2002
Das Buch Mormon: ein weiterer Zeuge für Jesus Christus
Januar 2002


Das Buch Mormon: ein weiterer Zeuge für Jesus Christus

„Das Buch Mormon – ein weiterer Zeuge für Jesus Christus – [hat] die heilende Kraft, die hungernden Menschen der Welt zu nähren.“

Ich halte hier eine Erstausgabe des Buches Mormon in der Hand. Es wurde 1830 mit einer handbetriebenen Druckerpresse bei der Firma E. B. Grandin in dem Dorf Palmyra im US-Bundesstaat New York gedruckt.

Im Juni 1829 suchte der damals 23-jährige Joseph Smith in Begleitung von Martin Harris, einem Farmer aus der Gegend, den 23-jährigen Mr. Grandin auf. Grandin hatte drei Monate zuvor inseriert, er wolle Bücher drucken. Joseph Smith hatte ein paar Seiten eines handgeschriebenen Manuskripts bei sich.

Wenn schon der Inhalt des Buches es nicht dazu verurteilte, unbekannt zu bleiben, so doch zumindest der Bericht über sein Zustandekommen. Man stelle sich vor: Ein Engel geleitet einen Jungen im Teenageralter in den Wald, wo er eine Steinkammer mit goldenen Platten findet!

Die Inschrift auf den Platten wurde mit Hilfe eines Urim und Tummim übersetzt, wie er mehrfach im Alten Testament erwähnt wird.1 Hebräische Gelehrte bezeichnen ihn als Werkzeug, „mit dem Offenbarung erteilt und Wahrheit verkündet wurde“.2

Noch ehe das Buch zur Gänze gedruckt war, wurden bereits einzelne Seiten entwendet und in einem Lokalblatt – versehen mit spöttischen Kommentaren – veröffentlicht. Der Widerstand gegen das Buch und seine Urheber sollte in der Folge noch den Pöbel dazu bringen, den Propheten Joseph Smith zu töten und seine Anhänger in die Wildnis zu jagen.

Von diesen wenig verheißungsvollen Anfängen an bis heute sind 108 936 922 Exemplare des Buches Mormon, das ja ein weiterer Zeuge für Jesus Christus ist, gedruckt worden. Es wurde bereits in 62 Sprachen veröffentlicht, dazu auszugsweise in weiteren 37 Sprachen, und wird derzeit noch in 22 weitere Sprachen übersetzt.

Zur Zeit widmen 60 000 Vollzeitmissionare in 162 Ländern auf eigene Kosten zwei Jahre ihres Lebens der Aufgabe, zu bezeugen, dass das Buch Mormon wahr ist.

Es inspiriert seine Leser seit Generationen. So las beipielsweise Herbert Schreiter in seiner deutschen Ausgabe des Buches Mormon:

„Und ich möchte euch auffordern: Wenn ihr dieses hier empfangt, so fragt Gott, den ewigen Vater, im Namen Christi, ob es wahr ist; und wenn ihr mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz fragt und Glauben an Christus habt, wird er euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist.

Und durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist.“3

Herbert Schreiter machte mit der Verheißung einen Versuch und schloss sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an.

1946 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zu seiner Frau und den drei kleinen Töchtern nach Leipzig zurück. Bald darauf ging er als Missionar nach Bernburg. Allein und ohne Mitarbeiter saß er frierend und hungrig in einem Zimmer und fragte sich, wie er anfangen sollte.

Er dachte darüber nach, was er den vom Krieg heimgesuchten Menschen zu bieten hatte. Von Hand zeichnete er dann ein Plakat, auf dem stand „Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod?“ und hängte es an einer Mauer auf.

Etwa zur gleichen Zeit traf eine Familie aus einem kleinen polnischen Dorf in Bernburg ein.

Manfred Schütze war damals vier Jahre alt. Sein Vater war im Krieg gefallen. Seine Mutter, ihre Eltern und ihre Schwester, die ebenfalls verwitwet war und zwei kleine Mädchen hatte, hatten innerhalb von 30 Minuten ihr Heimatdorf verlassen müssen. Sie hatten schnell zusammengepackt, was sie nur konnten, und waren in den Westen aufgebrochen. Manfred und seine Mutter zogen und schoben einen kleinen Karren. Hin und wieder setzte sich der kranke Großvater hinein. Ein polnischer Soldat fing zu weinen an, als er sah, wie erbärmlich Manfred aussah.

