2013
Die Schleusen des Himmels
November 2013


Die Schleusen des Himmels

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Geistige und zeitliche Segnungen stellen sich ein, wenn wir nach dem Gesetz des Zehnten leben.

Ich möchte auf zwei wichtige Lektionen, die ich über das Gesetz des Zehnten gelernt habe, eingehen. Bei der ersten Lektion geht es vor allem um die Segnungen, die man für sich allein oder als Familie empfängt, wenn man dieses Gebot treu hält. Die zweite Lektion unterstreicht die Bedeutung des Zehnten für das Wachstum der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf der ganzen Welt. Ich bete darum, dass der Heilige Geist jedem von uns die Wahrheit der Grundsätze, die ich erörtere, bestätigt.

Lektion 1: Bedeutende, wenn auch unscheinbare Segnungen

Meine Schwiegermutter ist sehr glaubensstark und eine inspirierte Hausfrau. Seit Beginn ihrer Ehe hat sie sorgfältig über die Haushaltsfinanzen Buch geführt. Jahrzehntelang hat sie die Einnahmen und Ausgaben der Familie gewissenhaft in ganz einfachen Büchern verzeichnet. Die Daten, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hat, sind umfassend und aufschlussreich.

Als meine Frau ein junges Mädchen war, machte ihre Mutter ihr die Grundsätze einer vorausschauenden Lebensweise und klugen Haushaltsführung anhand der Zahlen in den Büchern deutlich. Eines Tages, als sie gemeinsam verschiedene Arten von Ausgaben durchgingen, bemerkte ihre Mutter ein interessantes Muster. Die Kosten für Arztbesuche und Medikamente für die Familie waren weit niedriger als erwartet. Sie führte dies auf das Evangelium Jesu Christi zurück und erklärte ihrer Tochter eine machtvolle Wahrheit: Wenn wir nach dem Gesetz des Zehnten leben, empfangen wir oft bedeutende, wenn auch unscheinbare Segnungen, die nicht immer unserer Erwartung entsprechen und leicht übersehen werden können. Die Familie hatte keine überraschenden oder offensichtlichen Zusatzeinnahmen neben dem Haushaltseinkommen gehabt. Stattdessen hatte ihr ein liebevoller Vater im Himmel einfache Segnungen auf scheinbar ganz gewöhnliche Weise geschenkt. Meine Frau hat diese wichtige Lektion ihrer Mutter nie vergessen, nämlich dass wir durch die Schleusen des Himmels Hilfe erhalten, wie es Maleachi im Alten Testament verheißen hat (siehe Maleachi 3:10).

Häufig heben wir, wenn wir über das Gesetz des Zehnten sprechen und davon Zeugnis geben, die unmittelbaren, einschneidenden und leicht erkennbaren zeitlichen Segnungen, die wir empfangen, hervor. Sicherlich gibt es solche Segnungen. Und doch sind einige der mannigfaltigen Segnungen, die wir erhalten, wenn wir dieses Gebot befolgen, bedeutend, aber unscheinbar. Solche Segnungen können wir nur erkennen, wenn wir in geistiger Hinsicht wachsam und aufmerksam zugleich sind (siehe 1 Korinther 2:14).

Das Bild der „Schleusen“ des Himmels [bei Luther heißt es „Fenster“], dessen Maleachi sich bedient, ist äußerst lehrreich. Durch ein Fenster kann natürliches Licht ins Innere eines Gebäudes dringen. Ebenso strömen geistige Erleuchtung und eine geistige Sichtweise durch die Fenster des Himmels in unser Leben, wenn wir das Gesetz des Zehnten befolgen.

Eine unscheinbare, aber bedeutende Segnung, die wir erhalten, ist beispielsweise die geistige Gabe Dankbarkeit, die uns dazu befähigt, dankbar zu sein für das, was wir haben, und dadurch unsere Wünsche in Schranken zu halten. Wer dankbar ist, ist reich an Zufriedenheit. Wer undankbar ist, ist von immerwährender Unzufriedenheit geplagt (siehe Lukas 12:15).

