2007
Trachtet nach Wissen durch Glauben
September 2007


Trachtet nach Wissen durch Glauben

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Wir werden in den heiligen Schriften immer wieder daran erinnert, dass wir die Wahrheiten des Evangeliums durch die Macht des Geistes predigen sollen (siehe LuB 50:14). Ich denke, die meisten Eltern und Lehrer in der Kirche kennen diesen Grundsatz und sind im Allgemeinen bemüht, ihn richtig anzuwenden. So wichtig dieser Grundsatz auch sein mag, ist er doch nur ein Teil einer sehr viel größeren geistigen Gesetzmäßigkeit. Wir werden auch häufig angewiesen, durch Glauben nach Wissen zu trachten (siehe LuB 88:118). Durch den Geist predigen und durch Glauben lernen sind Grundsätze, die Hand in Hand gehen, und wir müssen uns bemühen, sie zu begreifen und sie konsequent und gemeinsam anzuwenden.

Vermutlich wissen und reden wir viel mehr darüber, dass der Lehrende durch den Geist lehren muss, als darüber, dass der Lernende durch Glauben lernen muss. Gewiss sind beide Grundsätze, beide Vorgänge, nämlich Lehren und Lernen, in geistiger Hinsicht sehr wichtig. Wenn wir unseren Blick jedoch auf die Zukunft richten und davon ausgehen, dass die Welt noch wirrer und unruhiger werden wird, ist es wohl unerlässlich, dass wir alle noch besser lernen, durch Glauben nach Wissen zu trachten. Im Alltag, in unserer Familie und in der Kirche können und werden wir geistige Kraft, Führung und Schutz erlangen, wenn wir durch Glauben danach trachten, geistiges Wissen zu erlangen und dieses in die Tat umzusetzen.

Nephi lehrt: „Wenn jemand durch die Macht des Heiligen Geistes spricht, so trägt die Macht des Heiligen Geistes [die Botschaft] den Menschenkindern ins Herz.“ (2 Nephi 33:1.) Beachten Sie das bitte. Der Lehrer kann erläutern, aufzeigen, ermuntern und Zeugnis geben – und das alles sehr wirksam und mit großer Geisteskraft. Doch der Inhalt der Botschaft und das Zeugnis des Heiligen Geistes können letztlich nur dann ins Herz dringen, wenn der Empfänger es zulässt. Wenn wir durch Glauben lernen, wird der Weg in unser Herz frei.

Die Grundlage des Handelns: Glaube an den Herrn Jesus Christus

Der Apostel Paulus definiert den Glauben als „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebräer 11:1). Alma erklärt, dass der Glaube keine vollkommene Kenntnis ist, sondern wenn wir Glauben hätten, hofften wir auf etwas, was man nicht sieht, was aber wahr ist (siehe Alma 32:21). Darüber hinaus erfahren wir in den Lectures on Faith, dass der Glaube „der erste Grundsatz offenbarter Religion und die Grundlage aller Rechtschaffenheit“ ist und dass er außerdem „die Grundlage des Handelns bei allen intelligenten Wesen“ ist.1

Aus diesen Lehren gehen drei grundlegende Elemente des Glaubens hervor: 1.) Glaube als Zuversicht auf das, was man erhofft und was wahr ist, 2.) Glaube als Gewissheit über etwas, was man nicht sieht, und 3.) Glaube als Grundlage des Handelns bei allen intelligenten Wesen. Diese drei Komponenten des Glaubens an den Erretter sind gleichzeitig auf die Zukunft und die Vergangenheit gerichtet und bewegen uns zum Handeln in der Gegenwart.

Der Glaube als die Zuversicht auf das, was man erhofft, ist auf die Zukunft gerichtet. Diese Zuversicht beruht auf dem richtigen Gottesverständnis und Gottvertrauen und lässt uns im Dienst für den Erretter auch in ungewissen und oft schwierigen Situationen „vorwärtsstreben“ (siehe 2 Nephi 31:20).

