2012
Das Beispiel meiner Mutter
August 2012


Das Beispiel meiner Mutter

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Das Beispiel meiner Mutter

Illustration von Brian Call

Ich knallte den Teller in die Spülmaschine und weinte vor Enttäuschung.

„Erin, du kannst ruhig zu der Poolparty gehen“, meinte mein Vater. „Du brauchst mal eine Pause.“

„Darum geht es doch gar nicht!“, schrie ich und stürmte aus dem Zimmer.

Adrianes Party war nicht der Grund für meinen Wutanfall. Meine Mutter und meine jüngere Schwester Abby hatten eine Lungenentzündung. Mein Vater und ich hatten die ganze letzte Woche für sie gesorgt und uns angestrengt, den Haushalt am Laufen zu halten. Das bedeutete zu kochen, zu putzen, einzukaufen, Wäsche zu waschen und meine zwei anderen Schwestern hierhin und dorthin zu fahren.

All das dämpfte meine nagenden Sorgen und Ängste ein wenig. Ich machte mir Sorgen um meine Familie und war angespannt, weil ich bald wegziehen wollte, um aufs College zu gehen. Also stürzte ich mich in die Arbeit und versuchte, nicht an meine Ängste zu denken. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, auf Adrianes Party zu gehen, aber ich war müde, und der Gedanke, mit meinen Freunden einen sorglosen Abend am Pool zu verbringen, ließ meine Emotionen hochkochen. Ich explodierte und ließ meinen ganzen Frust an meinem Vater aus.

Ich weinte eine Zeit lang in meinem Zimmer. Doch dann fühlte ich mich schuldig und ging nach oben, um zu sehen, ob meine Mutter oder Abby etwas brauchten. Da saß meine Mutter und gab meiner Schwester, die hohes Fieber hatte, ihre Medizin. Meine Mutter konnte kaum atmen. Sie hatte tagelang im Bett gelegen. Mein Vater und ich drängten sie, wieder ins Bett zu gehen. Wir versicherten ihr, dass wir uns um Abby kümmern konnten. Aber sie wollte nicht hören.

„Ich komme klar. Legt ihr beiden euch ein Weilchen hin“, meinte sie. „Abby braucht mich.“

Ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten, als ich zusah, wie meine Mutter meine zehnjährige Schwester tröstete. Sie maß Fieber, half ihr wieder ins Bett und kroch dann neben sie, um ihren zitternden Körper festzuhalten. Abby hörte auf zu stöhnen und wurde in den Armen meiner Mutter ruhiger.

Meiner Mutter ging es schlechter als jemals zuvor. Sie musste wegen der Lungenentzündung schließlich mehrere Tage ins Krankenhaus. Doch sie dachte in ihrer Prüfung überhaupt nicht an sich selbst. Sie klagte nicht über ihre Krankheit, sondern tat alles, um den Schmerz ihrer Tochter zu lindern.

Ich hatte eigentlich vorgehabt, mich selbst zum Märtyrer zu machen, indem ich nicht zur Party ging, sondern zuhause blieb, um zu helfen. Doch nun war ich verlegen wegen meines Wutanfalls und ganz kleinlaut wegen des Beispiels meiner Mutter. Als ich ihr an diesem Abend zusah, wusste ich, dass sie für meine Schwestern und mich alles tun würde.

Ich spürte ihre Liebe und wollte ihrem Beispiel folgen. Ich nahm mir fest vor, den Menschen, die ich lieb habe, zu zeigen, dass ich immer für sie da bin, wenn sie mich brauchen, ganz gleich, welches Opfer ich dafür bringen muss.