Vielleicht brauchen wir eine passende Arbeitsstelle und beten darum, sie zu finden. Doch brauchen wir Augen und Ohren des Glaubens (siehe Ether 12:19), um die geistige Gabe der feineren Unterscheidung zu erkennen, die uns etwa dazu befähigt, Stellenangebote zu finden, die viele andere übersehen würden, oder um zu erkennen, dass wir mit größerer Entschlossenheit gesegnet sind, um eifriger und länger nach einem Arbeitsplatz zu suchen, als jemand anders dies kann oder als ein anderer gewillt ist. Vielleicht wollen und erwarten wir ein Stellenangebot, aber die Segnung, die uns durch die Schleusen des Himmels zuteilwird, mag die verstärkte Fähigkeit sein, zu handeln und unsere Lebensumstände zu ändern, statt zu erwarten, dass sich diese Umstände durch jemand oder etwas anderes ändern.

Wir mögen uns mit Recht eine Gehaltserhöhung wünschen und darauf hinarbeiten, um besser für alles Lebensnotwendige sorgen zu können. Doch brauchen wir Augen und Ohren des Glaubens, um in uns eine größere geistige und zeitliche Belastbarkeit festzustellen (siehe Lukas 2:52), sodass wir mit weniger mehr tun können, außerdem die ausgeprägtere Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und Dinge zu vereinfachen, sowie die verbesserte Fähigkeit, auf den materiellen Besitz, den wir bereits erlangt haben, gut achtzugeben. Vielleicht wollen und erhoffen wir ein höheres Einkommen, aber die Segnung, die uns durch die Schleusen des Himmels zuteilwird, mag die verstärkte Fähigkeit sein, unsere Lebensumstände zu ändern, statt zu erwarten, dass sich diese Umstände durch jemand oder etwas anderes ändern.

Die jungen Krieger im Buch Mormon (siehe Alma 53, 56–58) beteten inniglich, Gott möge sie stärken und aus den Händen ihrer Feinde befreien. Interessanterweise wurde dieses Gebet nicht in Form von zusätzlichen Waffen oder mehr Kämpfern erhört. Stattdessen versicherte Gott diesen gläubigen Kriegern, er werde sie befreien; er sprach ihrer Seele Frieden zu und gab ihnen großen Glauben und die Hoffnung auf ihre Befreiung durch ihn (siehe Alma 58:11). Deshalb fassten die Söhne Helamans Mut. Sie waren fest entschlossen zu siegen und zogen mit aller Macht gegen die Lamaniten (siehe Alma 58:12,13). Zuversicht, Friede, Glaube und Hoffnung scheinen auf den ersten Blick nicht die Segnungen zu sein, die sich ein Krieger in einer Schlacht wünscht, aber es waren genau die Segnungen, die diese tapferen jungen Männer brauchten, um vorwärtszugehen und körperlich und geistig zu obsiegen.

Manchmal bitten wir Gott um Erfolg, und er gibt uns körperliches und seelisches Durchhaltevermögen. Vielleicht flehen wir um Wohlstand und erhalten einen erweiterten Blickwinkel und mehr Geduld, oder wir bitten um Wachstum und werden mit dem Geschenk der Gnade gesegnet. Er mag uns mit Überzeugung und Selbstvertrauen segnen, wenn wir uns bemühen, lohnende Ziele zu erreichen. Und wenn wir darum flehen, er möge körperliche, seelische oder geistige Schwierigkeiten lindern, verhilft er uns vielleicht zu größerer Entschlossenheit und Belastbarkeit.

Ich verheiße, dass sich die Schleusen des Himmels wahrhaftig öffnen, wenn wir das Gesetz des Zehnten beachten und halten, und geistige und zeitliche Segnungen im Übermaß herabgeschüttet werden (siehe Maleachi 3:10). Wir werden uns auch an die Worte des Herrn erinnern:

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.

So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jesaja 55:8,9.)

Ich bezeuge: Wenn wir in geistiger Hinsicht aufmerksam und wachsam sind, werden wir gesegnet mit Augen, die klarer sehen, Ohren, die aufmerksamer hören, und einem Herzen, das die Bedeutung und Feinheit der Wege, Gedanken und Segnungen des Herrn umfassender verinnerlicht.

