2003
Der Erretter besucht die Geisterwelt
Juli 2003


Der Erretter besucht die Geisterwelt

Was Jesus in den Stunden zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung tat, bildet die doktrinäre Grundlage für den Bau von Tempeln.

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lukas 23:46.) Nachdem Jesus am Kreuz diese Worte gesprochen hatte, verließ sein unsterblicher Geist seinen physischen Körper. Sein lebloser Leichnam wurde in ein Grab gelegt, dessen Eingang mit einem Stein versiegelt wurde.

Kurze Zeit später verkündeten Engel mehreren Frauen, die zu seinem Grab gekommen waren: „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ (Lukas 24:6.) Jesu Geist hatte wieder von seinem Körper Besitz ergriffen und beide bildeten nun eine Einheit aus Geist und Fleisch, die nie wieder getrennt werden sollte.

Der Tod und die Auferstehung Jesu werden von allen christlichen Glaubensgemeinschaften als Grundlage ihrer Lehre anerkannt. Dennoch weiß außer den Heiligen der Letzten Tage niemand, was Jesu unsterblicher Geist zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung tat. Und die Bedeutung dessen, was er während dieser Stunden tat, bildet die doktrinäre Grundlage dafür, dass überall auf der Erde Tempel gebaut werden. Darüber hinaus kann das Zeugnis von dem, was er tat, allen großen Trost spenden, die den Tod eines lieben Menschen betrauern.

Die Taufe ist notwendig

Um zu verstehen, warum Jesus nach seinem Tod die Geisterwelt besuchte, müssen wir an den Abend des Tages zurückdenken, an dem er den Tempel in Jerusalem zum ersten Mal gereinigt hatte. Nikodemus, „ein führender Mann unter den Juden“, kam zum Erretter, um ihm Fragen zu stellen, die ihm auf der Seele brannten. Nikodemus erkannte an, dass der Meister ein Lehrer war, „der von Gott gekommen ist“. Jesus sagte ihm: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“(Johannes 3:1,2,5.)

Deshalb müssen wir uns taufen lassen, wenn wir in das Gottesreich eingelassen werden möchten. Selbst Jesus Christus, der einzige sündenlose Mensch, der je auf der Erde gelebt hat, unterwarf sich dieser allgemein gültigen Forderung (siehe 2 Nephi 31:5-7).1

Barmherzigkeit und Gerechtigkeit für die, die nicht getauft sind

Der Erlösungsplan des Herrn hat viele Namen. Einer lautet „Plan der Barmherzigkeit“ (Alma 42:15). Barmherzigkeit hat viel mit Mitgefühl und Vergebungsbereitschaft zu tun, wohingegen Gerechtigkeit eher Strafe und Vergeltung impliziert. Es gibt aber auch „weichere“ Aspekte der Gerechtigkeit Gottes wie Billigkeit und Fairness.

Wie kann Gottes Plan barmherzig und gerecht sein, wenn er verlangt, dass jeder Mensch, der für sein Handeln verantwortlich ist, getauft wird, wo doch viele Milliarden Menschen gestorben sind, ohne dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Evangelium zu hören und sich für die Taufe zu entscheiden? Der Apostel Petrus hat erklärt, wie Gott hier Vorsorge getroffen hat: „Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte [also Jesus Christus], für die Ungerechten [also uns], um euch zu Gott hinzuführen; dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht.“ (1 Petrus 3:18.) Dies hat Christus getan, um allen Menschen die Gabe des ewigen Lebens zu ermöglichen.

Der Apostel Petrus fuhr fort: „So ist er [Jesus Christus] auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren, und hat ihnen gepredigt.“ (1 Petrus 3:19.)

Wer waren diese Geister in der Geisterwelt? Das waren sowohl die rechtschaffenen als auch die unredlichen Menschen, die gestorben waren. Manche waren ungehorsam gewesen und hatten das Evangelium zur Zeit Noachs verworfen (siehe Joseph-Smith-Übertragung, 1 Petrus 3:20). Manche lebten schon seit vielen tausend Jahren in der Geisterwelt!