So verließ sich beispielsweise Nephi auf genau diese Art von geistiger Zuversicht für die Zukunft, als er nach Jerusalem zurückkehrte, um die Messingplatten zu holen, wo er doch „nicht im Voraus [wusste], was [er] tun sollte. Dennoch ging [er] weiter.“ (1 Nephi 4:6,7.)

Der Glaube an Christus ist untrennbar verbunden mit der Hoffnung, zu der er führt – der Hoffnung in Christus auf Erlösung und Erhöhung. Zuversicht und Hoffnung ermöglichen es uns, bis zum Ende des Lichtstrahls zu gehen und noch ein paar Schritte hinein in die Finsternis zu wagen – in der Erwartung und im Vertrauen, dass das Licht sich bewegt und uns den Weg erhellt.2 Die Verbindung von Zuversicht und Hoffnung führt dazu, dass wir in der Gegenwart handeln.

Der Glaube als die Gewissheit von dem, was man nicht sieht, ist auf die Vergangenheit gerichtet und bestätigt unser Gottvertrauen und die Wahrheit dessen, was man nicht sieht. Wir sind mit Zuversicht und Hoffnung in die Finsternis gegangen und haben Gewissheit und Bestätigung erhalten, als sich das Licht tatsächlich bewegt und uns die notwendige Erleuchtung gegeben hat. Das Zeugnis, das wir empfangen haben, nachdem unser Glaube geprüft worden ist (siehe Ether 12:6), gibt uns Gewissheit, die wiederum unsere Zuversicht vertieft und stärkt.

Zuversicht, Handeln und Gewissheit beeinflussen einander in einem fortdauernden Prozess. Es ist wie eine Spirale, die nach oben immer weiter und größer wird. Diese drei Elemente des Glaubens, nämlich Zuversicht, Handeln und Gewissheit, sind nicht getrennt, sondern miteinander verwoben und verstärken sich gegenseitig. Dabei entwickelt und verändert sich der Glaube, der diesen fortdauernden Prozess antreibt. Wenn wir uns erneut einer ungewissen Zukunft stellen, führt die Zuversicht zum Handeln und erzeugt Gewissheit, was unsere Zuversicht weiter verstärkt. Unser Vertrauen wird stärker – Zeile um Zeile, Weisung um Weisung, hier ein wenig und dort ein wenig.

Ein eindrucksvolles Beispiel für das Zusammenwirken von Zuversicht, Handeln und Gewissheit finden wir bei den Israeliten, die unter Josuas Führung die Bundeslade über den Jordan trugen (siehe Josua 3:7-17). Sie erinnern sich gewiss, dass die Israeliten an den Jordan kamen. Ihnen war verheißen worden, das Wasser des Jordans werde wie abgeschnitten sein und sie könnten trockenen Fußes hindurchziehen. Interessant ist, dass das Wasser nicht zurückblieb, während die Israeliten am Ufer des Flusses standen und darauf warteten, dass etwas geschah, sondern dass zuerst ihre Fußsohlen nass wurden, ehe das Wasser zurückblieb. Der Glaube der Israeliten tat sich dadurch kund, dass sie in das Wasser hineingingen, bevor es sich teilte. Sie betraten den Jordan mit der auf die Zukunft gerichteten Zuversicht auf das, was sie erhofften. Als die Israeliten nach vorn gingen, teilte sich das Wasser, und nachdem sie trockenen Fußes hindurchgegangen waren, blickten sie zurück und empfingen Gewissheit über Dinge, die man nicht sieht. Bei dieser Begebenheit führte der Glaube als Zuversicht zum Handeln und erzeugte sodann Gewissheit über Dinge, die man nicht sieht, die aber wahr sind.

Wahrer Glaube ist immer auf den Herrn Jesus Christus gerichtet und bewegt zum Handeln. Viele Schriftstellen, die uns vertraut sind, heben hervor, dass der Glaube ein Grundsatz ist, der zum Handeln führen muss:

„Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke.“ (Jakobus 2:26; Hervorhebung hinzugefügt.)

„Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach.“ (Jakobus 1:22; Hervorhebung hinzugefügt.)

„[Weckt und rüttelt] eure Geisteskraft [auf] …, um mit meinen Worten auch nur einen Versuch zu machen, und zu einem kleinen Teil Glauben [auszuüben].“ (Alma 32:27; Hervorhebung hinzugefügt.)

Gerade der Glaube, der zum Handeln führt, ist entscheidend, wenn wir geistige Wahrheit lernen und anwenden wollen.

Durch Glauben lernen: selbst handeln und nicht auf sich einwirken lassen

Was hat der Glaube als Grundlage des Handelns bei allen intelligenten Wesen damit zu tun, dass wir das Evangelium lernen? Und was bedeutet es, durch Glauben nach Wissen zu trachten?

Alles, was Gott erschaffen hat, ist unterteilt in das, was handelt, und das, worauf eingewirkt wird (siehe 2 Nephi 2:13,14). Als Söhne und Töchter des himmlischen Vaters sind wir mit der Gabe der Entscheidungsfreiheit gesegnet – mit der Fähigkeit und Macht, selbständig zu handeln. Aufgrund unserer Entscheidungsfreiheit sind wir diejenigen, die in erster Linie handeln müssen und nicht bloß auf sich einwirken lassen dürfen – insbesondere dann, wenn es darum geht, geistiges Wissen zu erlangen und anzuwenden.

Dass wir durch Glauben und aus Erfahrung lernen sollen, sind zwei entscheidende Faktoren im Plan des Glücklichseins, den der Vater aufgestellt hat. Der Erretter hat durch das Sühnopfer die sittliche Entscheidungsfreiheit bewahrt und macht es uns möglich, durch Glauben zu handeln und zu lernen. Luzifer wollte in seiner Auflehnung gegen den Plan die Selbständigkeit des Menschen vernichten; seine Absicht war, dass auf uns als Lernende nur eingewirkt wird.

Beachten Sie die Frage, die der himmlische Vater im Garten von Eden an Adam gerichtet hat: „Wo bist du?“ (Genesis 3:9.) Der Vater wusste, wo Adam sich versteckte, aber trotzdem stellte er diese Frage. Warum? Ein weiser und liebevoller Vater ermöglichte es seinem Kind, in diesem Lernprozess selbst zu handeln und nicht nur auf sich einwirken zu lassen. Er hielt seinem ungehorsamen Kind keinen Vortrag, wie viele von uns das vielleicht tun würden. Stattdessen half der Vater dem lernenden Adam, selbständig zu handeln und von seiner Entscheidungsfreiheit richtigen Gebrauch zu machen.

Erinnern Sie sich noch, wie Nephi wünschte, das zu erfahren, was sein Vater Lehi in der Vision vom Baum des Lebens gesehen hatte? Interessanterweise beginnt der Geist des Herrn die Unterweisung Nephis mit der Frage: „Siehe, was wünschst du?“ (1 Nephi 11:2.) Ganz sicher wusste der Geist, was Nephi wünschte. Warum stellte er dann diese Frage? Der Heilige Geist half Nephi, in diesem Lernprozess selbst zu handeln und nicht nur auf sich einwirken zu lassen. Beachten Sie, wie in 1 Nephi 11 bis 14 der Geist sowohl Fragen stellt als auch Nephi auffordert, zu „schauen“ – beides aktive Elemente im Lernprozess.

Aus diesen Beispielen erkennen wir, dass Sie und ich als Lernende handeln müssen, anstatt das Wort bloß anzuhören und nur auf uns einwirken zu lassen. Handeln Sie und ich selbständig, trachten wir durch Glauben nach Wissen, oder warten wir einfach darauf, dass wir unterwiesen werden und auf uns eingewirkt wird? Handeln die Kinder, die Jugendlichen und die Erwachsenen, die wir unterweisen, und trachten sie selbst durch Glauben nach Wissen, oder warten sie darauf, dass sie unterwiesen werden und auf sie eingewirkt wird? Ermutigen wir die, denen wir dienen, und unterstützen wir sie darin, durch Glauben nach Wissen zu trachten? Wir alle sollen eifrig damit beschäftigt sein, zu bitten, zu suchen und anzuklopfen (siehe 3 Nephi 14:7).