Lektion 2: Die Weise des Herrn ist schlicht

Vor meiner Berufung ins Kollegium der Zwölf Apostel las ich viele Male im Buch Lehre und Bündnisse von dem Ratsgremium, das dazu bestimmt ist, die heiligen Zehntengelder zu verwalten und zu verwenden. Der Rat für die Verwendung der Zehntengelder wurde durch Offenbarung eingerichtet und besteht aus der Ersten Präsidentschaft, dem Kollegium der Zwölf Apostel und der Präsidierenden Bischofschaft (siehe LuB 120). Als ich mich im Dezember 2004 darauf vorbereitete, erstmals an einer Sitzung dieses Rats teilzunehmen, freute ich mich sehr auf eine außergewöhnliche Gelegenheit, etwas zu lernen.

Ich erinnere mich gut daran, was ich in jener Sitzung erlebt und empfunden habe. Meine Wertschätzung und Ehrfurcht gegenüber dem Finanzgesetz des Herrn, das für den Einzelnen, für die Familie und für seine Kirche gilt, nahmen deutlich zu. Das Finanzprogramm der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – für Einnahmen wie für Ausgaben – wird im Wesentlichen in Abschnitt 119 und 120 des Buches Lehre und Bündnisse festgelegt. Zwei in diesen Offenbarungen enthaltene Aussagen bilden die Grundlage für die finanziellen Angelegenheiten der Kirche.

In Abschnitt 119 wird schlicht erklärt, dass alle Mitglieder „jährlich ein Zehntel all ihres Ertrags bezahlen [sollen]; und das soll für sie … ein feststehendes Gesetz sein immerdar, spricht der Herr“ (Vers 4).

Als Nächstes sagt der Herr hinsichtlich der genehmigten Verwendung von Zehntengeldern, „dass darüber durch einen Rat verfügt werden soll, der sich aus der Ersten Präsidentschaft meiner Kirche und aus dem Bischof und seinem Rat und aus meinem Hohen Rat zusammensetzt; und durch meine eigene Stimme an sie, spricht der Herr“ (LuB 120:1). Der „Bischof und sein Rat“ und „mein Hoher Rat“, von denen in dieser Offenbarung die Rede ist, sind heute als die Präsidierende Bischofschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel bekannt. Die heiligen Gelder werden in dieser schnell wachsenden Kirche dazu verwendet, dem Einzelnen und der Familie in geistiger Hinsicht ein Segen zu sein, indem Tempel und Gotteshäuser gebaut und instand gehalten werden, die Missionsarbeit unterstützt wird, die heiligen Schriften übersetzt und veröffentlicht werden, die Familienforschung vorangetrieben wird, Schulen und religiöse Bildung finanziert werden und viele andere Ziele der Kirche verwirklicht werden, so wie die ordinierten Diener des Herrn es bestimmen.

Ich staune über die Klarheit und Kürze dieser beiden Offenbarungen im Vergleich zu den komplizierten Finanzrichtlinien und Verwaltungsverfahren, die in so vielen Organisationen und Staaten rund um den Globus Anwendung finden. Wie können die zeitlichen Angelegenheiten einer so großen Organisation wie der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi weltweit mit derart knappen Anweisungen geregelt werden? Für mich ist die Antwort ganz einfach: Dies ist das Werk des Herrn, er kann sein Werk selbst tun (siehe 2 Nephi 27:20), und der Erretter inspiriert und leitet seine Diener, wenn sie seine Weisung in die Tat umsetzen und in seiner Sache tätig sind.

In jener ersten Ratssitzung war ich von der Schlichtheit der Grundsätze, die unsere Erwägungen und Entscheidungen leiteten, beeindruckt. Am Finanzgebaren der Kirche lassen sich zwei einfache und unveränderliche Grundsätze beobachten. Erstens: Die Kirche bewegt sich im Rahmen ihrer Mittel und gibt nicht mehr aus, als sie einnimmt. Zweitens: Ein Teil des jährlichen Einkommens wird als Rücklage für unvorhergesehene Ausgaben und unerwartete Erfordernisse zur Seite gelegt. Seit Jahrzehnten lehrt die Kirche ihre Mitglieder den Grundsatz, zusätzlich Lebensmittel, Brennstoff und Geld beiseitezulegen, um für eventuelle Notlagen gerüstet zu sein. Die Kirche folgt als Institution schlicht und einfach den gleichen Grundsätzen, die sie den Mitgliedern immer wieder nahelegt.

