2014
Unsere Verbundenheit als Schwestern: Wie sehr wir doch einander brauchen!
Mai 2014


Unsere Verbundenheit als Schwestern: Wie sehr wir doch einander brauchen!

Wir müssen aufhören, das Trennende hervorzuheben, und stattdessen auf das achten, was uns verbindet.

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Bonnie L. Oscarson

In dem Video haben wir acht Länder gesehen und neun verschiedene Sprachen gehört. Stellen Sie sich vor, wie viele Sprachen jetzt bei der letzten Strophe hinzugekommen sind! Es ist eine faszinierende Erkenntnis, dass wir als Schwestern weltweit die Stimme erheben konnten, um die ewige Wahrheit zu bezeugen, dass wir Töchter eines liebevollen Vaters im Himmel sind.

Welch große Ehre ist es, zu diesem historischen Anlass hier zu sein und zu allen Schwestern in der Kirche ab acht Jahren zu sprechen. Unser Einssein heute Abend birgt eine enorme Kraft. Wenn ich Sie alle hier im Konferenzzentrum sehe und an die Tausenden denke, die sich diese Übertragung überall auf der Welt anschauen, ist durch die geballte Kraft unserer Zeugnisse und unseres Glaubens an Jesus Christus dies doch gewiss eine der glaubensvollsten und machtvollsten Zusammenkünfte von Frauen in der Geschichte der Kirche, wenn nicht sogar in der Menschheitsgeschichte.

Heute Abend freuen wir uns über die vielen unterschiedlichen Rollen, die wir als Frauen in der Kirche erfüllen. Wenngleich wir in vielerlei Hinsicht verschieden und einzigartig sind, wissen wir doch, dass wir alle Töchter desselben himmlischen Vaters sind. Das macht uns zu Schwestern. Wir sind – ganz gleich, in welcher Lebenslage wir uns befinden – eins beim Aufbau des Gottesreiches und eins in den Bündnissen, die wir geschlossen haben. Diese Zusammenkunft von Jung und Alt gibt zweifellos Zeugnis von der großen Verbundenheit unserer Schwestern auf Erden.1

Zwischen uns Schwestern besteht ein unzertrennliches Band. Schwestern kümmern sich umeinander, passen aufeinander auf, trösten einander und stehen einander in den Höhen und Tiefen des Lebens bei. Der Herr hat gesagt: „Ich sage euch: Seid eins; und wenn ihr nicht eins seid, dann seid ihr nicht mein.“2

Der Widersacher möchte, dass wir einander kritisch oder missbilligend betrachten. Er möchte, dass wir das Trennende hervorheben und Vergleiche ziehen. Vielleicht treiben Sie jeden Tag eine Stunde lang intensiv Sport, weil Sie sich gut dabei fühlen, während ich es schon als Kraftakt betrachte, die Treppe hochzugehen, statt mit dem Aufzug zu fahren. Wir können aber trotzdem Freundinnen sein, oder?

Wir Frauen gehen oft sehr hart mit uns selber ins Gericht. Wenn wir uns mit anderen Frauen vergleichen, dann zu unseren Ungunsten, sodass wir uns unzulänglich fühlen oder die anderen beneiden. Schwester Patricia T. Holland hat einmal gesagt: „Tatsache ist, dass wir uns nicht Christen nennen und weiterhin so hart über andere – oder auch über uns selbst – urteilen dürfen.“3 Sie spricht auch darüber, dass es nichts gibt, was es wert wäre, unser Mitgefühl und unsere Verbundenheit als Schwestern dafür aufzugeben. Nehmen wir also nicht alles so tragisch, und freuen wir uns an unserer gottgegebenen Verschiedenheit! Uns muss bewusst werden, dass wir alle im Reich Gottes mithelfen wollen und dazu unsere einzigartigen Talente und Gaben auf ganz individuelle Weise einsetzen. Dann bereiten uns unsere Verbundenheit und der Umgang miteinander Freude, und wir beginnen, füreinander da zu sein.

Tatsache ist, dass wir einander wirklich und wahrhaftig brauchen. Frauen liegt naturgemäß viel an Freundschaft, Unterstützung und Gemeinschaft. Wir können so viel voneinander lernen, und doch lassen wir uns oft von Hürden, die wir uns selbst in den Weg stellen, daran hindern, Beziehungen zu pflegen, die zu den schönsten Segnungen unseres Lebens zählen könnten. Beispielsweise brauchen wir Frauen fortgeschrittenen Alters das, was ihr Mädchen im PV-Alter zu bieten habt. Wir können von euch viel über christliche Hilfsbereitschaft und Liebe lernen.

