2009
Glaube trotz Unglück
Mai 2009


Glaube trotz Unglück

Nach dem Evangelium zu leben bedeutet, dass wir vorbereitet sind, Unglück mit mehr Zuversicht zu begegnen und zu ertragen.

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Elder Rafael E. Pino

Vor einigen Jahren erhielt ich eines Morgens einen Anruf von Bruder Omar Alvarez, der damals einer meiner Ratgeber in der Bischofschaft war. Seine dreijährige Tochter war bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen.

Er berichtete mit folgenden Worten, was an dem Tag geschehen war:

„Kaum waren wir an einem der schönen Strände von Venezuela angekommen, bettelten unsere Kinder, wir sollten sie an einem kleinen Fluss in Strandnähe spielen lassen. Wir erlaubten es. Dann fingen wir an, ein paar Sachen aus dem Auto zu holen. Zwei Minuten später bemerkten wir, dass unsere Kinder sich allmählich zu weit vom Ufer entfernten.

Als wir hingingen, um sie zurückzuholen, stellten wir fest, dass unsere dreijährige Tochter nicht bei den anderen war. Wir hielten verzweifelt nach ihr Ausschau und entdeckten sie schließlich in der Nähe der anderen Kinder, im Wasser treibend. Wir zogen sie schnell aus dem Wasser. Ein paar Leute kamen, um bei der Rettung zu helfen, aber es war nichts mehr zu machen – unsere jüngste Tochter war ertrunken.

Die folgenden Augenblicke waren extrem schwer zu ertragen, voller Schmerz und Kummer über den Verlust unserer jüngsten Tochter. Die Qual wurde schon bald nahezu unerträglich. Doch dann kam uns mitten in all dem Durcheinander und der Ungewissheit der Gedanke, dass unsere Kinder im Bund geboren waren und dass unsere Tochter durch diesen Bund in alle Ewigkeit zu uns gehört.

Welch ein Segen ist es doch, zur Kirche Jesu Christi zu gehören und die heiligen Handlungen des heiligen Tempels empfangen zu haben! Wir fühlen uns jetzt viel mehr dazu verpflichtet, dem Herrn treu zu sein und bis ans Ende auszuharren, weil wir der Segnungen würdig sein möchten, die der Tempel uns gibt, damit wir unsere Tochter wiedersehen können. Manchmal trauern wir, ‚aber wir trauern nicht so wie diejenigen, die keine Hoffnung haben‘.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Leitfaden für das Melchisedekische Priestertum und die FHV 2007, Seite 193.)

Diese glaubensvolle Familie hat erkannt, dass Gott die einzig wahre Quelle des Trostes ist, wenn uns Unglück widerfährt. „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Johannes 14:27.)

Mehrere Jahre, nachdem Familie Alvarez diese schwere Prüfung meistern musste, erlebte ich mit, wie eine andere gläubige Familie mit einem großen Unglück fertig wurde. Mehrere Mitglieder der Familie Quero waren bei einem schrecklichen Autounfall umgekommen. Bruder Abraham Quero verlor bei diesem Unfall seine Eltern, zwei Schwestern, seinen Schwager und seine Nichte.

In den folgenden Worten zeigt sich seine bewundernswerte Haltung:

„Dies war die Zeit, Gott Treue zu beweisen und anzuerkennen, dass wir auf ihn angewiesen sind, dass wir seinem Willen gehorchen müssen und dass wir ihm untertan sind.

Ich sprach mit meinen Brüdern, sodass sie Kraft und Mut schöpften und einsahen, was Präsident Kimball vor vielen Jahren meinte, als er sagte, ‚dass nur die Sünde etwas Tragisches ist, nicht aber der Tod‘ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Spencer W. Kimball, Leitfaden für das Melchisedekische Priestertum und die FHV 2006, Seite 21), und dass es nicht wichtig ist, wie ein Mensch stirbt, sondern wie er gelebt hat.

Ijobs Worte drangen mir ins Herz: ,Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.‘ (Ijob 1:21.) Und die Worte Jesu: ,Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.‘ (Johannes 11:25.)

Dies war eine der geistigsten Erfahrungen, die wir als Familie gemacht haben, nämlich unter so schwierigen Umständen den Willen Gottes anzunehmen.“

Bei den Erlebnissen, die diese beiden guten Familien auszuhalten hatten, vertrieb das Licht des Evangeliums Schmerz und Kummer, erfüllte sie mit Frieden und Trost und gab ihnen die Gewissheit, dass alles gut ausgehen würde.

Auch wenn man den Schmerz dieser Familien nicht mit der Qual des Herrn in Getsemani vergleichen kann, sind mir dadurch doch das Leiden und das Sühnopfer des Erretters verständlicher geworden. Es gibt keine Schwäche, keine Not, kein Unglück, dem Christus nicht in Getsemani begegnet wäre.

Der Herr hat Joseph Smith Folgendes offenbart, was im Buch Lehre und Bündnisse steht:

„Dieses Leiden ließ mich, selbst Gott, den Größten von allen, der Schmerzen wegen zittern und aus jeder Pore bluten und an Leib und Geist leiden – und ich wollte den bitteren Kelch nicht trinken und zurückschrecken –, doch Ehre sei dem Vater, und ich trank davon und vollendete meine Vorbereitungen für die Menschenkinder.“ (LuB 19:18,19.)

Der Prophet Joseph Smith, der viel über die Stürme des Lebens wusste, rief in einem seiner schwierigsten Augenblicke voller Qual aus: „O Gott, wo bist du? Und wo ist das Gezelt, das dein Versteck bedeckt?“ (LuB 121:1.)

Als der Prophet dann seine Stimme erhob, erreichten ihn die tröstlichen Worte des Herrn:

„Mein Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.“ (LuB 121:7,8.)

Präsident Howard W. Hunter hat gesagt: „Wenn unser Leben und unser Glaube an Jesus Christus und seinem wiederhergestellten Evangelium ausgerichtet sind, kann nichts auf Dauer fehlschlagen. Wenn unser Leben hingegen nicht auf den Erretter und seine Lehren ausgerichtet ist, kann kein anderweitiger Erfolg auf Dauer echt sein.“ (The Teachings of Howard W. Hunter, Hg. Clyde J. Williams, 1997, Seite 40.)

Der Erretter hat gesagt:

„Darum: Wer diese meine Worte hört und sie tut, den will ich mit einem weisen Mann vergleichen, der sein Haus auf einem Felsen baute – und der Regen fiel, und die Fluten kamen, und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel nicht, denn es war auf einem Felsen gegründet.

Und jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, wird einem törichten Mann gleichen, der sein Haus auf dem Sand baute – und der Regen fiel, und die Fluten kamen, und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel, und groß war sein Fall.“ (3 Nephi 14:24-27.)

Es ist doch interessant, dass der Regen, die Fluten und die Winde beide Häuser bedrohten! Nach dem Evangelium zu leben bedeutet nicht, dass wir allem Unglück immerfort entrinnen. Es bedeutet vielmehr, dass wir vorbereitet sind, Unglück mit mehr Zuversicht zu begegnen und zu ertragen.

Ich bezeuge feierlich, dass Jesus der Messias ist, unser Erretter und Erlöser. Er leitet seine Kirche durch einen lebenden Propheten, Präsident Thomas S. Monson. Wenn wir im Einklang mit den Lehren des Erlösers leben, finden wir gewiss den Frieden und den Trost, den nur Gott geben kann (siehe Philipper 4:7). Davon gebe ich Zeugnis im Namen Jesu Christi. Amen.