2010–2019
Antworten auf das Gebet
Frühjahrs-Generalkonferenz 2019


Antworten auf das Gebet

Der Vater achtet auf uns, kennt unsere Bedürfnisse und wird uns in vollkommener Weise helfen

Es ist eine wichtige und tröstliche Lehre des Evangeliums Jesu Christi, dass unser Vater im Himmel seine Kinder in vollkommener Weise liebt. Mit dieser vollkommenen Liebe segnet er uns nicht nur gemäß unseren Wünsche und Bedürfnissen, sondern auch gemäß seiner unendlichen Weisheit. Der Prophet Nephi hat es ganz einfach formuliert: „Ich weiß, dass [Gott] seine Kinder liebt.“1

Ein Aspekt dieser vollkommenen Liebe besteht darin, dass unser Vater im Himmel sich auch der Einzelheiten unseres Lebens annimmt, auch wenn wir es vielleicht nicht wahrnehmen oder verstehen. Wir bemühen uns um die göttliche Führung und Hilfe des Vaters, indem wir innig und aufrichtig beten. Wenn wir unsere Bündnisse einhalten und danach streben, mehr wie unser Erretter zu sein, haben wir Anspruch auf einen beständigen2 Strom an göttlicher Führung durch den Einfluss und die Inspiration des Heiligen Geistes.

In den heiligen Schriften heißt es: „Denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet“3, und „er … weiß [alles], denn alles ist vor [seinen] Augen gegenwärtig“4.

Der Prophet Mormon ist ein gutes Beispiel dafür. Er selbst erlebte die Früchte seiner Arbeit nicht mehr. Doch ihm war klar, dass der Herr ihn achtsam führte. Als Mormon sich dazu inspiriert fühlte, seinem Bericht die kleinen Platten Nephis hinzuzufügen, schrieb er: „Und ich tue dies zu einem weisen Zweck; denn so flüstert es mir zu, gemäß dem Wirken des Geistes des Herrn, der in mir ist. Und nun, ich weiß nicht alles; aber der Herr weiß alles, was kommen wird; darum wirkt er in mir, gemäß seinem Willen zu handeln.“5 Mormon wusste nicht, dass in der Zukunft die 116 Manuskriptseiten verlorengehen würden. Doch der Herr wusste es und bereitete den Weg, dieses Hindernis zu überwinden, lange ehe es überhaupt auftrat.

Der Vater achtet auf uns, kennt unsere Bedürfnisse und wird uns in vollkommener Weise helfen. Manchmal erhalten wir diese Hilfe in genau dem Moment, wenn wir um göttliche Hilfe bitten, oder zumindest kurz danach. Manchmal wird unseren aufrichtigsten und redlichsten Wünschen nicht so entsprochen, wie wir es uns erhoffen. Wir stellen dann aber fest, dass Gott größere Segnungen bereithält. Und manchmal werden unsere rechtschaffenen Wünsche nicht in diesem Leben erfüllt. Ich will anhand von drei verschiedenen Begebenheiten veranschaulichen, auf welche Weise der Vater im Himmel möglicherweise antwortet, wenn wir ihn aufrichtig um Hilfe bitten.

Unser jüngster Sohn wurde als Missionar in die Frankreich-Mission Paris berufen. In Vorbereitung auf seine Mission kauften wir mit ihm die benötigte Kleidung: Hemden, Anzüge, Krawatten und Socken sowie einen Mantel. Leider war der Mantel, den er haben wollte, nicht in seiner Größe auf Lager. Der Verkäufer teilte uns jedoch mit, der Mantel sei in wenigen Wochen erhältlich und werde in die Missionarsschule in Provo geliefert, ehe unser Sohn nach Frankreich abreiste. Wir bezahlten also den Mantel und dachten dann nicht weiter daran.

Unser Sohn traf im Juni in der Missionarsschule ein, und der Mantel wurde nur wenige Tage vor seiner geplanten Abreise im August angeliefert. Er probierte den Mantel nicht an, sondern packte ihn eilig mit seiner Kleidung und weiteren Sachen in seinen Koffer.

