2014
Arbeitet auf diesem Land, als sei es für Jahre
August 2014


Arbeitet auf diesem Land – als sei es für Jahre

Der Verfasser lebt in Utah.

Wie die Meeresströmung führt uns Gottes Einfluss zu seinem Plan für unser Leben

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A man walking along a beach and looking out at the ocean.

Wie so viele Kinder habe ich davon geträumt, was ich einmal werden wollte. Ich war fest davon überzeugt, dass ich einmal Feuerwehrmann auf dem Mond werde. Als Fünfjähriger konnte ich mir überhaupt nichts anderes für mein Leben vorstellen. Vermutlich haben die meisten von uns in ihrer Kindheit davon geträumt, wie das Leben später einmal aussehen sollte. Ich vermute auch, dass die meisten von uns irgendwann einmal zurückgeblickt und ausgerufen haben: „So habe ich mir mein Leben aber nicht vorgestellt!“

Zwei Schriftstellen helfen uns, unser Leben aus dem richtigen Blickwinkel zu betrachten. Erstens:

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.

So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jesaja 55:8,9.)

Zweitens: „[Gott] tut nichts, was nicht der Welt zum Nutzen ist; denn er liebt die Welt.“ (2 Nephi 26:24.)

Diese Schriftstellen zeigen uns, dass alles, was der Vater im Himmel tut, letzten Endes zu unserem Nutzen ist, auch wenn wir das Warum nicht verstehen können. Und da Gottes Gedanken und Wege erhabener sind als unsere, müssen wir unser Leben auf eine höhere Ebene bringen, um mehr Übereinstimmung mit seinem Plan zu erreichen.

Unwägbarkeiten auf dem Weg

Die Kinder Israel mussten 40 Jahre lang die Unwägbarkeiten ihres Weges durch die Wüste ertragen, ehe es ihnen gestattet wurde, das verheißene Land zu betreten. Eine Wolke bedeckte das Offenbarungszelt, wenn sie Rast machen sollten; und wenn sich die Wolke erhob, folgten ihr die Israeliten (siehe Numeri 9:15-18,21-23). Ich vermute, dass sie sich in diesen vierzig Jahren oft gefragt haben, wann es wohl weitergehe, wann und wo sie Rast machen würden, und wann sie schließlich das verheißene Land erreichen würden.

Diese Geschichte ist reich an Symbolik. Auch wir wandern auf Erden sozusagen durch die Wüste und wollen das „verheißene Land“ erreichen, nämlich ewig bei Gott leben. Er hat uns verheißen, uns dorthin zu führen. Und auch wenn jeder den gleichen Weg entlanggehen muss – gehorsam sein, umkehren, die heiligen Handlungen des Priestertums empfangen und gläubig ausharren – so gibt es doch in jedem Leben Unwägbarkeiten, und jedes Leben ist ein wenig anders.

Elder Richard G. Scott vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Der Herr hat den Strömungen göttlichen Einflusses Raum in Ihrem Leben gegeben, die Sie entlang dem für Sie festgelegten Plan führen, von dem er möchte, dass Sie ihn während Ihrer Erdenzeit erfüllen. Versuchen Sie, durch den Geist diese Führung zu erkennen, und folgen Sie ihm aufmerksam. Richten Sie sich daran aus. Wählen Sie bereitwillig, durch Ihre Entscheidungsfreiheit, ihm zu folgen.“1

Denken Sie an das Volk Israel und überlegen Sie, was wohl schwerer auszuhalten war: ein Jahr an einem unwirtlichen Ort verbringen zu müssen oder einen schönen Ort nach zwei Tagen wieder verlassen zu müssen? Ich denke, in beiden Fällen ist ihr Glaube auf die Probe gestellt worden.

So ist es auch bei uns. Wir mögen mit unseren Umständen unzufrieden sein und uns eine Zeit lang fragen, wann sich die Dinge endlich ändern. Oder unsere angenehme Routine wird durch eine unerwartete Wendung unterbrochen. Wie wir auf solche Unwägbarkeiten reagieren, bestimmt in großem Maße, wie glücklich wir sind. Wenn wir uns ständig nur fragen, wann sich denn etwas ändern werde, versäumen wir möglicherweise großartige Gelegenheiten, geistig zu wachsen.