Vor kurzem hörte ich eine nette Geschichte über ein Mädchen namens Sarah. Seine Mutter kümmerte sich um Brenda, eine Frau aus der Gemeinde, die an multipler Sklerose litt. Sarah begleitete ihre Mutter sehr gern zu diesen Besuchen. Sie cremte Brendas Hände ein und massierte ihr die Finger und die Arme, weil Brenda oft große Schmerzen hatte. Sie lernte auch, Brendas Arme vorsichtig über den Kopf zu heben, damit die Muskeln trainiert wurden. Sarah bürstete Brenda die Haare und unterhielt sich mit ihr, während sich ihre Mutter um andere Sachen kümmerte. Sarah lernte, wie wichtig es ist und wie viel Freude es bereitet, anderen zu dienen, und sie erkannte, dass sogar ein Kind für einen anderen sehr viel tun kann.

Mir gefällt das Beispiel im ersten Kapitel des Lukasevangeliums, wo die liebevolle Beziehung zwischen Maria, der Mutter Jesu, und ihrer Cousine Elisabet beschrieben wird. Maria war jung, als ihr die außergewöhnliche Aufgabe kundgetan wurde, dass sie die Mutter des Gottessohnes werden solle. Anfangs muss ihr das wie eine schwerwiegende Verantwortung vorgekommen sein, die sie da alleine zu tragen hatte. Doch der Herr selbst stellte Maria jemanden zur Seite, der ihr etwas von ihrer Bürde abnehmen konnte. Der Engel Gabriel nannte Maria in seiner Botschaft auch den Namen einer vertrauenswürdigen und verständnisvollen Frau, an die sie sich wenden bitten konnte, nämlich ihre Cousine Elisabet.

Die junge Frau und ihre Cousine „in vorgerücktem Alter“4 verband das Erlebnis einer wundersamen Schwangerschaft. Ich kann nur erahnen, wie wichtig diese drei gemeinsam verbrachten Monate für die beiden waren, in denen sie miteinander reden, sich in die andere einfühlen und einander in ihrer einzigartigen Berufung zur Seite stehen konnten. Welch wunderbares Beispiel dafür, wie Frauen unterschiedlichen Alters füreinander da sein können!

Diejenigen von uns, die etwas älter sind, können einen großen Einfluss auf die jüngeren Generationen ausüben. Als meine Mutter noch klein war, gingen ihre Eltern nicht zur Kirche. Im zarten Alter von fünf Jahren ging sie allein zu Fuß zur Kirche und nahm an den Versammlungen teil – an PV, Sonntagsschule und Abendmahlsversammlung, die überdies nicht hintereinander in einem Block stattfanden.

Vor kurzem fragte ich meine Mutter, warum um alles in der Welt sie jede Woche dorthin ging, wenn sie doch daheim niemand unterstützte oder ihr Ansporn gab. Ihre Antwort: „Ich hatte PV-Lehrerinnen, die mich lieb hatten.“ Diesen Lehrerinnen lag viel an ihr, und sie lehrten sie das Evangelium. Sie erklärten ihr, dass sie einen Vater im Himmel hat, der sie liebt. Die Anteilnahme dieser Lehrerinnen war ausschlaggebend dafür, dass sie jede Woche wiederkam. Meine Mutter sagte zu mir: „Sie waren einer der wichtigsten Einflüsse in meinem jungen Leben.“ Ich hoffe, dass ich diesen wunderbaren Schwestern eines Tages danken kann! Das Alter spielt keine Rolle, wenn es um christliches Helfen geht.

Vor ein paar Wochen lernte ich eine Pfahl-JD-Leiterin aus Kalifornien kennen. Sie erzählte mir, dass ihre 81-jährige Mutter vor kurzem als Beraterin für die Rosenmädchen berufen worden war. Das fand ich beachtlich, und so rief ich bei ihrer Mutter an. Als der Bischof sich mit Schwester Val Baker treffen wollte, freute sie sich darauf, vielleicht als Bibliothekarin oder als Geschichtsschreiberin der Gemeinde berufen zu werden. Als er sie jedoch bat, bei den Jungen Damen Beraterin für die Rosenmädchen zu werden, fragte sie: „Sind Sie sich sicher?“

Der Bischof erklärte daraufhin feierlich: „Schwester Baker, da liegt kein Irrtum vor: Diese Berufung kommt vom Herrn.“

Darauf konnte sie nichts anderes erwidern als: „Selbstverständlich.“

Ich finde es wundervoll, dass dieser Bischof durch Inspiration verspürt hat, dass die vier Rosenmädchen seiner Gemeinde aus der Weisheit, der Erfahrung und dem beispielhaften Leben dieser älteren Schwester viel lernen könnten. Und raten Sie einmal, an wen sich Schwester Baker wendet, wenn sie Hilfe beim Umgang mit Facebook braucht!

