2010
Erkennen wir uns wieder in Lehis Traum?
August 2010


Erkennen wir uns wieder in Lehis Traum?

Aus einer Ansprache, die am 16. Januar 2007 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität gehalten wurde. Den englischen Text finden Sie in voller Länge unter http://speeches.byu.edu.

Lehis Traum enthält alles, was ein Heiliger der Letzten Tage über die Prüfung des Lebens wissen muss.

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President Boyd K. Packer

Ich fragte bei der Berichtsabteilung der Kirche nach, wie viele Jugendliche und Junge Erwachsene im College-Alter wir in der Kirche haben. Die Antwort lautete: „1.974.001.“

„Gut“, dachte ich. „Dann spreche ich zu dem einen.“

Ich ging kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufs College. Die meisten Männer in meinem Jahrgang waren erst kurz zuvor vom Militärdienst zurückgekehrt. Wir waren im Großen und Ganzen etwas reifer als die College-Studenten heute. Wir hatten den Krieg erlebt und trugen viele Erinnerungen in uns. An manchen hielten wir fest; bei anderen waren wir froh, als sie verblassten. Wir waren ernster und beschäftigten uns nicht so sehr mit Spaß und Spielen wie viele Studenten heute. Wir wollten unser Leben wieder in die Hand nehmen und wussten, dass Bildung der Schlüssel dazu war.

Beim Militär drehte sich alles um Zerstörung. Darum geht es im Krieg. Der noble Gedanke des Patriotismus feuerte uns an. Sich der Zerstörung zu widmen, ohne selbst geistig oder sittlich zerstört zu werden, das war die Prüfung des Lebens.

Auch Sie leben in einer Zeit des Krieges, nämlich des geistigen Krieges, der nie enden wird. Der Krieg selbst beherrscht nun die Angelegenheiten der Menschheit. Unsere Welt im Krieg hat ihre Unschuld verloren. Es gibt nichts, wie geschmacklos und unwürdig es auch sein mag, was nicht als annehmbar erachtet wird für Filme, Theaterstücke, Musik oder Gespräche. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein (siehe 2 Petrus 2).

Förmlichkeit, Würde, Edelmut und Achtung vor Autorität werden verspottet. Anstand und ein gepflegtes Äußeres weichen Schlampigkeit und Schäbigkeit in Kleidung und Erscheinung. Die Regeln der Ehrlichkeit, der Redlichkeit und einer grundlegenden Sittlichkeit werden heute missachtet. Viele Unterhaltungen sind voller Obszönitäten. Wir erleben es in Kunst und Literatur, in Schauspiel und Unterhaltung. Was eigentlich verfeinert werden sollte, ist derb geworden (siehe 1 Timotheus 4:1-3; 2 Timotheus 3:1-9).

Sie stehen fast jeden Tag vor Entscheidungen, ob Sie diesen Trends folgen wollen. Viele Prüfungen erwarten Sie.

Halten Sie an der Stange fest

Lesen Sie Lehis Traum in 1 Nephi 8. Lehi sagte seiner Familie: „Siehe, ich habe einen Traum geträumt oder, mit anderen Worten, ich habe eine Vision gesehen.“ (1 Nephi 8:2.)

Sie meinen vielleicht, Lehis Traum oder Vision habe keine besondere Bedeutung für Sie, aber dem ist nicht so. Sie sind ein Teil davon – wir alle sind es.

Nephi hat gesagt: „Ich wandte alle Schriften auf uns an, damit wir davon Nutzen hätten und lernen könnten.“ (1 Nephi 19:23.)

Lehis Traum oder Vision von der eisernen Stange enthält alles, was ein Heiliger der Letzten Tage über die Prüfung des Lebens wissen muss.

Lehi sah:

Lesen Sie den Traum oder die Vision aufmerksam durch; dann lesen Sie ihn noch einmal.

Wenn Sie an der Stange festhalten, können Sie erspüren, wie Ihr Weg weitergeht, und zwar durch die Gabe des Heiligen Geistes, die Ihnen übertragen wurde, als Sie konfirmiert und als Mitglied der Kirche bestätigt wurden. Der Heilige Geist wird Sie trösten. Sie werden wie Nephi den Einfluss von Engeln spüren können und Ihren Weg durchs Leben erspüren.

Das Buch Mormon war und ist meine eiserne Stange.

Lehi sah zahllose Scharen von Menschen in Richtung des Baumes vorwärtsstreben (siehe 1 Nephi 8:21).

