2014
Schwestern im Bund
September 2014


Schwestern im Bund

Als Jüngerinnen Jesu Christi haben wir alle Schwestern, die uns lieb haben und uns unterstützen – und zwar ungeachtet der Situation in unserer Familie.

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August 2010 visit to DR Congo for clean water, Relief Society, District Conference, and other welfare projects.

An meinem ersten Sonntag als Studentin in Paris staunte ich über die Vielfalt in meiner neuen Gemeinde. Die FHV wurde von einer liebenswürdigen Frau aus Osteuropa geleitet. Schwestern aus Westafrika liehen mir freundlicherweise ihr Gesangbuch. Eine Asiatin, die ihre Unterlagen sorgfältig ins Französische übersetzt hatte, hielt einen Unterricht, der mir sehr zu Herzen ging. Ich selbst war eine junge Amerikanerin, über 8000 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt, aber ich fühlte mich unter den guten Frauen der Kirche wie zuhause. Wir stammten aus Frankreich, Kambodscha, der Elfenbeinküste, der Ukraine und den Vereinigten Staaten – aber die Altersunterschiede und die kulturellen Unterschiede spielten keine Rolle: Wir spürten unsere Verbundenheit als Schwestern.

In den ersten Jahren am College wurde mir zum ersten Mal bewusst, welch unglaublichem Netzwerk von Schwestern ich mein Leben lang angehört hatte. Da ich keine leibliche Schwester habe, konnte ich mir früher nichts Genaues darunter vorstellen, was es heißt, eine Schwester zu haben. Ich bin sehr dankbar für meine lieben Eltern und für meine Brüder, aber manchmal sehnte ich mich eben nach Schwestern, mit denen ich reden, lachen und gemeinsam durchs Leben gehen konnte. Inzwischen weiß ich, dass ich auf die Schwestern zählen kann, die ich in der „Einheit im Glauben“ (Epheser 4:13) finde. Aufgrund vieler Erlebnisse weiß ich, dass ich mich auf diese glaubenstreuen Frauen verlassen kann – dank dem Evangelium Jesu Christi habe ich Schwestern!

In der Welt hört man zuweilen, es gäbe eine Kluft zwischen Frauen in unterschiedlichen Familiensituationen, zwischen den Generationen, den Kulturen und unterschiedlichen Persönlichkeiten. Tatsächlich sind wir Schwestern aber durch Liebe, Dienst am Nächsten und unsere göttliche Herkunft als Kinder des Vaters im Himmel verbunden. Diese Einigkeit versetzt uns in die Lage, unsere Taufbündnisse zu erfüllen. Wir haben versprochen, „in die Herde Gottes zu kommen und sein Volk genannt zu werden, und [sind] willens, … des anderen Last zu tragen, damit sie leicht sei, ja, und willens …, mit den Trauernden zu trauern, ja, und diejenigen zu trösten, die des Trostes bedürfen, und allzeit und in allem und überall, wo auch immer [wir uns] befinden … als Zeugen Gottes aufzutreten“ (Mosia 18:8,9).

In die Herde Gottes kommen

Schwestern helfen einander auf vielerlei Weise, diese Taufbündnisse zu halten. Ting Chang aus Taiwan kam „in die Herde Gottes“, als sie die Mittelschule besuchte. Da es ihrer Familie finanziell überhaupt nicht gut ging, ließ Ting das Mittagessen aus, um Geld zu sparen. Jina, eine Klassenkameradin, bemerkte dies. Daraufhin gab Jinas Mutter ihrer Tochter regelmäßig mehr Essen mit in die Schule, damit sie Ting etwas abgeben konnte. Bald lud Jina ihre neue Freundin auch zur Kirche ein. Jinas Mutter hatte sich kurz zuvor der Kirche angeschlossen, und Jina hörte sich gerade an, was die Missionare zu sagen hatten. Auf Ting machte diese beispielhafte Nächstenliebe großen Eindruck, und sie hörte ebenfalls den Missionaren zu.

