2006
Schnell im Beobachten
Dezember 2006


Schnell im Beobachten

Im Oktober 1987 sprach Elder Marvin J. Ashton vom Kollegium der Zwölf Apostel bei der Generalkonferenz über Geistesgaben. Ich denke gern daran zurück, welche Wirkung seine Botschaft damals auf mich hatte, und das, was er seinerzeit vermittelte, beeinflusst mich noch heute. In seiner Ansprache nannte und beschrieb Elder Ashton eine Reihe weniger hervorstechende Geistesgaben – Eigenschaften und Fähigkeiten, die viele von uns vielleicht nicht als Geistesgaben angesehen haben. Elder Ashton sprach beispielsweise von der Gabe, Fragen zu stellen, von der Gabe, zuzuhören, von der Gabe, die sanfte, leise Stimme zu hören und selbst mit sanfter, leiser Stimme zu sprechen, von der Gabe, weinen zu können, von der Gabe, Streit zu vermeiden, von der Gabe, sich gefällig zu zeigen, von der Gabe, ohne leere Worte auszukommen, von der Gabe, nach dem zu trachten, was rechtschaffen ist, von der Gabe, sich an Gott zu wenden, um Führung zu erlangen, von der Gabe, ein Jünger zu sein, von der Gabe, für andere da zu sein, von der Gabe, in sich gehen zu können, von der Gabe, machtvoll Zeugnis zu geben, und von der Gabe, den Heiligen Geist zu empfangen (siehe „Es gibt viele Gaben“, Der Stern, Januar 1988, Seite 17ff.).

Eine weitere scheinbar einfache und vielleicht unterschätzte Geistesgabe, nämlich die Fähigkeit, „schnell im Beobachten“ zu sein (Mormon 1:2), ist für uns alle in der Welt, in der wir jetzt leben und in der wir noch leben werden, von wesentlicher Bedeutung.

Die Geistesgabe, schnell im Beobachten zu sein

Jeder von uns hat von den Hauptfiguren des Buches Mormon wichtige Lektionen gelernt. Wenn wir vom Leben Nephis, Lamans, Almas, König Noas, Moronis und vieler anderer lesen und uns damit beschäftigen, entdecken wir vieles, was wir tun oder aber lassen sollen, und wir bekommen ein klareres Bild davon, was für ein Mensch wir werden sollen und was für einer nicht.

In meinem Studium des Buches Mormon hat mich eine konkrete Beschreibung Mormons, der den Großteil des Berichts der Nephiten zusammengestellt hat, besonders beeindruckt. Die konkrete Beschreibung dieses großen Propheten, auf die ich unsere Aufmerksamkeit lenken möchte, steht in den ersten fünf Versen des fünften Kapitels in Mormon:

„Und nun mache ich, Mormon, einen Bericht von dem, was ich gesehen und auch gehört habe, und nenne ihn das Buch Mormon.

Und ungefähr zu der Zeit, da Ammaron die Aufzeichnungen für den Herrn verbarg, kam er zu mir (ich war ungefähr zehn Jahre alt …); und Ammaron sprach zu mir: Ich sehe, du bist ein ernsthaftes Kind und bist schnell im Beobachten; darum, wenn du etwa vierundzwanzig Jahre alt bist, möchte ich, dass du dich dessen erinnerst, was du in Bezug auf dieses Volk beobachtet hast …

Und siehe, … du sollst auf den Platten Nephis alles eingravieren, was du in Bezug auf dieses Volk beobachtet hast.

Und ich, Mormon, … gedachte dessen, was Ammaron mir geboten hatte.“ (Mormon 1:1-5; Hervorhebung hinzugefügt.)

Bitte beachten Sie, dass das Wort beobachten in diesen Versen dreimal verwendet wird. Und über Mormon wird schon in seiner Jugend gesagt, dass er „schnell im Beobachten“ sei. Ich hoffe, dass Sie, während Sie studieren, lernen und Fortschritt machen, auch lernen, schnell im Beobachten zu sein. Ihr Erfolg und Ihr Glücklichsein in der Zukunft hängen in hohem Maße von dieser geistigen Fähigkeit ab.