Das große und geräumige Gebäude „war voll von Menschen, Alt und Jung, männlich und weiblich; und sie waren überaus fein gekleidet; und sie standen da in der Haltung des Spottens und zeigten mit Fingern auf diejenigen, die herzugekommen waren und eben von der Frucht aßen“ (1 Nephi 8:27).

Ein Wort in diesem Traum oder dieser Vision sollte vor allem für junge Heilige der Letzten Tage eine besondere Bedeutung haben. Es geht um das Wort nachdem. Nachdem die Menschen den Baum gefunden hatten, schämten sie sich, und wegen des Spotts der Welt fielen sie ab.

„Und nachdem diese von der Frucht gekostet hatten, schämten sie sich, weil die anderen sie verspotteten; und sie fielen ab auf verbotene Pfade und gingen verloren. …

Und groß war die Schar, die in jenes seltsame Gebäude ging. Und nachdem sie in das Gebäude eingetreten waren, deuteten sie mit dem Finger der Verachtung auf mich und auf diejenigen, die ebenfalls von der Frucht aßen.“ Das war die Prüfung; doch Lehi sagte: „Aber wir beachteten sie nicht.“ (1 Nephi 8:28,33; Hervorhebung hinzugefügt.) Das war die Antwort.

Lehis Sohn Nephi schrieb:

„Da wünschte ich, Nephi, dass auch ich das alles sehen und vernehmen und wissen möge durch die Macht des Heiligen Geistes, denn dies ist die Gabe Gottes an alle, die ihn eifrig suchen. …

Denn wer eifrig sucht, der wird finden; und die Geheimnisse Gottes werden ihnen durch die Macht des Heiligen Geistes entfaltet werden, in dieser Zeit ebenso wie in alter Zeit, und in alter Zeit ebenso wie in zukünftiger Zeit; denn die Bahn des Herrn ist eine ewige Runde.“ (1 Nephi 10:17,19.)

Alle Symbole in Lehis Traum wurden seinem Sohn Nephi erklärt, und dieser schrieb darüber.

Bei Ihrer Taufe und Konfirmierung ergriffen Sie die eiserne Stange. Aber Sie sind nie sicher. Erst nachdem Sie von der Frucht gegessen haben, kommt Ihre Prüfung.

Ich denke hin und wieder an einen unserer Klassenkameraden – sehr intelligent, gutaussehend, treu in der Kirche, mit großen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet. Er fand eine gute Frau und wurde rasch eine bekannte Persönlichkeit. Dann fing er an, Zugeständnisse zu machen, um der Welt und den Menschen in seinem Umfeld zu gefallen. Sie verleiteten ihn dazu, ihren Wegen zu folgen, nämlich den Wegen der Welt.

Manchmal genügt schon etwas ganz Einfaches, beispielsweise wie man sich gibt oder kleidet – eine junge Frau, die ihr Haar endlos toupiert, bis man den Eindruck hat, es sei überhaupt nicht gekämmt, oder ein junger Mann, der sich schlampig kleidet, um „in“ zu sein.

Bei irgendwelchen Kleinigkeiten lockerte mein Klassenkamerad seinen Griff an der eisernen Stange ein wenig. Seine Frau hielt mit einer Hand an der Stange fest und mit der anderen ihren Mann. Doch schließlich entglitt er ihr und ließ die Stange los. Wie es in Lehis Traum oder Vision vorausgesagt wird, fiel er ab auf verbotene Pfade und ging verloren.

Es liegt vor allem am Fernsehen, dass wir nicht nur zu dem geräumigen Gebäude hinüberschauen, sondern faktisch darin leben. Das ist Ihr Schicksal in dieser Generation. Sie leben in dem großen und geräumigen Gebäude.

Wer schrieb diese unglaubliche Vision? Es gibt nichts Vergleichbares in der Bibel. Hat Joseph Smith sie sich ausgedacht? Hat er das Buch Mormon geschrieben? Das ist schwerer zu glauben als der Bericht von Engeln und goldenen Platten. Joseph Smith war erst 24 Jahre alt, als das Buch Mormon veröffentlicht wurde.

Sie sind sicher, wenn Sie so aussehen und sich so geben und sich so verhalten wie ein gewöhnlicher Heiliger der Letzten Tage: Kleiden Sie sich anständig, besuchen Sie die Versammlungen, zahlen Sie den Zehnten, nehmen Sie vom Abendmahl, ehren Sie das Priestertum, ehren Sie Ihre Eltern, folgen Sie den Führern der Kirche, lesen Sie die heiligen Schriften, befassen Sie sich mit dem Buch Mormon und beten Sie – beten Sie immer. Eine unsichtbare Macht wird Ihre Hand halten, wenn Sie an der eisernen Stange festhalten.

