2014
„Ich habe euch ein Beispiel gegeben‘
Mai 2014


„Ich habe euch ein Beispiel gegeben“

Das größte Vorbild, das je auf Erden weilte, ist unser Heiland, Jesus Christus. Er hat uns aufgefordert, seinem vollkommenen Beispiel zu folgen.

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Elder Richard G. Scott

Als ich über meine Pflicht nachdachte, das Evangelium zu verbreiten, musste ich an liebe Menschen denken, die mir durch sanfte Einflussnahme den von Gott bestimmten Weg gezeigt haben, der zu meinem geistigen Fortschritt beitrug. In entscheidenden Lebensphasen hat der Vater im Himmel mich mit Menschen gesegnet, denen ich so sehr am Herzen lag, dass sie mitgeholfen haben, meine Entscheidungen in eine gute Richtung zu lenken. Sie haben diese Worte Jesu beherzigt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“1

Als ich klein war, gehörte mein Vater nicht der Kirche an, und meine Mutter hatte sich vom Kirchenleben zurückgezogen. Wir wohnten in Washington D.C., und die Eltern meiner Mutter über 4000 Kilometer entfernt im Bundesstaat Washington. Einige Monate nach meinem achten Geburtstag reiste Großmutter Whittle quer durchs ganze Land, um uns zu besuchen. Großmutter machte sich Sorgen, weil weder ich noch mein älterer Bruder getauft worden waren. Ich weiß nicht, was sie diesbezüglich zu meinen Eltern sagte, aber ich weiß, dass sie eines Morgens mit mir und meinem Bruder in den Park ging und uns erklärte, wie wichtig es ihrer Meinung nach war, getauft zu werden und regelmäßig die Versammlungen der Kirche zu besuchen. Ich erinnere mich nicht mehr, was sie im Einzelnen gesagt hat, aber ihre Worte berührten etwas in meinem Herzen, und bald darauf ließen mein Bruder und ich uns taufen.

Unsere Großmutter unterstützte uns weiterhin. Jedes Mal, wenn mein Bruder oder ich den Auftrag hatten, eine Ansprache zu halten, riefen wir sie an und baten um Vorschläge. Innerhalb weniger Tage kam dann mit der Post eine handgeschriebene Ansprache. Nach einiger Zeit bekamen wir nur noch einen Entwurf für eine Ansprache, der mehr Anstrengung unsererseits erforderte.

Großmutter fand genau das richtige Maß an Mut und Respekt, um meinem Vater aufzuzeigen, wie wichtig es ist, uns zu den Versammlungen der Kirche zu fahren. Wo sie nur konnte, bestärkte sie unser Gefühl, dass wir in unserem Leben das Evangelium brauchten.

Vor allem aber wussten wir, dass Großmutter uns liebte und dass sie auch das Evangelium liebte. Sie war ein wunderbares Vorbild! Ich bin sehr dankbar, dass sie mir Zeugnis gegeben hat, als ich noch sehr jung war. Ihr Einfluss hat meinem Leben für alle Zeiten eine positive Richtung gegeben.

Später, kurz vor dem Abschluss meines Studiums, verliebte ich mich in ein hübsches junges Mädchen namens Jeanene Watkins. Ich hatte den Eindruck, auch sie habe mit der Zeit tiefere Gefühle für mich entwickelt. Als wir uns eines Abends über die Zukunft unterhielten, ließ sie in dieses Gespräch mit Bedacht eine Aussage einfließen, die mein Leben für immer änderte. Sie sagte: „Wenn ich einmal heirate, dann einen treuen zurückgekehrten Missionar, und zwar im Tempel.“

Bis dahin hatte ich mir wegen einer Mission kaum Gedanken gemacht. Doch an diesem Abend war ich plötzlich hochmotiviert, über eine Mission nachzudenken. Ich ging nach Hause und konnte an nichts anderes mehr denken. Ich blieb die ganze Nacht wach. Am nächsten Tag konnte ich mich nicht auf das Studium konzentrieren. Nach vielem Beten traf ich die Entscheidung, zum Bischof zu gehen und meine Missionspapiere auszufüllen.