Bitte halten Sie sich vor Augen, welche Bedeutung diese wichtige Geistesgabe hat. Schnell im Beobachten zu sein, bedeutet nicht nur zu schauen oder etwas zu sehen, sondern auch, es wahrzunehmen und zu beachten, wie wir aus Jesaja 42:20 erfahren: „Vieles sieht er, aber er beachtet es nicht; die Ohren hat er offen und hört doch nicht.“ (Hervorhebung hinzugefügt.)

Schnell im Beobachten zu sein, kann auch bedeuten, zu gehorchen oder etwas zu beachten, indem man sich daran hält, wie aus dem Buch Lehre und Bündnisse hervorgeht: „Aber gesegnet sind, die den Bund gehalten und das Gebot beachtet haben, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ (LuB 54:6; Hervorhebung hinzugefügt.)

Wenn wir also schnell im Beobachten sind, nehmen wir etwas rasch wahr und gehorchen bereitwillig. Diese zwei Grundelemente – wahrnehmen und gehorchen – sind wesentlich dafür, schnell im Beobachten zu sein. Und der Prophet Mormon ist ein eindrucksvolles Beispiel für diese Gabe in Aktion.

Ich möchte Ihnen nun verschiedene Beispiele dafür erzählen, welche Lektionen man lernen kann, wenn man damit gesegnet ist, schnell im Beobachten zu sein.

Ein guter Freund von mir war Pfahlpräsident. Der Patriarch des Pfahles, dem er vorstand, hatte gesundheitliche Schwierigkeiten und konnte seine Berufung nicht ausüben. Der kranke Patriarch hatte Mühe, sich zu bewegen, sich anzuziehen und für sich selbst zu sorgen, und er hatte nur wenig Kraft. An einem Sonntagnachmittag besuchte dieser gute Pfahlpräsident den Patriarchen zu Hause, um ihm Mut zu machen und zu sehen, wie es ihm ging. Als der Pfahlpräsident die Wohnung betrat, saß der Patriarch in einem Lehnstuhl im Flur. Er trug seinen Anzug, ein weißes Hemd und eine Krawatte. Der Pfahlpräsident begrüßte den guten Patriarchen und da er wusste, wie schwer es diesem gefallen sein musste, sich allein anzuziehen, sagte er ihm in freundlichem Ton, dass es nicht notwendig sei, dass er sich am Sonntag oder für seine Besucher so fein anziehe. In höflichem, aber bestimmtem Ton rügte der Patriarch den Pfahlpräsidenten mit den Worten: „Wissen Sie denn nicht, dass dies die einzige Möglichkeit ist, die ich noch habe, dem Herrn zu zeigen, wie sehr ich ihn liebe?“

Der Pfahlpräsident war schnell im Beobachten. Er hörte die Lektion nicht nur, er verinnerlichte sie auch und wandte sie an. Die Ehrfurcht vor dem Sabbat und der hohe Stellenwert von Achtung, angemessenem Auftreten und angebrachter Kleidung spielten von nun an im Tun des Pfahlpräsidenten eine größere Rolle. Er hat von der Geistesgabe, diese Lektion zu erkennen, zu hören, sie sich einzuprägen und sie anzuwenden, sehr profitiert, wie viele andere auch.