An der Grenze plünderten Soldaten ihre Habseligkeiten und warfen das Bettzeug in einen Fluss. Später wurden Manfred und seine Mutter von den anderen Familienmitgliedern getrennt. Seine Mutter fragte sich, ob sie wohl zu Verwandten nach Bernburg gezogen waren, woher die Großmutter stammte. Nach wochenlangen unbeschreiblichen Leiden kamen sie in Bernburg an und fanden ihre Familie wieder.

Zu siebt bewohnten sie ein kleines Zimmer. Aber die Sorgen nahmen kein Ende. Die Mutter der beiden kleinen Mädchen starb. Die trauernde Großmutter verlangte nach einem Prediger und fragte ihn: „Werde ich meine Familie wiedersehen?“

Der Prediger erwiderte: „Gute Frau, eine Auferstehung gibt es nicht. Wer tot ist, ist tot!“

Der Leichnam wurde zur Beerdigung in Papier gewickelt.

Auf dem Heimweg vom Friedhof sprach der Großvater darüber, dass sie sich doch – wie so viele andere auch – das Leben nehmen könnten. In diesem Moment erblickten sie das Plakat, das Elder Schreiter an eine Hauswand geheftet hatte – „Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod?“ – und dazu eine Einladung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. In einer Versammlung erfuhren sie vom Buch Mormon, einem weiteren Zeugen für Jesus Christus.

In diesem Buch wird Folgendes erklärt:

  • der Sinn und Zweck des irdischen Lebens und des Todes,4

  • die Gewissheit des Lebens nach dem Tod,5

  • was geschieht, wenn der Geist den Körper verlässt,6

  • eine Beschreibung der Auferstehung,7

  • wie man Sündenvergebung empfängt und darin verbleibt,8

  • wie sich Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auf den Menschen auswirken,9

  • worum man beten soll,10

  • das Priestertum,11

  • Bündnisse und heilige Handlungen,12

  • die Aufgabe und der Dienst von Engeln,13

  • die leise, sanfte Stimme persönlicher Offenbarung,14

  • und vor allem die Mission Jesu Christi15

  • und viele weitere kostbare Lehren, die die Fülle des Evangeliums Jesu Christi ausmachen.

Die Familie schloss sich der Kirche an. Schon bald änderte sich ihr Leben. Der Großvater fand eine Stelle als Bäcker und konnte so seine Familie und auch Elder Schreiter, der ihm „das Brot des Lebens“16 gebracht hatte, mit Brot versorgen.

Bald kam auch Hilfe von der Kirche in den Vereinigten Staaten. Manfred aß in seiner Jugend Getreide aus Säcken, auf denen ein Bienenkorb abgebildet war, und Pfirsiche aus Kalifornien. Er trug Kleidung aus den Wohlfahrtsbeständen der Kirche.

Kurz nachdem ich aus der Luftwaffe entlassen worden war, half ich bei der Wohlfahrtsmühle in Kaysville in Utah, Weizensäcke für den Versand an die Hungernden in Europa abzufüllen. Ich stelle mir gern vor, dass einer dieser Säcke Manfred Schütze und seine Mutter erreicht hat – oder andernfalls jemand andern, der das Getreide dringend brauchte.

Elder Dieter Uchtdorf, der heute als Siebziger mit uns auf dem Podium sitzt, erinnert sich bis heute daran, wie das Getreide roch und wie es sich in seinen kleinen Kinderhänden anfühlte. Vielleicht hat auch seine Familie eine der Packungen erhalten, die ich damals abgefüllt habe.

Mit etwa zehn Jahren unternahm ich meinen ersten Versuch, das Buch Mormon zu lesen. Der erste Teil war in der flüssigen Sprache des Neuen Testaments geschrieben. Dann geriet ich an die Schriften des Propheten Jesaja aus dem Alten Testament. Sie waren mir unverständlich und ich hielt sie für schwer lesbar. So legte ich das Buch beiseite.

Ich unternahm weitere Versuche, das Buch Mormon zu lesen, las es aber erst dann ganz durch, als ich mit anderen Bomberbesatzungen auf einem Truppentransportschiff zu einem Kriegsschauplatz im Pazifik unterwegs war. Ich wollte damals das Buch Mormon lesen und selbst herausfinden, ob es wahr ist oder nicht. Immer wieder las ich das ganze Buch eingehend durch und stellte die darin enthaltene Verheißung auf die Probe. Das hat mein Leben verändert. Danach habe ich es nie mehr weggelegt.