Als unser Sohn in Paris war und der Winter bevorstand, schrieb er uns, dass er den Mantel hervorgeholt und anprobiert, dabei aber festgestellt habe, dass er viel zu klein war. Nun mussten wir zusätzliches Geld auf sein Bankkonto überweisen, damit er in Paris einen Mantel kaufen konnte, was er auch tat. Leicht verärgert schrieb ich ihm und sagte ihm, er könne den zuerst gekauften Mantel weggeben, da er ihn ja nicht gebrauchen konnte.

Später erhielten wir diese E-Mail von ihm: „Es ist hier sehr, sehr kalt. … Der Wind weht förmlich durch uns hindurch, obwohl mein neuer Mantel wirklich gut und ziemlich dick ist. … Ich habe meinen alten [einem anderen Missionar in unserer Wohnung] gegeben. Er sagte, er habe darum gebetet, irgendwie einen besseren Mantel zu bekommen. Er hat sich vor einigen Jahren zur Kirche bekehrt und die Einzigen, die ihn während seiner Mission unterstützen, sind seine Mutter … und der Missionar, der ihn getauft hat. Der Mantel war also eine Antwort auf ein Gebet. Darüber habe ich mich sehr gefreut.“6

Der Vater im Himmel wusste, dass dieser Missionar in Frankreich, der etwa 10.000 Kilometer von zuhause entfernt war, dringend einen neuen Mantel für einen kalten Winter in Paris brauchen würde, dass dieser Missionar aber nicht die Mittel haben würde, einen zu kaufen. Der Vater im Himmel wusste auch, dass unser Sohn aus dem Kleidergeschäft in Provo einen Mantel bekommen würde, der ihm viel zu klein war. Er wusste, dass diese beiden Missionare gemeinsam in Paris dienen würden und dass der Mantel die Antwort auf das demütige, aufrichtige Gebet eines Missionars mit einem dringenden Anliegen sein würde.

Der Erretter hat erklärt:

„Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters.

Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.

Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.“7

Wenn uns unsere redlichen Wünsche jedoch nicht so wie erhofft erfüllt werden, kann uns dies am Ende sogar von größtem Nutzen sein. Beispielsweise wurde Josef, der Sohn Jakobs, von seinen Brüdern so sehr beneidet und gehasst, dass sie planten, ihn umzubringen. Doch dann verkauften sie ihn als Sklaven nach Ägypten.8 Wenn jemals ein Mensch meinen konnte, seine Gebete seien nicht wie erhofft erhört worden, dann wohl Josef. Doch in Wirklichkeit führte sein vermeintliches Unglück zu großen Segnungen für ihn und rettete seine Familie vor dem Hungertod. Als Josef später in Ägypten eine hohe Vertrauensstellung innehatte, sagte er mit großem Glauben und großer Weisheit zu seinen Brüdern:

„Jetzt aber schmerze es euch nicht und es brenne nicht in euren Augen, weil ihr mich hierher verkauft habt. Denn um Leben zu erhalten, hat mich Gott vor euch hergeschickt.

Ja, zwei Jahre sind es jetzt schon, dass der Hunger im Land herrscht. Und noch fünf Jahre stehen bevor, in denen man weder pflügen noch ernten wird.

Gott aber hat mich vor euch hergeschickt, um euch im Land einen Rest zu erhalten und euch für eine große Rettungstat am Leben zu lassen.

Also nicht ihr habt mich hierhergeschickt, sondern Gott.“9

Während des Studiums erhielt unser ältester Sohn einen sehr interessanten Teilzeitjob mit der Aussicht auf eine ausgezeichnete Festanstellung nach dem Studium. Er arbeitete vier Jahre lang hart in diesem Studentenjob und war schließlich hochqualifiziert und unter seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten sehr angesehen. Am Ende seines Abschlussjahres wurde eine feste Stelle ausgeschrieben und unserem Sohn kam es so vor, als sei dies vom Himmel selbst so inszeniert worden. Er war der aussichtsreichste Bewerber und alles sprach dafür, dass er die Stelle tatsächlich bekommen würde.