Warum wurde das Evangelium in der Geisterwelt gepredigt? Damit die Toten umkehren und gemäß dem Willen Gottes leben konnten (siehe Joseph-Smith-Übertragung, 1 Petrus 4:6). Barmherzigkeit und Gerechtigkeit verlangen, dass diejenigen, die gestorben sind, ohne dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, hier auf der Erde das Evangelium zu hören, in der Geisterwelt Gelegenheit dazu erhalten. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit verlangen außerdem auch, dass diejenigen, die das Evangelium zu Lebzeiten verworfen haben, noch einmal die Chance bekommen, es erneut zu hören.

Wie steht es mit den Gehorsamen? In der Geisterwelt leben auch Menschen, die das Evangelium Jesu Christi angenommen und entsprechend gelebt haben. Der Prophet Henoch sah die Kreuzigung des Erretters der Welt vorher, wo „die Erde stöhnte und die Felsen [sich] spalteten“. Er sah, dass bei der Auferstehung Jesu Christi „die Heiligen [aufstanden] und… zur rechten Hand des Menschensohnes mit Kronen der Herrlichkeit gekrönt“ wurden. Weiterhin sah er die Gehorsamen in der Geisterwelt, die mit ihrem verherrlichten, auferstandenen Körper hervorkamen. „Die übrigen [die Schlechten] wurden bis zum Gericht des großen Tages in Ketten der Finsternis behalten.“ (Mose 7:56,57.) Das bedeutet, dass die Gehorsamen in die Geisterwelt eingehen, um dort den Tag ihrer Auferstehung zu erwarten.

Der Prophet Alma hat gelehrt: Während die Gehorsamen warten, werden sie in „einen Zustand des Glücklichseins aufgenommen, den man Paradies nennt, einen Zustand der Ruhe, einen Zustand des Friedens, wo [sie] von allen… Beunruhigungen und allem Kummer und aller Sorge ausruhen“ werden (siehe Alma 40:12).

Der Besuch des Herrn brachte grundlegende Veränderungen

Präsident Joseph F. Smith (1838-1918) schaute die herrlichen Segnungen für die Gehorsamen, denn er sah in einer Vision den Besuch des Erretters in der Geisterwelt. Er schaute die Geisterwelt kurz vor dem Erscheinen des Erretters dort. Die gehorsamen Geister waren „an dem einen Ort“ versammelt und „von Freude und Frohsinn erfüllt“; sie freuten sich miteinander, „weil der Tag ihrer Befreiung nahe war“(LuB 138:12,15).

Der Erretter erschien ihnen und verkündete, dass der Tag ihrer herrlichen Auferstehung gekommen sei. Er predigte ihnen „das immerwährende Evangelium, die Lehre von der Auferstehung und der Erlösung der Menschen vom Fall und – sofern sie Umkehr übten – von ihren eigenen Sünden“ (LuB 138:19).

Zu den Geistern, die sich dort versammelt hatten, gehörten auch Adam und Eva, Noach und Abraham. Auch Propheten aus dem Buch Mormon waren anwesend. „Der Herr unterwies sie und gab ihnen Macht hervorzukommen, und zwar nach seiner Auferstehung von den Toten in das Reich seines Vaters einzugehen“ (LuB 138:51).

Präsident Joseph F. Smith fragte sich, wie der Erretter nur allen Menschen in der Geisterwelt in der kurzen Zeit zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung gepredigt haben konnte. Doch dann sah er: „Zu den Schlechten ging er nicht und bei den Gottlosen und denen, die zur Umkehr nicht bereit waren, … erhob sich seine Stimme nicht. …

Sondern siehe, aus den Reihen der Rechtschaffenen stellte er seine Kräfte zusammen und er bestimmte Boten, … den Gefangenen, die gebunden waren, die Freiheit zu verkündigen, ja, allen, die umkehren und das Evangelium empfangen wollten.

