2010–2019
Die heilige Stätte der Wiederherstellung
April 2016


Die heilige Stätte der Wiederherstellung

Palmyra war jener Schauplatz der Wiederherstellung, wo nach nahezu zwei Jahrtausenden wieder die Stimme Gottvaters erklang.

Ein guter Freund von mir, der der Kirche angehörte, versuchte jahrelang, mir die frohe Botschaft von der ewigen Familie nahezubringen. Erst als ich im Oktober 1978 an den Tagen der offenen Tür den São-Paulo-Tempel besichtigte und den Siegelungsraum betrat, berührte die Lehre von der ewigen Familie mein Herz, und ich betete tagelang, um herauszufinden, ob dies die wahre Kirche ist.

Ich selbst war nicht religiös, war aber von religiösen Eltern erzogen worden und war deshalb mit vielem vertraut, was an anderen Religionen gut war. Damals war ich der Ansicht, Gott habe an allen Religionen Gefallen.

Nachdem ich bei den Tagen der offenen Tür im Tempel gewesen war, rang ich im Gebet um eine Antwort, übte Glauben aus und war überzeugt, dass Gott mich wissen lassen werde, welche Kirche auf Erden die seine ist.

Nach langem Ringen erhielt ich endlich eine unmissverständliche Antwort. Nun stand ich vor der Frage, ob ich mich taufen lassen wolle. Meine Taufe fand am 31. Oktober 1978 statt, am Abend vor der Weihung des São-Paulo-Tempels.

Mir wurde klar, dass der Herr mich kannte und ich ihm so wichtig war, dass er meine Gebete erhört hatte.

Am folgenden Vormittag fuhren meine Frau und ich nach São Paulo und nahmen an einer Weihungssession teil.

Wir waren zwar dabei, aber ich wusste dieses wundervolle Ereignis noch nicht zu schätzen. Am nächsten Tag besuchten wir eine Gebietskonferenz.

Wir hatten also unsere Reise innerhalb der Kirche angetreten, und wir fanden gute Freunde, die uns bei der Umstellung unseres Lebensstils zur Seite standen.

Der allsonntägliche Unterricht für die neuen Mitglieder war herrlich. Wir lernten dort sehr viel und hofften immer, die Woche werde schnell vorbeigehen, damit wir am Sonntag noch mehr geistige Nahrung zu uns nehmen konnten.

Meine Frau und ich warteten sehnsüchtig auf den Tag, da wir in den Tempel gehen und uns als Familie für die Ewigkeit aneinander siegeln lassen konnten. Dies geschah ein Jahr und sieben Tage nach meiner Taufe. Es war ein wundervoller Augenblick. Mir kam es so vor, als hätte sich am Altar die Ewigkeit geteilt – in die Zeit vor und die Zeit nach unserer Siegelung.

Da wir einige Jahre als legale Einwanderer der Ostküste der Vereinigten Staaten gelebt hatten, kannte ich die Städte dort. Die meisten von ihnen waren eher klein.

Wenn ich nun las oder hörte, was sich vor der ersten Vision dort zugetragen hatte, war da oft von einer Menge Menschen die Rede, und das ergab für mich keinen Sinn.

Mir kamen Fragen. Warum musste die Kirche in den Vereinigten Staaten wiederhergestellt werden? Warum nicht in Brasilien oder in Italien, dem Land meiner Vorfahren?

Wo waren denn die vielen Menschen, die damals an der religiösen Erweckung und dem ganzen Wirrwarr um die verschiedenen Religionen beteiligt gewesen waren, wenn sich das Ganze doch an einem so beschaulichen, stillen Ort ereignet hatte?

Ich fragte jede Menge Leute, bekam aber keine zufriedenstellende Antwort. Ich las alles Mögliche auf Portugiesisch und später dann auf Englisch, fand aber nichts, was mein aufgewühltes Herz hätte beruhigen können. Ich suchte also weiter.

Im Oktober 1984 besuchte ich als Ratgeber in einer Pfahlpräsidentschaft die Generalkonferenz. Danach fuhr ich nach Palmyra, erpicht auf eine Antwort.

Dort angekommen, versuchte ich zu verstehen: Wieso musste die Wiederherstellung hier stattfinden, und weshalb gab es damals diesen religiösen Aufruhr? Woher kamen all die Menschen, die in Josephs Bericht erwähnt werden? Warum gerade hier?

Damals schien mir der vernünftigste Grund der zu sein, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten Freiheit garantierte.

An jenem Vormittag besuchte ich das Grandin-Gebäude, in dem die erste Ausgabe des Buches Mormon gedruckt worden war. Ich ging in den heiligen Hain und betete dort lange.

In diesem kleinen Städtchen Palmyra war doch kaum jemand auf der Straße! Wo steckten denn bloß die vielen Menschen, die Joseph Smith erwähnt hatte?

Am Nachmittag beschloss ich, auch die Farm von Peter Whitmer zu besichtigen. Dort sah ich einen Mann am Fenster einer Blockhütte stehen. Seine Augen funkelten. Ich begrüßte ihn und stellte ihm die Fragen, die mich beschäftigten.

