2012
Führung auf die Weise des Herrn
Januar 2012


Dienst in der Kirche

Führung auf die Weise des Herrn

Wenn wir – ganz unabhängig von unserer Berufung – auf die Weise dienen und führen, die der Herr uns gezeigt hat, werden wir für andere ein Segen sein und selbst gesegnet werden.

Als Bruder Jones und sein Sohn den Auftrag erhielten, als Heimlehrer Familie Williams zu betreuen, besuchten sie die Familie jeden Monat. Durch diese Besuche spürte Kim, eine Tochter der Familie, dass sie ihnen wirklich am Herzen lag. Sie hatte viele Fragen zum Evangelium und unterhielt sich gern mit ihnen.

Als Kim darum rang, herauszufinden, ob sie ein Zeugnis hatte, wurde Bruder Jones gemeinsam mit einem anderen Träger des Melchisedekischen Priestertums gebeten, im Sommer beim Zeltlager der Jungen Damen dabei zu sein. Kim erzählte später, wie viel es ihr bedeutete, dass ihr Heimlehrer dort war. Sie erzählte ihrer Familie, dass sie ein Zeugnis von der Liebe des Erlösers empfangen hatte, als Bruder Jones und ein anderer Priestertumsträger ihr auf dem Zeltlager auf ihre Bitte hin einen Priestertumssegen gegeben hatten.

Für Familie Williams waren ihre Heimlehrer im wahrsten Sinne des Wortes Freunde. Ihr Einfluss war für Kim und ihre Eltern – und für den Herrn – von Bedeutung.

Führung und Berufungen

In der heutigen Welt ist es üblich, den eigenen Fortschritt daran zu messen, dass man im Beruf immer verantwortungsvollere Positionen bekleidet – oder an der Gehaltserhöhung, die die zunehmende Leistung anzeigt. Oft betrachten wir eine solche verantwortungsvolle Position als Hinweis darauf, dass der Betreffende einen bedeutenden Beitrag leistet. Daher überrascht es nicht, dass viele die Frage beschäftigt, wie sie denn ihren Fortschritt im geistigen Bereich am besten messen können.

Ich habe schon oft gehört, dass Mitglieder der Kirche ihren eigenen Stand in Frage gestellt haben, weil sie nicht zu einem Führungsamt in der Kirche berufen worden sind. Aber lässt sich unser Fortschritt denn wirklich daran messen, ob uns ein Führungsamt übertragen wwwird?

Tatsache ist, dass man auch ohne eine Berufung Menschen führen kann. Manch einer übt einen aufbauenden und ermutigenden Einfluss aus – wahre Führung –, ohne eine bestimmte Berufung oder ein bestimmtes Amt erhalten zu haben. In Lehre und Bündnisse 121 erfahren wir etwas Wichtiges über Führung:

„Traurige Erfahrung hat uns gelehrt: Fast jedermann neigt von Natur aus dazu, sogleich mit dem Ausüben ungerechter Herrschaft anzufangen, sobald er meint, ein wenig Vollmacht erhalten zu haben.

Daher sind zwar viele berufen, werden aber wenige erwählt.

Kraft des Priestertums kann und soll keine Macht und kein Einfluss anders geltend gemacht werden als nur mit überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe;

mit Wohlwollen und mit reiner Erkenntnis, wodurch sich die Seele sehr erweitert, ohne Heuchelei und ohne Falschheit.“ (Vers 39-42.)

Sehr häufig wird Führung damit verwechselt, dass man den Leuten sagt, was sie tun sollen. Das kann zu ungerechter Herrschaft führen. Man darf keinesfalls sagen: „Du musst tun, was ich sage, weil ich (der das Priestertum trägt oder durch das Priestertum berufen wurde) es gesagt habe.“ Eine wichtige Erkenntnis aus Abschnitt 121 ist, dass wahre Führung nicht darin besteht, dass man Anweisungen gibt und erwartet, dass sie befolgt werden, nur weil man selbst ein bestimmtes Amt innehat. Priestertumsführung besteht vielmehr darin, dass man jemanden freundlich auffordert. Eine freundliche Aufforderung, die auf reiner Erkenntnis und ungeheuchelter Liebe beruht, ist immer ein größerer Ansporn als die Forderung: „Weil ich es gesagt habe.“

Es stimmt, dass jemand, der dazu neigt, Befehle zu erteilen, viel erledigen kann. Aber er führt nicht auf die Weise, die der Herr offenbart hat. Und die Menschen entwickeln unter seiner Führung nicht die selbständige Kompetenz und das Selbstvertrauen, das sie entwickeln sollen.

Wahre Führung

Beachten Sie, dass eine Berufung oder ein Amt mit einer bestimmten Vollmacht in Vers 41 und 42 nicht als ausreichender Grund dafür angegeben wird, Macht oder Einfluss auszuüben. Vielmehr bedeutet wahre Führung, dass Macht und Einfluss durch überzeugende Rede, Langmut, Milde, ungeheuchelte Liebe, Wohlwollen und reine Erkenntnis ausgeübt werden. Diese Merkmale wahrer Führung kann jeder an den Tag legen, ganz unabhängig von einer Berufung oder einem Amt.

Ein Führungsamt lässt sich mit den Stützrädern an einem Fahrrad vergleichen. Mit Hilfe der Stützräder kann ein Kind lernen, das Gleichgewicht zu halten und sicher Fahrrad zu fahren. Durch ein Führungsamt kann man lernen, liebevoll und geduldig zu sein und durch reine Erkenntnis und Wohlwollen zu überzeugen. Man lernt unter Umständen auch, dass jeder Versuch, ein Verhalten zu erzwingen, dazu führt, dass der Geist sich zurückzieht und man weniger erreicht.

Nach der Entlassung wird man feststellen, ob man sich durch seine Berufung weiterentwickelt und dazugelernt hat. Hat man gelernt, seine Mitmenschen zu lieben und ihnen zu dienen, ohne dass die Berufung den Anstoß dazu gab? Hat man gelernt, einfach aufgrund dessen, wer man geworden ist, zu dienen und dabei guten Einfluss auszuüben?

Der Herr wird uns unser Leben lang immer wieder in Anspruch nehmen. Er kennt unser Herz. Er wird uns in Anspruch nehmen, wenn er gerade unsere Fähigkeiten, unser Wissen, unsere Empfänglichkeit für den Heiligen Geist braucht. Er wird uns in Anspruch nehmen gemäß unserer Bereitschaft, seine Stimme zu hören und so zu lieben, wie er liebt.

Wenn wir lernen, wie wir auf die Weise des Herrn guten Einfluss ausüben können, werden wir zu Menschen, die andere aufrichten, weil dies einfach unserer Natur entspricht. Berufungen werden nicht der hauptsächliche Grund für unseren guten Einfluss sein. Doch wenn eine Berufung ausgesprochen wird, werden wir jede Aufgabe, die uns in der Kirche übertragen wird, gut erfüllen.

Ob wir in der Sonntagsschule oder mit der Jugend arbeiten, ob wir Heimlehrer oder Besuchslehrerin sind oder auch Bischof oder FHV-Leiterin – unser Dienst am Mitmenschen wird Ausdruck unserer Liebe zum Erlöser sein. Wenn wir – ganz unabhängig von unserer Berufung – auf die Weise dienen und führen, die er uns gezeigt hat, werden wir für andere ein Segen sein und selbst gesegnet werden.

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