Ehe meine Frau zur Abendmahlsversammlung geht, betet sie oft darum, mit ihren geistigen Augen erkennen zu können, wer etwas braucht. Wenn sie dann die Mitglieder und die Kinder in der Versammlung beobachtet, gibt ihr der Geist oft ein, eine bestimmte Person anzusprechen oder sie anzurufen. Wenn meine Frau solch eine Eingebung erhält, reagiert sie sofort darauf und gehorcht. Oftmals spricht sie sofort, nachdem das „Amen“ vom Schlussgebet gesagt worden ist, mit einem Jugendlichen, umarmt eine Schwester oder greift sofort nach ihrer Rückkehr nach Hause zum Telefon, um einen Anruf zu tätigen. Solange ich sie kenne, haben die Leute immer wieder über ihre Fähigkeit gestaunt, ihre Bedürfnisse zu erkennen und sich dieser anzunehmen. Oft stellen sie ihr die Frage: „Woher haben Sie das gewusst?“ Die Geistesgabe, schnell im Beobachten zu sein, hat sie befähigt, etwas rasch wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Das war vielen Menschen ein großer Segen.

Meine Frau und ich kennen einen zurückgekehrten Missionar, der eine Weile mit einer besonderen jungen Frau ausgegangen war. Ihm lag sehr viel an ihr, und er wollte mehr aus der Beziehung machen. Er hoffte auf eine Verlobung und Heirat und zog dies ernsthaft in Betracht. Diese Beziehung entwickelte sich zu der Zeit, als Präsident Hinckley den Schwestern in der FHV und den Jungen Damen der Kirche nahelegte, in jedem Ohr nur einen Ohrring zu tragen.

Der junge Mann wartete einige Zeit geduldig ab, ob die junge Frau die zusätzlichen Ohrringe, die sie trug, abnehmen würde, aber dies geschah nicht. Dies war für ihn eine wertvolle Information, und die Tatsache, dass sie der Bitte des Propheten nicht nachgekommen war, ließ ihm keine Ruhe. Aus diesem und anderen Gründen beendete er schließlich die Beziehung zu dieser jungen Frau, denn er war auf der Suche nach einer Partnerin für die Ewigkeit, die den Mut hatte, den Rat des Propheten in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit rasch und still zu befolgen. Der junge Mann war schnell dabei, zu beobachten, dass die junge Frau nicht schnell im Beobachten war.

Vermutlich hat der eine oder andere von Ihnen mit meinem letzten Beispiel etwas Mühe. Vielleicht meinen Sie, dass der junge Mann zu schnell geurteilt hat oder dass es dumm oder fanatisch ist, eine Entscheidung von ewiger Tragweite auch nur zum Teil von einer derart scheinbar unbedeutenden Sache abhängig zu machen. Vielleicht stört es Sie auch, dass es in diesem Beispiel darum geht, dass eine junge Frau dem Rat des Propheten nicht gefolgt ist, und nicht ein junger Mann. Ich möchte Sie ganz einfach einladen, ernsthaft darüber nachzudenken, welche Macht damit verbunden ist, dass man schnell im Beobachten ist, und welche Beobachtung in dem gerade geschilderten Fall eigentlich im Mittelpunkt stand und was letztlich beachtet wurde. Es ging nicht um die Ohrringe!

Ein letztes Beispiel. Schon lange fasziniert mich, wie der Geist des Herrn und Nephi zusammengewirkt haben, wie es in Kapitel 11 bis 14 im 1 Nephi geschildert wird. Nephi wollte das sehen, hören und wissen, was sein Vater Lehi in der Vision vom Baum des Lebens gesehen hatte (siehe 1 Nephi 8). In Kapitel 11 bis 14 hilft der Heilige Geist Nephi, zu erkennen, was für eine Vision sein Vater hatte und was sie bedeutet. Interessanterweise fordert der Geist in diesen Kapiteln Nephi dreizehn Mal auf, zu „schauen“ – ein Grundelement des Lernprozesses. Nephi wurde wiederholt aufgefordert, zu schauen, und weil er schnell im Beobachten war, sah er den Baum des Lebens (siehe 1 Nephi 11:8), die Mutter des Erretters (siehe 1 Nephi 11:20), die eiserne Stange (siehe 1 Nephi 11:25) und das Lamm Gottes, den Sohn des ewigen Vaters (siehe 1 Nephi 11:21).