Unternehmen Sie noch heute etwas

Im Frühjahr 1831 begannen die Heiligen damit, sich in Kirtland in Ohio zu sammeln. Ein Mitglied namens Leman Copley erlaubte einer Gruppe aus Colesville im Bundesstaat New York, sich auf seiner Farm in Thompson in der Nähe von Kirtland aufzuhalten. Im Mai 1831 offenbarte der Herr dem Propheten Joseph Smith:

„Und ich weihe ihnen dieses Land für eine kurze Zeit, bis ich, der Herr, andere Vorsorge für sie treffen und ihnen gebieten werde, von hier fortzugehen; und die Stunde und der Tag sind ihnen nicht gegeben, darum sollen sie auf diesem Land arbeiten, als sei es für Jahre, und dies wird sich ihnen zu ihrem Nutzen wenden.“ (LuB 51:16,17; Hervorhebung hinzugefügt.)

So wie die Kinder Israel der Wolke folgten und durch die Wüste zogen, wussten auch diese Mitglieder, dass sie sich nicht für immer auf Copleys Farm niederlassen würden. Irgendwann mussten sie weiterziehen. Doch wie lange ihr Aufenthalt auch währen sollte, sie sollten so handeln, als ob sie jahrelang bleiben würden.

Warum sollte der Herr ihnen diesen Rat geben? Manche waren vielleicht mutlos geworden. Sie hausten in einem Wagen oder in einem Zelt auf einem morastigen Feld und konnten sehen, dass andere in besseren Umständen lebten. Der Rat des Herrn änderte wahrscheinlich ihre Einstellung. Sie sollten nicht mutlos sein, sondern Hoffnung haben.

Uns kann es ebenso ergehen. Wenn wir sehen, dass andere etwas haben, wovon wir träumen – eine nette Familie, ein schönes Haus, einen guten Job, eine klare Richtung im Leben –, verlieren wir vielleicht den Mut. Wenn wir beispielsweise wissen, dass wir nicht lange in einer Gemeinde bleiben werden, fragen wir uns vielleicht, wozu wir überhaupt eine Berufung annehmen sollten. Warum sich die Mühe machen, jemanden kennenzulernen? Wir gehen zwar weiterhin zur Kirche, nehmen aber nicht alles mit, was wir aus dieser Erfahrung lernen könnten. Wenn wir unser Leben damit verbringen, an das zu denken, was wir nicht haben, versäumen wir es, für das, was wir haben, wirklich dankbar zu sein.

Wie wir in einem unserer Lieder singen, bieten sich uns heute und jetzt viele Möglichkeiten, und es gibt so manche Arbeit zu tun. Ergreifen wir diese Gelegenheiten, warten wir nicht auf morgen, unternehmen wir noch heute etwas!2

Wenn wir darangehen, „auf diesem Land [zu] arbeiten, als sei es für Jahre“, nehmen wir Gelegenheiten wahr, die wir ansonsten vielleicht übersehen hätten. Vielleicht wird uns dann auch bewusst, dass sich so manche Gelegenheit niemals wieder bieten wird. Und dann denken wir: „Solange ich hier bin, will ich mich nicht verschließen, mein Bestes geben und bewusst glücklich sein. Ich hoffe zwar weiterhin auf eine bessere Zukunft, aber in der Zwischenzeit möchte ich hier etwas Gutes tun.“ Man tritt also nicht nur Wasser, sondern man schwimmt.

Es stellte sich heraus, dass die Mitglieder wirklich nicht lange auf der Farm in Thompson blieben. Leman Copley brach nämlich sein Versprechen und erlaubte ihnen nicht mehr, sich weiterhin auf seinem Grundstück aufzuhalten. Der Herr schickte diese Mitglieder schließlich nach Missouri, aber während sie dort auf dem Acker lebten, gaben sie ihr Bestes, und der Herr segnete sie dafür.