Ein Lernender, der seine Entscheidungsfreiheit ausübt, indem er richtige Grundsätze in die Tat umsetzt, öffnet so sein Herz für den Heiligen Geist und damit für dessen Unterweisung und sein machtvolles, bestätigendes Zeugnis. Durch Glauben lernen erfordert geistige, intellektuelle und körperliche Anstrengung und nicht nur passive Aufnahmebereitschaft. Durch aufrichtiges, beständiges, durch Glauben hervorgerufenes Handeln zeigen wir dem himmlischen Vater und seinem Sohn, Jesus Christus, unsere Bereitschaft, zu lernen und vom Heiligen Geist unterwiesen zu werden. Durch Glauben lernen bedeutet also, dass wir unsere Entscheidungsfreiheit ausüben und aufgrund unserer Zuversicht auf das, was wir erhoffen, handeln, woraufhin wir von dem einzigen wahren Lehrer, nämlich dem Geist des Herrn, Gewissheit über Dinge erhalten, die man nicht sieht.

Denken Sie einmal darüber nach, wie Missionare einem Untersucher helfen, durch Glauben zu lernen. Der Untersucher, der verspricht, dass er beispielsweise das Buch Mormon lesen und darüber beten wird, dass er die Versammlungen der Kirche besuchen und die Gebote halten wird, muss Glauben ausüben und handeln. Eine der entscheidenden Aufgaben eines Missionars besteht darin, dem Untersucher zu helfen, solche Verpflichtungen einzugehen und einzuhalten – aus dem Glauben zu handeln und durch Glauben zu lernen. So wichtig es auch sein mag, zu lehren, zu ermahnen und zu erläutern, das alles vermag einem Untersucher kein Zeugnis von der Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums zu vermitteln. Nur wenn der Untersucher aufgrund seines Glaubens handelt und den Weg zu seinem Herzen öffnet, kann der Heilige Geist sein bestätigendes Zeugnis übermitteln. Die Missionare müssen daher lernen, durch die Macht des Geistes zu lehren. Ebenso wichtig ist aber, dass die Missionare dem Untersucher helfen, durch Glauben zu lernen.

Das Lernen, von dem ich hier spreche, ist weit mehr, als etwas mit dem Verstand zu erfassen und Informationen zu speichern und abzurufen. Die Art von Lernen, die ich meine, bringt uns dazu, den natürlichen Menschen abzulegen (siehe Mosia 3:19), unser Herz zu wandeln (siehe Mosia 5:2), uns zum Herrn zu bekehren und niemals wieder abzufallen (siehe Alma 23:6). Lernen durch Glauben erfordert zweierlei: „das Herz und einen willigen Sinn“ (LuB 64:34). Durch Glauben lernen wir dann, wenn der Heilige Geist die Macht des Gotteswortes in unser Herz trägt. Diese Art des Lernens kann der Lehrer seinem Schüler nicht durch einen Vortrag, eine Vorführung oder ein Experiment vermitteln; der Schüler muss selbst Glauben üben und handeln, um diese Erkenntnis zu erlangen.

Der junge Joseph Smith hatte instinktiv begriffen, was es bedeutet, durch Glauben nach Wissen zu trachten. Eine der bekanntesten Begebenheiten im Leben von Joseph Smith ist, wie er im Neuen Testament im Buch Jakobus eine Schriftstelle über Gebet und Glauben las (siehe Jakobus 1:5,6). Diese Worte veranlassten Joseph Smith, sich in ein Wäldchen in der Nähe seines Hauses zurückzuziehen und dort um geistige Erkenntnis zu bitten. Beachten Sie, welche Fragen Joseph im Sinn und im Herzen trug und in den Wald mitnahm. Er hatte sich eindeutig darauf vorbereitet, „voll Glauben [zu] bitten“ (Jakobus 1:6) und dann entsprechend zu handeln.