Viele junge Leute haben das besser gemacht als ich.

Der 15-jährige Sohn eines Missionspräsidenten besuchte eine Highschool, deren Schüler zum Großteil nicht der Kirche angehörten.

Eines Tages gab es eine Klassenarbeit mit Fragen, die die Schüler mit richtig oder falsch beantworten mussten. Matthew war sich sicher, dass er alle Fragen mit Ausnahme der fünfzehnten richtig beantwortet hatte. Aber die lautete: „Joseph Smith, angeblicher Mormonenprophet, schrieb das Buch Mormon. Richtig oder falsch?“

Das konnte er weder als falsch noch als richtig bezeichnen. Aber sein Einfallsreichtum kam ihm zu Hilfe, und er formulierte die Frage um. Er strich das Wort angeblicher durch und ersetzte das Wort schrieb durch übersetzte. Jetzt stand da: „Joseph Smith, der Mormonenprophet, übersetzte das Buch Mormon.“ Er kreuzte dies als richtig an und gab die Arbeit ab.

Am nächsten Tag fragte ihn sein Lehrer streng, warum er die Frage abgeändert hatte. Matthew lächelte und meinte: „Weil Joseph Smith das Buch Mormon nicht geschrieben, sondern übersetzt hat und weil er kein angeblicher, sondern ein wirklicher Prophet war.“

Matthew wurde daraufhin gebeten, der Klasse zu erzählen, woher er das wusste.17

In England lernten meine Frau und ich Dorothy James kennen, die Witwe eines Geistlichen, die auf dem Gelände der Kathedrale von Winchester lebte. Sie holte eine Familienbibel hervor, die lange Jahre verschollen gewesen war.

Jahre zuvor war der Besitz eines Familienmitglieds verkauft worden. Der neue Eigentümer entdeckte die Bibel in einem kleinen Schreibtisch, der über zwanzig Jahre verschlossen geblieben war. Es lagen auch ein paar Briefe von einem Kind namens Beaumont James darin. Der neue Besitzer konnte die Familie James ausfindig machen und die lang verschollene Familienbibel zurückgeben.

Auf der Titelseite las meine Frau die folgende handschriftliche Notiz: „Diese Bibel ist seit 1683, der Zeit von Thomas James, im Besitz unserer Familie. Er war ein direkter Nachkomme von Thomas James, dem ersten Archivar des Bodley-Archivs in Oxford, der im August 1629 in der New College Chapel beigesetzt wurde. [Unterschrift] C. T. C. James, 1880.“

Die Seitenränder und die wenig bedruckten Seiten waren fast vollständig mit Notizen in Englisch, Latein, Griechisch und Hebräisch bedeckt. Ein Eintrag berührte meine Frau besonders. Unten auf der Titelseite stand: „Der beste Eindruck von der Bibel ist immer noch der Eindruck im Herzen des Lesers.“

Darauf folgte ein Zitat aus Korinther: „Unser Empfehlungsschreiben seid ihr; es ist eingeschrieben in unser Herz, und alle Menschen können es lesen und verstehen. Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch. – 2 Korinther 3:2,3.“18

In meinem Buch Mormon stehen auch viele Notizen am Rand und vieles ist unterstrichen. Ich hatte Präsident Hinckley einmal nach Florida begleitet. Am Rednerpult drehte er sich um und verlangte nach den heiligen Schriften. Ich gab ihm meine. Er blätterte sie kurz durch, drehte sich um, gab sie mir zurück und sagte: „Das kann ich nicht lesen! Sie haben ja alles durchgestrichen!“

Amos prophezeite einen „Hunger [im] Land, nicht den Hunger nach Brot, nicht Durst nach Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn“.19

In der heutigen und noch gefährlicheren Welt als der in den Kindheitstagen von Manfred Schütze und Dieter Uchtdorf besitzt Das Buch Mormon – ein weiterer Zeuge für Jesus Christus die heilende Kraft, die hungernden Menschen der Welt zu nähren.

Manfred Schütze ist heute Mitglied des Dritten Siebzigerkollegiums und zuständig für das Seminarprogramm in Osteuropa. Seine inzwischen 88-jährige Mutter besucht noch immer den Tempel in Freiberg, wo Herbert Schreiter einst Ratgeber des Präsidenten war.