Ich habe nur einige der geistig bedeutsamen Dinge genannt, die Nephi gesehen hat. Vielleicht wollen Sie sich eingehender mit diesen Kapiteln befassen und mehr darüber erfahren, wie Nephi gelernt hat, und sich daran ein Beispiel nehmen. Wenn Sie sich damit beschäftigen und darüber nachdenken, vergessen Sie bitte nicht, dass Nephi nicht gesehen hätte, was er zu sehen wünschte, nicht gewusst hätte, was er wissen musste, und nicht hätte tun können, was er letztendlich tun musste, wenn er nicht schnell im Beobachten gewesen wäre. Diese Wahrheit gilt auch für Sie und für mich!

Schnell im Beobachten. Rasch wahrnehmen und unverzüglich gehorchen. Eine einfache Gabe, die uns selbst und unserer Familie ein Segen ist und sich auch zum Vorteil vieler anderer Menschen auswirkt. Jeder von uns kann und soll sich bemühen, dieser bedeutenden Geistesgabe würdig zu sein, ja, der Fähigkeit, schnell im Beobachten zu sein.

Warum es wichtig ist, schnell im Beobachten zu sein

Nun möchte ich auf die Frage eingehen, warum die Geistesgabe, schnell im Beobachten zu sein, für uns in der Welt, in der wir jetzt leben und in der wir noch leben werden, von so entscheidender Bedeutung ist. Einfach ausgedrückt: Schnell im Beobachten zu sein ist eine Voraussetzung für die Geistesgabe des Erkennens und Unterscheidens und ist mit ihr verknüpft. Und die Gabe, erkennen und unterscheiden zu können, ist in einer Welt, die immer finsterer wird, für uns alle ein Licht, das uns schützt und leitet.

So, wie Glaube dem Wunder vorausgeht, die Taufe durch Wasser vor der Taufe durch Feuer steht, im Evangelium zunächst Milch und erst später feste Speise verabreicht wird, reine Hände zu einem reinen Herzen führen können und die Verordnungen des Aaronischen Priestertums gebraucht werden, ehe man die höheren Verordnungen des Melchisedekischen Priestertums empfangen kann, ist die Gabe, schnell im Beobachten zu sein, eine Grundbedingung für die Gabe des Erkennens und Unterscheidens und macht einen dafür bereit. Wir können nur darauf hoffen, diese überirdische Gabe des Erkennens und Unterscheidens und ihr schützendes und leitendes Licht zu erlangen, wenn wir schnell im Beobachten sind – wenn wir sowohl schauen als auch gehorchen.

Präsident George Q. Cannon (1827–1901), der Ratgeber von vier Präsidenten der Kirche war, hat sehr eindrücklich über die Gabe des Erkennens und Unterscheidens gesprochen:

„Eine Gabe des Evangeliums, die der Herr denen verheißt, die den Bund mit ihm eingehen, ist die Gabe, Geister zu erkennen – eine Gabe, die von vielen als unwesentlich abgetan wird und um die wahrscheinlich nur selten jemand betet; und doch ist es eine äußerst wertvolle Gabe, die jedes Mitglied der Kirche besitzen sollte. …

Die Gabe, Geister zu erkennen, gibt den Männern und Frauen, die sie besitzen, nicht nur die Macht, den Geist zu erkennen, von dem andere besessen sind oder beeinflusst werden, sondern auch die Macht, den Geist zu erkennen, unter dessen Einfluss sie selbst stehen. Sie sind imstande, einen falschen Geist zu entlarven, ebenso wissen sie, wenn der Geist Gottes in ihnen wohnt. Im Privatleben ist diese Gabe für die Heiligen der Letzten Tage von großer Bedeutung. Wenn sie diese Gabe besitzen und anwenden, lassen sie nicht zu, dass ein böser Einfluss in ihr Herz gelangt oder ihre Gedanken, Worte oder Taten bestimmt. Sie werden ihn zurückweisen; und falls solch ein Geist doch einmal Besitz von ihnen ergreifen sollte, werden sie ihn, sobald sie die Auswirkungen sehen, vertreiben oder, in anderen Worten, es verweigern, sich von ihm führen oder inspirieren zu lassen.“1

Ist uns klar, wie entscheidend diese Geistesgabe in unserem Leben zu dieser Zeit ist und dass man den Segnungen des Erkennens und Unterscheidens die Tür weit öffnet, indem man schnell im Beobachten ist?

