2010
Halten Sie noch ein wenig länger durch
Januar 2010


Botschaft von der Ersten Präsidentschaft

Halten Sie noch ein wenig länger durch

Aus der Zeit in Kirtland können wir für uns eine Lehre ziehen, nämlich dass der Geist stets genährt werden muss. Wir müssen jeden Tag dem Herrn nahebleiben, wenn wir dem Widerstand trotzen wollen, dem wir alle ausgesetzt sind.

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President Dieter F. Uchtdorf

Letzten Sommer fuhren meine Frau und ich mit unseren Zwillings-Enkelsöhnen nach Kirtland in Ohio. Es war für uns eine ganz besondere und kostbare Gelegenheit, mit ihnen etwas Zeit zu verbringen, ehe sie ihre Mission antraten.

Während unseres Besuchs dort erfuhren wir mehr über den Propheten Joseph Smith und die Heiligen, die in Kirtland wohnten. Diese Zeit in der Geschichte der Kirche ist bekannt für schlimme Prüfungen, aber auch für erhabene Segnungen.

In Kirtland gewährte der Herr der Kirche einige der außergewöhnlichsten himmlischen Kundgebungen und geistigen Gaben, die diese Welt jemals erlebt hat. Fünfundsechzig Abschnitte aus dem Buch Lehre und Bündnisse wurden in Kirtland und den angrenzenden Gebieten empfangen – Offenbarungen, die mehr Licht und Erkenntnis zu Themen wie dem Zweiten Kommen, der Sorge für Bedürftige, dem Erlösungsplan, der Priestertumsvollmacht, dem Wort der Weisheit, dem Zehnten, dem Tempel und dem Gesetz der Weihung brachten.1

Es war eine Zeit noch nie dagewesenen geistigen Wachstums. Der Geist aus den Höhen brannte tatsächlich wie Feuer und Flammen. Mose, Elija und viele andere himmlische Wesen erschienen in dieser Zeit, auch unser Vater im Himmel und sein Sohn, der Erlöser der Welt, Jesus Christus.2

Eine der vielen Offenbarungen, die Joseph Smith in Kirtland empfing, nannte er „Olivenblatt … vom Baum des Paradieses gepflückt, die Friedensbotschaft des Herrn an uns“ (Einleitung zu LuB 88). In dieser bemerkenswerten Offenbarung steht auch die erhabene Aufforderung: „Naht euch mir, und ich werde mich euch nahen; sucht mich eifrig, dann werdet ihr mich finden.“ (LuB 88:63.) Als die Heiligen in Kirtland sich dem Herrn dann nahten, nahte er sich ihnen auch und schüttete die Segnungen des Himmels über die gläubigen Mitglieder aus.

Eine Ausschüttung des Geistes

Der Höhepunkt dieser geistigen Kundgebungen war wohl die Weihung des Kirtland-Tempels am 27. März 1836. Einer der Anwesenden war der 28-jährige William Draper, der den Tag als „Pfingsttag“ bezeichnete. Er schrieb: „Der Geist des Herrn wurde in dieser Zeit dergestalt ausgeschüttet, dass ich dies mit meiner Feder nicht vollständig niederschreiben und mit meiner Zunge nicht aussprechen kann. Aber ich möchte hier erklären, dass der Geist ausgegossen wurde und wie ein mächtiger, rauschender Wind kam, der das Haus erfüllte, und alle Versammelten redeten in Zungen, hatten Visionen, sahen Engel, prophezeiten und erlebten eine solche Freude, wie sie in dieser Generation noch niemand erlebt hatte.“3

Diese geistigen Kundgebungen erlebten aber nicht nur diejenigen, die im Tempel waren, denn „die Leute aus der Nachbarschaft liefen zusammen (sie hörten drinnen ein ungewöhnliches Geräusch und sahen auf dem Tempel ein helles Licht, wie eine Feuersäule) und staunten über das, was da vor sich ging.“4