Wird dies all Ihre Probleme lösen? Natürlich nicht! Das stünde im Widerspruch zu dem Zweck des Erdenlebens. Aber es gibt Ihnen eine stabile Grundlage, auf der Sie Ihr Leben aufbauen können (siehe Helaman 5:12).

Die Nebel der Finsternis werden Sie bisweilen so dicht umschließen, dass Sie Ihren Weg nicht einmal ein kleines Stück vorauserkennen können. Sie werden nicht klar sehen können. Aber mit der Gabe des Heiligen Geistes können Sie Ihren Weg durchs Leben erspüren. Ergreifen Sie die eiserne Stange und lassen Sie sie nicht los (siehe 3 Nephi 18:25; LuB 9:8).

Eine Zeit des geistigen Krieges

Wir leben in einer Zeit des Krieges, nämlich des geistigen Krieges, der nie enden wird. Moroni warnte uns, dass die geheimen Verbindungen, die mit Gadianton begannen, „unter allem Volk vorhanden sind. …

Darum, o ihr Andern [und der Begriff Andern an dieser Stelle im Buch Mormon bezieht sich auf uns in unserer Generation], ist es nach Gottes Weisheit, dass euch diese Dinge gezeigt werden, damit ihr dadurch von euren Sünden umkehrt und nicht zulasst, dass diese mörderischen Verbindungen über euch kommen …

Darum gebietet der Herr euch, wenn ihr so etwas unter euch entstehen seht, dass ihr zum Bewusstsein eurer furchtbaren Lage erwacht, und zwar wegen dieser geheimen Verbindung, die unter euch sein wird.“ (Ether 8:20,23,24.)

Atheisten und Agnostiker machen Unglauben zu ihrer Religion und organisieren sich in nie dagewesener Weise, um den Glauben anzugreifen. Sie sind heute organisiert, und sie streben nach politischer Macht. Sie werden viel über sie und von ihnen hören. Viele ihrer Angriffe sind indirekt; sie verspotten die Glaubenstreuen, verspotten Religion.

Leute wie Scherem, Nehor und Korihor leben heute unter uns (siehe Jakob 7:1-21; Alma 1:1-15; 30:6-60). Ihre Argumente unterscheiden sich kaum von denen im Buch Mormon.

Sie, die Sie noch jung sind, werden vieles erleben, was Ihren Mut und Ihren Glauben auf die Probe stellen wird. Nicht aller Spott kommt von außerhalb der Kirche. Ich sage es noch einmal: Nicht aller Spott kommt von außerhalb der Kirche. Nehmen Sie sich in Acht, dass Sie nicht zu den Spöttern gehören.

Der Herr hat verheißen: „Wenn ihr bereit seid, werdet ihr euch nicht fürchten.“ (LuB 38:30.)

Selbst Moroni stand vor der gleichen Herausforderung. Er sagte aufgrund seiner Schwäche im Schreiben:

„Ich fürchte, die Andern werden unsere Worte verspotten.

[Und der Herr sprach zu ihm:] Narren spotten, aber sie werden trauern; und meine Gnade ist ausreichend für die Sanftmütigen, dass sie aus eurer Schwäche keinen Vorteil ziehen werden;

und wenn Menschen zu mir kommen, so zeige ich ihnen ihre Schwäche. Ich gebe den Menschen Schwäche, damit sie demütig seien; und meine Gnade ist ausreichend für alle Menschen, die sich vor mir demütigen; denn wenn sie sich vor mir demütigen und Glauben an mich haben, dann werde ich Schwaches für sie stark werden lassen.“ (Ether 12:25-27.)

Wir freuen uns über Christus

Eingebettet in diesen Traum oder diese Vision ist die „wertvolle Perle“ (Matthäus 13:46).

Lehi und Nephi sahen:

All dies sahen sie in einem Traum oder einer Vision. Und das erleben wir heute.

Nun spreche ich zu Ihnen, dem einen unter zwei Millionen, ganz persönlich. Wie die Propheten und Apostel in vergangenen Zeiten „reden [wir] von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus, wir prophezeien von Christus, … damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können“ (2 Nephi 25:26).

„Engel reden durch die Macht des Heiligen Geistes; darum reden sie die Worte von Christus. Darum habe ich zu euch gesagt: Weidet euch an den Worten von Christus; denn siehe, die Worte von Christus werden euch alles sagen, was ihr tun sollt.“ (2 Nephi 32:3.)