Präsident Stephen L Richards (1879–1959), der Ratgeber von Präsident David O. McKay war, hat die Natur und die Segnungen der Gabe des Erkennens und Unterscheidens näher erläutert:

„Ich erwähne zuerst die Gabe des Erkennens, zu der auch die Macht gehört, … zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Ich glaube, dass diese Gabe, wenn sie sehr ausgeprägt ist, größtenteils darauf beruht, dass man höchst empfänglich für Eindrücke – geistige Eindrücke, wenn Sie so wollen – ist; dass man sozusagen unter die Oberfläche schauen, verstecktes Böses aufspüren und – was noch wichtiger ist – das Gute entdecken kann, was vielleicht verborgen ist. Die höchste Form des Erkennens ist die, wenn man das bessere Wesen anderer Menschen bemerkt und es ihnen enthüllt – das Gute, was in ihnen schlummert. …

Jedes Mitglied der wiederhergestellten Kirche Christi kann diese Gabe haben, wenn es den Wunsch hat. Die Schlauheit der Welt könnte es dann nicht täuschen. Es würde sich nicht von falschen Propheten oder destruktiven Sekten blenden lassen. Selbst der Unerfahrene würde falsche Lehren erkennen, zumindest bis zu einem gewissen Grad. … Wir sollten jeden Tag für diese Wahrnehmungsgabe dankbar sein, die ein Bewusstsein am Leben erhält, das uns beständig vor den Gefahren warnt, die den Übeltätern und Sündern eigen sind.“2

Wenn wir die Aussagen von Präsident Cannon und von Präsident Richards zusammen betrachten, erfahren wir, dass die Gabe des Erkennens und der Unterscheidung im Grunde auf viererlei Weise wirkt.

Erstens: Wenn wir „unter die Oberfläche schauen“, hilft uns die Gabe, versteckte Fehler und verborgenes Böses in anderen zu erkennen.

Zweitens, und das ist noch wichtiger, hilft sie uns, verstecke Fehler und verborgenes Böses in uns selbst zu erkennen. Die Gabe des Erkennens hat also nicht nur damit zu tun, etwas an anderen Personen oder in Situationen zu erkennen, sondern, wie Präsident Cannon gesagt hat, auch damit, wahrzunehmen, wie es in unserem Innern wirklich aussieht.

Drittens: Sie hilft uns, das Gute, was vielleicht in anderen verborgen ist, zu entdecken und ans Licht zu bringen.

Und viertens: Sie hilft uns, das Gute, was vielleicht in uns selbst verborgen ist, zu entdecken und ans Licht zu bringen. O, was für ein Segen und eine Quelle des Schutzes und der Führung ist doch die Geistesgabe des Erkennens und des Unterscheidens!

Im Lichte eines bestimmten Elements in Lehis Vision erscheinen die Aussagen von Präsident Cannon und Präsident Richards über die Macht der Gabe des Erkennens, verstecktes Böses zu erkennen und das Gute im Verborgenen zu entdecken, für uns noch bedeutsamer. In der Vision streben verschiedene Personengruppen vorwärts, um auf den Pfad zu gelangen, der zum Baum des Lebens führt. Der enge und schmale Pfad verläuft entlang der eisernen Stange und führt geradewegs zum Baum. Der in der Vision beschriebene Nebel der Finsternis symbolisiert die Versuchungen des Teufels, die den Menschenkindern die Augen blind machen und sie auf breite Straßen führen, damit sie verloren gehen (siehe 1 Nephi 12:17).