Doch er wurde nicht eingestellt. Niemand von uns konnte sich das erklären. Er hatte sich gut vorbereitet, das Vorstellungsgespräch lief gut, er war der geeignetste Bewerber und er hatte mit großer Hoffnung und Erwartung gebetet. Er war am Boden zerstört und niedergeschmettert, und wir anderen waren alle ratlos. Warum hatte Gott ihn bei diesem rechtschaffenen Wunsch im Stich gelassen?

Es dauerte einige Jahre, bis es uns dann nur allzu klar wurde. Hätte er nach seinem Abschluss den Traumjob bekommen, hätte er eine Gelegenheit verpasst, die sein Leben entscheidend verändert hat und die ihm, wie sich gezeigt hat, ewigen Nutzen und Segen gebracht hat. Gott kannte das Ende von Anfang an (wie er es immer kennt), und in diesem Fall war die Antwort auf viele aufrichtige Gebete ein Nein, damit es zu einem viel besseren Ergebnis kommen konnte.

Und manchmal erhalten wir die Antwort auf ein Gebet nicht in diesem Leben, auch wenn wir uns noch so rechtschaffen, verzweifelt und aufrichtig darum bemühen.

Schwester Patricia Parkinson wurde mit normalem Sehvermögen geboren, aber im Alter von sieben Jahren begann sie zu erblinden. Mit neun Jahren besuchte Pat dann die Gehörlosen- und Blindenschule in Ogden in Utah. Sie lag fast 150 Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt, was es erforderlich machte, dass sie im Internat der Schule wohnte. Das bedeutete für eine Neunjährige natürlich schreckliches Heimweh.

Mit elf Jahren hatte sie ihr Sehvermögen völlig verloren. Pat zog mit 15 Jahren wieder zuhause ein und besuchte die Highschool vor Ort. Sie absolvierte ein Studium und schloss es mit einem Bachelorabschluss im Fach Kommunikationsstörungen sowie in Psychologie ab. Nachdem sie sich heldenmütig mit zweifelnden Universitätsbeamten, die für die Zulassung zuständig waren, auseinandergesetzt hatte, ging sie auf eine Hochschule und machte einen Masterabschluss in Sprachtherapie. Pat betreut jetzt 53 Grundschüler und ist in ihrem Schulbezirk die Vorgesetzte von vier Sprachtherapeuten. Sie hat ihr eigenes Haus und ihr eigenes Auto, mit dem Freunde und Angehörige sie an ihre Zielorte fahren.

Bild
Patricia Parkinson

Als Pat zehn war, stand wieder einmal eine ärztliche Behandlung ihres nachlassenden Sehvermögens an. Ihre Eltern hatten ihr immer genau gesagt, welche ärztliche Behandlung bevorstand, doch aus irgendeinem Grund hatten sie dieses jetzt anstehende spezielle Verfahren nicht erwähnt. Als ihre Eltern ihr den Termin für die Behandlung mitteilten, war Pat ihrer Mutter zufolge völlig durcheinander. Sie rannte in ein anderes Zimmer, und als sie später zurückkam, sagte sie ziemlich entrüstet zu ihren Eltern: „Ich will euch was sagen. Ich weiß es, Gott weiß es, und ihr solltet es auch wissen: Ich werde für den Rest meines Lebens blind sein!“

Vor einigen Jahren reiste Pat nach Kalifornien, um Angehörige zu besuchen, die dort lebten. Als sie mit ihrem dreijährigen Neffen draußen war, sagte er zu ihr: „Tante Pat, warum bittest du nicht einfach den Vater im Himmel, dir neue Augen zu geben? Wenn du den Vater im Himmel bittest, gibt er dir doch alles, was du willst. Du musst ihn nur bitten.“