Nephi sagte weiter:

„Darum, wenn ihr nun, nachdem ich diese Worte gesprochen habe, sie nicht verstehen könnt, so deshalb, weil ihr nicht bittet und auch nicht anklopft; darum werdet ihr nicht ins Licht geführt, sondern müsst im Finstern zugrunde gehen.

Denn siehe, abermals sage ich euch, wenn ihr auf dem Weg eintretet und den Heiligen Geist empfangt, wird er euch alles zeigen, was ihr tun sollt.“ (2 Nephi 32:4,5.)

Die Eingebungen des Heiligen Geistes

Sie leben in einer interessanten Zeit; Prüfungen sind ständig ein Teil Ihres Lebens. Lernen Sie, den Eingebungen des Heiligen Geistes zu folgen. Er soll für Sie ein Schild und Schutz und ein Lehrer sein. Schämen Sie sich nie der Lehren des Evangeliums oder der Maßstäbe, die wir in der Kirche lehren. Als treues Mitglied der Kirche werden Sie sich immer von der Welt im Allgemeinen deutlich unterscheiden.

Sie haben den Vorteil, dass Sie sicher sein können, dass Sie für jede Entscheidung Inspiration empfangen können. Vor Ihnen liegen viele Entscheidungen – Entscheidungen, die damit zu tun haben, dass Sie Ihre Ausbildung abschließen, einen Ehepartner finden, einen Beruf finden, sich niederlassen, Kinder erziehen in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Ihre Kinder werden mit viel mehr konfrontiert werden als wir in unserer Generation.

Wir stellen auf unseren Reisen fest, dass unsere jungen Mitglieder stärker sind als früher. Wenn ich sie bei Konferenzen oder in der Abendmahlsversammlung sprechen höre, dann höre ich, wie sie Schriftstellen zitieren und unsere Maßstäbe verteidigen. Ich höre nichts von dem zynischen Spott, der typisch ist für jene, die nicht treu und nicht wahrhaft bekehrt sind.

Wir präsidieren über eine Kirche mit über 13 Millionen Mitgliedern, die weiter wächst. Die Kirche ist überall auf der Welt zu finden. Vieles an der Kirche ist international geworden. Viele Mitglieder der Kirche haben nicht die Gelegenheit, ein College zu besuchen, aber sie leben nach dem Evangelium. Es ist eine wunderbare, beeindruckende Erfahrung, sie zu sehen und zu erleben.

Wenn wir an Sie, die jungen Mitglieder der Kirche, denken und an das Buch Mormon und an den Traum oder die Vision, die Lehi hatte, dann sehen wir, dass darin Prophezeiungen zu finden sind, die Sie auf sich beziehen können. Lesen Sie sie noch einmal, beginnend mit 1 Nephi 8, und lesen Sie weiter bis zu dem Rat, der gegeben wird. Im Buch Mormon wird über das Leben nach dem Tod gesprochen: was mit unserem Geist geschieht (siehe Alma 40:11,12) und was in der Geisterwelt geschieht (siehe 2 Nephi 2:29; 9:10-13). Alles, was Sie wissen müssen, steht hier geschrieben. Lesen Sie es, und verinnerlichen Sie es. Dann brauchen die Kritik und der Spott der Welt Sie nicht zu beunruhigen, wie sie uns nicht beunruhigen (siehe 1 Nephi 8:33). Wir gehen einfach weiter vorwärts und tun das, wozu wir berufen sind, wissend, dass der Herr uns führt.

Ich erflehe den Segen des Herrn auf Sie in Ihrer Arbeit. Ich erflehe den Segen des Herrn auf Sie in Ihrem Leben, die Sie vom Morgen Ihres Lebens, wo Sie sich jetzt befinden, zum späten Abend Ihres Lebens voranschreiten, wo ich mich jetzt befinde. Mögen Sie wissen, dass das Evangelium Jesu Christi wahr ist. Sie werden viel Großes und Turbulentes und Schwieriges erleben, und Sie werden große Inspiration und Freude genießen.

Sie sind besser, als wir es waren. Ich bin überzeugt, dass angesichts dessen, was gewiss kommen wird, angesichts der Prophezeiungen, die gegeben wurden, der Herr besondere Geister zurückbehalten hat, um sie zu dieser Zeit hervorzubringen, damit seine Kirche und sein Reich beschützt und in der Welt vorangebracht werden. Als Diener des Herrn erflehe ich seinen Segen auf Sie und gebe Ihnen mein Zeugnis, dass das Evangelium wahr ist.

Illustration von Robin Luch

Lehis Traum, Gemälde von Greg Olsen, Vervielfältigung untersagt; Foto von John Luke

Illustration von Daniel Lewis