Schenken Sie nun bitte dem 23. Vers in 1 Nephi 8 besondere Aufmerksamkeit, und beziehen wir diese Schriftstelle auf unsere Zeit und die Herausforderungen, vor denen wir in einer Welt stehen, die immer schlechter wird:

„Und es begab sich: Es stieg ein Nebel der Finsternis auf, ja, ein überaus dichter Nebel der Finsternis, sodass diejenigen, die den Pfad betreten hatten, ihren Weg verloren, sodass sie abirrten und verloren gingen.“

Ich möchte noch einmal betonen, dass die Gabe des Erkennens und Unterscheidens in einer Welt, die immer finsterer wird, ein schützendes und leitendes Licht ist. Wir können sicher und erfolgreich durch den Nebel der Finsternis vorwärtsstreben und ein ungetrübtes Empfinden für geistige Führung haben. Zur Gabe des Erkennens und Unterscheidens gehört viel mehr, als das Richtige vom Falschen unterscheiden zu können. Sie hilft uns, das Wesentliche vom Nebensächlichen, das Bedeutsame vom Unbedeutenden und das Notwendige von dem, was lediglich wünschenswert ist, zu trennen.

Sie eröffnet uns Perspektiven, die weit über das hinausreichen, was mit unseren natürlichen Augen gesehen oder mit unseren natürlichen Ohren gehört werden kann. Das bedeutet, mit geistigen Augen zu sehen und im Herzen zu spüren – das Falsche an einem Gedanken oder das Gute in einem anderen Menschen zu sehen und zu spüren. Das bedeutet, mit geistigen Ohren zu hören und im Herzen zu spüren – den unausgesprochenen Zweifel, der in einer Aussage mitschwingt, oder die Wahrheit eines Zeugnisses oder einer Lehre hören und spüren.

Ich habe Präsident Boyd K. Packer, den Amtierenden Präsidenten des Kollegiums der Zwölf Apostel, häufig zu den Mitgliedern und zu den Priestertumsführern sagen hören: „Wenn Ihr Wissen einzig und allein auf dem beruht, was Sie mit den natürlichen Augen sehen oder mit den natürlichen Ohren hören, dann wissen Sie nicht allzu viel.“ Diese Aussage sollte uns alle veranlassen, uns diese Geistesgaben so, wie es recht ist, zu wünschen und nach ihnen zu trachten.

Beobachten, beachten, erkennen und unterscheiden befähigt uns auch, anderen beizustehen, die danach trachten, auf den Pfad zu gelangen, und die den Wunsch haben, mit Beständigkeit in Christus vorwärtszustreben. Wenn wir mit diesen Geistesgaben gesegnet sind, werden wir den Weg nicht aus den Augen verlieren, wir werden nicht davon abweichen, und wir werden nicht verloren gehen. Und wir können nur darauf hoffen, die überirdische Gabe des Erkennens und Unterscheidens und ihr schützendes und leitendes Licht zu erlangen, wenn wir schnell im Beobachten sind. Wie Alma seinem Sohn Helaman sagte: „Sieh zu, dass du diese heiligen Dinge gut behütest, ja, sieh zu, dass du auf Gott blickst und lebst.“ (Alma 37:47.)

Ich gebe Ihnen mein besonderes Zeugnis, dass Jesus der Messias ist, unser Erretter und Erlöser. Ich weiß, dass er lebt. Ich rufe seinen Segen auf jeden von Ihnen herab – mögen Sie den Wunsch haben, schnell im Beobachten zu sein und wahrhaft erkennen und unterscheiden zu können, und mögen Sie diese Gaben erlangen.

Aus einer Ansprache, die am 10. Mai 2005 an der Brigham-Young-Universität gehalten wurde.

Anmerkungen

  1. Gospel Truth: Discourses and Writings of George Q. Cannon, Hg. Jerreld L. Newquist, 1987, Seite 156f.

  2. Frühjahrs-Generalkonferenz 1950; Hervorhebung hinzugefügt