Im Verlauf der Sitzung wuchs in mir der Wunsch, alle Mitglieder der Kirche könnten die Schlichtheit, Klarheit, Ordnung, Nächstenliebe und Macht beobachten, die mit der eigenen Art und Weise einhergehen (vgl. LuB 104:16), wie der Herr die zeitlichen Belange seiner Kirche regelt. Ich gehöre dem Rat für die Verwendung der Zehntengelder mittlerweile seit vielen Jahren an. Meine Dankbarkeit und Ehrfurcht in Hinblick auf das Muster des Herrn ist Jahr für Jahr gewachsen und ich habe noch tiefere Erkenntnisse gewonnen.

Ich hege große Liebe und Bewunderung für die treuen und gehorsamen Mitglieder dieser Kirche aus jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk. Bei meinen Reisen rund um die Welt bekomme ich Einblick in Ihre Hoffnungen und Träume, Ihre unterschiedlichen Lebensbedingungen und -umstände und Ihre Schwierigkeiten. Ich war mit Ihnen in Versammlungen der Kirche, und einige von Ihnen habe ich zu Hause besucht. Ihr Glaube stärkt meinen Glauben. Ihre Hingabe lässt mich hingebungsvoller sein. Und Ihre Güte und Bereitschaft, gehorsam das Gesetz des Zehnten zu befolgen, motiviert mich, ein besser Mensch, Ehemann, Vater und Führer der Kirche zu sein. Sie kommen mir jedes Mal ins Gedächtnis, wenn ich am Rat für die Verwendung der Zehntengelder teilnehme. Ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Bündnisse so gut und treu einhalten.

Die Führer der wiederhergestellten Kirche des Herrn spüren die enorme Verantwortung, dass mit den heiligen Spenden der Mitglieder der Kirche in der rechten Weise umgegangen werden muss. Wir sind uns der heiligen Natur des Opfers der Witwe deutlich bewusst.

„Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel.

Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein.

Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern.

Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ (Markus 12:41-44.)

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Rat für die Verwendung der Zehntengelder umsichtig mit dem Opfer der Witwe umgeht. Ich möchte Präsident Thomas S. Monson und seinen Ratgebern danken, dass sie bei der Wahrnehmung dieser heiligen Treuhandschaft so gute Führer sind. Ich erkenne die Stimme (siehe LuB 120:1) und die Hand des Herrn an, die seine ordinierten Diener bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, ihn zu vertreten, stützt.

Eine Einladung und ein Zeugnis

Den Zehnten ehrlich zu zahlen ist viel mehr als eine Pflicht; es ist ein wichtiger Schritt dahin, sich zu heiligen. Denjenigen von Ihnen, die ihren Zehnten zahlen, zolle ich Anerkennung.

Diejenigen, die das Gesetz des Zehnten momentan nicht befolgen, lade ich ein, Ihr Verhalten zu überdenken und umzukehren. Ich bezeuge, dass sich Ihnen die Schleusen des Himmels öffnen werden, wenn Sie dieses Gesetz des Herrn befolgen. Bitte schieben Sie den Tag Ihrer Umkehr nicht auf.

Ich bezeuge, dass sich geistige und zeitliche Segnungen einstellen, wenn wir nach dem Gesetz des Zehnten leben. Ich gebe Zeugnis, dass solche Segnungen oft bedeutend, aber unscheinbar sind. Ich verkünde ebenfalls, dass die Schlichtheit der Weise des Herrn, die in den zeitlichen Belangen seiner Kirche so deutlich erkennbar ist, ein Muster ist, an dem wir uns als Einzelner und als Familie orientieren können. Ich bete dafür, dass jeder von uns etwas aus diesen wichtigen Lektionen lernt und daraus Nutzen zieht. Im heiligen Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.