Jeanene hat mich nie darum gebeten, ihr zuliebe auf Mission zu gehen. Sie liebte mich genug, um mir von ihrer Überzeugung zu erzählen, und überließ es dann mir, die Weichen für meinen weiteren Lebensweg zu stellen. Wir gingen beide auf Mission und wurden später im Tempel aneinander gesiegelt. Jeanenes Mut und die Verbundenheit mit ihrem Glauben haben unser gemeinsames Leben stark geprägt. Ich bin mir sicher, dass wir ohne ihren starken Glauben an den Grundsatz, zuerst dem Herrn zu dienen, nicht das Glück gefunden hätten, das wir genießen. Sie ist ein großartiges Vorbild an Rechtschaffenheit!

Beide, Großmutter Whittle und Jeanene, haben mich genug geliebt, um mir ihre Überzeugung nahezubringen, dass die heiligen Handlungen des Evangeliums und der Dienst für den Vater im Himmel ein Segen für mich wären. Keine der beiden übte Zwang aus oder gab mir das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein. Sie liebten mich einfach und sie liebten den Vater im Himmel. Beide wussten, dass er mehr aus meinem Leben machen konnte als ich aus eigener Kraft. Beide halfen mir beherzt und auf liebevolle Weise, den Weg des größten Glücks zu finden.

Wie kann jeder von uns einen so bedeutenden Einfluss nehmen? Wir müssen diejenigen, denen wir redlich helfen wollen, aufrichtig lieb haben, dann können sie nach und nach Vertrauen in die Liebe Gottes aufbauen. Für sehr viele Menschen auf der Welt besteht die erste Herausforderung auf dem Weg dahin, das Evangelium anzunehmen, darin, Vertrauen zu einem Vater im Himmel aufzubauen, der sie auf vollkommene Weise liebt. Es fällt ihnen leichter, dieses Vertrauen aufzubauen, wenn Freunde oder Angehörige ihnen mit vergleichbarer Liebe begegnen.

Wenn Sie ihnen das Vertrauen geben, dass Sie sie lieb haben, fällt es ihnen wahrscheinlich leichter, auf Gottes Liebe zu vertrauen. Wenn Sie dann auch noch liebevoll und überlegt mit ihnen darüber sprechen, welche Lektionen Sie gelernt haben, welche Erfahrungen Sie gemacht haben und welche Grundsätze Sie befolgt haben, um Lösungen für Ihre Probleme zu finden, wird dies ein Segen für sie sein. Zeigen Sie aufrichtiges Interesse an ihrem Wohlergehen, und geben Sie dann Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi.

Sie können auf eine Art und Weise helfen, die auf den Grundsätzen und der Lehre basiert. Fordern Sie diejenigen, die Ihnen am Herzen liegen, auf, herauszufinden, was der Herr von ihnen erwartet. Dies geschieht beispielsweise, indem Sie ihnen Fragen stellen, die sie zum Nachdenken bringen, und ihnen dann genügend Zeit geben – Stunden, Tage, Monate oder mehr –, nachzusinnen und die Antworten selbst herauszufinden. Vielleicht müssen Sie ihnen erklären, wie man betet und wie man eine Antwort aufs Gebet erkennt. Erklären Sie ihnen, dass die heiligen Schriften eine entscheidende Rolle dabei spielen, Antworten zu erhalten und zu erkennen. So helfen Sie ihnen, sich auf zukünftige Möglichkeiten und Schwierigkeiten vorzubereiten.

Es ist Gottes Absicht, „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“2. Dies ist die Grundlage all dessen, was wir tun. Manchmal sind wir mit etwas, was uns fasziniert, so beschäftigt oder werden von weltlichen Aufgaben so in Anspruch genommen, dass wir Gottes Ziele aus den Augen verlieren. Wenn Sie sich beständig an den elementarsten Grundsätzen orientieren, wird Ihnen verständlich, was Sie tun sollen, und Sie bringen mehr Frucht für den Herrn hervor und werden selbst glücklicher.

Wenn Sie sich an den elementaren Grundsätzen des Erlösungsplans orientieren, sind Sie mehr darauf bedacht, andere an Ihrer Erkenntnis teilhaben zu lassen, weil Sie die ewige Bedeutung der heiligen Handlungen des Evangeliums verstehen. Sie werden Ihre Erkenntnis auf eine Weise weitergeben, die in Ihren Freunden den Wunsch weckt, geistig gestärkt zu werden. Sie werden dazu beitragen, dass Ihre Lieben den Entschluss fassen, allen Geboten Gottes zu gehorchen und den Namen Jesu Christi auf sich zu nehmen.