Gemeinsam lasen Ting und Jina in den Schriften und schrieben heilige geistige Erlebnisse in ihr Tagebuch. Ihre Verbundenheit als Schwestern wurde noch inniger, als sich die beiden Mädchen am gleichen Tag taufen ließen. Heute sind beide auf Vollzeitmission und wollen die Freude, die das Evangelium Jesu Christi bringt, weiter verbreiten. Jina, ihre Mutter und Ting sind Schwestern geworden, weil sie nach den Grundsätzen des Herrn leben und seinen Namen auf sich genommen haben.

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Sister missionaries serving at Temple Square.

Einer trage des anderen Last

Einander liebevoll beizustehen ist ein weiteres Merkmal wahrer Verbundenheit als Schwestern. In der Kirche geschieht dies durch Dienst am Nächsten und durch das Besuchslehren. Jacqueline Soares Ribeiro Lima aus Brasilien erzählt, wie zwei Besuchslehrerinnen ihr und ihrer Familie beistanden, nachdem bei ihr eine manisch-depressive Erkrankung diagnostiziert worden war und sie sich nicht imstande sah, regelmäßig zur Kirche zu gehen: „Mein Mann Vladimir hat mir nach besten Kräften geholfen, die schlimmste Phase der Krankheit durchzustehen. … Er musste diese schlimme Zeit alleine durchstehen, bis dann zwei wunderbare Frauen als meine Besuchslehrerinnen berufen wurden.“

Die beiden Frauen, Rita und Fátima, machten sich liebevoll ans Werk, indem sie sich über die Krankheit informierten und Jacquelines Familie unterstützten. Sie spürte stets ihr aufrichtiges Interesse. Unter anderem veranstalteten sie eine kleine Party für Jacqueline und nähten ein Kleidchen für ihre Tochter. Mit der Zeit gab Ritas und Fátimas aufrichtiges Interesse Jacqueline auch geistig Auftrieb, und sie ging wieder regelmäßig zur Kirche. Ihre Besuchslehrerinnen gaben ihr die Kraft.

Ob die Bürde unserer Schwestern körperlicher, seelischer oder geistiger Natur ist – es ist eine wunderbare Erfahrung, einer müden jungen Mutter, einem schüchternen Bienenkorbmädchen, einer einsamen älteren Frau oder einer überforderten FHV-Leiterin liebevoll etwas Gutes zu tun. Frauen des Bundes „haben Freude am Dienen und an guten Werken“1, und deshalb achten sie auf die Schwestern, die müde oder erschöpft sind, und richten sie auf.

Mit den Trauernden trauern

Frauen des Glaubens folgen dem Beispiel des Heilands und nehmen sich liebevoll ihrer Mitmenschen an. Ein wirklich gutes Beispiel für selbstlose Liebe ist die Geschichte von Noomi aus Betlehem und ihrer Schwiegertochter Rut aus Moab. Rut wollte für ihre Schwiegermutter da sein, nachdem Noomis Mann und ihre Söhne gestorben waren. Noomi beschloss traurigen Herzens, in ihre Heimat zurückzukehren. Die beiden Frauen stammten aus unterschiedlichen Kulturkreisen und hatten ursprünglich einen anderen Glauben, aber sie wurden Freundinnen, die einander dabei unterstützten, rechtschaffen zu leben, und die ihre Prüfungen gemeinsam bewältigten.

Ruts beispielhaftes Leben und ihre Hilfsbereitschaft waren so überragend, dass Noomis Trauer sich in Freude verwandelte, weil sie sich reich gesegnet fühlte, eine so wundervolle Schwiegertochter und Schwester im Evangelium zu haben. Sie standen einander so nahe, dass andere Frauen, die ihren liebevollen Umgang miteinander sahen, sagten: „Gepriesen sei der Herr, der [dir] deine Schwiegertochter [gegeben hat], die dich liebt, … die mehr wert ist als sieben Söhne.“ (Rut 4:14,15.)

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A woman pushing an elderly woman in a wheelchair. Another woman is embracing the woman in the wheelchair.

Diejenigen trösten, die des Trostes bedürfen

Ein kurzer Brief von einer Schwester aus ihrer Gemeinde gab Raihau Gariki aus Tahiti, die einen Monat nach ihrem achtzehnten Geburtstag zur FHV-Lehrerin berufen worden war, Auftrieb. Sie war sehr nervös gewesen, da sie nun „Mütter und Großmütter, Frauen, die schon so viel wussten, viele Prüfungen durchlitten und viel Lebenserfahrung hatten“, unterrichten sollte. Nach ihrem ersten Unterricht erhielt sie von einer Schwester einen kurzen Brief „voll liebevoller Worte“. Dieser Brief stärkte ihr Selbstvertrauen. Sie klebte ihn in ihr Tagebuch, um ihn wieder lesen zu können, wenn die Dinge mal nicht so gut liefen.