Ich denke auch daran, was die FHV-Schwestern alles tun können, um die jüngeren Schwestern willkommen zu heißen, die gerade die Jungen Damen verlassen haben. Die jungen Schwestern fühlen sich in der FHV oft fehl am Platz und meinen, sie hätten mit den Schwestern dort nichts gemein. Bevor sie achtzehn werden, brauchen sie eine JD-Leitung und eine Mutter, die freudig Zeugnis davon geben, was für ein Segen die FHV ist. Es muss sie mit Begeisterung erfüllen, Teil einer so großartigen Organisation zu werden. Wenn eine junge Frau dann in die FHV geht, braucht sie vor allem eine Freundin, die neben ihr sitzt, jemanden, der den Arm um sie legt, und die Gelegenheit, zu lehren und zu dienen. Gehen wir doch auf einander zu und helfen wir einander bei den Veränderungen und Meilensteinen im Leben!

Vielen Dank all den Frauen der Kirche, die über Altersgrenzen und kulturelle Grenzen hinweg auf andere zugehen, um ihnen ein Segen zu sein und ihnen zu helfen. Junge Frauen dienen PV-Kindern und älteren Menschen. Alleinstehende Schwestern jeden Alters verbringen zahllose Stunden damit, sich ihrer Mitmenschen anzunehmen. Wir sind dankbar für Tausende von jungen Frauen, die achtzehn Monate ihres Lebens hingeben, um der Welt das Evangelium zu verkünden. All dies zeugt davon, dass der Auftrag der Frauen dem der Engel gleicht,5 wie es in einem unserer Kirchenlieder heißt.

Wenn Hürden bestehen, dann nur, weil wir sie selbst errichtet haben. Wir müssen aufhören, das Trennende hervorzuheben, und stattdessen auf das achten, was uns verbindet. Dann erkennen wir nach und nach unser immenses Potenzial und bewirken wahrhaftig viel Gutes in der Welt. Schwester Marjorie P. Hinckley hat einmal gesagt: „Wie sehr wir einander doch brauchen! Die Älteren unter uns brauchen diejenigen, die jung sind. Und hoffentlich brauchen die jüngeren Frauen auch einige von uns, die wir älter sind. Es ist gesellschaftswissenschaftlich erwiesen, dass Frauen andere Frauen brauchen. Wir brauchen innige, erfüllende und treue Freundschaften.“6 Schwester Hinckley hatte Recht. Wie sehr wir einander doch brauchen!

Schwestern, auf der ganzen Welt gibt es keine andere Gruppe Frauen, denen so viele Segnungen offenstehen wie uns Frauen in der Kirche. Wir sind Mitglieder der Kirche des Herrn. Ganz gleich, in welcher Lebenslage wir uns befinden – wir alle können sämtliche Segnungen der Macht des Priestertums haben, wenn wir die Bündnisse halten, die wir bei der Taufe und im Tempel geschlossen haben. Wir werden von lebenden Propheten geführt und unterwiesen, und wir haben die großartige Gabe des Heiligen Geistes, die uns trösten und leiten kann. Wir genießen den Segen, Hand in Hand mit rechtschaffenen Brüdern unser Zuhause und unsere Familie stärken zu können. Wir haben Zugang zu der Kraft und Macht der heiligen Handlungen des Tempels und zu vielem mehr.

Zusätzlich zu all diesen großartigen Segnungen haben wir auch einander als Schwestern im Evangelium Jesu Christi. Wir sind mit einem einfühlsamen und wohltätigen Wesen bedacht worden, das uns erlaubt, unsere Mitmenschen so zu lieben und ihnen so zu dienen, wie Christus es tat. Wenn wir über die Unterschiede in Alter, Kultur und Lebensumständen hinwegsehen und uns umeinander kümmern und einander dienen, können wir von der reinen Christusliebe erfüllt werden und durch Inspiration erkennen, wann wir wem helfen können.

Ich möchte die Bitte einer ehemaligen FHV-Präsidentin wiederholen. Sie sagte: „Ich möchte Sie auffordern, einander nicht nur mehr Liebe entgegenzubringen, sondern dies auch intensiver zu tun.“7 Mögen wir erkennen, wie sehr wir einander brauchen, und mögen wir einander tiefe Liebe entgegenbringen. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Siehe Barbara B. Smith, „The Bonds of Sisterhood“, Ensign, März 1983, Seite 20–23

  2. Lehre und Bündnisse 38:27

  3. Patricia T. Holland, „‚One Thing Needful‘: Becoming Women of Greater Faith in Christ“, Ensign, Oktober 1987, Seite 29

  4. Lukas 1:7

  5. Siehe „As Sisters in Zion“, Hymns, Nr. 309

  6. Glimpses into the Life and Heart of Marjorie Pay Hinckley, Hg. Virginia H. Pearce, 1999, Seite 254f.

  7. Bonnie D. Parkin, „Das Bessere wählen: Nächstenliebe“, Liahona, November 2003, Seite 105f.