„Inmitten dieses Wortkriegs und Tumults der Meinungen sagte ich mir oft: Was ist da zu tun? Welche von allen diesen Parteien hat Recht, oder haben sie allesamt Unrecht? Falls eine von ihnen Recht hat, welche ist es, und wie soll ich sie erkennen? …

Der Grund, warum ich den Herrn befragen wollte, war der, dass ich wissen wollte, welche von allen Glaubensgemeinschaften Recht hätte, damit ich wisse, welcher ich mich anschließen sollte. Sobald ich mich so weit gefasst hatte, dass ich imstande war zu sprechen, fragte ich daher die über mir im Licht stehenden Personen, welche von allen Glaubensgemeinschaften die richtige sei … und welcher ich mich anschließen solle.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:10,18.)

Beachten Sie, dass Josephs Frage sich nicht nur um das drehte, was er wissen musste, sondern auch darum, was er tun sollte. In seiner allerersten Frage ging es um das Handeln, darum, was zu tun sei! In seinem Gebet fragte er nicht einfach, welche Kirche die richtige sei. Er fragte vielmehr, welcher Kirche er sich anschließen solle. Joseph ging in den Wald, um durch Glauben zu lernen. Er war entschlossen zu handeln.

Letztlich liegt die Verantwortung, durch Glauben zu lernen und geistige Wahrheit anzuwenden, bei jedem Einzelnen. Diese Aufgabe gewinnt in der Welt, in der wir heute leben und in Zukunft leben werden, immer mehr an Bedeutung. Was wir lernen, wie und wann wir es lernen, wird von einem Lehrer, einer Präsentationsmethode und einem bestimmten Thema oder Unterrichtsschema unterstützt, ist aber nicht davon abhängig.

Gewiss besteht eine der großen Herausforderungen des Erdenlebens darin, dass wir durch Glauben nach Wissen trachten. Der Prophet Joseph Smith fasste den Lernprozess, den ich beschreiben will, und dessen Ergebnis am besten zusammen. Als die Zwölf Apostel ihn einmal um Unterweisung baten, antwortete er: „Die beste Möglichkeit, Wahrheit und Weisheit zu erlangen, besteht nicht darin, sie aus Büchern zu erfragen, sondern sich im Gebet an Gott zu wenden und göttliche Belehrung zu erhalten.“3

Ein andermal erklärte der Prophet Joseph Smith: „Dass wir die Erfahrung anderer Menschen lesen, kann uns ebenso wenig einen umfassenden Einblick in unsere eigene Lage und unsere wahre Beziehung zu Gott geben wie eine Offenbarung, die einem anderen zuteil wird.“4

Folgerungen für Lehrende

Die wahren Grundsätze im Hinblick auf Lernen durch Glauben sind für Eltern und Lehrer von großer Bedeutung. Wir wollen nun drei Folgerungen betrachten.

1. Folgerung: Der Heilige Geist ist ein Lehrer, der vom Vater kommt.

Der Heilige Geist ist das dritte Mitglied der Gottheit und ist der Lehrer, der von aller Wahrheit Zeugnis gibt. Elder James E. Talmage (1862–1933), der dem Kollegium der Zwölf Apostel angehörte, hat gesagt: „Die Aufgabe des Heiligen Geistes in seinem Wirken unter den Menschen wird in den heiligen Schriften beschrieben. Er ist ein Lehrer, vom Vater gesandt, und all denen, die ein Anrecht darauf haben, von ihm unterwiesen zu werden, offenbart er alles Notwendige für den Fortschritt der Seele.“5

Wir dürfen nie vergessen, dass der Heilige Geist der Lehrer ist, der, wenn er in der richtigen Weise eingeladen wird, dem Lernenden ins Herz dringen kann. Sie und ich haben wirklich die Aufgabe, das Evangelium durch den Geist, nämlich den Tröster, zu predigen, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass durch Glauben gelernt wird, was nur durch den Heiligen Geist möglich ist (siehe LuB 50:14). In dieser Hinsicht gleichen Sie und ich den langen, dünnen Glasfasern, aus denen die Faseroptikkabel bestehen, durch die Lichtsignale über weite Entfernungen übermittelt werden. Wie das Glas in diesen Kabeln rein sein muss, um das Licht wirklich zügig leiten zu können, so müssen auch wir würdig werden und bleiben, damit der Geist des Herrn durch uns wirken kann.