Lorenzo Snow (1814–1901), der später Präsident der Kirche wurde, wohnte zu dieser herrlichen Zeit in Kirtland. Er berichtet: „Man hätte meinen können, dass die Heiligen nach solch erhabenen Kundgebungen von keiner Versuchung mehr erschüttert werden könnten.“5

Doch natürlich schützen uns bedeutende geistige Erlebnisse nicht vor Widerstand und Prüfungen. Nur wenige Monate nach der Tempelweihung erschütterte eine schwere Wirtschaftskrise die Vereinigten Staaten, und in Kirtland konnte man die Auswirkungen deutlich spüren. Banken gingen bankrott, und viele Menschen standen finanziell vor dem Abgrund. Außerdem brachten viele Mitglieder, die nach Kirtland kamen, nur sehr wenige materielle Güter mit. Sie wussten auch nicht, was sie machen sollten, wenn sie dann vor Ort waren, oder wie sie überleben sollten. Das machte die Sache noch schlimmer.

Es dauerte nicht lange, da brach Verfolgung aus und der Mob formierte sich gegen die Heiligen. Einige Mitglieder der Kirche – sogar manche, die dem Propheten sehr nahestanden und von denen viele bei der Tempelweihung dabei gewesen waren – fielen vom Glauben ab und behaupteten, Joseph Smith sei ein gefallener Prophet.

Als ich mit meiner Frau und meinen Enkeln am Kirtland-Tempel spazieren ging, dachte ich darüber nach, wie traurig es doch ist, dass einige, selbst nachdem sie solche geistigen Kundgebungen erlebt hatten, nicht treu bleiben konnten. Wie tragisch ist es doch, dass sie den Spott und die Kritik von Zweiflern nicht ertragen konnten. Wie traurig ist es doch, dass sie angesichts von finanziellen oder anderen Schwierigkeiten nicht in sich gegangen sind und die Kraft gefunden haben, treu zu bleiben. Wie bedauerlich ist es doch, dass sie irgendwie die wundersamen geistigen Erlebnisse bei der Tempelweihung aus den Augen verloren.

Die Lektionen

Was können wir aus dieser beeindruckenden Zeit in der Geschichte der Kirche lernen?

Eine der wichtigen und unveränderlichen Lehren aus dieser Zeit in Kirtland ist, dass der Geist stets genährt werden muss. Präsident Harold B. Lee (1899–1973) hat erklärt: „Ein Zeugnis ist nichts, was man heute hat und für immer behält. Entweder wächst ein Zeugnis immer weiter, bis es zur strahlenden Gewissheit wird, oder es schwindet ins Nichts, je nachdem, was man dafür tut. Ich sage: Das Zeugnis, das wir Tag für Tag neu erlangen, bewahrt uns vor den Fallen des Widersachers.“6 Wir müssen jeden Tag dem Herrn nahebleiben, wenn wir dem Widerstand trotzen wollen, dem wir alle ausgesetzt sind.

In gewisser Weise hat die heutige Welt Ähnlichkeit mit der in Kirtland um 1830. Auch wir leben in einer Zeit finanzieller Unsicherheit. Es gibt Menschen, die die Kirche und die Mitglieder verfolgen und sie beschimpfen. Einzelne Mitglieder oder Gruppen von Mitgliedern stehen manchmal vor anscheinend unüberwindbaren Problemen.

Und dann müssen wir uns, dringender als sonst, dem Herrn nahen. Wenn wir das tun, werden wir erfahren, was es bedeutet, wenn der Herr sich uns naht. Wenn wir ihn noch eifriger suchen, werden wir ihn gewiss finden. Wir werden klar erkennen, dass der Herr weder seine Kirche noch seine treuen Heiligen im Stich lässt. Unsere Augen werden geöffnet und wir werden sehen, wie er die Fenster des Himmels öffnet und uns noch mehr von seinem Licht schenkt. Wir werden die geistige Kraft finden, um selbst die dunkelste Nacht zu überstehen.