Schwestern im Evangelium trösten und unterstützen einander in Krisensituationen. J. Scott Featherstone, ein Pfahlpräsident in Utah, erzählt davon, wie er einmal mit seiner Frau eine Frau im Pfahl besuchte, deren Mann verstorben war. „Meine Frau hielt sie einfach im Arm und weinte mit ihr und tröstete sie, bis die Schwester spürte, dass sie geliebt wurde.“ Manchmal sind es Kleinigkeiten, mit denen man einer Schwester beistehen kann.

Als Zeugen Gottes auftreten

Es liegt eine große Kraft darin, wenn Frauen jeglichen Alters gemeinsam für Wahrheit und Rechtschaffenheit eintreten.2 Unsere Verbundenheit als Schwestern im Evangelium Jesu Christi gibt uns Kraft ungeachtet der Lage, in der wir uns in einer zunehmend schlechten Welt befinden. Selbst die ganz Kleinen können als Zeuge Gottes auftreten: Jessica Vosaniyaqona aus Kalifornien erfuhr von den sechsjährigen Mädchen in ihrer PV-Klasse vieles über das Evangelium. Sie machten ihr bewusst, wie wichtig die Familie ist, und gaben Zeugnis davon.

Auch ältere Schwestern sind große Vorbilder. Kimm Frost aus Utah erinnert sich an viele Frauen, die Einfluss darauf hatten, dass sie im Evangelium stark blieb, darunter Ursula Squires. Kimm schrieb: „Schwester Squires wurde mit über 90 meine Besuchslehrpartnerin. Sie sah und hörte nicht mehr gut, aber das Evangelium bedeutete ihr alles. Sie ging immer zur Kirche und war eine gewissenhafte Besuchslehrerin. … Sie war mir ein großer Ansporn.“ Die Schwestern stehen durch ihr Beispiel und durch das Zeugnis, das sie geben, vereint als Jüngerinnen des Herrn da.

Schwestern in der Kirche Gottes

Als ich die Frauen beobachtet habe, die „allzeit und in allem und überall … als Zeugen Gottes“ auftreten (Mosia 18:9), habe ich in ihnen wahre Schwestern gefunden. Ich hatte die Gelegenheit, eine Vollzeitmission zu erfüllen. Als ich in die Tempelplatz-Mission Salt Lake City berufen wurde – die einzige Mission in der Kirche, in der nur Frauen dienen – fürchtete ich mich zugegebenermaßen ein wenig davor, von so vielen Frauen umgeben zu sein. Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Mein Zeugnis von der Verbundenheit der Schwestern wuchs immens, als ich mit vielen Frauen zu tun hatte, die alle durch ihr alltägliches Verhalten Zeugnis vom Erlöser gaben.

Am Weihnachtsabend rief unser Missionspräsident alle Missionarinnen zusammen, und wir schauten uns einen aufbauenden Film an. In dem Film waren auch zwei Schwestern zu sehen, die einander in beängstigenden Umständen zur Seite standen. Ihre Einigkeit berührte mich sehr. Während wir den Film anschauten, sah ich mich unter all den lieben Missionarinnen um, und der Geist gab mir deutlich Zeugnis, dass unsere Verbundenheit als Schwestern in der Tat ein ewiges Band ist, das der Vater im Himmel so vorgesehen hat – und auch ich gehöre dazu! Was für eine wunderbare Wahrheit das ist: Wir sind nie allein, denn der Herr hat uns allen Schwestern gegeben.

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Young women laughing together

Die Verfasserin lebt in Utah.

Anmerkungen

  1. „The Relief Society Declaration“, The Latter-day Saint Woman: Basic Manual for Women, 2000, Seite XI

  2. Siehe Mein Fortschritt, Broschüre, 2009, Seite 2

Foto der Frauen in der Demokratischen Republik Kongo von Howard Collett