Er wollte wissen: „Haben Sie Zeit?“ Ich sagte Ja.

Er erklärte mir, dass sowohl der Erie- als auch der Ontariosee und ebenso auch der östlich davon gelegene Hudson River unweit von Palmyra liegen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde beschlossen, dort einen Schiffskanal zu bauen, der sich über fast 500 Kilometer bis hin zum Hudson River erstrecken sollte. Für die damalige Zeit war das ein gewaltiges Unterfangen, das vor allem menschlicher Arbeitskraft und tierischer Muskelkraft bedurfte.

Bei einem der Bauabschnitte war Palmyra der Hauptstandort. Bauarbeiter, Ingenieure sowie deren Familien und Bekannte waren allseits gefragt. Aus den Nachbarorten, aber auch aus weiter Ferne (etwa aus Irland) strömten Menschen herbei, um sich beim Kanalbau zu verdingen.

Was für ein heiliges, ein geistiges Erlebnis stellte diese Auskunft dar! Endlich hatte ich die vielen Menschen gefunden! Sie brachten ihre eigenen Gepflogenheiten und Glaubensansichten mit. Als mein Gesprächspartner die Glaubensansichten erwähnte, wurde mein Verstand erleuchtet, und Gott öffnete mir geistig die Augen.

Jetzt endlich verstand ich, dass die Hand Gottes, unseres Vaters, in seiner unermesslichen Weisheit und gemäß seinem Plan einen Ort für den jungen Joseph Smith geschaffen hatte, ihn mitten hineingestellt hatte in all das Wirrwarr der Religionen, weil ja dort im Hügel Cumorah die kostbaren Platten des Buches Mormon lagen.

Dies war also der Schauplatz für die Wiederherstellung. Hier sollte nach beinahe zwei Jahrtausenden die Stimme Gottvaters abermals erklingen, als er zu dem jungen Joseph Smith, der in den heiligen Hain ging, um zu beten, in einer wunderbaren Vision sagte: „Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“1

Hier erblickte Joseph Smith zwei Wesen von unbeschreiblicher Helle und Herrlichkeit. Ja, Gott hatte sich der Menschheit erneut kundgetan. Die Finsternis, die die Erde bedeckt hatte, begann sich zu lichten.

Die Prophezeiungen über die Wiederherstellung erfüllten sich. „Dann sah ich: Ein anderer Engel flog hoch am Himmel. Er hatte den Bewohnern der Erde ein ewiges Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern.“2

Wenige Jahre später wurde Joseph Smith zu den Aufzeichnungen der einstigen Propheten geführt, zu Prophezeiungen, Bündnissen und Verordnungen – zu unserem geliebten Buch Mormon.

Die Kirche Jesu Christi konnte ohne das ewige Evangelium, das in diesem Buch offenbart ist, nicht wiederhergestellt werden. Ja, das Buch Mormon ist ein weiterer Zeuge für Jesus Christus, den Sohn Gottes, selbst das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinweggenommen hat.

Christus sagte zu seinem Volk in Jerusalem:

„Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind.“3

„Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“4

Ich weiß nicht mehr, ob ich mich damals verabschiedete, als ich die Farm der Whitmers verließ. Ich weiß nur noch, dass mir Tränen übers Gesicht liefen. Am herrlichen Abendhimmel ging die Sonne unter.

In meinem Herzen herrschte unsagbare Freude, und Friede zog in meine Seele ein. Ich war von Dankbarkeit erfüllt.

Jetzt verstand ich den Grund! Wieder einmal hatte ich vom Herrn Licht und Erkenntnis empfangen.

Auf dem Heimweg kamen mir fortwährend Schriftstellen in den Sinn, nämlich die Verheißungen an Abraham, dass durch ihn und seine Nachkommen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.5

Zu diesem Zweck sollten Tempel errichtet werden – damit die göttliche Macht erneut den Menschen übertragen werden kann, damit Familien vereint werden können, nicht bis der Tod sie scheidet, sondern um für alle Ewigkeit zusammen zu bleiben.

„Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker.“6

Dem, der heute zuhört und Fragen auf dem Herzen hat, sage ich: Geben Sie nicht auf!

Folgen Sie dem Beispiel des Propheten Joseph Smith. Er las in Jakobus 1:5: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern.“

Was am Hügel Cumorah geschah, war ein wichtiger Teil der Wiederherstellung, denn dort empfing Joseph Smith die Platten, die das Buch Mormon enthielten. Dieses Buch hilft uns wie kein anderes Buch, Christus näherzukommen.7

Ich gebe Zeugnis, dass der Herr Propheten, Seher und Offenbarer berufen hat, sein Reich in diesen Letzten Tagen zu leiten, und dass sein ewiger Plan vorsieht, dass die Familie für immer zusammenbleibt. Gott liegt viel an seinen Kindern. Er erhört unsere Gebete.

Aufgrund seiner großen Liebe hat Jesus Christus für unsere Sünden gesühnt. Er ist der Erretter der Welt. Das bezeuge ich im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.