Auch wenn ein paar Mitglieder in Kirtland ihre geistigen Erlebnisse vergaßen, war dies bei den meisten doch nicht der Fall. Die Mehrheit, darunter auch William Draper, hielt an der geistigen Erkenntnis, die Gott ihnen geschenkt hatte, fest und folgte dem Propheten. Auf ihrem Weg erlebten sie noch weitere schlimme Prüfungen, aber auch wundervolles geistiges Wachstum, bis schließlich diejenigen, die bis ans Ende ausharrten, „aufgenommen [wurden] … in eine[n] Zustand nie endenden Glücks“ (Mosia 2:41).

Man kann durchhalten

Wenn Sie je versucht sind, den Mut fahren zu lassen oder den Glauben zu verlieren, denken Sie an die gläubigen Heiligen, die in Kirtland treu geblieben sind. Halten Sie noch ein wenig länger durch. Sie können es schaffen! Sie gehören zu einer ganz besonderen Generation. Sie wurden vorbereitet und zurückbehalten, weil Sie in dieser wichtigen Zeit auf unserer wunderschönen Erde leben sollten. Sie haben einen celestialen Stammbaum und verfügen daher über alle erforderlichen Talente, um aus Ihrem Leben eine ewige Erfolgsgeschichte zu machen.

Der Herr hat Sie mit einem Zeugnis von der Wahrheit gesegnet. Sie haben seinen Einfluss gespürt und seine Macht erlebt. Und wenn Sie ihn weiterhin suchen, wird er Ihnen auch weiterhin geistige Erlebnisse zuteilwerden lassen. Mit diesen und mit weiteren geistigen Gaben können Sie nicht nur Ihr eigenes Leben verbessern, sondern auch in Ihrem Zuhause, in Ihrer Gemeinde oder Ihrem Zweig, in Ihrer Nachbarschaft, in Ihrem Ort, in Ihrem Land und Ihrem Volk dadurch etwas bewirken, dass Sie gut sind.

Manchmal fällt es vielleicht schwer, dies zu erkennen, aber halten Sie noch ein wenig länger durch, denn das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben und auf ihn warten, hat kein Auge gesehen und kein Ohr gehört, es ist keinem Menschen in den Sinn gekommen (siehe 1 Korinther 2:9; siehe auch LuB 76:10; 133:45).

Ich gebe Zeugnis von der Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi und der Wahrheit seiner Kirche. Ich bezeuge von ganzem Herzen und ganzer Seele, dass Gott lebt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist und an der Spitze dieser großartigen Kirche steht. Es gibt wieder einen lebenden Propheten auf der Erde, nämlich Präsident Thomas S. Monson.

Mögen wir immer an die Lektionen aus Kirtland denken und ein wenig länger durchhalten – auch wenn die Lage düster scheint. Das sollten Sie wissen und nicht vergessen: Der Herr liebt Sie. Er denkt an Sie und steht allen bei, die „im Glauben bis ans Ende ausharren“ (LuB 20:25).

Anmerkungen

  1. Siehe beispielsweise Abschnitt 45, 56, 76, 84, 89, 97 und 104

  2. Siehe LuB 76:23; 110:2-4,11-13

  3. William Draper, „A Biographical Sketch of the Life and Travels and Birth and Parentage of William Draper“, 1881, Abschrift, Historisches Archiv der Kirche, Seite 2

  4. History of the Church, 2:428

  5. Lorenzo Snow, „Discourse“, Deseret Weekly News, 8. Juni 1889, Seite 26

  6. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 43

Der Herr erscheint im Kirtland-Tempel, Gemälde von Del Parson; Foto von Christina Smith

Links: Foto von Craig Dimond; Illustrationen von Steve Kropp; rechts: Foto von Matthew Reier

Foto des Kirtland-Tempels von Welden C. Andersen; Foto von Robert Casey