Mit Elder Walter F. González, einem neuen Siebziger aus Uruguay, habe ich an einer Konferenz in Moroni in Utah teilgenommen – einem Ort mit einem Namen aus dem Buch Mormon. In Moroni gibt es weder Ärzte noch Zahnärzte, und einkaufen muss man auch anderswo. Die Schüler fahren mit dem Bus zu einer Schule auf der anderen Seite des Tales.

In der Versammlung waren 236 Menschen anwesend. Damit Elder González nicht dachte, dort gäbe es nur Farmer, gab ich folgendermaßen Zeugnis: „Ich weiß, dass das Evangelium wahr ist und dass Jesus der Messias ist.“ Dann fragte ich, ob das jemand auf Spanisch sagen könne. Einige meldeten sich. Und wie sah es mit anderen Sprachen aus? Daraufhin wurden meine Worte in den folgenden Sprachen wiederholt:

  • Japanisch

  • Spanisch

  • Deutsch

  • Portugiesisch

  • Russisch

  • Chinesisch

  • Tonga

  • Italienisch

  • Tagalog

  • Niederländisch

  • Finnisch

  • Maori

  • Polnisch

  • Koreanisch

  • Französisch

–––––––––—

Insgesamt also 15 Sprachen

Und nun noch einmal: Ich weiß, dass das Evangelium wahr ist und dass Jesus der Messias ist.

Ich liebe das Buch Mormon, einen weiteren Zeugen für Jesus Christus. Wenn man sich damit befasst, versteht man sowohl das Alte als auch das Neue Testament. Ich weiß, dass es wahr ist.

In dieser Ausgabe des Buches Mormon aus dem Jahre 1830, die der 23-jährige Egbert B. Grandin für den 23-jährigen Joseph Smith jun. gedruckt hat, lese ich auf Seite 105: „Wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen Christus, wir prophezeien von Christus, und wir schreiben gemäß unseren Prophezeiungen, damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können.“20

Und genau das tun wir, ich versichere es Ihnen. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Siehe Exodus 28:30; Levitikus 8:8; Numeri 27:21; Deuteronomium 33:8; 1 Samuel 28:6; Esra 2:63; Nehemia 7:65.

  2. John M’Clintock und James Strong, „Urim and Thummim,“ Cyclopedia of Biblical, Theological, and Ecclesiastical Literature, New York: Harper & Brothers, 1881, Bd. X, Seite 676.

  3. Moroni 10:4,5.

  4. Siehe 2 Nephi 2:21; 33:9; Alma 11:24; 34:32; 42:4.

  5. Siehe 2 Nephi 9:3–7; Mosia 16:8; 3 Nephi 11.

  6. Siehe Alma 34:34; 40:11–14; 41:21.

  7. Siehe 2 Nephi 9:12; Alma 41:2; 40:23; 3 Nephi 11:1–16.

  8. Siehe Mosia 4:1–3, 12, 26; Alma 4:14.

  9. Siehe Alma 34:15,16; 41:14; 42:15,16, 22–25.

  10. Siehe 2 Nephi 4:35; 32:8,9; Enos 1:9; Alma 13:28; 34:17–27, 36,37; 3 Nephi 18:19–21; Moroni 7:26.

  11. Siehe 2 Nephi 6:2; Mosia 18:18; Alma 6:1; 13:11; Alma 13; 3 Nephi 11:21; 18:37; Moroni 2:2; 3:4.

  12. Siehe 2 Nephi 11:5; 5:5; Mosia 18:13; Alma 13:8,16.

  13. Siehe 2 Nephi 32:2,3; Omni 1:25; Moroni 7:25,37.

  14. Siehe 1 Nephi 16:9; 17:45; Enos 1:10; Alma 32:23; Helaman 5:30; 3 Nephi 11:3.

  15. Siehe 1 Nephi 11:13–33; 2 Nephi 2:6–10; Mosia 3:5–12; Alma 7:7–13; 3 Nephi 27:13–16.

  16. Johannes 6:35.

  17. Siehe George D. Durrant, „Helping Your Children Be Missionaries“, Ensign, Oktober 1977, Seite 67.

  18. Zitiert in Donna Smith Packer, On Footings from the Past: The Packers in England (1988), Seite 329.

  19. Amos 8:11.

  20. The Book of Mormon, Palmyra: Grandin, 1830, XI:105; siehe auch 2 Nephi 25:26.