2012
Ich habe allen etwas vorgespielt
Juli 2012


Ich habe allen etwas vorgespielt

Bild
girl performing in front of youth

Ich spielte nur eine Rolle, bis ich mir vornahm, mich zu ändern.

Als junges Mädchen schlüpfte ich in der Schule immer in eine Rolle. Ihr wisst schon, wie der Bösewicht im Film einen guten Spruch loslässt und dabei ganz besonders cool wirkt. Genau so wollte ich auch ankommen. Ich versuchte, tonangebend zu sein wie die coolsten Bösewichte. Ich gab vor, lockere Moralvorstellungen zu haben, weil ich meine Klassenkameraden beeindrucken wollte. Mir gefiel es, wie sie lachten, wenn ich unanständig daherredete oder mich über jemand lustig machte.

Ich wollte der Star sein, dem alle zujubelten. Also probierte ich aus, wie ich bei den anderen gut ankam. Im Biologieunterricht mimte ich den Spaßvogel, meine Volleyballmannschaft überzeugte ich davon, eine Partylöwin zu sein, und ruinierte mir so meinen Ruf als unschuldiges, naives Mädchen. Ich wollte auf keinen Fall, dass meine Freundinnen mich für brav und artig hielten.

Da ich ja keine schwerwiegenden Sünden beging, sondern nur so tat, als ob, machte ich den kläglichen Versuch, mir selbst einzureden, dass es kein Problem sei, ein so übles Verhalten an den Tag zu legen. Aber da irrte ich mich gewaltig! Meine Schauspielerei erreichte einen Punkt, wo ich mir selbst nicht mehr zusehen konnte. Je beliebter ich wurde, desto weniger gefiel mir die Rolle, die ich spielte.

Einmal unterhielten sich zwei meiner Freundinnen über ein sehr nettes, sportliches Mädchen namens Jennifer, das sich nicht davor scheute, für das einzustehen, woran es glaubte. Eine meiner Freundinnen – das schönste, beliebteste und klügste Mädchen der siebten Klasse –, sagte: „Jennifer ist ganz anders. Ich wünschte, ich wäre mutig genug, so für meinen Glauben einzustehen wie sie. Ich kenne sonst niemanden, der so konsequent lebt.“ Ich war fassungslos.

„Wie konnte sie so etwas sagen, ohne mich auch nur zu erwähnen?“, fragte ich mich. „Schließlich hat meine Kirche sehr wohl hohe Grundsätze!“ Ich war wütend, dass sie mich nicht einmal ansatzweise als gutes Vorbild betrachtete. Doch plötzlich kam es mir vor, als säße ich in der ersten Reihe im Kino und sähe einen Film über mein Leben.

Ich dachte darüber nach, was für ein schlechtes Beispiel ich meinen Freundinnen gegeben hatte. Wer sollte sich wünschen, so mutig und einzigartig zu sein wie ich, wenn er mein Verhalten sah? Mir gefiel überhaupt nicht, was aus mir geworden war.

Meinen Charakter und meinen Ruf zu ändern war ein langwieriges Unterfangen. Ich muss mich immer noch anstrengen, den Mund zu halten, anstatt mit einer Beleidigung herauszuplatzen, die bei der Masse gut ankommt. Aber ich habe festgestellt, dass ich meine Freunde zum Lachen bringen kann, ohne die Gefühle anderer zu verletzen, und dass ich das Zimmer verlassen kann, wenn geschmacklose Witze gemacht werden, ohne dafür Spott zu ernten. Niemand muss den „Schurken“ mimen, um viele Freunde zu gewinnen. Ich habe meine Einstellung und mein Verhalten geändert, weil ich es inzwischen viel cooler finde, zu meinen Überzeugungen zu stehen, als zu verbergen, wer ich wirklich bin.