Aber wir dürfen in unserem Dienst nicht vergessen, dass wir nur der Kanal, der Leiter sind; wir sind nicht das Licht. „Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.“ (Matthäus 10:20.) Es geht nie um mich, und es geht nie um Sie. Tatsächlich ist alles, was Sie oder ich als Lehrende tun, um absichtlich und bewusst die Aufmerksamkeit auf uns selbst zu lenken – ob mit unserer Botschaft, unseren Methoden oder unserem Auftreten –, eine Form von Priesterlist, die verhindert, dass der Heilige Geist ungestört wirken kann. „Predigt er es durch den Geist der Wahrheit oder auf eine andere Weise? Und wenn es auf eine andere Weise geschieht, ist es nicht von Gott.“ (LuB 50:17,18.)

2. Folgerung: Als Lehrer unterrichten wir dann am wirkungsvollsten, wenn wir unsere Schüler dazu anregen und sie dabei unterstützen, selbst durch Glauben zu lernen.

Vielleicht kennen Sie das Sprichwort: Gibt man jemandem einen Fisch, dann hat er eine Mahlzeit. Bringt man ihm jedoch das Fischen bei, hat er sein Leben lang genug Nahrung. Als Eltern und Evangeliumslehrer haben wir nicht die Aufgabe, Fische zu verteilen, sondern dem Einzelnen zu helfen, dass er „fischen“ lernt und geistig unabhängig wird. Dieses wichtige Ziel wird am besten dadurch erreicht, dass wir den Schüler dazu anregen und darin unterstützen, im Einklang mit richtigen Grundsätzen zu handeln – dass wir ihm helfen, durch Tun zu lernen. „Wer bereit ist, den Willen Gottes zu tun, wird erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt.“ (Johannes 7:17.)

Beachten Sie, wie diese Folgerung in dem Rat angewandt wird, den Junius F. Wells von Präsident Brigham Young (1801–1877) erhielt, als er 1875 mit der Einrichtung der Organisation für die Jungen Männer der Kirche bauftragt wurde:

„Beginnt in euren Versammlungen mit dem ersten Namen auf der Klassenliste und ruft so viele Teilnehmer auf, ihr Zeugnis zu geben, wie es die Zeit zulässt, dann beginnt in der nächsten Versammlung da, wo ihr aufgehört habt, und ruft weitere auf, damit sich alle beteiligen und sich darin üben, aufzustehen und etwas zu sagen. Viele meinen vielleicht, sie hätten kein Zeugnis, das sie geben können, aber wenn ihr sie dazu bringt, aufzustehen, werden sie feststellen, dass der Herr sie viele Wahrheiten sagen lässt, an die sie zuvor gar nicht gedacht haben. Mehr Menschen haben ein Zeugnis erhalten, als sie aufgestanden sind und versucht haben, es zu geben, als auf ihren Knien, als sie darum gebeten haben.“6

Präsident Boyd K. Packer, Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, hat uns in heutiger Zeit einen ähnlichen Rat gegeben:

„Ach, wenn ich Ihnen bloß diesen einen Grundsatz beibringen könnte! Ein Zeugnis kann man finden, indem man Zeugnis gibt! Dieser Glaubenssprung liegt irgendwo in Ihrem Streben nach spiritueller Erkenntnis. Es ist der Augenblick, in dem wir bis ans Ende des Lichtstrahls gehen und in die Finsternis treten und dort feststellen, dass der Weg nur noch ein, zwei Schritte weit beleuchtet ist.

