2002
Standhaft bleiben
Januar 2002


Standhaft bleiben

„Vergessen wir niemals, dass wir für unsere Familie und mit ihr eine feste Grundlage legen und auf den Fels unseres Erlösers bauen.“

Meine jüngste Tochter und ihr Mann haben mehrere Jahre nach der besten medizinischen Anweisung und den allerneuesten medizinischen Hilfsmöglichkeiten gesucht, um ein Baby zu bekommen. Sie fasteten, sie beteten, sie hofften.

Schließlich klappte es, und sie erwartete ihr erstes Baby. Vor kurzem setzte dann der Arzt eine intensive Untersuchung an, um festzustellen, ob die Schwangerschaft problemlos verläuft. Meine Tochter war wegen der Untersuchung sehr nervös, und als sie wenige Tage zuvor erfuhr, dass ihr Mann sie nicht begleiten konnte, bat sie mich darum. Sie sagte: „Mama, nach allem, was wir durchgemacht haben, will ich auf keinen Fall allein sein, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“

Ich freute mich sehr darauf, schon so früh einen Blick auf dieses Wesen werfen zu dürfen, das ich in alle Ewigkeit von Herzen lieben werde. Ich hätte sie gern beruhigt, aber im Grunde meines Herzens machte ich mir auch Sorgen.

Nachdem der Arzt das Video angeschaut hatte, kam er zu uns, um es mit uns zu besprechen. Seine ersten Worte lauteten: „Ich wollte, jedes Baby sähe so vollkommen aus!“ Ich konnte kaum noch an mich halten. Als wir zum Auto kamen, überwältigten mich meine Gefühle und ich musste weinen. So viele Gefühle bahnten sich ihren Weg. Ich weinte, weil ich mir wünschte, jede werdende Mutter könnte diese Worte hören. Ich weinte um jede Frau, die sich ein Baby wünscht und keins bekommt. Meine Tränen flossen um all der Frauen willen, die sich Kinder wünschen, aber noch keinen Mann gefunden haben. Und schließlich vergoss ich Tränen der Dankbarkeit mit dem überwältigenden Wunsch, unsere Familie möge diesem Baby ein würdiges Zuhause geben.

Der englische Dichter Wordsworth hat einige meiner Gefühle in Bezug auf dieses Enkelkind und sein Zuhause mit den folgenden Worten so treffend zum Ausdruck gebracht:

„Geboren werden ist ein Schlaf nur, ein Vergessen …

wie Wolken, die den Raum durchmessen,

löst er von seiner Heimat – Gott – sich los.“

(William Wordsworth, „Ode: Intimations of Immortality from Recollections of Early Childhood“)

Unser irdisches Zuhause ist aufgrund seiner Verbindung zum himmlischen Vater und zu unserer himmlischen Heimat ein heiliger Ort. Das Erlebnis mit meiner Tochter hat mir wieder einmal deutlich vor Augen geführt, wie überaus wichtig unser Zuhause, unsere Familie ist. Es hat mich auch daran erinnert, dass wir Frauen von Natur aus dazu neigen, zu lieben, zu umsorgen, zu unterrichten; wir sind dazu berufen, alle, die zu unserer Familie gehören, zu schützen und ihnen ein Segen zu sein. Wenn der Herr ein Baby auf diese Erde hinab schickt, braucht er uns, in welchen Umständen wir auch leben mögen; wir müssen stark und unerschütterlich da stehen und ein Zuhause schaffen, das als sicherer Hort gegen die ansteigende Flut des Bösen dient. Wir tragen die Verantwortung, unser Zuhause, unsere Familie zu verteidigen, wo immer wir hier auf der Erde leben mögen.

„Ich glaube von ganzem Herzen daran, dass das Zuhause der beste Ort für die Vorbereitung auf das ewige Leben ist“, hat Präsident David O. McKay gesagt („Blueprint for Family Living, Improvement Era, April 1963, Seite 252). Aber wie ziehen wir in einer Welt, die immer mehr Sodom und Gomorra gleicht, rechtschaffene Kinder heran?

Präsident Howard W. Hunter hat von der folgenden historischen Begebenheit erzählt, die mir hilft, diese Frage zu beantworten.

Die letzte, entscheidende Schlacht der Napoleonischen Kriege wurde am 18. Juni 1815 bei Brüssel in dem Dorf Waterloo geschlagen. Diese Schlacht, die wir heute noch als die „Schlacht bei Waterloo“ kennen, gilt als großer Wendepunkt in der Geschichte der Neuzeit und führte zu drastischen Veränderungen der politischen Grenzen und der Machtverhältnisse in Europa. In einem kritischen Moment in dieser großen Schlacht zwischen den Streitkräften des französischen Kaisers Napoleon und den alliierten Streitkräften unter dem Oberbefehl des britischen Generals Arthur Wellesley [besser bekannt als der Herzog von Wellington], stürmte ein besorgter Offizier in die Schreibstube des Herzogs und überbrachte die Botschaft, dass die Truppen sich wohl zurückziehen mussten, wenn sie nicht vor der größeren französischen Armee kapitulieren sollten.