So wurde das Evangelium denen gepredigt, die in ihren Sünden gestorben waren, ohne von der Wahrheit gewusst zu haben, oder in Übertretung, da sie die Propheten verworfen hatten.“ (LuB 138:20,30-32.)

Auch heute noch geht das Werk, den ungetauften Toten das Evangelium zu predigen, weiter. Zu den Boten, die der Erretter heute zu denen sendet, die nicht getauft wurden und gestorben sind, gehören auch die treuen Mitglieder der Kirche in unserer Evangeliumszeit, die gestorben sind. Denn die Glaubenstreuen fahren „nach ihrem Hinscheiden aus dem irdischen Leben mit ihrer Arbeit“ fort, „indem sie das Evangelium der Umkehr von Sünde und der Erlösung durch das Opfer des einziggezeugten Sohnes Gottes verkündigen – denen nämlich, die in der großen Welt der Totengeister in Finsternis weilen und Gefangene der Sünde sind“ (LuB 138:57).

Das Werk für die Toten

Eine wichtige Frage muss jedoch noch beantwortet werden, damit der barmherzige und gerechte Plan Gottes erfüllt werden kann. Wie kann ein Toter getauft werden? Dieses Problem wird durch die Verordnung der Taufe für die Toten gelöst, die nur im heiligen Tempel vollzogen wird. Wenn wir würdig sind, können wir in den Tempel gehen und uns dort stellvertretend für Verstorbene taufen lassen.

Die Taufe für die Toten wurde auch zu Lebzeiten von Petrus und Paulus von den Mitgliedern der Kirche vollzogen. Als der Apostel Paulus die Korinther über Jesus Christus und die Auferstehung der Toten unterwies, stellte er die Frage: „Wie kämen sonst einige dazu, sich für die Toten taufen zu lassen? Wenn Tote gar nicht auferweckt werden, warum lässt man sich dann taufen für sie?“ (1 Korinther 15:29.)

Die Taufe für die Toten und andere heilige Handlungen für die Verstorbenen wurden durch den Propheten Joseph Smith auf der Erde wiederhergestellt. Diese heiligen Handlungen werden heute in mehr als einhundert Tempeln auf der Erde vollzogen. Diese Tempel sind der sichtbare Beweis für unser Zeugnis, dass das Werk für die Toten sowohl hier als auch in der Geisterwelt weitergeht. Und dieses Werk hat der Erretter bei seinem Besuch bei den rechtschaffenen Toten begonnen.

Häufig gestellte Fragen

Die Lehre von dem Werk für die Toten wirft Fragen bei denen auf, die nicht unserem Glauben angehören, und manchmal sogar bei den Heiligen der Letzten Tage selbst. Im Folgenden finden Sie die Antwort auf häufig gestellte Fragen.

Was geschieht, wenn ein Verstorbener nicht umkehren will bzw. die Segnung der Taufe nicht annehmen will? Wir glauben, dass jeder selbst entscheiden kann, sowohl hier auf der Erde als auch in der Geisterwelt. Diese Freiheit ist ein wesentlicher Faktor im Plan des himmlischen Vaters. Niemand wird gezwungen, heilige Handlungen anzunehmen, die stellvertretend für ihn vollzogen wurden. Die Taufe für die Toten bietet eine Chance, sie setzt sich aber nicht über die Entscheidungsfreiheit des Betreffenden hinweg. Doch wenn diese heilige Handlung nicht für ihn vollzogen wird, dann kann er ja gar nicht entscheiden, ob er die Taufe annehmen oder ablehnen will.

