2012
Die richtige Schriftstelle zur rechten Zeit
August 2012


Die richtige Schriftstelle zur rechten Zeit

Allen Hunsaker, Arizona, USA

Als Assistent des Anstaltsgeistlichen besuchte ich im Bezirksgefängnis Maricopa in Arizona Häftlinge, die den Wunsch äußerten, einen Geistlichen der Kirche Jesu Christi zu sprechen. Ich las dann eine Schriftstelle vor und betete mit ihnen. Einmal hatte eine junge Frau diesen Wunsch geäußert.

Der Gefängnistrakt, wo sie einsaß, befand sich hinter mehreren verschlossenen Türen. In dem Besucherraum standen zwei schlichte Tische mit einer Bank auf jeder Seite sowie ein Schreibtisch, an dem ein Wärter saß. Ich gab dem Wärter den Besuchsantrag, setzte mich auf eine Bank und wartete auf die junge Frau.

Als sie den Besucherraum betrat, stand ich auf, begrüßte sie und bat sie, doch am Tisch Platz zu nehmen. Sie sah traurig und ungepflegt aus und war den Tränen nahe. Während sie ihre Situation schilderte, überlegte ich, welche Schriftstelle ich ihr vorlesen könnte. Ich hörte mir ihre Sorgen aufmerksam an, und als sie offen über die Schwierigkeiten sprach, in die sie wegen verschiedener zwanghafter Verhaltensweisen sowie schlechter Entscheidungen geraten war, kam mir eine Schriftstelle in den Sinn, die mir genau richtig schien: Mosia 3:19.

Ich schlug Mosia 3:19 im Buch Mormon auf, schob das Buch zu ihr hinüber und bat sie, den Vers zu lesen. Sie schien etwas verärgert und leierte die ersten Wörter rasch herunter, als ob sie es lästig fände, eine Schriftstelle vorlesen zu müssen. Als sie den ersten Teil gelesen hatte – „denn der natürliche Mensch ist ein Feind Gottes“ –, unterbrach ich sie, um zu erklären, was unter dem „natürlichen Menschen“ zu verstehen sei. Nachdem sie mit dem Begriff etwas anfangen konnte, las sie weiter. Allmählich veränderte sich ihre Stimme. Sie las langsamer und erfasste den Sinn der Worte.

Als sie die Liste der kindlichen Eigenschaften eines Heiligen vorlas, sprach sie noch langsamer. Es war offensichtlich, dass sie die Bedeutung jeder Eigenschaft, die in dem Vers aufgeführt ist, in sich aufnahm. Als sie die Worte „fügsam, sanftmütig, demütig, geduldig“ las, spürte ich, wie der Heilige Geist uns umgab. Als sie die Worte „voll von Liebe und willig, sich allem zu fügen“ las, beobachtete ich eine Veränderung an ihr. Ihr Gesicht erhellte sich, der Heilige Geist schien sich auf ihre Einstellung, ihre Stimme, ihr ganzes Verhalten auszuwirken. Ich konnte Hoffnung erkennen, als der Heilige Geist sie spüren ließ, was diese Worte für sie bedeuteten und wie sie die Veränderungen vornehmen konnte, die in der Schriftstelle beschrieben werden.

Ich sprach ein Gebet und verabschiedete mich mit einem herzlichen Händedruck. Ich war immer noch vom Geist erfüllt, als ich das Gefängnis verließ. Nie zuvor hatte ich erlebt, dass die heiligen Schriften eine so unmittelbare, machtvolle, wunderbare Wirkung haben. Ich kannte Mosia 3:19 gut, weil ich den Vers schon oft beim Schriftstudium gelesen hatte, aber bis dahin war mir nicht klar gewesen, welch tiefen Eindruck dieser Vers hinterlassen konnte.