Präsident Dieter F. Uchtdorf, Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, hat gesagt: „Oft kann man die tiefen Täler der Gegenwart erst dann erfassen, wenn man vom Gebirge der künftigen Erfahrungen darauf zurückblickt. Häufig erkennen wir die Hand des Herrn in unserem Leben erst lange nach unseren Prüfungen. Häufig sind die schwierigsten Zeiten im Leben wichtige Bausteine, die das Fundament unseres Charakters bilden und Gelegenheiten, Verständnis und Glück in der Zukunft den Weg ebnen.“3

Wendet euren Sinn nicht zurück

Manchmal geraten wir in Schwierigkeiten, weil wir darauf bestehen, den Zeitplan selbst zu bestimmen, anstatt auf den des Herrn zu vertrauen.

Betrachten wir einmal die Geschichte von Lehis Aufbruch aus Jerusalem aus der Sicht von Laman und Lemuel. Ihr bequemes Leben wird plötzlich unterbrochen, als Lehi sagt, die Familie müsse fliehen, weil Jerusalem zerstört wird. Sie ziehen also in die Wildnis – nur um bald darauf wieder zurückzukehren, weil sie die Messingplatten Labans holen müssen. Sie sollten sich die ganze Zeit mühsam durch die unwirtliche Wüste schleppen, damit dann Laban ihre Kostbarkeiten stehlen und versuchen konnte, sie umzubringen? Da wäre ich auch aufgebracht!

Dazu kam noch, dass Jerusalem aussah wie immer, was Laman und Lemuel vermutlich noch mehr verärgerte. Ich weiß nicht, ob sie erwartet hatten, bei ihrer Rückkehr einen rauchenden Krater zu sehen, aber ich kann mir ihre Gedanken vorstellen: „Sollte Jerusalem nicht zerstört werden? Warum verschwenden wir unsere Zeit in der Wildnis, wenn hier alles ganz normal läuft?“ Jedenfalls führte all dies schnell dazu, dass sie Nephi und Sam schlugen (siehe 1 Nephi 3:29).

Wenn etwas nicht so läuft, wie es unserer Meinung nach laufen sollte, wenn wir meinen, die Feuersäule bewege sich nie schnell genug, wenn wir uns umsehen und ringsum nur einen morastigen Acker sehen, können auch wir den Mut verlieren, bis wir, wie Laman und Lemuel, unseren Glauben aufgeben und unseren Frust an Gott auslassen.

Elder Neal A. Maxwell (1926–2004) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt: „Wenn wir unangemessen ungeduldig sind, was den Zeitplan des allwissenden Gottes betrifft, sagen wir damit eigentlich, wir wüssten, was am besten ist. Eigenartig – wir, die wir Armbanduhren tragen, trachten danach, dem zu raten, der die kosmischen Uhren und Kalender steuert.“4

Natürlich ist das Leben nicht immer leicht, und ich kenne niemanden – mich selbst eingeschlossen –, der sagen könnte, sein Leben sei genau so verlaufen, wie er es sich erträumt hat. Aber ich kenne auch viele Leute, die sagen, dass sie trotz allem mit ihrem Leben zufrieden sind – selbst wenn sie nicht Feuerwehrmann auf dem Mond geworden sind!

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A fire fighter walking on the moon.

Eine solch positive Einstellung entwickeln wir, wenn wir auf unserem Weg durch die Wildnis gläubig und zuversichtlich dem Herrn folgen. Und dann werden wir eines Tages feststellen, dass unsere Erlebnisse in der Wildnis nicht annähernd so schlimm waren, wie wir dachten. Vielleicht geben wir sogar zu, dass es das alles wert war. Der Herr sagt zu jedem von uns:

„Fahrt fort in Geduld, bis ihr vollkommen geworden seid. Lasst euren Sinn sich nicht zurückwenden; und wenn ihr würdig seid, dann werdet ihr zu der von mir selbst bestimmten Zeit … sehen und wissen.“ (LuB 67:13,14.)

Anmerkungen

  1. Richard G. Scott, „Er lebt“, Liahona, Januar 2000, Seite 105

  2. Siehe „Hab ich Gutes am heutigen Tag getan?“, Gesangbuch, Nr. 150

  3. Dieter F. Uchtdorf, „In Geduld fortfahren“, Liahona, Mai 2010, Seite 58

  4. Neal A. Maxwell, „Hoffnung durch das Sühnopfer Jesu Christi“, Der Stern, Januar 1999, Seite 72