Denken Sie daran, dass die Bekehrung Einzelner nur einen Teil des Werkes ausmacht. Bemühen Sie sich immer darum, Familien zu stärken. Verlieren Sie bei allen Gesprächen nie aus den Augen, wie wichtig es ist, dass eine Familie im Tempel gesiegelt wird. Bei manchen Familien mag es Jahre dauern. Bei meinen Eltern war das so. Viele Jahre, nachdem ich getauft wurde, ließ auch mein Vater sich taufen, und später ließ meine Familie sich im Tempel siegeln. Mein Vater wurde Siegler im Tempel, und meine Mutter diente ebenfalls dort. Wenn Sie eine Vision von der Siegelung im Tempel vor Augen haben, werden Sie mithelfen, Gottes Reich auf Erden aufzubauen.

Denken Sie daran: Jemanden zu lieben, dem man helfen will, ist die machtvolle Grundlage dafür, dass man Einfluss auf ihn hat. Meine Großmutter Whittle und meine Frau Jeanene hätten keinen nennenswerten Einfluss auf mich gehabt, wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie mich liebten und das Beste für mich wollten.

Mit dieser Liebe verbunden ist das Vertrauen. In manchen Fällen mag es uns schwerfallen, jemandem zu vertrauen, aber bemühen Sie sich dennoch darum. Die Kinder des himmlischen Vaters können Unglaubliches vollbringen, wenn sie spüren, dass man ihnen vertraut. Alle Kinder Gottes auf dieser Erde haben sich für den Plan des Erretters entschieden. Vertrauen Sie darauf, dass sie dies wieder tun, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten.

Sprechen Sie über Grundsätze, die den Menschen, die Sie lieb haben, helfen, auf dem Weg zum ewigen Leben vorwärtszustreben. Bedenken Sie: Wir alle machen Stück für Stück Fortschritt. Auch Sie sind diesem Muster gefolgt, um das Evangelium zu verstehen. Halten Sie Gespräche über das Evangelium einfach.

Ihr Zeugnis vom Sühnopfer Jesu Christi ist ein beeindruckendes Werkzeug. Weitere Hilfsmittel sind das Gebet, das Buch Mormon und die übrigen heiligen Schriften sowie Ihre Treue gegenüber den heiligen Handlungen des Priestertums. All dies wird die Führung durch den Heiligen Geist begünstigen, auf die Sie sich unbedingt verlassen müssen.

Um erfolgreich zu sein und so zu handeln, wie Christus gehandelt hat,3 konzentrieren Sie sich auf diesen elementaren Grundsatz des Evangeliums: Das Sühnopfer Jesu Christi ermöglicht es, dass wir dem Vater im Himmel ähnlicher werden, damit wir als Familie ewig zusammen sein können.

Die elementarste Lehre dieses Werkes ist das Sühnopfer Jesu Christi. Legen Sie bei jeder passenden Gelegenheit Zeugnis vom Erlöser und von der Macht seines Sühnopfers ab. Verwenden Sie Schriftstellen, die von ihm handeln und aufzeigen, warum er für jeden das vollkommene Vorbild ist.4 Sie werden eifrig in den heiligen Schriften forschen müssen. Verlieren Sie sich nicht dermaßen in Belanglosem, dass Sie es versäumen, die Lehre und die Worte des Herrn kennenzulernen. Wenn Sie eine feste, persönliche Grundlage in der Lehre haben, werden Sie ein machtvolles Werkzeug dabei sein, anderen lebenswichtige Wahrheiten nahezubringen, die diese so dringend benötigen.

Wir dienen dem Vater im Himmel am besten dadurch, dass wir andere auf rechtschaffene Weise beeinflussen und ihnen dienen.5 Das größte Vorbild, das je auf Erden weilte, ist unser Heiland, Jesus Christus. Sein irdisches Wirken war erfüllt davon, dass er lehrte, diente und anderen mit Liebe begegnete. Er setzte sich mit Menschen nieder, die man als unwürdig erachtete, an seiner Seite zu sein. Er hatte jeden von ihnen lieb. Er erkannte ihre Bedürfnisse und lehrte sie das Evangelium. Er hat uns aufgefordert, seinem vollkommenen Beispiel zu folgen.

Ich weiß, dass sein Evangelium der Weg zu Frieden und Glück in diesem Leben ist. Mögen wir daran denken, es ihm gleichzutun, indem wir andere, die das strahlende Licht des Evangeliums noch nicht angenommen haben, an unserer Liebe, unserem Vertrauen und unserer Erkenntnis der Wahrheit teilhaben lassen. Im Namen Jesu Christi. Amen.