Warum vollziehen Sie Taufen für Verstorbene, deren Lebensführung hier auf der Erde zeigt, dass sie wenig Interesse daran hatten, Gottes Gebote zu halten? Wir glauben, dass viele Menschen so sind wie Amulek, der einmal über sich sagte: „Ich habe mein Herz verhärtet, denn ich wurde oft gerufen und wollte nicht hören; darum wusste ich davon [vom Evangelium Jesu Christi], wollte es aber nicht wissen.“ (Alma 10:6.) Später wurde Amulek ein hervorragender Missionar und Lehrer seines Volkes.

Es gab einmal eine Zeit im Buch Mormon, wo die rechtschaffeneren Lamaniten die Gadiantonräuber hetzten, die ihr Herz unendlich verhärtet hatten, und sie „predigten das Wort Gottes unter dem schlechteren Teil von ihnen, so dass diese Räuberbande unter den Lamaniten völlig vernichtet wurde“ (Helaman 6:37).

Wir wissen einfach nicht, wer von den Toten sein Herz dem Herrn zuwenden und Umkehr üben wird. Wir haben nicht das Recht, ein Urteil zu fällen. Wir müssen das Werk tun und die Angelegenheit den Verstorbenen und dem Herrn überlassen.

Für diejenigen, die trauern

Der Erretter selbst freute sich sehr auf seinen Besuch bei den gehorsamen Seelen in der Geisterwelt. „Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben.“ (Johannes 5:25.)

Bei seinem Erscheinen legte er fest, wie den Geistern in der Geisterwelt das Evangelium gepredigt werden sollte. In einem Zustand des Glücklichseins und des Friedens, der als Paradies bezeichnet wird, warten die Toten, die gehorsam gewesen sind, darauf, „eine Fülle der Freude“ zu empfangen (siehe LuB 138:17; siehe auch Alma 40:12). Außerdem sind sie eifrig damit beschäftigt, die Berufung, das Evangelium zu predigen, zu erfüllen.

Die Toten, die das Evangelium zu Lebzeiten nicht gehört oder es verworfen haben, befinden sich in Finsternis, nämlich in einem Zustand des Elends (siehe LuB 138:2; Alma 40:14). Doch weil der Erretter die Geisterwelt besucht hat, gibt es für sie Hoffnung auf Errettung. Wir können nämlich in den Tempel gehen und ihnen dort das Tor zum Himmel öffnen – und auch uns selbst. Denn wir wissen, „dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht“ werden. „Und auch wir können ohne unsere Toten nicht vollkommen gemacht werden.“ (LuB 128:15.) Barmherzigkeit und Gerechtigkeit arbeiten Hand in Hand, um allen Kindern des himmlischen Vaters die Möglichkeit zu geben, zu ihm zurückzukehren.

Sprechen Wir Darüber

  1. Zeigen Sie ein Bild vom Erretter und fragen Sie, wo Jesus sich zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung aufhielt und was er tat. Lesen Sie gemeinsam diesen Artikel und beantworten Sie anschließend die gestellte Frage. Besprechen Sie dann den Abschnitt „Häufig gestellte Fragen“.

  2. Lassen Sie jemanden aus der Familie erzählen, wie sich die Geisterwelt nach dem Erscheinen Jesu verändert hat. Wie können wir den Geistern im Gefängnis helfen? Lesen Sie den Abschnitt „Für diejenigen, die trauern“ und geben Sie dann Zeugnis von dem Werk, das heute in der Geisterwelt weitergeht.

Anmerkung

  1. Von der Notwendigkeit, getauft zu werden, sind kleine Kinder sowie Erwachsene ausgenommen, die aufgrund einer geistigen Behinderung nicht für ihr Verhalten verantwortlich sind. Sie befinden sich in „ihrem Kindeszustand“ und sind „schuldlos vor Gott“(LuB 93:38). Der Prophet Mormon hat gesagt: „Ihr sollt dieses lehren: Umkehr und Taufe für diejenigen, die zurechnungsfähig und imstande sind, Sünde zu begehen. … Ihre kleinen Kinder brauchen keine Umkehr und keine Taufe.“ (Moroni 8:10,11.)