Pat sagte, die Frage habe sie kurz aus der Fassung gebracht, dann habe sie aber geantwortet: „Naja, manchmal macht der Vater im Himmel das aber nicht so. Manchmal ist es notwendig, dass man etwas lernt, und deshalb gibt er einem nicht alles, was man will. Manchmal muss man abwarten. Der Vater im Himmel und der Erretter wissen am besten, was gut für uns ist und was wir brauchen. Sie geben dir also nicht alles, was du willst, genau dann, wenn du es willst.“

Ich kenne Pat seit vielen Jahren und habe ihr kürzlich gesagt, dass ich es an ihr bewundere, wie lebensbejahend und fröhlich sie immer ist. Sie erwiderte: „Du hast mich noch nicht erlebt, wenn ich zuhause bin! Ich habe so meine Momente. Ich hatte auch zeitweise ziemlich schwere Depressionen und habe viel geweint.“ Dann sagte sie jedoch: „Als mein Sehvermögen nachzulassen anfing, war es merkwürdig, aber ich wusste, dass der Vater im Himmel und der Erretter bei meiner Familie und bei mir waren. Wir haben das Beste daraus gemacht, und meiner Meinung nach sind wir damit richtig umgegangen. Aus mir ist ein recht erfolgreicher Mensch geworden, und im Allgemeinen bin ich glücklich. Ich besinne mich darauf, Gottes Hand in allem zu erkennen. Wenn mich jemand fragt, ob ich wütend bin, weil ich blind bin, antworte ich: ,Auf wen sollte ich denn wütend sein? Der Vater im Himmel steht das mit mir durch. Ich bin nicht allein. Er ist die ganze Zeit bei mir.‘“

In diesem Fall wird Pats Wunsch, ihr Sehvermögen wiederzuerlangen, in diesem Leben nicht erfüllt. Aber ihr Motto, das sie von ihrem Vater gelernt hat, lautet: „Auch das wird vorbeigehen!“10

Präsident Henry B. Eyring hat gesagt, „dass sich der Vater jetzt in diesem Augenblick Ihrer bewusst ist und Ihre Gefühle kennt. Er kennt auch die geistigen und zeitlichen Bedürfnisse all Ihrer Mitmenschen.“11 Diese großartige und tröstliche Wahrheit finden wir in den drei Erlebnissen, die ich erzählt habe, wieder.

Brüder und Schwestern, manchmal werden unsere Gebete schnell erhört und wir erhalten das, was wir uns erhoffen. Manchmal werden unsere Gebete nicht so erhört, wie wir es uns erhoffen, aber mit der Zeit erfahren wir, dass Gott größere Segnungen, als wir ursprünglich erwartet hatten, für uns bereithält. Und manchmal wird uns das, worum wir Gott in Rechtschaffenheit bitten, nicht in diesem Leben gewährt.12 Elder Neal A. Maxwell hat gesagt: „Zum Glauben gehört auch, dass man darauf vertraut, dass Gott für alles die richtige Zeit kennt.“13

Wir haben die Gewissheit, dass der Vater im Himmel uns auf seine eigene Weise und zu seiner eigenen Zeit segnen und all unsere Sorgen, alle Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen beseitigen wird.

Mit den Worten König Benjamins: „Und weiter wünschte ich, ihr würdet den gesegneten und glücklichen Zustand derjenigen betrachten, die die Gebote Gottes halten. Denn siehe, sie sind gesegnet in allem, sowohl zeitlich als auch geistig, und wenn sie bis ans Ende getreulich aushalten, werden sie in den Himmel aufgenommen, sodass sie dadurch mit Gott in einem Zustand nie endenden Glücks weilen. O denkt daran, denkt daran, dass dies wahr ist; denn der Herr, Gott, hat es gesprochen.“14

Ich weiß, dass Gott unsere Gebete hört.15 Ich weiß, dass er als allwissender, liebevoller Vater unsere Gebete in vollkommener Weise erhört, gemäß seiner unendlichen Weisheit, und zwar so, dass es uns schließlich den größten Nutzen und Segen bringt. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.