mit Zuständigkeit für die ganze Kirche. Es ist ein Vorzug, unsere Führungsbeamten bestätigen zu können. Mit dieser Bestätigung geht die Verantwortung einher, ihre Last mitzutragen und Jünger des Herrn Jesus Christus zu sein.

Präsident Monson hat gesagt:

„Brüder und Schwestern, wir sind umgeben von Menschen, die unsere Aufmerksamkeit, unseren Zuspruch, unsere Unterstützung, unseren Trost und unsere Freundlichkeit brauchen – seien es Angehörige, Freunde, Bekannte oder Fremde. Wir sind die Hände des Herrn hier auf der Erde, und wir haben den Auftrag, zu dienen und seine Kinder emporzuheben. Er ist auf einen jeden von uns angewiesen. …

‚Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.‘ [Matthäus 25:40.]“2

Lassen wir uns bei unserem Handeln von Liebe leiten, wenn sich die Gelegenheit ergibt, einen Besuch zu machen, jemanden anzurufen, jemandem eine Nachricht zu schreiben oder einen Tag damit zu verbringen, jemand anderem das zu geben, was er braucht? Oder sind wir wie der junge Mann, der von sich behauptet hat, alle Gebote Gottes zu befolgen:

„Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch?

Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“3

Der junge Mann wurde zu einem wichtigeren Dienst an der Seite des Herrn berufen – zur Mitarbeit im Reich Gottes auf Erden – und wandte sich dennoch ab, „denn er hatte ein großes Vermögen“4.

Wie steht es um unseren materiellen Besitz? Wir sehen, was ein Wirbelsturm innerhalb von Minuten daraus machen kann. Wir müssen uns bemühen, geistige Schätze im Himmel anzuhäufen – indem wir unsere Zeit, unsere Talente und unsere Entscheidungsfreiheit in den Dienst Gottes stellen.

Jesus Christus richtet weiterhin den Aufruf an uns: „Komm und folge mir nach.“5 Völlig selbstlos zogen er und seine Jünger durch ihr Heimatland. Er begleitet uns auch heute noch, steht uns bei und führt uns. Seinem vollkommenen Beispiel zu folgen bedeutet, den Erretter zu erkennen und zu ehren, der alle unsere Lasten durch sein heiliges und erlösendes Sühnopfer, die größte aller Wohltaten, auf sich genommen hat. Seine Erwartung an einen jeden von uns besteht darin, dass wir fähig und willens sind, freudig die Last eines Jüngers auf uns zu nehmen.

Während meines Aufenthalts in Oklahoma hatte ich Gelegenheit, einige der Familien kennenzulernen, die von den gewaltigen Tornados heimgesucht worden waren. Als ich mit Familie Sorrels zusammenkam, berührte mich besonders, was die Tochter Tori, damals Schülerin der fünften Klasse, erlebt hatte. Sie ist heute mit ihrer Mutter hier.

Während der Wirbelsturm durch die Schule fegte, zwängten sich Tori und eine Hand voll Mitschüler schutzsuchend in eine der Toiletten. Hier Toris eigene Schilderung, was dann geschah:

„Ich hörte, wie etwas aufs Dach schlug. Ich dachte, es sei einfach nur Hagel. Doch das Geräusch wurde immer lauter. Ich betete zum Vater im Himmel, dass er uns alle beschützen und bewahren möge. Plötzlich hörten wir einen lauten Sog, und das Dach verschwand direkt über unserem Kopf. Es gab viel Wind und es flogen Trümmer umher, die mich überall am Körper trafen. Draußen war es dunkler geworden und der Himmel schien schwarz – doch das war nicht so, sondern wir befanden uns im Inneren des Tornados. Ich schloss einfach die Augen und hoffte und betete, dass alles bald vorüber sein würde.

Auf einmal wurde es still.

Als ich die Augen aufschlug, sah ich direkt vor meinen Augen ein Stoppschild. Es berührte beinahe meine Nase.“6

Tori, ihre Mutter, drei ihrer Geschwister und zahlreiche Freunde, die ebenfalls in der Schule gewesen waren, überlebten den Tornado auf wundersame Weise, aber sieben Schulkameraden kamen um.

An diesem Wochenende spendeten die Priestertumsträger vielen Mitgliedern, die vom Sturm betroffen waren, einen Segen. Es stimmte mich demütig, Tori einen Segen geben zu dürfen. Als ich ihr die Hände auflegte, fiel mir eine meiner Lieblingsschriftstellen ein: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“7

Ich riet Tori, den Tag im Gedächtnis zu behalten, an dem ein Diener des Herrn ihr die Hände aufgelegt und ihr verkündet hatte, dass sie im Sturm von Engeln beschützt worden war.

Daran, wie wir unter allen Umständen aufeinander zugehen, um den anderen zu retten, wird in der Ewigkeit unsere Liebe gemessen. Dies ist die Art Dienen, die ich damals in Oklahoma erlebt habe.

Oftmals bietet sich uns die Chance, anderen zu helfen, wenn sie in Not sind. Als Mitglieder der Kirche haben wir alle die heilige Pflicht, „des anderen Last zu tragen, damit sie leicht sei“8, „mit den Trauernden zu trauen“9, „die herabgesunkenen Hände [emporzuheben und] die müden Knie [zu stärken]“10.

Brüder und Schwestern, der Herr ist sehr dankbar für jeden von Ihnen, für die unzähligen Stunden an selbstlosem Dienst, sei er nun klein oder groß, den Sie so großzügig und gütig jeden Tag leisten.

König Benjamin macht im Buch Mormon deutlich: „Wenn ihr im Dienste eurer Mitmenschen seid, [seid] ihr nur im Dienste eures Gottes.“11

Wenn wir uns darauf konzentrieren, unseren Brüdern und Schwestern zu dienen, kann uns das helfen, im täglichen Leben gottgefällige Entscheidungen zu treffen, und es bereitet uns darauf vor, das zu schätzen und zu lieben, was der Herr liebt. Dann tun wir durch unsere Lebensführung kund, dass wir seine Jünger sind. Wenn wir uns seinem Werk widmen, spüren wir, dass sein Geist bei uns ist. Unser Zeugnis nimmt zu, unser Glaube, unser Vertrauen und unsere Liebe.

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, nämlich Jesus Christus. Er spricht in der heutigen Zeit zu seinem Propheten und durch ihn, nämlich durch Präsident Thomas S. Monson, der uns lieb und teuer ist.

Mögen wir alle die Freude entdecken, die jeder verspürt, der in heiligem Dienst des anderen Last trägt, und sei es auch nur auf schlichte, einfache Weise. Darum bitte ich im Namen Jesu Christi. Amen.