2011
Falsche Töne, aber der richtige Weg
Dezember 2011


Heim und Familie

Falsche Töne, aber der richtige Weg

Mein Vater sang immer seine eigene Stimme – weder Tenor noch Bass, sondern irgendetwas daneben oder dazwischen. Obwohl er ein eingestrichenes C nicht von einem As unterscheiden konnte, sang Papa lauthals.

Peinlich war mir der Gesang meines Vaters nie, aber ich weiß noch, dass mich der fröhliche Lärm, den er hervorbrachte, amüsierte und zugleich verblüffte. War ihm denn gar nicht bewusst, dass andere zuhörten?

Mein Vater mochte die Lieder des Evangeliums sehr und ließ sich durch mangelndes Talent nicht davon abhalten, Gott durch Musik zu verehren. Er sang voller Freude, Begeisterung und Gefühl. Mir gefiel es sehr, wie er ein Lied wie „Der Geist aus den Höhen“ kraftvoll und mit Überzeugung singen und ein paar Minuten später sanft und andächtig das Abendmahlslied singen konnte.

An einem Nachmittag lehrte mich mein Vater mit einem Lied etwas, was einen tiefen Eindruck hinterließ. Ich spielte gerade Klavier, wie ich es oft tat, um mich nach einem Schultag zu entspannen. Mein Vater, der immer darauf achtete, mit jedem Einzelnen ein wenig Zeit verbringen zu können, kam herein und gesellte sich zu mir. Das tat er oft. Ich kannte es schon: Er blätterte immer im Gesangbuch, suchte ein Lied aus und bat mich, ihn beim Singen zu begleiten.

Auch an diesem Tag holte Vater das Gesangbuch hervor und schlug ein Lied auf.

„Das ist ein wunderschönes Lied, eines meiner Lieblingslieder“, sagte er und stellte das Gesangbuch auf das Notenpult am Klavier. Es war das Lied „Ein armer Wandrer“. Vater sagte, es sei ein Lieblingslied des Propheten Joseph Smith gewesen. Joseph habe John Taylor in Carthage gebeten, es zu singen. Das war kurz bevor Joseph und Hyrum Smith den Märtyrertod fanden.

Dann sang Vater alle sieben Strophen, und ich begleitete ihn. Dabei erlebte ich etwas Erstaunliches. Erstens sang mein Vater das ganze Lied ohne einen einzigen falschen Ton. Er sang jedes As tatsächlich als As! Seine Stimme war rein und schlicht, und für mich klang sie wunderschön. Das Zweite, was ich erlebte, war weniger überraschend, aber sehr viel wichtiger. Als mein Vater sang, wusste ich, dass er eine tiefe Zuneigung zu Joseph Smith empfand und ein Zeugnis davon hatte, dass er ein Prophet war. Der Heilige Geist gab mir Zeugnis, dass Joseph Smith ein Prophet war.

Mein Vater verstarb wenige Jahre später. Ich denke oft an diesen Tag zurück, der einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Ein wichtiger Teil meines Zeugnisses vom Evangelium ist fest verankert, weil ich einen Vater hatte, der „nicht singen konnte“, sich aber dennoch entschied, aus ganzem Herzen zu singen.

Illustration von Diane Hayden