Der Herzog befahl: „Standhaft bleiben!“

„Aber dann kommen wir alle um!“, erwiderte der Offizier.

„Standhaft bleiben!“, antwortete der Herzog noch einmal.

(siehe Howard W. Hunter, That We Might Have Joy, Seite 148.)

„Standhaft bleiben“ – so lautete der Befehl des Herzogs, der zum Sieg führte. Diese beiden Worte der Anweisung – standhaft bleiben – machen mir Mut, und ich betrachte sie als Rat für mich. Heute, Schwestern, stehen wir in einer erbitterten Schlacht um das Denken und das Herz, ja, um die Seele unserer Kinder und Enkelkinder und unserer übrigen Familienangehörigen. Doch in diesem Kampf haben wir viel mächtigere Waffen, eine viel mächtigere Rüstung als damals die Truppen des Herzogs von Wellington. Denn uns steht die Kraft zur Verfügung, die dem Glauben an den Herrn Jesus Christus entspringt, und die Macht, die mit den heiligen Handlungen des Evangeliums einhergeht. Um siegreich zu sein, müssen wir uns mit dem Glauben an den Herrn Jesus Christus wappnen und in unserer Überzeugung standhaft bleiben.

Im Buch Mormon lesen wir, „dass es unter den Lamaniten einige gab, die sich zum wahren Glauben bekehrten; und sie wollten nicht davon ablassen, denn sie waren fest und standhaft und unerschütterlich und mit allem Eifer bereit, die Gebote des Herrn zu halten“ (3 Nephi 6:14).

Ihr fester und unerschütterlicher Glaube an das Evangelium Jesu Christi und an seinen Plan für Sie und Ihre Familie, und die Erkenntnis, die Sie davon haben, dienen Ihnen als großer Schutz gegen widersprüchliche Ansichten und böse Einflüsse. Ihr Gehorsam und Ihre Glaubenstreue gegenüber den ewigen Bündnissen und Geboten können Ihnen inmitten dieser chaotischen Welt inneren Frieden und sogar wahres Glück schenken. Mit Glauben gerüstet können Sie standhaft bleiben und ein Zuhause schaffen, das der Kinder des himmlischen Vaters würdig ist.

Als ich einmal in einem Gebiet unterwegs war, das von Gewalt und sozialen Unruhen geplagt war, war ich beunruhigt. Ein einfühlsamer Priestertumsführer bemerkte meine Angst und erzählte mir etwas, was mich tröstete.

Als er ein Junge war, fand sich seine Mutter plötzlich alleinstehend und mittellos, schöpfte jedoch aus den folgenden Worten, die sie in einem alten Buch gelesen hatte, Kraft: „Ich sagte zu dem Mann, der am Jahrestor stand: ‚Gib mir ein Licht, damit ich sicher ins Unbekannte hinausgehen kann.‘ Und er entgegnete: ‚Geh hinaus in die Finsternis und leg deine Hand in Gottes Hand. Das ist für dich besser als Licht und sicherer als ein bekannter Weg.‘“ (Minnie Louise Haskins, Oxford Dictionary of Quotations, Seite 328.)

Die Mutter meines Freundes ordnete ihr Leben neu und schuf sich eine feste Grundlage, indem sie diese Ermahnung befolgte. Auch mir verlieh sie in jener beunruhigenden Zeit Kraft, als ich mich, gewappnet mit der Erkenntnis, dass die Begleitung durch den Herrn sicherer war als jeder irdische Schutz, ins Unbekannte hinauswagte.

Um standhaft zu bleiben, müssen wir aus tiefster Seele wissen, dass der Herr uns unterstützen wird, wenn wir fest auf den Fels unseres Erlösers gebaut haben. Dieser Gedanke kommt im fünften Kapitel des Buches Helaman deutlich zum Ausdruck: „Und nun, … denkt daran, denkt daran, dass ihr euren Grund auf dem Fels eures Erlösers – und das ist Christus, der Sohn Gottes – legen müsst; damit, wenn der Teufel seine mächtigen Winde aussenden wird, ja, seine Pfeile im Wirbelsturm, ja, wenn all sein Hagel und sein mächtiger Sturm auf euch niederfallen, dies keine Macht über euch haben wird, euch in den Schlund des Elends und des endlosen Wehs hinabzuziehen, und zwar wegen des Felsens, auf den ihr gebaut seid, der eine sichere Grundlage ist – und wenn die Menschen auf dieser Grundlage bauen, können sie nicht fallen.“ (Helaman 5:12.)

Schwestern, die Verheißungen des Herrn sind gewiss. Er hat in unsere Errettung sein Leben investiert.