Zum einen beziehen wir ein Zeugnis aus dem, was wir lesen oder was ein anderer uns sagt; das ist der notwendige Anfang. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn uns der Geist im Herzen bestätigt, dass das, was wir bezeugen, wahr ist. Es wird uns gegeben, wenn wir andere daran teilhaben lassen! Wenn wir von dem geben, was wir haben, bekommen wir umso mehr zurück!“7

Mir ist aufgefallen, dass den Lehrern, die den größten Einfluss auf mich hatten, allen eine Eigenschaft zu Eigen war: Sie halfen mir, durch Glauben nach Wissen zu trachten. Sie weigerten sich, mir auf schwierige Fragen einfache Antworten zu geben. Eigentlich gaben sie mir überhaupt keine Antworten. Stattdessen zeigten sie mir den Weg auf und halfen mir, die nötigen Schritte zu tun, um selbst meine Antworten zu finden. Gewiss wusste ich diese Methode nicht immer zu schätzen, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass wir uns an die Antwort, die wir von einem anderen erhalten, meist nicht sehr lange erinnern, wenn überhaupt. Aber eine Antwort, die wir selbst entdecken oder erlangen, indem wir Glauben ausüben, bleibt uns üblicherweise ein Leben lang im Gedächtnis. Die wichtigsten Erkenntnisse in unserem Leben bekommen wir nicht von anderen, sondern wir „fangen“ sie selbst ein.

Die geistigen Erkenntnisse, die Sie und ich empfangen haben und die uns im Herzen als wahr bestätigt wurden, lassen sich nicht so einfach an andere weitergeben. Das Lehrgeld muss bezahlt werden, indem man eifrig und durch Glauben lernt, damit man selbst diese Erkenntnis erlangt. Nur auf diesem Weg kann das, was man im Verstand weiß, umgewandelt werden in etwas, was man im Herzen fühlt. Nur auf diesem Weg kann jemand aufhören, sich auf die geistige Erkenntnis und Erfahrung anderer zu verlassen, und stattdessen diese Segnungen für sich selbst in Anspruch nehmen. Nur auf diesem Weg sind wir geistig auf das vorbereitet, was kommt. Wir müssen „nach Wissen“ trachten, „ja, durch Studium und auch durch Glauben“ (LuB 88:118).

3. Folgerung: Unser Glaube wird gestärkt, wenn wir anderen helfen, durch Glauben zu lernen.

Der Heilige Geist, der uns „alles lehren und [uns] an alles erinnern“ kann (siehe Johannes 14:26), will uns gern beim Lernen unterstützen, wenn wir nur handeln und Glauben an Jesus Christus üben. Interessanterweise ist diese göttliche Lernhilfe vielleicht am meisten spürbar, wenn wir selbst unterrichten, ob zu Hause oder in einer Berufung in der Kirche.

Beachten Sie in den folgenden Versen aus dem Buch Lehre und Bündnisse, wie wir dadurch, dass wir eifrig lehren, selbst himmlische Gnade und Unterweisung empfangen:

„Und ich gebe euch das Gebot, einander die Lehre des Reiches zu lehren.

Lehrt eifrig, und meine Gnade wird mit euch sein, damit ihr noch vollkommener unterwiesen seiet in Theorie, in Grundsätzlichem, in der Lehre, im Gesetz des Evangeliums, in allem, was das Reich Gottes betrifft und was ratsam ist, dass ihr es versteht.“ (LuB 88:77,78; Hervorhebung hinzugefügt.)

Achten Sie darauf, dass die in diesen Schriftstellen beschriebenen Segnungen speziell für den Lehrer vorgesehen sind: „Lehrt eifrig, und meine Gnade wird mit euch sein“ – damit ihr, das heißt: die Lehrer, unterwiesen werdet!

Das gleiche Prinzip finden wir in Vers 122 im selben Abschnitt:

„Bestimmt unter euch einen zum Lehrer, und lasst nicht alle auf einmal Wortführer sein; sondern lasst immer nur einen reden, und lasst alle seinen Worten zuhören, sodass, wenn alle geredet haben, alle durch alle erbaut worden sein mögen und ein jeder das gleiche Recht habe.“ (LuB 88:122; Hervorhebung hinzugefügt.)

