2012
Wohin führen meine Entscheidungen?
Juni 2012


Wohin führen meine Entscheidungen?

Konnte Karina die Richtung ändern, indem sie andere Entscheidungen traf?

Karinas Lächeln verblasste. Sie fing an zu schwitzen – nicht nur, weil es in dieser Woche ungewöhnlich heiß war. Hilfesuchend schaute sie sich um. Doch von all den vielen Menschen, die am Tag der offenen Tür hier waren, schien niemand zu bemerken, dass sie ganz allein mit der Reporterin und all ihren Fragen dastand.

Bis zu diesem Augenblick hatte es der 17-jährigen Karina Freude gemacht, Besucher bei den Tagen der offenen Tür im Kiew-Tempel in der Ukraine zu betreuen. Aber jetzt, als die Zeitungsreporterin auf ihre Antwort wartete, brachte sie keinen Ton heraus.

Karina hatte Angst, dass Gott ihr wegen Fehlern, die sie in der Vergangenheit gemacht hatte und zu überwinden suchte, nicht helfen würde.

Wohin es führt, wenn man mit der Masse geht

Karina, die in der Kirche aufgewachsen war, hatte immer von einer Tempelehe geträumt. Aber wie viele Jugendliche sehnte sie sich nach Anerkennung.

Sie wollte schön und beliebt sein wie ihre ältere Schwester. Sie träumte davon, sich von der Masse abzuheben und bewundert zu werden, hatte aber zugleich Angst davor, aufzufallen und verspottet zu werden. Ihr Wunsch, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, führte dazu, dass sie sich an der Polizeiakademie einschrieb. Dadurch geriet sie noch mehr unter Druck. Von den 2000 Studenten waren nur 70 Frauen. Sie freute sich über die Aufmerksamkeit, die sie bekam, fürchtete sich aber auch davor.

Weil sie unbedingt dazugehören wollte, traf sie ein paar schlechte Entscheidungen. „Der Sog der Welt war stark“, meint Karina. „Die meisten tranken Alkohol und rauchten. Sie setzten mich unter Druck, und ich gab nach. Ich genoss es, zu einer Gruppe zu gehören, die sich so frei und sorglos gab.“

Sie wusste, dass es falsch war, aber sie dachte nicht darüber nach, wohin ihre Entscheidungen führen würden. Sie folgte der Masse, die sie von Gott wegführte (siehe Matthäus 7:13,14).

Wer sich ändern will, muss Änderungen wollen

Eines Tages sagte ein Junge, den sie mochte, zu ihr, er respektiere die Glaubensgrundsätze ihrer Kirche.

Karina schämte sich, dass sie nicht besser nach diesen Grundsätzen lebte, und machte sich endlich Gedanken darüber, in welche Richtung sie ging (siehe Haggai 1:5-7). Sie erkannte, dass ihre Entscheidungen sie von Gott, von der Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist und von ihrem Traum von einer ewigen Familie wegführten.

Ihre Richtung konnte sie nur dadurch ändern, indem sie die Entscheidungen änderte, die sie jeden Tag traf.1 Aber sie fragte sich, ob sie nicht schon zu lange den falschen Weg gegangen war. War es zu spät, sich zu ändern?

Karina beschloss, damit zu beginnen, dass sie jeden Tag betete und in den heiligen Schriften las. Außerdem schrieb sie Tagebuch, was ihr half, sich bewusst zu machen, wie der Vater im Himmel ihr jeden Tag geholfen hatte. Wenn Gespräche derb wurden, wechselte sie das Thema.

Die schwierigste Entscheidung war jedoch, lieber eine Zeit lang gar keine Freunde zu haben als Freunde, die einen negativen Einfluss ausübten. Sie suchte nach Freunden, die höhere Grundsätze hatten.

Hoffnung ist wichtig

In den folgenden Monaten bedrängte sie der Widersacher bei jeder Entscheidung mit Zweifeln und Angst. Manchmal fragte sie sich, ob der Versuch, dem Erlöser zu folgen, all die Mühe wert war. Der Mensch, der sie sein wollte, schien unerreichbar zu sein.

Aber als sie sah, wie ihre Eltern und andere lebten, die ein starkes Zeugnis hatten, erkannte sie, dass es etwas Mächtigeres gibt als Zweifel und Angst. Sie erkannte, dass es dank der Umkehr Hoffnung gibt.

„Ich habe gesehen, dass es möglich ist, den richtigen Weg zu gehen“, erklärt sie. „Wir werden nicht aufgrund unserer Fehler verdammt. Der Vater im Himmel gibt uns die Möglichkeit, umzukehren und die Richtung zu ändern.“

Als sie sich von ihren früheren Entscheidungen abwandte und sich bemühte, jeden Tag dem Erlöser nachzufolgen, machte sie die Erfahrung, dass der Vater im Himmel geduldig ist. „Er hat mir immer wieder die Chance gegeben, mich zu ändern und ein besserer Mensch zu werden“, sagt sie. „Er hat mir durch schwierige Zeiten geholfen.“

Wer sich für den Herrn entscheidet, bekommt Hilfe

Karina straffte die Schultern und wandte sich an die Reporterin. Sie lächelte wieder. Der Vater im Himmel hatte schon so viel für sie getan. Sie wusste, dass er ihr auch jetzt beistehen würde.

Nachdem die Reporterin ihr Interview beendet hatte, lächelte Karina ihr zu und winkte. Die Reporterin lächelte zurück und ging. Karina wusste zwar nicht mehr genau, was sie gesagt hatte, aber sie würde sich noch lange daran erinnern, wie sie sich gefühlt hatte, weil sie wusste, dass der Vater im Himmel immer nahe ist, wenn man sich dafür entscheidet, ihm zu folgen.

Anmerkung

  1. Siehe Thomas S. Monson, „Der Pfad zur Vollkommenheit“, Liahona, Juli 2002, Seite 111ff.

Foto von Adam C. Olson