Damit wir selbst einen festen Stand behalten und anderen helfen können, standhaft zu bleiben, muss die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums fest in unserem Herzen verwurzelt sein und in unserer Familie gelehrt werden. Geben Sie Ihren Kindern und den übrigen Angehörigen zu Hause die geistige Rüstung mit, die sie brauchen, wenn sie jeden Tag hinausgehen und sich aus dem sicheren Schutz hinauswagen. Lehren Sie Ihre Lieben, wie man durch Fasten und Beten die Mächte des Himmels in Anspruch nimmt. Lehren Sie sie, dass sie sich von der Welt abschirmen, indem sie den Sabbat heilig halten. Lehren Sie sie, gehorsam zu sein. Lehren Sie sie, auf die Billigung Gottes und nicht auf die Billigung der Menschen bedacht zu sein. Lehren Sie sie, dass der einzige Weg zurück in unsere himmlische Heimat darin besteht, dass wir den Erretter lieben und ihm nachfolgen, heilige Bündnisse eingehen und halten und die Gebote befolgen. Die Wahrheiten des Evangeliums und die Erkenntnis vom Erlösungsplan sind Waffen, die die Mitglieder Ihrer Familie benutzen können, um über die bösen Mächte des Satans zu siegen.

Wir müssen als Ehefrau, Mutter, Großmutter, Schwester und Tante standhaft bleiben und ein Vorbild sein. Da wir unsere Familie lieben, wollen wir ihr ein festes, rechtschaffenes Muster vorgeben, an das sie sich halten kann. Bei allem, was wir tun und sagen, wie wir uns kleiden, wie wir unsere Zeit verbringen, bei allen Entscheidungen, die wir treffen, zeigen wir, was wir glauben, und hieraus entsteht das Muster, dem sie nachfolgen.

Lucy Mack Smith, die Mutter des Propheten Joseph Smith, berichtet in ihrer Geschichte, dass sie und ihr Mann im Frühjahr 1803 viel über das Thema Religion nachdachten. Sie schreibt von ihrer Suche nach der Wahrheit: „Ich zog mich in einen Wald in der Nähe zurück, wo ich zum Herrn betete, dass mir das wahre Evangelium gezeigt werden möge.“ (History of Joseph Smith, Hg. Preston Nibley, Seite 43.) Kommt Ihnen das bekannt vor?

Siebzehn Jahre später, im Frühjahr 1820, war der Prophet Joseph Smith auf der Suche nach der Wahrheit. Er berichtet: „Ich fasste also endlich den Entschluss, Gott zu bitten. … Also begab ich mich … in den Wald, um den Versuch zu machen.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte, 1:13,14).

Ist es Zufall, dass sowohl die Mutter als auch der Sohn einen Wald als den Ort auswählten, an dem sie Gott baten, ihnen die Wahrheit zu offenbaren? Josephs Gebet erwies sich als Segen für die ganze Welt, denn das Evangelium Jesu Christi wurde wiederhergestellt. Das rechtschaffene Beispiel einer Frau, die im Glauben standhaft bleibt, kann zahllosen anderen Menschen zum Segen gereichen.

Ich bin gern Ehefrau und Mutter, aber ich gestehe ein, dass es nicht immer leicht ist. Ich kann mich in das Mädchen Sharon hineindenken, das, als die Lehrerin – meine Freundin – die Klasse bat, Briefe an Gott zu schreiben, Folgendes schrieb: „Lieber Gott, es fällt dir sicher schwer, alle Menschen auf der Welt zu lieben. Zu meiner Familie gehören nur fünf Menschen, und ich schaffe selbst das nicht.“ Ich bin sicher, dass meine Familie Ihnen genauso gut sagen könnte, dass es nicht immer leicht ist, mich zu lieben. Allerdings stimme ich mit Elder Loren C. Dunn überein, der gesagt hat: „Es kann nichts Kostbareres oder Dauerhafteres geben als die Familie.“ (“Our Precious Families“, Conference Report, Oktober 1974, Seite 11.) So schwer das Familienleben manchmal auch sein kann, die Arbeit, die wir in unserer Familie tun, ist überaus wichtig. Wenn Sie entmutigt sind und in Ihrer Familie nicht alles so läuft, wie Sie es sich wünschen, dann bleiben Sie standhaft im Glauben und sagen Sie, wie jenes andere Schulmädchen in ihrem Brief an Gott: „Lieber Gott, ich gebe mein Bestes.“ Lassen Sie sich von den Schwierigkeiten, die zum Familienleben gehören, nicht über Gebühr entmutigen oder gar von der Liebe abbringen, die wir in der Familie füreinander haben können.

Bewaffnen wir uns mit Glauben und bleiben wir standhaft in unserer Überzeugung. Vergessen wir niemals, dass wir für unsere Familie und mit ihr eine feste Grundlage legen und auf den Fels unseres Erlösers bauen. Legen wir unsere Hand in Gottes Hand. Mit der Hilfe des Herrn können wir ein rechtschaffenes Zuhause schaffen, das uns Schutz gibt.

Möge der Herr Sie in dem Bemühen, bei der Verteidigung Ihres Zuhauses und Ihrer Familie standhaft zu bleiben, segnen. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.