Wenn alle reden und alle zuhören – auf würdevolle und geordnete Weise –, dann werden auch alle erbaut. Wenn jeder Einzelne und wir alle zusammen Glauben an den Erretter ausüben, machen wir uns bereit, vom Geist des Herrn unterwiesen und gestärkt zu werden.

Trachtet nach Wissen durch Glauben: ein aktuelles Beispiel

Wir alle sind dadurch gesegnet worden, dass uns Präsident Gordon B. Hinckley im August 2005 aufgefordert hat, bis zum Ende des Jahres das Buch Mormon zu lesen. Als Präsident Hinckley diese Aufforderung aussprach, verhieß er, dass „der Geist des Herrn stärker in [unserem] Leben und in [unserer] Familie zu spüren sein“ werde, wenn wir uns an diesen einfachen Leseplan hielten. „Sie werden sich noch fester entschließen, Gottes Gebote zu befolgen, und Sie werden ein festeres Zeugnis empfangen, dass der Sohn Gottes wirklich lebt.“8

Beachten Sie, inwiefern diese inspirierte Aufforderung ein klassisches Beispiel dafür ist, wie man durch Glauben lernt. Zunächst einmal wurde uns nicht geboten zu lesen; es war kein Zwang. Stattdessen wurden wir eingeladen, selbst unsere Entscheidungsfreiheit auszuüben und im Einklang mit richtigen Grundsätzen zu handeln. Präsident Hinckley, ein inspirierter Lehrer, ermunterte uns, zu handeln und nicht nur auf uns einwirken zu lassen. Jeder von uns musste sich letztlich entscheiden, ob und wie er der Aufforderung nachkommen wollte – und ob er bis zum Ende der Aufgabe ausharren wollte.

Zweitens bestärkte Präsident Hinckley durch seine Einladung, zu lesen und zu handeln, uns alle darin, durch Glauben nach Wissen zu trachten. Es wurden keine neuen Studienanleitungen an die Mitglieder der Kirche ausgeteilt und keine zusätzlichen Lektionen, Kurse oder Programme eingeführt. Jeder von uns hatte sein Exemplar des Buches Mormon – und der Weg in unser Herz wurde weiter, weil wir Glauben an den Erretter ausübten, als wir der Aufforderung der Ersten Präsidentschaft nachkamen. So waren wir bereit dafür, vom einzig wahren Lehrer, dem Heiligen Geist, unterwiesen zu werden.

Jeder von uns ist selbst dafür verantwortlich, durch Glauben nach Wissen zu trachten, und diese Aufgabe wird weiter an Bedeutung gewinnen, je wirrer und unruhiger die Welt wird, in der wir leben. Dass wir durch Glauben lernen, ist für unsere persönliche geistige Entwicklung und für das Wachstum der Kirche in diesen Letzten Tagen unerlässlich. Möge jeder von uns aufrichtig nach Rechtschaffenheit hungern und dürsten und vom Heiligen Geist erfüllt werden (siehe 3 Nephi 12:6), damit wir durch Glauben nach Wissen trachten.

Nach einer Ansprache anlässlich einer Satellitenübertragung für Lehrer des Bildungswesens der Kirche am 3. Februar 2006.

Anmerkungen

  1. Lectures on Faith, 1985, Seite 1

  2. Siehe Boyd K. Packer, „Das Licht des Herrn“, Der Stern, Dezember 1988, Seite 36

  3. History of the Church, 4:425

  4. History of the Church, 6:50

  5. The Articles of Faith, 1924, Seite 162

  6. Junius F. Wells, „Historic Sketch of the YMMIA“, Improvement Era, Juni 1925, Seite 715

  7. Der Stern, Dezember 1988, Seite 36

  8. „Ein wahres und lebendiges Zeugnis“, Liahona, August 2005, Seite 6